Hallo und herzlich willkommen zu meinen verschiedenen „Momentaufnahmen"!

„Momentaufnahmen" ist eine Kurzgeschichtensammlung mit vielen, verschiedenen Pairings und vielen, verschiedenen Kapiteln. Die meisten der Oneshots sind jemandem gewidmet, der ein bestimmtes Pairing sehr gerne mag. Jedes Kapitel ist anders als das vorherige und es wird zu den allermeisten keine Fortsetzung geben, es sei denn, ich habe eine ganz wahnsinnig gute Idee und will sie unbedingt schreiben.

Ich hoffe, euch gefallen die verschiedenen Ideen. Die fünfte Geschichte handelt von George und Angelina, die sich seit Hogwarts eine ganze Weile nicht mehr gesehen haben. Irgendwie haben es die Zwillinge nicht hinbekommen, sich bei ihren alten Freunden regelmäßig zu melden und besonders Angelina nimmt ihnen das sehr übel. Ich hoffe, es gefällt euch /smile/. Reviewantworten sind wie immer am Ende.

Summary: Es ist einige Zeit vergangen, seitdem Fred und George die Schule verlassen haben. Nun haben sie eine eigene Wohnung und ihren Scherzartikelladen. Und vollkommen vergessen, sich bei ihren Freunden zu melden…

Pairing: George Weasley/Angelina Johnson

Disclaimer: Das gesamte Harry-Potter-Universum gehört J.K.Rowling. Ich leihe mir nur die Charaktere aus und schreibe dazu meine eigenen Ideen. Ich verdiene hiermit keinen Cent. Reviews wären allerdings fein.

Widmung: Auch das ist eine Geschichte für Amélie /smile/. Ich glaube, du bist wirklich die Einzige, die ich kenne, die sich George/Angelina und nicht Fred/Angelina wünscht… :o)

Viel Spaß beim Lesen und bis bald,

Maia

OoOoOoO

Vergissmeinnicht

Grummelnd, kopfüber und noch im Schlafanzug steckte George Weasley in einer riesigen Kiste, fegte mit beiden Händen die Unmengen von Nasblutnougatstücken beiseite und fragte sich mittlerweile, wie sicher sich Fred tatsächlich gewesen war, als er am Abend zuvor behauptet hatte, er hätte die Liste mit seinen neuen Ideen in genau diesen Karton gelegt. Was für ein verrückter Aufbewahrungsort war das überhaupt? Und konnte sich sein Zwillingsbruder nicht merken, was für Vorschläge er hatte? Musste er sie stattdessen aufschreiben und die Liste verlieren?

Leise fluchend tauchte George schließlich wieder auf, die roten Haare standen wirr ab und man merkte deutlich, dass es noch vor neun Uhr und der Laden noch nicht aufgeschlossen war. Denn die Zwillinge achteten genau darauf, dass sie gekämmt und halbwegs ordentlich angezogen waren, wenn Kundschaft hereinkam und möglicherweise bereit war, ein kleines Vermögen bei ihnen auszugeben. Schließlich wollte man nicht abschreckend wirken. Kleine Kinder konnten sich wirklich ganz furchtbar aufregen, wenn man mit zerstrubbeltem Rotschopf, verquollenen Augen, Jeans und losem Shirt an der Kasse stand.

George machte langsam einen Schritt nach hinten, hob die rechte Hand und fuhr sich müde über sein Gesicht. Insgeheim beschloss er, Fred am nächsten Sonntag Abend einfach zu verbieten, sich im „Leaky Cauldron" zu betrinken- die Folgen waren grauenhaft und kaum zu ertragen. Während sein Zwilling noch schnarchend im Bett lag und seinen Rausch ausschlief, stand George seit geschlagenen dreiundfünfzig Minuten in ihrem Warenlager und suchte nach der verdammten Liste, die er an diesem Tag hatte überarbeiten wollen. Immerhin war es wichtig, dass sie ihr Sortiment regelmäßig erweiterten.

