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Kai, Eier und erste Kochversuche
Reis POV
Ein wenig skeptisch betrachtete ich mich im Spiegel. Schon komisch, plötzlich mit so komischen Dingern im Gesicht herumzulaufen. Aber sie gehörten nun mal zu Kai. Und da ich jetzt erst einmal seine Rolle einnehmen musste, hatte ich sie wohl oder übel zu ertragen.
Obwohl... Wenn ich ehrlich war, sah Kai ohne diese viel netter aus. Immerhin hatte ich ja sein Gesicht jetzt schon „normal" gesehen...
„Kommst du endlich? Oder brauchst du eine Extraeinladung?" kam es von der Tür, wo Kai ungeduldig auf mich wartete. Mit verschränkten Armen stand er am Türrahmen und sah mich eindringlich an.
„Nein, nein. Ich komme ja schon." Mit diesen Worten stand ich auf und lächelte ihn an. Irgendwie komisch, meinen Körper in der typischen Kai-Arm-verschränk-Pose dort stehen zu sehen.
„Was tust du da?" Sein Blick blieb an meinem Gesicht hängen.
Fragend sah ich ihn an. „Was meinst du?"
„Na. Du lächelst. Ich würde aber nicht lächeln. Also, lass das gefälligst." brummelte er, während er sich zum Gehen umdrehte.
„In Ordnung. Aber nur, wenn du aufhörst, so grummelig zu sein. Das passt nämlich überhaupt nicht zu MIR."
„Ja, ja." hörte ich nur ein leises Murmeln von vorne.
Na, wenn das mal gut ging. Mit einem Seufzen verließ ich das Zimmer und ging hinter Kai her.
Kais POV
Was dachte Rei nur von mir? Als ob ich das nicht schaffen würde, mich so wie er zu verhalten. Er würde vermutlich größere Probleme haben. Ich hoffte ja nur schwer, dass er mir nicht mit irgendwelchen Aktionen wie grundlosem Rumgegrinse mein Image kaputt machte. Dann konnte er aber etwas erleben.
In Gedanken versunken stapfte ich in die Küche, wo ich jedoch sogleich Bekanntschaft mit einem blauhaarigen Etwas machte, welches sich an meinen Arm klammerte.
„Rei, wo warst du denn so lange?" Mit einem fast weinerlichen Blick schaute Takao von unten zu mir herauf.
Rei wollte schon routinemäßig darauf antworten, konnte sich allerdings im letzten Moment zügeln. Es wäre auch ein wenig auffällig gewesen, wenn plötzlich er als meine Wenigkeit geantwortet hätte. Aber er konnte es nicht lassen, mir einen auffordernden Blick zuzuwerfen, dass ich Takao endlich etwas antworten sollte.
Dem Drang, den an meinem Arm hängenden Jungen einfach abzuschütteln und erst einmal zur Schnecke zu machen unterdrückend, zwang ich mir ein Lächeln auf das Gesicht.
„Du hättest doch nicht auf mich warten müssen. Mach' dir doch einfach selbst etwas zum Essen."
Rei verdrehte die Augen und senkte, kaum hörbar seufzend, den Kopf. Gut. Es war jetzt wohl nicht wirklich so nett gewesen, wie ich das gesagt hatte. Es hatte vielmehr nach einer Mischung aus einem leisen Zischen, einem Grummeln und übertriebener Freundlichkeit geklungen.
Ein wenig verwirrt schaute Takao mich an, ließ dabei aber Gott sei dank endlich meinen Arm los.
„Was ist denn heute mit dir los, Rei?" wollte er besorgt wissen.
Während tief in meinem Inneren Dinge herumspukten, die ich Takao an den Kopf werfen wollte, versuchte ich äußerlich verlegen zu wirken.
„Nichts. Das kommt wahrscheinlich von dem Gewitter...schlecht geschlafen..." versuchte ich mich nuschelnd herauszureden, was mir scheinbar auch gelang, da sich der Blauhaarige sogleich von mir abwandte und sich zu Rei umdrehte.
