Kapitel 34 – Spontaner Entschluss

„Sam, du musst für die einspringen!"

„WAS?", entgegnete Samantha völlig perplex. „Das…das ist unmöglich! Ich sehe doch nicht aus wie sie und ich weiß auch gar nicht, was sie singt und überhaupt ist es schon Jahre her, dass ich gesungen habe! Ich klinge bestimmt schrecklich!"

In der Tat war die Zeit, in der Samantha, Lara und andere Freunde in der Karaoke-Bar die Nacht durchgefeiert hatten, vorbei. Zudem hatte Samantha nur damals in ihrer Schulband auf der High School professionell gesungen und das war leider schon etwas länger her.

„Ist doch ganz einfach, Sam! Wir packen die beiden in die Müll-Container und geben uns als sie aus! Das merkt bestimmt keiner! Schau dir das Chaos da drinnen an! Und während du singst, gehe ich rauf zu Powell und nehme ihr die Stücke ab! Ha! Der Plan ist perfekt! Stell dich nicht so an!"

„Also Lara, ich kenn das Stück nicht, das sie singt! Wie soll ich den da die tonalen Sprünge, Tripel und Viertel hinbekommen! Ich kann meine Bauch- und Kopfstimme nicht mehr so kontrollieren wie früher! Ja, Kopfstimme! Wie soll ich denn da die Vibrationsschwankungen beim tonalen Aufbau vermeiden, geschweige denn kontrollieren! DA verlangst du eindeutig zu viel von mir!", versuchte Samantha sich zu wehren.

„Okay…ich hab zwar kein Wort verstanden, aber es ist unserer einzige Möglichkeit an die Pyramide zu kommen! Ich bitte dich Sam, mach's wie früher! Lass dir Text und Melodie geben und dann sing einfach drauf los!", bat Lara ihre gute Freundin.

Sich einfach so spontan vor bestimmt zweihundert Leuten hinzustellen und ein Lied zu singen, von dem man vorher noch nie etwas gehört hat, erforderte ein ganzen Stück Überwindung, das Samantha nun aufbringen musste. Schließlich ging es um das Schicksal der Menschheit und das war ein weitaus höherer Preis als eine Blamage.

„Gut…na gut. Ich tu's. Aber auch nur weil es die Sache wert ist ausgebuht zu werden."

„Was ist denn eigentlich…", begann die aufwachende und am Boden liegende Lita Conchita, der Lara auf diese Tatsache hin einen weiteren Schlag versetzte.

„Macht Platz für Lita Conchita! Ja, genau! Hey, weg da!", versuchte Lara sich in ihre Rolle als Agentin hineinzuversetzen. Die Originale lagen nun wohlverstaut in Mülltonnen (netterweise in denen für Papier) und dürften erst in einer Stunden aufwachen. Der Plan war klar: Samantha würde für die Gäste der Party singen, während Lara sich im dritten Stock die Pyramide schnappte. Nun waren sie hinter der Bühne und Samantha versuchte krampfhaft in vier Minuten ein Lied zu lernen, um es vor Publikum zu präsentieren.

„Du machst das, Sam", ermutigte Lara sie. „Das weiß ich. Also…ich geh mich dann mal umsehen", flüsterte sie ihr ins Ohr. Samantha nickte stumm, da sie sich konzentrieren musste. Nun suchte Lara den Weg zur Rezeption und wollte durch eine Tür den Backstage-Bereich verlassen, als sie von einem muskulösen Bodyguard aufgehalten wurde.

„Wer sind Sie?", fragte er dumpf.

„Ich? Sie fragen, wer ich bin? Ich bin die Managerin von Lita Conchita", gab Lara etwas übermütig zurück.

„Wie ist ihr Name?"

‚Ja, wie ist denn der eigentlich…?', ging es ihr verzweifelt durch den Kopf.

„Sie wissen nicht meinen Namen? Jeder hier kennt meinen Namen, fragen Sie mal den Praktikanten, der da hinten die Stullen schmiert, der kennt meinen Namen! Was ist denn das für ein Laden, in dem das Leibwächter-Personal nicht mal meinen Namen kennt…unglaublich!", versuchte sie sich herauszureden und ging einfach an dem Muskelprotz vorbei, der dies auch noch zuließ.

‚Das war knapp', dachte sie aufatmend, als sie im Rezeptionsbereich war. Die freundliche Dame würde sie sicher nicht fragen wollen. Zipp hatte gesagt, ihre Feinde hätten die ganze dritte Etage reserviert. Dann musste sie wohl dort sein. Mit einem aufgesetzten Lächeln ging sie an der Empfangsdame vorbei, die genau so gekünstelt zurücklächelte, die Treppe hinauf in die dritte Etage.

Es war nicht schwer, das Zimmer von Mariah Powell auszumachen. Es war das einzige, vor dem Wachen postiert waren. Sie ging zu ihnen hin.

„Ich würde gerne in dieses Zimmer", begann sie vor den ebenfalls muskelbepackten Männern.

„Tut mir Leid, aber dies ist das Zimmer von Mariah Powell. Wir haben strikte Anweisungen niemanden herein zu lassen. Außerdem ist sie momentan nicht anzutreffen", antwortete der eine Mann als ob er es auswendig gelernt hatte.

‚Da wird aber jemand schmerzhaft entlassen…auch noch gleich zu sagen, dass es ihr Zimmer ist…wie blöd können Leute sein?', schmunzelte sie in Gedanken.

„Ach so. Natürlich können sie sich auch verweigern. Aber Miss Powell erwartet mich. Allerdings sagte sie, sie würde diejenigen vierteilen, die mich nicht zur ihr ließen. Ach, nein! Sie hatte mit von einer ihrer neuen Foltermethoden erzählt, bei der man beide Arme nimmt und sie-"

„Wenn das so ist…natürlich können Sie rein…warum auch nicht…", antwortete der Mann nervös und ließ Lara nach Benutzen der Leasing-Karte, passieren.

„Zu freundlich…ich werde sie von euch grüßen", verabschiedete sie sich und schloss die Tür. Man hatte gesagt, sie sei im Moment nicht anzutreffen. Wahrscheinlich war sie unten bei der Feier oder mit irgendeiner Gemeinheit beschäftigt. Sofort begann Lara die Schubladen und Schränke zu durchsuchen, sogar hinter die Bilder an der Wand sah sie, fand jedoch nichts. Gerade, als sie unter das Bett sehen wollte, hörte sie wie die Tür zum bad geöffnet wurde. Sie sah auf und dort stand Mariah Powell im kurzen, dunkelblauen Bademantel, mit nassen Haaren und lehnte sich lässig an die Wand.

„Das ist aber nicht nett mein Zimmer zu durchstöbern", versetzte sie.