So, hier ist auch schon das zweite Kapitel. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.


Lass' den Kater aus dem Sack

Namensfindung

„Was hast du jetzt nur angestellt?" schnaubte Kai und besah sich das Chaos, welches in seinem Zimmer herrschte.

Die Bettdecke war komplett zerwühlt, die Schranktür hing irgendwie schief in ihren Angeln. Das Kissen in seinem Bett schien regelrecht zerfetzt, und kleine Federn, ähnlich den Schneeflocken vorm Fenster, schwebten sanft zur Erde. Die Vase, die bis vor kurzem noch auf dem Tisch neben dem Schrank gestanden hatte, lag zerbrochen auf dem Boden, während sich ihr Inhalt einen Weg über das glatte Holz suchte. Die Blumen, die sich in besagter Vase befunden hatten, waren kreuz und quer über den Boden verteilt.

Und inmitten dieses Chaos saß eine kleine, unschuldig aussehende Katze und maunzte leise.

„Was ist denn in dich gefahren?" Absolut ungläubig starrte Kai in sein Zimmer. Wie konnte so ein kleines Tier nur so ein riesiges Durcheinander anrichten?

„Wie bist du eigentlich aus dem Schrank gekommen?" wollte er wissen. Doch, wie nicht anders zu erwarten, gab ihm die Katze keine Antwort, sondern schaute ihn nur mit einem liebevollen Blick an.

„Argh! Jetzt schau mich nicht so an. Ich bin wirklich stinkesauer. Wie kannst du nur?" brummte er vor sich hin und versuchte gekonnt, die Katze zu ignorieren, während er anfing wieder Ordnung in seinem Zimmer zu schaffen.

Aber wie kleine liebe Tiere nun mal so sind... Sie mochten es gar nicht, wenn man sie einfach links liegen ließ und sich nicht um sie kümmerte. Forsch tapste das Kätzchen auf den Russen zu und begann, sich an seinem Bein zu reiben, wobei sie leise schnurrte.

Kai sah sie an, wusste er jetzt nicht, ob er verärgert sein oder sie einfach in den Arm nehmen sollte.

„Das darf doch echt nicht wahr sein," murrte er, während er sich bückte, um das Tier auf seinen Arm zu heben, „ich kenn dich kaum, und doch kann ich dir nicht wirklich böse sein. Ich glaube, ich werde langsam weich."

Mit einem Seufzen ließ er sich auf das Bett fallen. Die Katze machte es sich auf seinem Schoß bequem und schnurrte weiter, während Kai sie am Kopf kraulte.

„Wie soll ich dich eigentlich nennen? Hn?" Fragend musterte er das Tier, das es sich auf seinen Beinen gemütlich gemacht hatte. Sanft fuhren seine Finger über das schwarze Fell, während er angestrengt nachdachte.

/Ok. Sie ist ja schon irgendwie ganz süß... Moment... Vielleicht ist es gar keine ‚sie', sondern ein ‚er'./

Er wurde ein wenig rot um die Nasenspitze, als er die Katze hochhob und nach etwas Bestimmten suchte.

/Na gut. Keine Katze. Sondern Kater. Na ja, jeder kann sich mal irren. Sieht man ihm ja auch nicht gleich an./ Unwillkürlich musste er grinsen. /Wie soll man einem Kater ansehen, dass er ein Kater ist?... Stopp! Ich sollte wohl doch ernst bleiben. Aber wie nenn ich ihn jetzt? Da bin ich ja immer noch nicht weiter gekommen./

Kai war in seine Gedanken vertieft, um einen passenden Namen zu finden, so dass er nicht merkte, wie der kleine Kater aufgesprungen war und begann durch das Zimmer zu tapsen.

Erst ein Maunzen ließ den Russen aufblicken. Sofort bemerkte er, dass der Kleine nicht mehr auf seinem Schoß saß und schaute sich um.

Er entdeckte ihn, wie er sich das Köpfchen an einem Bilderrahmen rieb.

„Hm. Was willst du mir jetzt damit sagen?" Verwundert stand er auf und ging langsam auf das Regal zu, in dem sich der Kater nun zusammengerollt hatte. Er schaute auf das Bild, welches in dem Rahmen war, der soeben noch als ‚Kratzhilfe' gedient hatte. Ein Lächeln machte sich auf seinen Zügen breit.

Das Bild zeigte die Bladebreakers, wie sie ihr letztes Turnier gewonnen hatten. Takao hatte sich mal wieder den Pokal geschnappt und sich in die Mitte des Bildes gedrängt, während Max versuchte, ihn zur Seite zu schieben, so dass auch noch Platz für die anderen Teammitglieder blieb. Rei stand links daneben, Kai war rechts hinten und schaute desinteressiert zur Seite.

Der Russe konnte sich noch gut an die Situation erinnern. Der arme Fotograf hatte entgeistert auf die Truppe vor sich gestarrt, wollte sich doch keiner so aufstellen, wie er es für das ‚perfekte' Foto gerne gehabt hätte.