„Hallo, Kai." Ein wenig eingeschüchtert begrüßte er diesen, woraufhin er nur ein nichtssagendes „Hn." erntete.
Reis POV
Mensch. Jetzt hätte Kai es beinahe versiebt. Um ein Haar hätten sie etwas gemerkt. Von wegen, es wäre einfach ieinmal/i nett zu sein. Wohl nicht, wenn man Kai Hiwatari heißt.
Mit einer auffordernden Kopfbewegung bedeutete ich ihm, zum Herd zu gehen und endlich mit dem Kochen anzufangen. Den Tisch hatte Takao zwar schon gedeckt, jedoch fehlte eindeutig noch das dazugehörige Essen.
Abwartend setzte ich mich an den Küchentisch. Jetzt war ich aber gespannt, was Kai uns heute zaubern würde. Ob er überhaupt kochen konnte? Einfache Dinge wie Nudeln oder Suppe bestimmt. Aber etwas Richtiges? Etwas für fünf Personen?
Ich war ein wenig skeptisch. Immerhin war ich immer derjenige gewesen, der normalerweise für das Essen zuständig war. Und jetzt sollte Kai... Nun ja, vielleicht würde er ja dann einmal sehen, was es hieß für uns alle zu kochen.
Ein leicht hämisches Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, während ich Kai beobachtete, wie sein Blick ein wenig hilflos über die Küchenutensilien glitt.
Kais POV
Also, so schwer konnte das ja nicht sein. Schließlich machte Rei das jeden Tag. Und wenn er das konnte, warum sollte ich Probleme damit haben?
Noch einen kurzen Blick auf den Chinesen werfend (wobei ich dessen Grinsen geflissentlich ignorierte), begann ich Eier aus dem Kühlschrank zu holen und sie neben mich auf die Ablage zu legen. Während ich nun im Schrank nach einer Pfanne suchte, bemerkte ich nicht, wie sich zwei der Eier langsam in Bewegung setzten und Richtung Kante kullerten.
Erst ein leises Klatschen direkt neben mir, ließ mich aufblicken.
„Du solltest wohl das nächste Mal besser aufpassen, ‚Rei'. Wenn du so weiter machst, wird das Essen heute nie fertig." kam es leicht spottend von dem echten Rei.
„Danke für den Tipp, ‚Kai'." knurrte ich mürrisch und begann, mit einem Tuch die Schweinerei auf dem Boden aufzuwischen.
„Soll ich dir helfen, Rei?" fragte Max und wollte gerade aufspringen, als Rei ihn jedoch davon abhielt.
„Nein, Max. Lass ihn nur. Er hat die Eier heruntergeworfen, also macht er auch wieder sauber."
Reis gezischte Worte ließen keinen Widerstand zu. Mit einem entschuldigenden Blick in meine Richtung setzte sich der Blonde wieder. Für ihn musste es wohl so aussehen, als ob sich ‚Kai' so für ‚Reis' Beschimpfungen von vorher revanchieren wollte, indem er ihn nun die ganze Arbeit alleine machen ließ.
Innerlich den Chinesen verfluchend, stand ich gezwungen ruhig wieder auf, legte das Tuch beiseite und holte zwei neue Eier, die ich nun sicherheitshalber mit den anderen zusammen in eine kleine Schüssel legte, damit mir nicht noch mehr davon auf den Boden fielen.
Reis POV
Na, das sah doch schon ganz gut aus, was Kai da jetzt fabrizierte. Er schien dazu zu lernen. Was mich dazu getrieben hatte, Max zu verbieten ihm zu helfen, weiß ich nicht genau. Aber auf alle Fälle war es niemandem ungewöhnlich vorgekommen. Klar, Kai hätte in der Situation sicher genauso reagiert.
Irgendwie begann ich, die Sache nun ein wenig positiver zu betrachten. Vielleicht war es doch gar nicht so schlecht, einmal in Kais Haut zu stecken...
Etwa zehn Minuten später war Kai endlich soweit und präsentierte uns das Ergebnis seines Kochversuches. Skeptisch beäugten Takao und Max das glibbrige, leicht verbrannte Zeug, was in der Pfanne lag.