Frustriert kickte George gegen den Pappkarton, in dem er eben noch nach dem Stück Pergament gesucht hatte, und sah teilnahmslos zu, wie die Kiste durch den halben Raum schlitterte und dabei unschöne Geräusche verursachte. Bei Merlin, wie er Montage doch hasste! Und diese verrückte Vereinbarung, die sie irgendwann im Halbschlaf getroffen hatten- jeden Montag wechselten sie sich ab, einer konnte ausschlafen und der andere richtete alles für den Verkauf her. Selbstverständlich war George an der Reihe, wenn gewisse Listen mit Ideen unauffindbar verschwunden waren…

„Fred!", stieß er halblaut hervor und griff gleichzeitig nach einem herumstehenden Besen, um gegen die Decke zu stoßen, mit der irrsinnigen Hoffnung, dass der Gerufene davon vielleicht wach werden und herunterkommen würde, um ihm beim Suchen zu helfen. Vergeblich, natürlich. Was anderes hatte George gar nicht erwartet. Seufzend ließ er den Besen wieder fallen, vergrub beide Hände in den Taschen seiner Schlafanzughose (blauer Stoff, der aussah wie Himmel, und auf dem sich sieben Quidditchspieler tummelten) und marschierte einmal mehr zu ihrem gemeinsamen Schreibtisch, auf dem unendlich viele Papier lagen, allerdings fein säuberlich abgeheftet und mit verschiedenen Notizen versehen, sodass sie bei den Rechnungen und dem ganzen Schreibkram nicht den Überblick verloren.

Ein leichtes Grinsen schlich sich auf Georges Lippen, als er auf die vielen Mappen auf dem Tisch blickte und sich daran zurückerinnerte, dass bisher jedes einzelne ihrer Familienmitglieder (Percy einmal ausgeschlossen) aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen war, als sie die perfekte Ordnung im System der Zwillinge bemerkt hatten. Ein düsterer Schatten verdunkelte Georges Gesicht. Die meist perfekte Ordnung, korrigierte er sich selbst. Eine Ordnung, die nicht miteinschloss, dass man extra angelegte Listen auch wiederfand.

Zwei, drei Blicke auf die Mappen und George konnte den Schreibtisch als möglichen Fundort von Freds Liste eindeutig streichen. Hier lag definitiv nichts Zerknittertes, halb Angebranntes oder leicht Zerrissenes herum, was wiederum darauf hindeutete, dass keines der Papiere zu Freds Notizen zählte, sondern dass sie einzig und allein Geschäftsangelegenheiten waren. Enttäuscht wandte sich der Rotschopf wieder ab, machte eine halbe Drehung und stieß mit dem Fuß erneut gegen eine Kiste und sah desinteressiert zu, wie sie mit einem eher leisen Geräusch gegen die Wand glitt.

Hellhörig wurde er erst, als er draußen ein Türklappern vernahm und mitbekam, wie jemand verhalten stöhnte. Sollte Fred etwa doch wach geworden sein und, edel, wie er nun einmal ab und zu war, beschlossen haben, seinem heißgeliebten Zwillingsbruder zu helfen? Oder zumindest einmal nachzuschauen, was denn geschehen war, dass eben jener Bruder mit einem Besen gegen die Decke klopfte, an einem Montag Morgen, lange vor neun Uhr? Es klang beinahe zu schön, um wahr zu sein. In der Tat war es eine weibliche Stimme, die George antwortete und nicht Freds Reibeisenstimme, die er immer hatte, wenn er am Abend zuvor wieder zu viel getrunken hatte.

„Ich bin's.", erklang es und dann folgte die obligatorische Pause. Die ‚Komm schon, wir wissen beide, dass du meine Stimme sofort wieder erkannt hast und es nur nicht zugeben willst, um dein Gesicht nicht zu verlieren'-Pause. Natürlich antwortete George nicht. Schließlich wollte er nicht wie ein Idiot dastehen und so aussehen, als hätte er nur auf sie gewartet und jede Sekunde, in der sie nicht da gewesen war, an sie gedacht. Was, wie er niemals zugeben würde, allerdings der Wahrheit entsprach. Er zögerte bereits und überlegte, doch ihren Namen zu rufen und sich zum Trottel zu machen, als er erneut ihre Stimme hörte. „Angelina", setzte sie hinzu und George verdrehte hinter der geschlossenen Tür die Augen.

