Lass' den Kater aus dem Sack

Es beginnt

/Da scheint aber jemand ganz schön genervt zu sein./ dachte Kai, als er das Zuschlagen von Reis Tür hörte.

Wortlos war er dem Schwarzhaarigen die Treppe hinauf gefolgt, um nach dem kleinen Rei zu sehen, nichts ahnend, welche Spekulationen er dadurch bei seinen anderen beiden Teamkameraden auslöste.

„Also, wenn das jetzt mal nicht offensichtlich ist." nuschelte Takao zwischen zwei Bissen.

Er saß immer noch mit Max am Frühstückstisch und kaute zufrieden grinsend an einem Stück Brot herum.

„Meinst du? Je länger ich darüber nachdenke... Immerhin reagiert Rei langsam ziemlich genervt auf unsere Anspielungen." Skeptisch hob Max eine Augenbraue. „Ich meine... Denkst du wirklich, Kai und Rei..."

Der Blonde war ein wenig unsicher geworden, behauptete Rei doch vehement das Gegenteil ihrer bisherigen Vermutungen. Sollten sie sich etwa geirrt haben, und es gab einen anderen Grund für alles? Schließlich begründete Takao seine Annahmen lediglich auf zwei, drei kleinere Andeutungen. Nun ja. Und eben diesen Ausrutscher, den sich Kai geleistet hatte.

„Na komm schon," Takao schlug dem Anderen freundschaftlich auf die Schulter, „ich würde meine linke Hand darauf verwetten, dass die Beiden ein kleines Techtelmechtel haben."

Mit diesen Worten stand er auf und fing an, den Esstisch abzuräumen.

„Dann sollten wir aber schleunigst versuchen, endlich ein paar Beweise dafür zu finden. Denn ich schätze, wenn wir so weiter machen, wird Rei noch ziemlich sauer auf uns beide werden. Vor allem dann, wenn es doch nicht stimmt."

Max nahm seinen Teller in die Hand und trug ihn zur Spüle.

„Ach, was soll denn da nicht stimmen? Du wirst schon sehen. Es dauert nicht mehr lange, und wir haben die Beiden enttarnt." Takaos unerschütterlicher Optimismus steckte nun auch Max an, der den letzten Satz mit einem breiten Grinsen bedachte.

„Wenn du meinst..."

Seufzend öffnete Kai seine Zimmertür. Warum waren Max und Takao nur so versessen darauf, ihm und Rei ein Verhältnis anzudichten? Wie kamen sie denn nur auf solche Gedanken? Gut, er hatte jetzt die ein oder andere Bemerkung diesbezüglich gemacht, die die beiden missverstehen konnten. Aber das war doch noch lange kein Grund für solche Vermutungen. Oder etwa doch? Bis auf diesen einen wirklich fast schon unmissverständlichen Satz hatte er ihnen doch wirklich keinen Grund für Spekulationen gegeben. Oder verhielt er sich irgendwie anders ohne es zu merken?

Nachdenklich ließ er sich auf sein Bett fallen. Ein lautes und ziemlich wütendes Fauchen ließ ihn im selben Moment wieder erschrocken aufspringen.

„Rei, du verdammter..." rief er, als sein Blick auf den schwarzen Kater fiel, der mit angelegten Ohren und einem Buckel auf seinem Bett stand. „Was machst du denn hier? Ich hatte dir doch verboten, auf mein Bett zu gehen. Hab ich dir nicht extra ein Handtuch hingelegt, wo du dich drauflegen kannst?"

Doch Kais Schimpftirade ging allmählich in dem immer lauter werdenden Fauchen seitens Rei unter. Dieser hatte nun auch noch die Krallen ausgefahren und starrte sein Herrchen mit einem bösen Blick an, während er immer wieder anklagende Geräusche von sich gab.

Scheinbar hatte Kai ihm recht weh getan, als er sich, wenn auch unbeabsichtigt, auf ihn hatte fallen lassen.

Dies schien dieser nun auch zu bemerken. Genervt verdrehte er die Augen und wollte nach dem Kater greifen, um ihn zu streicheln und so wieder zu besänftigen. Allerdings hatte dieser nicht vor, sich von Kai anfassen zu lassen. Mit einem mehr als wütenden Fauchen holte er mit seiner Pfote aus und verpasste dem Russen einen Kratzer an der Hand, welcher sogleich anfing leicht zu bluten.