„Äh... Rei..." begann Takao vorsichtig, während Max argwöhnisch mit seiner Gabel den Eierberg anstupste, als ob dieser jeden Moment zum Leben erwachen könnte.
Ein Lachen verkneifend blickte ich zu Kai, der sich mit einem ziemlich genervt klingenden „Was?" auf den Stuhl fallen ließ und den Japaner mit einem durchdringenden Blick ansah, welcher soviel besagte wie ‚Wenn du jetzt etwas sagst, sorge ich dafür, dass du dieses Wabbeldings ganz allein aufessen musst'.
„Nichts..." Eingeschüchtert nahm Takao den Löffel, um sich ein wenig von diesem Etwas auf den Teller zu tun.
Kais POV
Verärgert verschränkte ich die Arme vor der Brust. Gut, scheinbar war Kochen doch nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt hatte. Zwar sah das immer so aus, wenn Rei am Herd stand, aber es gehörte wohl doch etwas mehr dazu, als nur ein paar Lebensmittel in einen Topf zu werfen und zu warten was passierte.
Dass Takao nun aber auch noch anfangen wollte an dem Essen herumzunörgeln, passte mir überhaupt nicht. Dass das Zeug eklig war, konnte ja selbst ich erkennen. Immerhin hatte ich es ja auch fabriziert. Also sah ich ihn mit einem meiner berüchtigten Blicke an (der scheinbar selbst in diesem Körper zu wirken schien), woraufhin er sofort schwieg. Ja, er nahm sogar ein wenig von der Eiermasse und legte sie sich auf seinen Teller.
Doch als er nach zwei Minuten immer noch nicht begonnen hatte zu essen und stattdessen nur auf den Teller vor sich starrte, platzte mir der Kragen.
„Herrgott noch mal. Es sieht schlimmer aus als es ist." Um meine Worte zu unterstreichen, lud ich mir eine große Portion Ei auf den Teller und begann zu essen. Dass ich das Zeug am liebsten im selben Moment wieder ausgespuckt hätte, versuchte ich dezent zu ignorieren. Nein, diese Blöße wollte ich mir vor Rei jetzt beim besten Willen nicht geben. ‚Du hast es gekocht, also isst du es auch!' lautete meine Devise.
Reis POV
So ein Idiot! Jetzt aß er das doch tatsächlich. Wie konnte er nur? Nun ja, seinem Gesicht nach zu urteilen, schien es ihm nicht gerade zu schmecken. Kein Wunder. Wie er es überhaupt schaffte auch nur einen Bissen davon bei sich zu behalten, war mir echt ein Rätsel.
Allerdings würde es mir sicher nicht mehr lange ein Rätsel bleiben, da sein Gesicht langsam aber sicher eine recht ungesunde Färbung annahm. Irgend etwas musste ich unternehmen. Mein Entschluss war schnell gefasst. Mit einem hörbaren Schnauben stand ich auf.
„Ich weiß ja nicht, was du dir dabei gedacht hast, ‚Rei'. Aber ich für meinen Teil habe keine Lust mir eine Magenverstimmung zu holen. Takao wird uns jetzt allen Pizza bestellen. Und keine Widerrede."
Erleichtert atmete der eben Aufgeforderte aus und war mit einem Satz auch schon im angrenzenden Wohnzimmer verschwunden, um dort nach der Telefonnummer des Lieferservices zu suchen. Max war ihm rasch gefolgt, da er Bedenken hatte, dass Takao es sicher wieder beim Bestellen übertreiben würde.
Nachdem ich mich kurz versichert hatte, dass die Beiden uns nicht hören konnten, ging ich schnell auf Kai zu und sah ihn besorgt an.
„Kai. Alles ok mit dir?" fragte ich und legte ihm eine Hand auf die Schulter, woraufhin ich nur ein schwaches Nicken bekam.