Er wusste, wie sie hieß. Und er hatte gedacht, sie würde dieses Pausen-Spiel beherrschen und verstehen, dass er sehr wohl begriffen hatte, wer auf der anderen Seite der Tür stand. Stattdessen würde sie nun vermuten, er hätte innerhalb weniger Monate vergessen, wie ihre Stimme klang und dann würde sie versuchen, ihre Unsicherheit zu überspielen. Ohja, manchmal glaubte er tatsächlich, dass er Angelina vielleicht ein wenig zu gut kannte. „Komm rein.", murmelte George (möglicherweise nicht laut genug, wie er sich Sekunden später selbst eingestand) und öffnete mit einem Schlenker seines Zauberstabs die Tür.

Zögernde Schritte waren zu hören, dann tauchten lange, in Jeans gesteckte Beine auf, ein schmaler Oberkörper, bedeckt von einem flauschigen, bunten Wollpullover und ein hübsches, dunkles Gesicht mit unsicher blickenden Ebenholzaugen, umrahmt von offenen, rabenschwarzen Haaren. „Du hast deine Zöpfe gelöst.", stellte George statt einer Begrüßung verwundert fest und seine Augen blieben an Angelinas leicht gewellten Haaren hängen. Ein Schulterzucken ihrerseits folgte. „Irgendwann haben sie gestört und dann hab ich beschlossen, sie wieder normal zu tragen.", erklärte Angelina beiläufig und schaute sich neugierig um.

Ihre Augen streiften nur kurz Georges Oberkörper, doch es reichte aus, um dem Rotschopf genau bewusst zu machen, dass er noch immer seinen Schlafanzug trug und auch ansonsten nicht gerade frisch aussah. Verlegen hob er hastig eine Hand, zupfte kurz an seinem Oberteil und überlegte fieberhaft, wie er sich verhalten könnte. ‚Ganz normal, du Idiot', flüsterte ihm zwar eine innere Stimme zu, doch darunter konnte er sich beim besten Willen nichts vorstellen. Ganz normal- also wirklich! Noch unpräziser ging es wohl kaum… „Willst du einen Kaffee?", erinnerte sich George schließlich an seine guten Manieren, griff, ohne die Antwort abzuwarten, nach Angelinas Hand und zog sie mit nach oben, in seine und Freds Wohnung.

„Ähm… mach's dir einfach bequem, ja?", nickte er ihr zu und deutete auf eine Tür, hinter der sich das Wohnzimmer verbarg. Mehr oder weniger überrascht nickte Angelina zurück, schritt auf die Tür zu und verschwand aus Georges Blickfeld, als dieser in die Küche abbog, die Küchentür hinter sich zuzog und mit seinem Zwillingsbruder zusammenstieß. Verwirrt blinzelnd hob Fred den Kopf, bekam kaum mit, wie sein Glas Milch überschwappte und ein paar Milchtropfen genau auf seinem nackten rechten Fuß landeten. Doch bevor er auch nur irgendetwas sagen konnte, hatte George bereits das Wort ergriffen und seinen Bruder ein paar Schritte mit in die Küche hinein gezerrt. „Angelina ist hier.", zischte George halblaut und sah sich panisch um, als fürchtete er, das Mädchen würde jeden Augenblick hereinkommen.

Freds Augen, so himmelblau wie die von George, weiteten sich überrascht und trotz der frühen Morgenstunde war er tatsächlich in der Lage, einen klaren Satz zu formulieren. Nun, zumindest beinahe. „Wieso?", gähnte Fred als Antwort und stützte sich mit der linken Hand am Fensterbrett ab, während die rechte Hand das Milchglas balancierte. George hielt für einen Moment inne, dachte über die Frage nach und kam zu dem Schluss, dass er es selbst nicht wusste. „Was weiß ich, weshalb sie hier ist!", fauchte er zurück. „Tatsache ist jedoch, dass ich wie ein kompletter Vollidiot dastand, als ich sie begrüßt habe. In meinem Schlafanzug, verstehst du?"