„Du verdammter..." Vor Schreck und mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht hatte Kai seine Hand wieder zurück gezogen, dabei jedoch den Kater unglücklich gestreift. Dieser hatte nicht mehr schnell genug reagieren können und war von Kais Schwung vom Bett geworfen worden.

Mit einem Satz kam er auf dem Boden auf, fauchte kurz und fing an, wie eine wilde Furie verärgert durch das Zimmer zu rennen.

Einen Moment stand Kai wie gelähmt da, hielt sich die Hand, welche schon wieder aufgehört hatte zu bluten, und verfolgte mit seinem Blick, wie Rei quer durch sein Zimmer tobte, und dabei ( ein erneutes Mal ) die halbe Zimmereinrichtung auf dem Boden verteilte.

„Du verdammter..." wiederholte sich Kai, während er aus seiner Starre erwachte und begann, dem Kater hinterher zu rennen, um ihn wieder einzufangen. „Bleib stehen!"

Doch Rei wäre nicht Rei, wenn er plötzlich auf Kai hören würde. Unbeirrt von seinem Verfolger sprang er weiter munter vom Regal auf den Boden auf die nächste Kommode und so weiter. Dabei machten immer mehr Gegenstände aus Kais Zimmer unliebsame Bekanntschaft mit dem Boden. Der Russe hingegen musste langsam aufpassen, dass er nicht über diese Dinge stolperte. Wild fluchend jagte er durch sein Zimmer, vor ihm der nicht zu bremsende Kater.

Wütend hatte Rei seine Zimmertür hinter sich ins Schloss geworfen. Leise vor sich hinmeckernd stapfte er in seinem Zimmer auf und ab.

„Wie kommen die nur auf solche Gedanken? Ich und Kai? Pah. Niemals. Eher gefriert die Hölle zu, als dass Kai einmal Gefühle entwickeln würde. Warum können Takao und Max mich nicht einmal mit ihrem kindischen Zeug in Ruhe lassen?"

Ein lautes Scheppern ließ ihn aufhorchen.

„Was ist denn da los?" Die Geräusche kamen eindeutig aus Kais Zimmer. Auch konnte er immer wieder dessen Beschimpfungen hören, was er jedoch genau rief, konnte er nicht verstehen. Lediglich kurze russische Wortfetzen waren zu hören.

Einen Moment überlegte er, ob er nachsehen gehen sollte, was sich im Nachbarzimmer abspielte. Dann entschied er sich jedoch dagegen, hatte er doch irgendwie Bedenken, dass er, wenn er jetzt allein mit Kai in dessen Zimmer wäre und zwei bestimme Teamkameraden das mitbekämen, noch mehr mit deren Spekulationen konfrontiert werden würde.

Und DAS wollte er wirklich vermeiden.

Also zuckte er mit den Schultern und vertiefte sich lieber wieder in seine eigenen Schimpftiraden Takao und Max betreffend.

Genau diese Beiden waren gerade dabei, die letzten Lebensmittel vom Frühstück wegzuräumen, als sie den Lärm aus dem oberen Stockwerk hörten.

„Was ist denn da los?" Fragend sah Takao zu Max.

„Vielleicht sollten wir mal nachsehen gehen. Was meinst du?" wollte der Amerikaner wissen.

„Ist wohl besser. Hört sich an, als würde da oben jemand ein komplettes Zimmer auseinander nehmen. Scheinbar bekommen wir gerade live den ersten Krach zwischen Kai und Rei mit." antwortete Takao grinsend, wurde jedoch von dem Blonden im selben Moment leicht in die Seite geboxt.

„Fang' jetzt bloß nicht davon an. Wenn die sich wirklich streiten und wir fangen wieder an, sie zu nerven... Ich will gar nicht wissen, was uns dann blüht." Mit diesen Worten verließ Max die Küche, dicht gefolgt von dem Japaner, der ihm leicht grummelnd folgte.