Max war die ganze Zeit mit Takao beschäftigt und redete auf ihn ein, damit er endlich diesen blöden Pokal gehen ließ. Schließlich hatte er ihn nicht alleine gewonnen, und der Amerikaner wollte ihn auch einmal anfassen. Rei stand seufzend neben ihnen und hielt sich mit einer Hand den Kopf, welchen er langsam schüttelte und dabei etwas murmelte, was stark nach „Kindergarten!" klang.

Kai hatte sich indessen an die Wand hinter ihnen gelehnt. Ihn schien es nach außen hin nicht zu interessieren, was vor ihm passierte. Doch in Wirklichkeit hatte er die ganze Situation mit einem Ohr verfolgt und musste sich schwer beherrschen, damit er nicht anfing zu grinsen. Wie würde das denn aussehen? Ein Kai Hiwatari und Grinsen? Nein, nie im Leben!

Aber es amüsierte ihn schon. Die anderen hatten sich nicht geändert, sie waren immer noch der gleiche Haufen wie vor ein paar Jahren, als er ins Team kam. Nur hatte er diesen Haufen inzwischen doch recht gern, auch wenn er das nie offen gezeigt hätte.

Und dann hatte es plötzlich „Klick" gemacht, und der Fotograf hatte endlich sein Bild, das er für die Zeitung brauchte.

Ein „Miau!" holte ihn aus seinen Gedanken zurück. Fordernd sah ihn der Kater an.

„Was? Was willst du?" wollte Kai wissen, konnte er doch nichts mit diesem Blick anfangen. Es war schon ein seltsames Tier, was er da aufgegabelt hatte...

„Miau!" kam es erneut von dem Kater, welcher nun wieder aufgestanden war und ihn immer eindringlicher ansah. Er marschierte wieder zu dem Bild und stupste es mit seiner Nasenspitze an.

Entgeistert sah der Russe ihn an. Was zum Teufel wollte das Vieh jetzt von ihm?

Der Kater starrte Kai an. Überraschenderweise rollte er mit den Augen und drehte sich wieder zu dem Bild, um es ein wiederholtes Mal mit seinem Kopf zu berühren.

Kai blinzelte. Hatte der Kater eben tatsächlich mit den Augen gerollt? Verwirrt rieb er sich seine eigenen. Nein, er halluzinierte. Eindeutig. Katzen können so etwas nicht!

/War wahrscheinlich doch zu viel Schnee auf einmal. Ich seh schon Gespenster./ beruhigte sich der Russe. /Nur, was will er mir verdammt noch mal sagen/

Er dachte angestrengt nach und blickte immer wieder zwischen dem Bild und dem kleinen Kater hin und her.

Und dann... ging ihm plötzlich ein Licht auf. Er besah sich das Bild noch einmal genauer, um seine Vermutung zu prüfen. Ja, er schien recht gehabt zu haben. An der Stelle, wo Rei abgebildet war, war ein kleiner Fleck, der scheinbar durch die Nasenspitze entstanden war, mit der der Kater das Bild angestupst hatte, zu erkennen. Ansonsten war das Glas, welches das Bild vor Schmutz schützen sollte, vollkommen sauber.

„Willst du etwa, dass ich dich Rei nenne?" Ein wenig ungläubig schaute er auf den Kater, der nun wieder zufrieden maunzte.

„Nein, das geht nicht! Ich kann dich doch nicht nach Rei nennen. Wie sieht das denn aus? Weißt du was? Ich nenn dich Felix."

Ein tiefes Knurren kam aus der Richtung, wo sich der Kater hingelegt hatte.

„Also gut. Felix magst du nicht. Wie wäre es mit... Blacky?"

Ein erneutes Knurren, auf das ein dezentes Fauchen folgte.

„Mauzi?" fragte Kai entnervt.

Fünfzehn weitere Namen und ein fünfzehnmaliges Knurren und Fauchen später gab sich der Russe endlich geschlagen.

„Ok. Dann heißt du eben Rei. Bitte schön. Wenn dir der Name so gut gefällt." grummelte er, während sich der nun auf den Namen Rei Getaufte zufrieden zusammen rollte.

/Das darf doch wohl nicht wahr sein. Jetzt bestimmt der Kater auch noch, wie ich ihn nenne./ Kopfschüttelnd schaute er das schwarze Fellknäuel an, welches es sich gerade auf dem Regalbrett gemütlich machte.

„Kai? Alles in Ordnung bei dir?" kam es plötzlich von draußen. Ein leises Klopfen war zu hören. Erschrocken drehte er sich um.

/Stimmt ja. Das Training. Die warten ja auf mich. Das hätte ich jetzt fast vergessen.../

„Ja, ja. Alles klar hier. Ich komme gleich wieder. Geh nur wieder trainieren, Max." antwortete er netter, als er es beabsichtig hatte.

„Ok."

Kai hörte, wie sich der Blonde entfernte. Er drehte sich wieder zu dem Regal um und starrte Rei intensiv an.