„Du siehst aber gar nicht gut aus. Komm, geh besser nach oben und leg dich einen Moment hin." Energisch packte ich den Anderen, welcher ein wenig schlapp in meinen Armen hing und bugsierte ihn in Richtung Treppe.
„Ich...Bad...schlecht..." hörte ich plötzlich Kai stammeln. Mit diesen Worten riss er sich von mir los und war auch schon im Badezimmer verschwunden, aus dem ich nur Sekunden später leicht unangenehme Würggeräusche hören konnte.
Kopfschüttelnd wartete ich vor der Tür. Nach knapp fünf Minuten öffnete sich diese, und ein leicht zittriger und blasser Kai kam heraus.
„Du bist so ein Sturkopf!" seufzte ich, während ich ihn am Arm nahm, um ihn nun endlich in sein Zimmer zurück zu bringen. Warum musste er sein selbstgekochtes Essen auch probieren?
„Lass das!" Er wollte meinen Arm abschütteln, doch ich packte nur noch fester zu.
„Ich denk' nicht dran. Ich bring' dich jetzt nach oben. Immerhin ist das mein Körper, der hier gerade über der Toilettenschüssel hing. So wie du aussiehst, würdest du nur die Treppe herunterfallen, würde ich dich alleine gehen lassen." zischte ich ihm zu.
Kais POV
Warum musste das jetzt ausgerechnet mir passieren? Rei hatte ja recht. Ich war stur.
Aber musste er es mitbekommen, wie ich mich übergab? Musste er unbedingt die ganze Zeit vor der Tür warten, bis ich wieder aus dem Badezimmer kam?
„Aber ich werde mich nicht bedanken, dass du Takao und Max unter einem Vorwand aus dem Zimmer geschickt hast."
Wenigstens einen letzten Rest an Würde wollte ich mir mit diesen Worten bewahren, während ich widerstandslos neben ihm herlief.
„Ach, Kai." Er schaute mich seufzend an und schüttelte nur den Kopf. Weitere Kommentare verkniff er sich allerdings.
Wortlos bugsierte er mich, immer noch mit den Armen stützend, in sein Zimmer, wo ich mich sogleich erleichtert auf das Bett fallen ließ.
Ein wenig unschlüssig stand Rei nun vor mir. „Brauchst du noch etwas?" wollte er wissen.
Ich schüttelte mit dem Kopf, was sich jedoch im selben Moment als schwerer Fehler erwies, da sich mein Magen nach diesem Essensexperiment immer noch nicht wirklich erholt hatte. Durch die ruckartigen Bewegungen fing es wieder an, in mir zu arbeiten und das Übelkeitsgefühl kehrte zurück, nachdem es im Anschluss an meinen kleinen Badbesuch verschwunden gewesen war.
„Du siehst wirklich überhaupt nicht gut aus," Besorgt fasste Rei an meine Stirn, „ich glaube, das nächste Mal solltest du lieber von selbst auf die Idee mit dem Pizzaservice kommen."
„Da könntest du recht haben..." flüsterte ich leise, während ich krampfhaft versuchte, das Gefühl in meiner Magengegend wieder zurückzudrängen.
Reis POV
Irgendwie tat er mir ja leid, wie er da so auf meinem Bett lag. Das reinste Häufchen Elend. Es musste ihm wirklich schlecht gehen, wenn er mir sogar zustimmte.
„Ich lass' dich dann einen Moment allein, ja? Wenn du etwas brauchst, dann rufst du einfach."
Mit diesen Worten stand ich auf und wollte mich schon umdrehen, als ich plötzlich durch eine Hand auf meinem Arm zurückgehalten wurde. Fragend sah ich Kai an.
„Was ist?" Ich runzelte meine Stirn, als er mich für mehrere Sekunden schweigend angestarrt hatte.
Er würde sich doch nicht etwa bei mir bedanken wollen. Nein, DAS konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Bevor aus Kais Mund das Wort „Danke" käme, wäre es wahrscheinlicher, dass Takao von sich aus auf Rohkost umsteigen würde.
„Mach dir keine Sorgen um mich." kam es nun endlich leise von Kai.
Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen. Ich wollte ihm schon antworten, etwas in der Art, dass ich mir immer Sorgen um meine Mitmenschen machte, wenn es ihnen schlecht ging.
Sein nächster Satz holte mich jedoch wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, und mein Lächeln erstarb.
„Ich würde mir nie so viel Sorgen um euch machen. Also. Komm hier nicht ständig hochgerannt, sonst ist mein Image wirklich bald im Eimer."
Mit einem leichten Ruck schüttelte ich seine Hand von meinem Arm ab. Was bildete er sich überhaupt ein? Immer nur auf seinen Ruf bedacht. Ein leises Grummeln kam aus meiner Kehle.
„Keine Sorge, Kai. Ich wollte nur nachsehen, ob du meinen Körper gut behandelst." zischte ich, während ich mich nun endgültig der Tür zuwandte.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verließ ich das Zimmer. Jetzt war mir wieder eingefallen, warum wir beide uns zuvor so sehr gestritten hatten. Dieses selbstgefällige Etwas, egozentrisch ohne Ende!
Kais POV
Ein wenig verwirrt schaute ich Rei hinterher wie er mit nicht unübersehbarem Zorn durch die Tür stiefelte.
Was hatte ich denn jetzt falsches gesagt? Hatte ich ihn irgendwie verärgert?
Moment mal, wieso machte ich mir überhaupt Gedanken über so etwas? Ich hatte ihn doch nur ganz höflich darum gebeten, sich nicht zu Kai-untypisch zu verhalten, damit wir beide nicht auflogen. Dass er das Ganze in den falschen Hals bekam, dafür konnte ich doch beim besten Willen nichts. Warum musste er gleich so sauer werden? Ich war mir absolut keiner Schuld bewusst.
Einen Augenblick starrte ich an die Decke und dachte nach. Nun gut. Vielleicht hatte ich mich ja ein wenig im Ton vergriffen und meinen Worte etwas unglücklich gewählt. Aber ich wollte eben einfach nicht, dass dieser ‚Körpertausch' bekannt wurde. Wenn die Anderen das herausfinden würden... Ich wollte es mir gar nicht ausmalen, wie sie reagieren würden.
Plötzlich drängte sich mir ein neuer Gedanke auf. Hatte er sich etwa wirklich Sorgen um mich gemacht? Nein, sicher nicht. Er war bestimmt nur beunruhigt gewesen, da es ja sein Körper war. Zumindest hatte er das gesagt. Aber immerhin erst, nachdem ich ihn zurechtgewiesen hatte. Nach mir sehen wollte er ja schon von Anfang an.
Leise seufzte ich. Es war wirklich schwer, dahinter zu kommen, was in dem Kopf des Chinesen so vor sich ging. Wäre ich doch bloß nicht so unfreundlich gewesen... Ich hätte mich ja auch einfach nur für seine Hilfe bedanken können. Aber nein, so etwas Einfaches war natürlich nicht über meine Lippen gekommen.
Langsam, um meinen Magen, der durch den Eierpamp doch recht angegriffen war, nicht weiter zu beunruhigen, drehte ich mich zur Seite und schloss die Augen. Vielleicht war es das Beste, wenn ich jetzt erst einmal versuchte eine Runde zu schlafen.
Reis POV
Verärgert stapfte ich wieder nach unten. Warum musste Kai auch immer so kalt und unfreundlich sein? Warum konnte er nicht einmal etwas Nettes sagen? Ich hatte mir wirklich Sorgen um ihn gemacht. Nicht um meinen Körper. Nein, um ihn. Körper hin oder her, schließlich war er derjenige gewesen, der sich übergeben hatte.
Aber was hatte ich erwartet? Etwa, dass Kai plötzlich meine Charakterzüge annehmen würde, nur weil wir durch irgendein Phänomen getauscht hatten? Sicher nicht.
Doch warum hatte mich seine Reaktion so sehr aufgeregt? Gut, wir hatten uns schon am Mittag gezofft, wo einige „böse" Worte gefallen waren. Aber gerade eben hatte er doch nur diese zwei Sätze gesagt. Nur zwei kleine Sätze. Mehr nicht.