„Was du immer hast... So schlimm ist das doch nicht." Gemeinsam gingen sie den Flur entlang, bis sie vor Kais Zimmertür zum Stehen kamen. Drinnen waren immer noch ein Dutzend russische Flüche zu hören, die des öfteren von einem Scheppern und Poltern unterbrochen wurden.

„Vielleicht sollten wir vorher anklopfen." schlug Max vor und hatte auch schon die Hand gehoben, um sich bei Kai so bemerkbar zu machen.

„Rei!" Ein lauter Schrei war von der anderen Seite des Holzes zu hören, welcher Max und Takao erschrocken zusammenfahren ließ.

„Also doch..." Takao schnappte leicht nach Luft. Wenn das mal kein ( zumindest für ihn ) eindeutiger Beweis gewesen war...

„Meinst du?" Max, dessen Hand immer noch leicht erhoben vor der Tür in der Luft schwebte, schien verunsichert. „Wenn wir die Beiden jetzt stören..." Vor seinem geistigen Auge spielten sich dramatische Szenen ab, in denen er und Takao mit Kais geballtem Zorn Bekanntschaft machten. Und das wollte er sich beim besten Willen ersparen.

Takao hingegen schien vollkommen unbeeindruckt von Kais Laune zu bleiben und klopfte ohne zu Zögern nun unbeirrt an der Zimmertür.

Hinter dieser wurde es plötzlich totenstill. Wären sie nicht noch Sekunden vorher Zeugen des unüberhörbaren Lärms gewesen, hätte man annehmen können, dass sie sich die Geräusche eingebildet hatten.

Wenige Augenblicke später hörten sie ein klares „Herein!" von Kai. Ein wenig zögerlich öffnete Takao die Tür.

„Alles ok bei dir, Kai?" Während er sprach, hatte er den Raum betreten. Sein Blick wanderte über die Einrichtung, die zum größten Teil quer durch das ganze Zimmer verstreut war. Max war ihm gefolgt, auch er sah sich skeptisch um. Zumindest war jetzt klar, warum es so laut gewesen war.

„Natürlich. Was soll denn sein?" antwortete Kai ruhig, als könne ihn kein Wässerchen trüben. Als sei es selbstverständlich, dass es bei ihm so aussah. Er saß auf dem Bett und starrte die beiden Jungen vor ihm an, in der Hoffnung, dass sie es nicht bemerken würden, wie er mit seinem Fuß unauffällig versuchte, einen gewissen Kater zurück unter das Bett zu schieben. Dieser sah das nämlich überhaupt nicht ein und weigerte sich standhaft, wollte endlich wieder unter demselben hervorkommen. Doch Kai hätte es im Moment ziemlich unpassend gefunden, seinen Teamkameraden ausgerechnet jetzt den Kater vorzustellen. Dafür gab es sicher einen günstigeren Moment.

„Wir dachten nur... Immerhin hat es sich von unten angehört, als ob du dein Zimmer auseinandernehmen würdest. Und so wie es aussieht..." sagte Max, wobei sein Blick immer wieder über die fast schon komplett verwüstete Einrichtung glitt und auf dem weißen Laken auf dem Bett hängen blieb. Etwas hatte dort seine Aufmerksamkeit erregt. Genauer gesagt, etwas Schwarzes, was verdächtig nach einem Haar aussah. Und wer hatte von ihnen schwarze Haare? Genau, Rei! Ein wissendes Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Amerikaners. Doch zog er es vor, seine Entdeckung erst einmal Takao mitzuteilen, bevor sie Kai und Rei damit konfrontieren würden.

„Ach das," Kai winkte mit einer Hand ab, dem Max' Blick entgangen war, „ich wollte nur mal ein bisschen umdekorieren."

Dieser Satz brachte ihm ein mehr als skeptisches Augenbrauen-Hochziehen seitens Takao und Max ein. Kai und Umdekorieren? Was sollte denn DER Blödsinn?

Genau das ging dem Russen auch gerade durch den Kopf. Innerlich verpasste er sich eine dicke Ohrfeige für so einen schwachsinnigen Satz. Aber was Besseres war ihm in diesem Moment leider nicht eingefallen, so dass er nur entschuldigend mit den Schultern zuckte.

