Mariah schritt weiter die Treppe hinauf. Nichts und niemand würde sie aufhalten. Bald wäre es vorbei und sie würde endlich mächtig sein. Oben auf dem Podest lag an einem glänzenden Band ein blutroter, glänzender Skarabäenanhänger. Mariah strich über den Skarabäus. Es fühlte sich gut an und sie spürte die Macht schon. Gleich würde es vorbei sein und alle die Anstrengungen ihres Lebens würden sich nun endlich auszahlen.
Währenddessen stand Lara immer noch unten vor der Treppe. Sie würde Mariah nicht aufhalten können. Dafür war sie schon viel zu weit gekommen. Zwar wollte sie es sich nicht eingestehen, aber ein kleiner Teil von ihr gönnte Mariah alias Shai den Sieg.
Sie nahm das schwarze Band, das den Anhänger trug und legte es um ihren Hals. Der Skarabäus leuchtete noch stärker, als er schließlich auf ihrer Brust lag. Er hob und senkte sich mit jedem Atemzug und mit jedem Atemzug genoss sie die Macht.
„Endlich…endlich!", murmelte sie und lachte. Erst leise, dann wurde es lauter. Nun könnte sie es allen heimzahlen. Den Schmerz, die Peinigungen. Sie war so verrannt in ihre Genugtuung, dass sie nicht merkte wie aus dem Amulett der Geist eines kleinen Falken stieg und in ihr Herz flog. Mariah lachte noch immer so hämisch, doch dann stockte auf einmal ihr Atem. Ihre Augen drehten sich nach innen, sie verlor das Gleichgewicht und stürzte die Treppe hinunter. Als sie unten am Fuß der Treppe lag, rannte Lara sofort zu ihr hin. Sie war tot.
Lara verstand nicht und wollte nach einer Erklärung suchen, aber auf einmal begann ein Erdbeben und alles um sie herum schwankte. Schließlich wurde ihr schwarz vor Augen und sie verlor das Bewusstsein.
„Hmm…", brachte sie nur hervor, als sie wieder die Augen öffnete. Es war viel zu hell. Doch dann sah sie Samanthas Gesicht und beschloss die Helligkeit zu ertragen.
„Gott sei dank", meinte Samantha, als sie sah, dass Lara die Augen geöffnet hatte.
„Was ist denn…", fragte Lara, konnte die Frage jedoch nicht zu Ende führen.
„Du lagst nur auf einmal vor dem Tor zum Schrein. Was ist mit Mariah?"
„Sie…", begann Lara. Was war passiert? Warum starb Mariah, als sie dich das Amulett umgelegt hat? „Sie ist tot", erklärte Lara schließlich wahrheitsgemäß.
„Was? Aber…wieso?", wollte Samantha verblüfft wissen.
„Vielleicht…war ja der schlechte Teil ihrer Seele zu groß…oder…", sinnierte Lara, als ihr eine Möglichkeit einfiel. „Natürlich. Es war wie bei Merit…der Pharaonin. Es gibt ohne Ying kein Yang. Das Gute kann nicht ohne das Böse existieren. Wir alle haben eine gute und eine schlechte Seite. Es liegt an uns, welche davon sich stärker in unsere Persönlichkeit integriert."
„Aber…diese Merit hat doch einige Zeit überlebt", entgegnete Samantha.
„Ja. Bei Göttern ist das anders. Götter sind entweder gut oder schlecht. Ihre Seele ist einteilbar, nicht so wie die menschliche. Im alten Ägypten waren Pharaonen als Götter angesehen. Aber eben nur angesehen. In Wirklichkeit waren auch sie normale Menschen", erklärte Lara müde.
„Heißt das…man hätte dieses ganze Drumherum mit den Familien nie benötigt?"
„Das würde ich nicht sagen. Du weißt doch wie viele Verrückte es auf dieser Welt gibt. Wie viele Sekten, von deren Anführer geglaubt wird, er sei ein Gott. Außerdem…wer weiß, was es noch für Mythen auf dieser Welt gibt. Bestimmt besagt irgendein anderes Artefakt man könne mit ihm zu einem Gott werden. Es gibt sicherlich eine Möglichkeit die Pyramide doch noch richtig einzusetzen."
„Ja. Da könntest du recht haben."
„Apropos, wo ist die Pyramide?"
Samantha holte die fünf Teile der Pyramide aus einer Schublade am Nachttisch neben Laras Bett und verteilte sie auf ihrer Decke.
„Sie lagen neben dir, als die aus dem Schrein kamst. Shug meinte, dass sie bei dir sicherer aufgehoben wären."
Lara richtete sich auf und musterte die Goldstücke.
„Das glaube ich auch. Ich werde sie mit nach England nehmen", beschoss Lara und legte die fünf Teile wieder zusammen.
„Dann ist das wohl nun das Ende dieses Abenteuers", bemerkte Samantha lächelnd. Lara sah auf ihren Arm. Der Ankh war verschwunden.
„Ja. Das ist es wohl", stimmte Lara ebenfalls lächelnd zu. „Sam, lass uns nach Hause gehen."