Wenn ich genauer darüber nachdachte, musste ich mir sogar insgeheim eingestehen, dass er noch nicht einmal besonders unfreundlich gewesen war. Je länger ich mir die Situation durch den Kopf gehen ließ, desto eher wurde mir klar, dass er sich eigentlich recht neutral verhalten hatte, was für Kai ja schon recht ungewöhnlich war.
In Gedanken versunken ging ich Richtung Küche, um dort die Überreste von Kais Kochkünsten zu beseitigen. Gerade, als ich am Wohnzimmer vorbei kam, wurde ich plötzlich von der Seite angerempelt.
„Kai."
Takao schnappte nach Luft. Nach langen Diskussionen mit Max über Menge und Größe der Pizzas wollte er Kai und mir Bescheid geben, wann der Pizzalieferant denn vorbei käme. Dabei war er ein wenig ungestüm und ohne nach vorne zu sehen direkt in mich reingerannt.
„Was ist denn?" wollte ich von ihm wissen.
Skeptisch hob der Blauhaarige die Augenbraue, hatte er doch eigentlich mit einer anderen Reaktion von ‚Kai' gerechnet. „Ich...äh..." stammelte er, überrascht, dass er nicht in Grund und Boden gebrüllt worden war, warum er keine Augen im Kopf habe.
Immer noch fragend sah ich ihn an. Als jedoch auch nach mehreren Augenblicken keine klare Aussage von ihm kam, zuckte ich mit den Schultern und ließ den Anderen einfach im Flur stehen, um meinen Weg in die Küche fortzusetzen.
Ohne zu zögern begann ich, den Tisch abzudecken und das dreckige Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Mit einem leichten Lächeln begutachtete ich die Pfanne, in der Kai zuvor seinen ‚Eiermatsch' gemacht hatte. Kopfschüttelnd warf ich die Reste weg und stellte die Pfanne zum restlichen Geschirr in die Maschine. Nachdem ich diese angeschaltet hatte, nahm ich einen Lappen und wischte die komplette Küchenzeile feucht ab.
Zufrieden begutachtete ich mein Werk, als ich die letzten Krümel und Eierschalen in den Müll warf.
Ich musste zugeben, Kai hatte schon ein ganz schönes Chaos hier veranstaltet, welches ich jedoch mit nur wenigen Handgriffen beseitigt hatte. Aber immerhin hatte er sich Mühe gegeben. Er hatte es wenigstens versucht, uns allen etwas zu essen zu machen. Auch wenn ihm dieser Versuch gründlich missglückt war.
Wenn ich ehrlich war, waren meine ersten Kochversuche ja auch nicht immer von Erfolg gekrönt gewesen. Mir kamen da so diverse Backversuche in den Sinn, bei denen es eindeutig besser war, dass niemand wusste, wie die Plätzchen im Endeffekt zustande gekommen waren. Unwillkürlich musste ich grinsen. Diese Geschichten würde ich wohl niemandem so schnell erzählen, da man mich sicher noch nachträglich dafür steinigen wollte.
Während ich in meinen Erinnerungen versunken war, hatte ich unbewusst einen Topf aus dem Schrank geholt.
„Kai, was machst du da?" Max' Worte rissen mich aus meinen Gedanken. Ein wenig verwirrt schaute ich von dem blonden Jungen, der fragend im Türrahmen stand, zu dem silbernen Ding in meiner Hand.
„Das geht dich nichts an." murmelte ich, wusste ich doch selbst nicht, warum ich das Küchenutensil aus dem Schrank geholt hatte.
Doch da kam mir plötzlich eine Idee. Vielleicht sollte ich Kai einen Gefallen tun. Ich würde ihm eine Suppe machen. Schließlich hatte er genauso wenig gegessen wie wir anderen, und die Pizza würde er sicher im Moment nicht wollen. Aber eine klare Brühe konnte er sicher vertragen.