„Es ist wirklich alles in Ordnung. Glaubt mir. Ihr könnt wieder runter gehen." versicherte er den Beiden, die weiterhin im Türrahmen standen.

„Wenn du meinst." Ein letzter Blick auf das Chaos, und schon waren Takao und Max verschwunden. Mit einem leisen Klacken fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.

Seufzend ließ sich Kai nach hinten fallen. Das war ja gerade noch einmal gut gegangen.

„Fast hätten sie dich entdeckt, Rei." sagte er erleichtert und wollte den schwarzen Kater unter dem Bett hervorholen.

Allerdings ging sein Griff ins Leere.

„Rei?" Verwundert sank Kai in die Knie und spähte unter sein Bett. Ein leises Maunzen, welches jedoch aus einer ganz anderen Richtung kam, ließ ihn aufhorchen.

„Rei?" Der Russe hob fragend seinen Kopf und schaute sich im Zimmer um, so dass er gerade noch sehen konnte, wie ein schwarzes Fellknäuel in der Schublade seiner Kommode verschwand.

Entsetzt sprang er auf. „Nein, nicht schon wieder. Rei, lass' gefälligst meine Unterwäsche in Frieden. Pfoten weg!" Schnellen Schrittes war er zu dem Schränkchen geeilt und versuchte den sich sträubenden Kater aus seiner Unterwäsche herauszuholen, was ihm nach einigen Augenblicken ( und ein paar weiterer Kratzer ) endlich gelang.

„Rei?"

„Unterwäsche?"

Mit einem wissenden Lächeln grinsten sich Max und Takao an. Beide hatten, nachdem sie Kais Zimmer verlassen hatten, vor der Tür gewartet, wo Max den Anderen auf seine Entdeckung bezüglich des Haares aufmerksam gemacht hatte.

„Also Kai kann uns ja vieles weismachen..." begann der Japaner.

„...doch langsam kann er sich nicht mehr rausreden." beendete der Blonde den Satz.

Takao nickte. „Ich würde ja jetzt mal stark behaupten, dass wir schon einiges herausgefunden haben. Es fehlt nicht mehr viel. Wenn das so weiter geht, haben wir die Beiden noch vor dem Wochenende enttarnt."

„Vor dem Wochenende?" Max legte fragend den Kopf schief. „Ist das nicht ein wenig zu schnell?"

„Nicht wirklich. Überleg doch mal. Noch offensichtlicher geht es ja gar nicht, oder?"

„Aber..."

„Nichts ‚aber', Max. Komm', lass uns in unser Zimmer gehen und mal zusammentragen, was wir jetzt schon alles wissen. Und wie wir weiter vorgehen. Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht bald beweisen könnten."

Voller Euphorie öffnete Takao seine Zimmertür, dicht gefolgt von Max.

/Na endlich ist da drüben mal Ruhe eingekehrt. Was dort wohl vor sich geht/ Gebannt starrte Rei auf die an Kais Zimmer angrenzende Wand. Er konnte hören, wie jemand sprach. Scheinbar waren Max und Takao nach oben gekommen, um der Ursache des Lärms auf den Grund zu gehen.

Neugierig lauschte Rei, doch er konnte kein Wort von dem, was gesprochen wurde, verstehen, so dass er sich wieder in seine eigenen Gedanken vertiefte.

/Ich versteh das alles nicht. Was ist nur in Kai gefahren? Warum verhält er sich denn nur so merkwürdig und lässt solche seltsamen Sprüche ab? So kenn' ich ihn ja gar nicht. Was mag der Grund dafür sein/ Unbeabsichtigt wanderten seine Gedanken immer wieder zu dem Russen.

/Wie kommt Kai denn nur dazu, immer wieder mich zu erwähnen? Die Sache mit dem Kuscheln... Warum ich schwierig sei... Die Kratzer im Gesicht... So viele Dinge, die da zusammenkommen. Ich verstehe es einfach nicht./

Nachdenklich schaute der Schwarzhaarige aus seinem Zimmerfenster, blickte auf die weiße Landschaft draußen und hoffte ( wieder einmal ) darauf, von dort irgendwelche Antworten zu bekommen.

