Kapitel 41 – Das rote Licht der Leitung

„Eigentlich traurig, oder?", fragte Samantha.

„Was?"

„Das, was Mariah alias Shai passiert ist."

„Es ist traurig, ja", gab Lara zu. Nun wussten sie, dass Mariah Powell dieses schwere Schicksal gehabt hatte. Dennoch konnten sie keine Rücksicht darauf nehmen, dass sie die Welt erobern wollte. Die beiden standen am Zentralplatz, und saßen am Rande des Springbrunnens. Von hier aus konnten sie sogar in ihr Zimmer im Hotel sehen. Es war Neumond und die Statuen waren mittlerweile alle ausgerichtet worden. Es war nur eine Frage der Zeit bis auch Mariah Powell herkam, um den Weg zum geheimen Tempel des Horus zu finden.

„Ich hoffe nur, dass wir sie aufhalten können", gestand Lara.

„Hey, schau mal", bemerkte Samantha. Nun trafen auch Mariah Powell und ein Gefolge von etwa dreißig Söldnern ein. Selbstzufrieden schritt sie auf den Springbrunnen zu, begleitet von ein paar Kämpfern, blieb dort stehen und sah hinauf in den Himmel. Keiner sprach ein Wort und selbst die ahnungslosen Söldner schwiegen, da die Anspannung einfach zu groß war. Mariah schien es nicht für nötig zu halten die beiden festhalten zu lassen. Dafür war sie sich ihres Erfolges schon zu sicher. Lara sah auf ihre Uhr. Es war zwei Uhr morgens. Die Straßen waren leer. Gleich neben dem Springbrunnen stand ein Jeep, den sich Lara und Samantha gemietet hatten. Sie wollten bestens vorbereitet sein, da bald ein Wettrennen gegen Mariah Powell folgen würde. Auch ihre Feinde waren gut auf eine Hetzjagd vorbereitet. Sie waren gleich mit mehreren Geländefahrzeugen angerückt und Mariah Powell war wohl aus dem Teuersten gestiegen.

Dann, plötzlich merkte man ein rotes Licht strahlen. Im ersten Moment dachte Lara es sei die Morgendämmerung gewesen, doch als sie sich umdrehte, sah sie wie drei rote Lichtstrahlen aus den drei Richtungen der Tempel schienen. Sie trafen sich genau über dem Springbrunnen zu einem zusammen, der etwa eine Minute in dieser Position verhaarte. Alle sahen gespannt auf den hellen Strahl, denn er würde den Aufenthaltsort des geheimen Tempels bekannt geben. Ein paar Sekunden lang fixierten Lara uns Mariah einander als wollten sie schon einmal vom Blick her testen, wer die Stärkere war. Dann wandten sie sich jedoch wieder dem roten Licht zu.

Die Lichtstrahlen erloschen. Genau über dem Springbrunnen sammelte sich eine Kugel roten Lichtes. Einen Moment lange geschah nichts. Doch dann flog das Licht auf einmal über alle hinweg und weg von der Stadt. Es flog zum Tempel.

Dies wussten nun auch Lara, Samantha und Mariah, also zögerten sie keine Sekunde und starteten die Motoren. Sie fuhren weit über dem Tempolimit, doch daran dachte niemand. Alle versuchten irgendwie das Licht in Sichtweite zu halten, dass rasend schnell fortflog. Irgendwann verließen sie die Stadt und waren auf der Landstraße und irgendwann auf Wüstensand unterwegs. Mariah Powell hatte noch immer keinen Befehl gegeben Lara und Samantha unschädlich zu machen.

Dann, nach ein paar Kilometern hielt das Licht und nistete sich im Sand ein. In sicherem Abstand sahen alle auf den roten Schimmer, der aus dem Sand hervorlugte. Dann wurde das Gefunkel immer stärker und sandte Wellen aus, die bald Hunderte Meter weit reichten. Der Schimmer hinterließ Teile eines Gebäudes, eines Tempels. Sie wurden immer deutlicher und mit einem lauten Knall löste das Licht sich auf und viele kleine rote Schnuppen fielen in den Sand. Zu sehen war nun ein Tempel, der aussah als wäre er schon Tausende von Jahren alt. Es war unglaublich, man könnte denken, dass sie soeben eine Zeitreise vollbracht hätten.

Die erste, die sich wieder in der Realität zurückrief, war Mariah Powell, die aus ihrem Jeep sprang und zum Eingang des Tempels lief, hinter ihr die dreißig Söldner. Lara und Samantha rannten hinterher, jedoch mit recht wenig Hoffnung etwas gegen ihre Feinde ausrichten zu können. Im Tempel spürten sie nur noch wie man sie packte und fesselte, genau so wie alle anderen im Gebäude selbst. Es waren allesamt Ägypter, die da angegriffen und unschädlich gemacht wurden. Mariah schien es recht egal zu sein, wie ihre Söldner die Wächter des Tempels, die moderner Waffengewalt weit unterlegen waren, aus dem Weg schaffte. Sie ging schnurstracks gerade aus auf ein großes Tor zu. Doch da sprang ihr ein Mann, etwa ihren Alters, entgegen.