Allerdings musste ich dazu zuerst Max aus dem Zimmer bugsieren, der mich immer noch perplex anstarrte, nachdem sein Blick die Ordnung in der Küche registriert hatte.
„Hast du etwa..." begann er, wurde jedoch im selben Moment von mir unterbrochen.
„Ja," ich nickte, „das Chaos konnte man hier ja nicht so lassen." Mit schnellen Schritten ging ich zum Schrank, holte dort drei Teller und Besteck raus und drückte es meinem Gegenüber in die Hand.
„Hier. Für die Pizza."
Wortlos sah mich Max noch einen weiteren Moment an, verließ dann allerdings fast fluchtartig den Raum. Ich hörte nur noch ein „Takao, ich glaube, hast Recht. Die sind heute Beide merkwürdig.", mit dem der Blonde im Wohnzimmer verschwand.
Hoffentlich hatte Kai das oben nicht gehört. Er würde sicher sofort darauf schließen, dass hier unten nicht alles nach seinen Vorstellungen verlief.
Ich wartete einen kurzen Moment, ob sich etwas im oberen Stockwerk regte. Als es jedoch nach zwei Minuten immer noch still war, machte ich mich daran, die Suppe zuzubereiten.
Nach nur fünf Minuten war sie auch schon fertig. Vorsichtig füllte ich sie in einen Teller, den ich zusammen mit einem Löffel und einem Stück Brot auf ein Tablett stellte.
Prüfend schaute ich aus der Küchentür, damit mir nicht einer der Anderen zufällig über den Weg lief, denn ein Kai, der einem Rei einen Teller selbstgemachter Suppe brachte, war mehr als nur ungewöhnlich.
Allerdings schien es so, als ob sich alle im Wohnzimmer verkrochen hätten, wo sie auf das Essen warteten. So konnte ich unbesorgt nach oben, um Kai seines vorbeizubringen.
Leise klopfte ich an der Tür und wartete auf Kais „Herein", welches jedoch nicht kam. Ich klopfte erneut.
„Kai. Kann ich reinkommen?" flüsterte ich gerade laut genug, dass man es auf der anderen Seite hören konnte.
Es kam immer noch keine Reaktion. Verunsichert stand ich einen weiteren Moment vor der Tür, entschloss mich dann allerdings, einfach ohne Aufforderung hineinzugehen. Schließlich würde sonst die Suppe kalt werden.
Vorsichtig, um nichts zu verschütten, öffnete ich mit dem Ellbogen die Tür und betrat mein Zimmer. Sofort fiel mein Blick auf das Bett, auf dem sich Kai zusammengerollt hatte und schlief.
Deshalb hatte er also nicht reagiert. Lächelnd näherte ich mich dem Russen und stellte behutsam das Tablett auf den Nachttisch. Erst wollte ich ihn wecken, doch dann überwog das Gefühl, dass es besser sei, ihn schlafen zu lassen.
Ich setzte mich einen Moment auf die Bettkante und betrachtete den Schlafenden. Wie anders die Leute doch aussahen, wenn sie so entspannt und fast schon friedlich dalagen. Kais Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig. Man konnte sich wirklich kaum vorstellen, dass es sich hierbei um den selben Kai handelte, der sonst keine Gelegenheit verstreichen ließ, seine Teamkameraden zu triezen und ihnen irgendwelche Schimpfwörter oder Strafpredigten an den Kopf zu werfen.
Mit einem leisen Seufzen stand ich wieder auf, nahm die Decke und legte sie vorsichtig über den Körper des Anderen. Dieser kuschelte sich sogleich in das Stück Stoff und nuschelte irgendetwas Unverständliches.
Unweigerlich musste ich kichern. Wirklich. So hatte ich Kai noch nie gesehen. So war er richtig... normal. Behutsam strich ich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht, damit sie ihn nicht an der Nase kitzeln würde.
Mit einem leise geflüsterten „Schlaf gut, Kai." drehte ich mich um und verließ das Zimmer.
Kais POV
Überrascht öffnete ich die Augen. Was war denn das jetzt gewesen?