/Weshalb sagt Kai nur so etwas? Will er mich damit aufziehen? Will er mich etwa ärgern? Oder.../

Plötzlich hatte sich ein ganz anderer Gedanken bei ihm eingeschlichen. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung.

Konnte es etwa sein, dass Kai dies alles aus einem bestimmten Grund tat? Konnte es sein, dass er etwas über den Chinesen hatte verlauten lassen, weil er sich oft mit ihm beschäftigte? War er etwa zu einem Teil von Kais Gedanken geworden, die über das reine Trainings – und Teamverhältnis gingen?

Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Energisch schüttelte Rei den Kopf. Doch nicht Kai. Für diesen galt doch nur ein hartes Training und Erfolge beim Bladen. Andere Dinge hatten bei ihm keinen Platz... Oder doch?

Verunsichert drehte Rei seinen Kopf in Richtung Zimmerwand, so als wolle er durch die Mauer hindurch schauen, direkt zu Kai, um von dort Antworten zu erhalten.

/Nein, Blödsinn. Rei, hör sofort auf, so einen Unsinn zu denken. Kai wird dich nicht plötzlich anfangen zu mögen... Obwohl... / Für einen Moment drifteten seine Gedanken ab. /Wenn ich es mir recht überlege... Er war ja schon extrem anders als sonst. Nicht so wortkarg und verschlossen. Oder habe ich mir das nur eingebildet/

Mehr als durcheinander ließ er sich auf die Kante seines Bettes sinken. Es half wohl alles nichts. Er würde sich noch stundenlang weiter den Kopf zerbrechen, ohne auch nur eine klare Antwort zu bekommen. Die konnte ihm nur die Ursache für solche Gedanken geben.

/Soll ich ihn wirklich fragen? Aber was? Ich kann ja schlecht hingehen und sagen „Hey, Kai. Wie geht's? Was ich wissen wollte... Magst du mich?". Dann hält er mich für vollkommen durchgeknallt. Aber andererseits. Wenn ich hier weiter sitzen bleibe und Löcher in die Luft starre, komme ich auch nicht weiter. Und ich will schon wissen, was mit ihm los ist. Er verhält sich sicher nicht ohne Grund so anders./

Entschlossen stand Rei auf. Er würde es wagen und den Anderen darauf ansprechen. Vielleicht nicht so direkt, aber irgendwie würde er schon zu seinen Antworten kommen. Ganz sicher.

Mutig öffnete er seine Zimmertür und trat auf den Flur. Ohne zu zögern klopfte er bei Kai an, welcher sofort ein mürrisches „Herein!" verlauten ließ.

„Kai, ich bin's." Mit diesen Worten hatte Rei die Tür geöffnet und war in den Raum getreten.

„Oh, Rei." Kai schluckte. Was wollte der denn jetzt hier? Wenn Takao und Max das mitbekommen würden... Ein wenig unsicher spähte er über Reis Schulter auf den Flur, als erwarte er, dass die beiden Anderen im selben Moment um die Ecke schauen und so was wie „Erwischt!" rufen würden.

Skeptisch folgte Rei Kais Blick und drehte sich um. „Äh... Suchst du was?"

„Nein, nein. Alles ok." antwortete der Russe schnell, ging einen Schritt auf Rei zu und schloss rasch die Tür. Wenn Rei schon bei ihm im Zimmer war, dann sollten ihn die Anderen hier nicht sehen. Und je länger die Tür offen war, desto wahrscheinlicher wäre dies.

Ein wenig misstrauisch beobachtete Rei sein Gegenüber, folgte ihm mit seinem Blick. Was hatte Kai jetzt vor? Warum war er so erpicht darauf, dass die Tür zu war? Wollte er etwa...

/Moment! Ganz falscher Gedanke, Rei. Fang' jetzt bloß nicht wieder an, in DIESE Richtung zu denken, die dich heute Nacht schon nicht richtig hat schlafen lassen./ Energisch schüttelte er den Kopf, hoffte so, die Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Jedoch konnte er nicht verhindern, dass sich ein leichter Rotschimmer auf seine Wangen legte.