„So, Kleiner. Jetzt hör mir mal gut zu. Ich gehe jetzt trainieren. Und wenn ich zurück komme, dann hast du nichts weiteres mehr angestellt. Hörst du? Nichts! Haben wir uns verstanden, Rei?" zischte er bedrohlich.

Jedoch schien das den Kater in keinster Weise zu beeindrucken. Verschlafen hob er sein Köpfchen, maunzte noch einmal kurz und vergrub es dann wieder unter seinen Vorderpfoten.

Kai seufzte und war dann auch schon nach draußen verschwunden.

/Was hab ich mir da nur eingebrockt/

„Wo warst du denn so lange, Kai?" fragte Takao sofort, nachdem Kai die Halle betreten hatte.

„Das geht dich nichts an." murrte dieser und stapfte zum nächsten Tableau.

Verwirrt schauten ihm die drei hinterher.

„Was?" fuhr er sie an, wobei sie erschrocken zusammenzuckten.

„Wir dachten nur... Nachdem da so komische Geräusche in deinem Zimmer waren..." begann Rei vorsichtig, wurde jedoch sofort wieder von dem Russen unterbrochen.

„Papperlapapp. Du musst dich verhört haben. Und jetzt lasst uns endlich anfangen. Wir sind schließlich nicht zum Spass hier!"

Mit einem Blick, der jede weitere Frage im Keim erstickte, sah Kai die drei vor ihm an. Mit einem weiteren gab er Rei zu verstehen, dass er gegen ihn antreten solle, während Takao und Max das nächste Tableau für sich beanspruchen sollten.

„Na, dann mal los."

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ließ er seinen Blade im Shooter einrasten und startete diesen. Rei musste sich beeilen, um mit Kai mitzuhalten.

/Was ist denn heute in den gefahren? So mies gelaunt war er doch schon lange nicht mehr./ dachte der Chinese verwundert, während er Kai beobachtete, wie dieser verbissen versuchte, den Blade des Anderen aus dem Tableau zu kicken.

Auch Takao und Max beobachteten den Russen schweigend, trauten sich jedoch nicht, diesen noch einmal anzusprechen. Also begannen sie ihr Match.

Drei Stunden später ließ sich Takao erschöpft zu Boden sinken.

„Kann...nicht... mehr... Hunger..." japste er, während er Dragoon in seine Tasche packte.

„Kai. Lass uns für heute Schluss machen, ja?" Vorsichtig blickte Rei zu dem Teamcaptain, welcher immer noch kein Anzeichen von Müdigkeit zeigte.

„Wenn du meinst..." brummelte dieser und ließ Dranzer in seine Hand zurückkehren.

/Wie? Keine Diskussion? Kein Vorwurf, dass wir zu faul sind/ Verwundert sah Rei dem Anderen hinterher, der murrend aus der Halle stapfte. /Aus Kai soll noch mal jemand schlau werden... Also, ich werd es sicher nicht.../

Mit einem Seufzen drehte er sich zu Max und Takao um, die ihn dankbar ansahen, hatte er sie doch mit seiner Bitte vor weiteren Stunden voller Trainingsqualen bewahrt.

/Ich hoffe, Rei hat nichts angestellt./ Kai betete im Stillen, dass sich der Kater wenigstens jetzt gut aufgeführt hatte. Noch mehr Chaos konnte er in seinem Zimmer wirklich nicht vertragen. Ungeduldig lief er zurück ins Haus und lauschte.

/Das ist schon mal gut. Keine Geräusche. Das heißt. Im Moment ist er friedlich. Wehe, der hat noch was angestellt. Dann kann Rei mich aber mal kennen lernen.../

Nervös riss er die Zimmertür auf und unterzog den angrenzenden Raum einer kurzen Musterung.

/Ok. Sieht noch genauso aus wie vorhin. Ist zwar auch nicht berauschend. Aber immerhin besser, als wenn noch mehr kaputt wäre. So, aber wo haben wir jetzt unseren Übeltäter/

Besorgt wanderte sein Blick über das Regal. Doch kein Rei in Sicht.

/Wo ist er denn jetzt hin/ Unruhig begann Kai das Zimmer abzusuchen. Man konnte ja nie wissen, auf welche Ideen der Kater in seiner Abwesenheit gekommen war.

Allerdings war seine Angst unbegründet. Er entdeckte ihn nach nur wenigen Minuten auf dem Bett, wo er sich zwischen die Federn gekuschelt hatte, die immer noch dort lagen.

Liebevoll blickte Kai auf das kleine Fellbündel vor ihm. Warum musste der Kater auch so verdammt süß sein?

Vorsichtig setzte sich der Russe neben ihn und hob ihn zu sich auf den Schoß. Es war inzwischen Abend geworden, und die letzten Sonnenstrahlen suchten sich einen Weg zu ihm ins Zimmer. Sie wurden von dem glatten schwarzen Fell reflektiert, wodurch dieses in allen möglichen Farben schimmerte.

„Warum hab ich mir jetzt nur einen Kater angeschafft?" seufzte Kai leise, während er Rei sanft über das Fell strich, um ihn nicht zu wecken.