„Shai, tu es nicht! Warum willst du die Macht eigentlich? Ich weiß, dass es falsch war, was wir früher getan haben, aber es tut uns leid und-"

„Es tut euch leid! Ja, jetzt, wo ich im Begriff bin hier alles einzunehmen, nicht wahr? Ihr würdet mich noch heute schikanieren, wäre ich damals nicht weggelaufen! Geh mir aus dem Weg! Ich werde mir die Macht zu eigen machen und euch alle töten!", versetzte sie dem Mann mit Verachtung und Hass in den Augen.

„Wir könnten noch mal von vorne anfangen und-"

„Red keinen Stuss. Ihr habt Angst, nichts weiter. Ihr tut nur so als würde es euch Leid tun, dass ihr mir fünfzehn Jahre meines Lebens zur Hölle gemacht habt! Ihr seid allesamt nur verdammte Lügner! Ihr habt nichts Besseres verdient", erklärte sie, zog ihre Waffe und erschoss den Mann. Sie fühlte Genugtuung, als einer derer ihr blutend zu Füßen lag, der einmal so viele gegen sie aufgehetzt hatte. Er zuckte noch; er war nicht tot. Mariah hoffte, dass er unausstehliche Schmerzen litt, so wie sie damals. Leiden sollten sie alle, damit sie wenigstens einen kleinen Teil ihres Hasses ausleben konnte. Mit diesen Gedanken öffnete sie das große Tor vor ihr. Nun würde sie sich die Macht holen und niemand würde sie aufhalten. Kraftvoll schloss sie das große Tor hinter sich und ließ das Chaos und die Verwüstung ihres Gefolges zurück.

Noch einige Minuten brauchten die Soldaten, um alle zum Schweigen zu bringen. Viele waren tot und viele lagen in Fesseln auf dem Boden so wie Lara uns Samantha. Es war aussichtslos. Mariah war schon über alle Berge und sie lagen hier gefesselt und bewacht. Doch dann geschah etwas Außergewöhnliches. Auf einmal hielten sich die Söldner die Brust, sanken zu Boden, rangen um Atem. Dies einige Sekunden lang, bis sie plötzlich regungslos dalagen.

„Wie…?", fragten die beiden gleichzeitig. Dann sahen sie wie die gleiche Frau die Bildfläche betrat, die ihnen gestern Mariah Powells Geschichte erzählt hatte.

„Sie hat es also geschafft", gab sie von sich und schnippte mit den Fingern. Die Fesseln aller im Raum lösten sich.

„Shug…? Wie hast du das…?", wollten Lara uns Samantha wissen, nachdem sie sich aufgerichtet hatten.

„Ägyptische Magie. Viel wichtiger ist wie es nun weitergehen soll. Meine Schwester ist schon durch das Tor getreten, nicht wahr?", erkundigte sie sich sachlich.

„Ja, ist sie. Wohin führt das Tor?", gab Lara zurück.

„Zum Schrein, wo sie alle fünf Teile einsetzen wird. Eine Katastrophe. Ich glaube wie haben verloren."

„Hör auf so etwas zu sagen! Es ist erst vorbei, wenn wir alle tot sind! Und das sind wir noch nicht! Wir sind noch am Leben und werden alles tun, um sie aufzuhalten!", rief Lara in den Raum. Shug lächelte.

„Wie weit bist du bereit zu gehen, um Shai aufzuhalten?", entgegnete Shug.

„Ich würde mein Leben geben", antwortete Lara mutig.

„Na gut. Komm mit", bat Shug und Lara folgte ihr. Sie verständigte sich mit einem Blick zu Samantha, dass sie hier bliebe, um den Verletzten zu helfen. Lara folgte Shug in einen der anliegenden Räume. Er war abgedunkelt, doch durch die Vorhänge schien etwas Licht. Shug war zu einem der Regale gegangen und stand mit einem Gefäß in der Hand nun vor Lara.

„Was hast du vor?", fragte Lara.

„Das wirst du nun sehen", antwortete Shug, nahm das Pulver, das sich darin befand und blies es Lara ins Gesicht. Zuerst wollte sie fragen, was zum Teufel das denn solle, doch schon fühlte sie wie sie den Boden unter den Füßen verlor und ihr schwarz vor Augen wurde. Sie wollte nun nicht das Bewusstsein verlieren, denn sie wollte Mariah unbedingt aufhalten, doch dann war sie auch schon ohnmächtig.