„Was willst du?" unterbrach Kai die kurzzeitig eingetretene Stille. Er war zu seinem Bett zurückgekehrt und hatte sich darauf gesetzt. Sein Blick wanderte durch das ganze Zimmer, wusste er im Moment leider nicht, wo sich der kleine Namensvetter seines Gegenübers gerade aufhielt. Und das beunruhigte ihn irgendwie, wusste er doch nicht, was der Kater als nächstes vorhatte.

/Hoffentlich bleibt Rei da, wo er ist. Wo auch immer das sein mag.../

„Ich.." Rei ging langsam zum Schreibtisch und setzte sich.

Ja, was eigentlich? War er eben noch voller Tatendrang gewesen, schien dieser jetzt wie weggeblasen? Seine Entschlossenheit war Unsicherheit gewichen. Was sollte er Kai jetzt eigentlich sagen? In seinem eigenen Zimmer hatte es noch so einfach ausgesehen. Doch jetzt, wo er hier war, fiel es ihm schon schwer, den Anderen überhaupt anzusehen.

„Ja?" fragte Kai, nachdem Rei nicht weitergesprochen hatte.

„Ich... Wir müssen reden, Kai." Das letzte Bisschen, was von seinem Mut noch übrig war, zusammenkratzend sah der Schwarzhaarige sein Gegenüber nun an.

„Aha. Müssen wir. Und worüber?" Der Russe versuchte möglichst unbeteiligt zu wirken, was ihm allerdings nicht wirklich gelang.

„Das fragst du noch," schon ein wenig entrüstet war Rei von seinem Stuhl aufgesprungen, „Kai, was ist nur los mit dir? Du hast dich wirklich merkwürdig verhalten. Du hast scheinbar von mir geträumt..."

„Hab ich nicht." nuschelte Kai leise. Sein Einwand wurde von Rei jedoch vollkommen ignoriert.

„Du sagst seltsame Sachen, die so überhaupt nicht zu dir passen. Du wirst verlegen und fängst an zu stammeln. So kenn' ich dich gar nicht."

Bei seinen Worten war Rei dem Anderen immer näher gekommen, bis er bei dem letzten Satz direkt vor ihm stand.

„Ich..." begann Kai und hob seinen Blick. Er sah dem Schwarzhaarigen in die Augen.

/Ja, genau wie bei meinem kleinen Rei. Die gleiche Farbe. Und die gleiche Willensstärke, die dahintersteht. Irgendwie... Irgendwie strahlen sie richtig. Hat Rei eigentlich schon immer solche Kraft in seinem Blick gehabt? War schon immer dieses Funkeln in seinen Augen? Ist mir das vielleicht nur nie aufgefallen? Er wirkt richtig erwachsen und ernst. Das ist irgendwie... irgendwie... schön./ Ein zartes Rot zierte Kais Gesicht bei diesem Gedanken, jedoch schaffte er es nicht, den Blick abzuwenden. /Warum zum Teufel verbinde ich jetzt das Wort schön mit Reis Augen? Gut, ok. Sie haben irgend etwas Besonderes. Zugegeben. Aber meine Güte. Es ist Rei/

Unwillkürlich erschien das Bild des kleinen schwarzen Katers vor seinem geistigen Auge ( welcher sich im Moment übrigens ausgesprochen still und unauffällig verhielt ), der wild durch sein Zimmer tobte, der sich von ihm Streicheln ließ und so zu einem zufriedenen Schnurren hingerissen wurde. Und ohne dass Kai etwas dagegen tun konnte, drängte sich ihm ein weiteres Bild auf. /Ob der menschliche Rei auch schnurrt, wenn man ihm streichelt/

Die leichte Röte, die bis zu diesem Moment sein Gesicht beherrscht hatte, vertiefte sich bei diesem Gedanken deutlich. Verlegen wandte er den Blick ab. Ganz eindeutig. Der Kater tat ihm überhaupt nicht gut. Wenn er durch diesen auf solche Gedanken kam...

/Das gibt es doch nicht. Jetzt habe ich ihn endlich gefragt, und er sitzt hier und träumt vor sich hin. Hat er mir überhaupt zugehört? An was er wohl gerade denkt... Er wird ja knallrot. Vielleicht denkt er an mich/

Ein leichter Rotschimmer legte sich nun auch auf Reis Wangen. Nicht schon wieder solche Gedanken. Warum passierte es nur, dass er, seit Kais erstem Ausrutscher, des öfteren solche Gedanken hatte? Woher kam das? War er vielleicht froh über diese Art von Kais Aufmerksamkeit? Bisher hatte sie ja nur aus gelegentlichem Anschnauzen und einem sehr seltenen „Hn." bestanden. Hatte der Russe jetzt etwa seine Ansicht geändert?

/War das wirklich nur ein Ausrutscher gewesen? Oder hat Kai vielleicht doch von mir geträumt, wollte das aber vor Takao und Max nicht zugeben? Ok, ich könnte es verstehen. Aber... Was hat das alles zu bedeuten/ Sein Blick streifte das Gesicht des Anderen, ohne jedoch irgendwelche Hinweise zu finden.

/Kai sieht richtig normal aus, wie er da so sitzt. Richtig nett und irgendwie... irgendwie.../ Bevor Rei das richtige Wort finden konnte, wurden seine Gedanken von dem Russen unterbrochen.

„Es ist nichts, Rei. Wirklich." Langsam hatte sich Kai vom Bett erhoben und stand nun dicht vor dem Anderen. Sein Blick hatte immer noch den des Schwarzhaarigen fixiert.

Weitere Sekunden verstrichen, in denen sich beide stumm anstarrten. Unmerklich wurde Kais Herzschlag einen Tick schneller als gewöhnlich, und auch Reis Herz beschleunigte sich, genau wie ihre Atemzüge.

/Was geht hier vor/ Verwirrt und auch ein wenig überfordert kaute Rei auf seiner Unterlippe herum.

„Du solltest besser gehen...," begann Kai leise, „ich... ich meine. Du kannst jetzt gehen. Wie ich sagte. Mit mir ist alles in Ordnung." Mit einem leichten Ruck drehte er sich um und unterbrach so den Blickkontakt zwischen ihnen. Wie aus einer Trance erwachend schüttelte Rei sich kurz und nickte anschließend.

„Ok... Dann... dann kann ich ja gehen," sagte Rei und ging langsam zur Tür, gefolgt von Kai, mit ein paar Schritten Abstand, „bis später, Kai."

Und schon war der Schwarzhaarige auf dem Flur. Kai stand im Türrahmen und sah ihm mit einem undurchdringlichen Blick hinterher, bis der Chinese in seinem Zimmer verschwunden war. Dann schloss auch er seine Tür.

Vorsichtig lugten zwei Köpfe aus Takaos Zimmertür. „Hab' ich es dir nicht gesagt, Takao. Rei war bei Kai, wie ich es durch das Haar vermutet habe."

„Ok, Max. Ich hab' es ja jetzt selbst gesehen. Und hast du bemerkt? Reis Lippen waren gerötet (da er zuvor darauf herumgekaut hatte), genau wie sein Gesicht. Und Kai war ein wenig außer Atem wie mir schien. Die Zwei haben sich bestimmt mit einem mehr als intensiven Kuss versöhnt." Ein breites Grinsen zierte Takaos Gesicht, während er einen unsanften Schubser von Max in seine Seite bekam.

„Ouch! Wofür war das denn jetzt?" Grummelnd rieb er sich die leicht schmerzende Stelle und schloss seine Zimmertür wieder, da es nichts Interessantes mehr zu sehen gab.

„An was du gleich immer denkst!" Max schaute ihn ein wenig vorwurfsvoll an. „Was denn? Denkst du etwa, die beiden würden nur so vom Reden aussehen? Nicht wirklich, oder? Ich erinnere dich nur an Kais Satz, dass Rei die Finger von seiner Unterwäsche lassen sollte. Das ist doch eindeutig." Skeptisch hatte der Japaner eine Augenbraue in die Höhe gezogen.

„Du hast ja recht. Aber irgendwie finde ich das Ganze immer noch merkwürdig. Kai und Rei?" Und bevor Takao zu einer erneuten Erklärung, wie logisch das doch alles sei, ansetzen konnte, fügte Max noch hinzu: „Aber wenn das so weiter geht... Die Fakten sprechen einfach dafür. Langsam glaube ich dann wohl auch, dass es wirklich nur noch bis zum Wochenende dauert."