Haare raufend und mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck marschierte George sichtlich nervös von einer Ecke der Küche zur anderen, murmelte immer wieder leise „Im Schlafanzug!" vor sich hin, blieb dann stehen, schüttelte den Kopf und tigerte weiter auf und ab. Obwohl Freds Kopf noch immer von dem kleinen Gelage am Vorabend schmerzte, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen, auch wenn es wehtat. „Ja, ich verstehe…", begann er betont langsam und nippte an seiner mit Zaubertrank versetzten Milch, um den Kater zu bekämpfen. Kurz darauf schnitt er eine Grimasse, die Schmerzen waren höllisch, aber er wusste, dass es gleich vorbei wäre.

„George…", fuhr er dann fort, „Es ist doch nicht so, als hätte dich Angelina niemals zuvor im Schlafanzug gesehen, oder? Ich meine, überleg mal- wie viele Samstage während unserer Hogwartszeit haben du und ich wohl größtenteils im Schlafanzug verbracht, mh? Ich erinnere mich da an einige unschöne Details, als wir nahe daran waren, das Quidditchtraining zu verpassen und unsere drei Damen hoch in unseren Schlafsaal gestürzt kamen, um uns aus den Betten zu werfen. Und ich bin mir sicher, dass du an diesen bestimmten Samstagen auch wirklich einen Schlafanzug anhattest. Ansonsten hättest du dich nämlich gewiss beschwert, dass Angelina dich in deiner alten Boxershorts oder so etwas gesehen hätte…"

Eine feine, blassrosa Röte, die sich fürchterlich mit seinen Haaren biss, überzog Georges Gesicht. „Stimmt.", nuschelte er beinahe unverständlich und knabberte verlegen an seiner Unterlippe. Ein sachter, gut gemeinter Boxhieb von Fred traf ihn hart am rechten Oberarm und sein Zwilling blinzelte ihm aufmunternd zu. „Na los, auf ins Wohnzimmer mit dir, oder willst du deine Angebetete noch länger warten lassen?" „Eigentlich… nicht…", seufzte George leise und überging sogar das ‚Angebetete', worauf er Fred normalerweise eine bissige Antwort geben würde. „Aber?", hakte der nach und George fiel siedendheiß etwas ein. „Aber ich hab ihr ‚nen Kaffee versprochen…", konnte er gerade noch wispern, bevor er sich auf die Kaffeemaschine stürzte und Wasser in den Speicher füllte.

„Ich helf' dir.", bot Fred großzügig an, als er beobachtete, wie George zum vierten Mal in Folge den leeren Filter fallen ließ. „Vier Tassen?", fragte er nach und schüttete, als George nickte, vier Löffel Kaffeepulver in den Filter. Seine Spezialmischung, relativ starker Kaffee, der nach viel Milch und Zucker verlangte. Die Zwillinge jedoch tranken ihn schwarz, mit nur wenig Zucker. Fred überließ es George, das kleine Knöpfchen zu drücken und gemeinsam lauschten sie, wie die Kaffeemaschine ansprang und schließlich die ersten Tropfen in die darunter stehende Kanne fielen. „Wenn du willst, kannst du dich rasch umziehen.", bot Fred dem anderen an und, kaum hatte er ausgesprochen, war George wie ein Blitz, und auch genauso leise, aus der Küche gerast, um sich in seinem Schlafzimmer etwas anderes anzuziehen.

Drei Minuten später erschien er erneut in der Tür, diesmal mit gekämmtem Rotschopf, in Jeans und schwarzem Shirt. Noch immer nicht gerade seine Arbeitskleidung, wie Freds geübtes Auge sofort feststellte, aber eine eindeutige Verbesserung um mindestens 250 Prozent. „Ist der Kaffee fertig?", wollte George wissen und öffnete gleichzeitig ihren Küchenschrank, um zwei Tassen, Untertassen und Löffel herauszuholen und auf das Tablett zu stellen, das bei ihnen immer bereitstand. Dazu kam noch das Zuckerschälchen, ein Löffel dafür und das silberne Milchkännchen, das sie von ihrer Großtante zum Einzug in die eigene Wohnung erhalten hatten.

„Jetzt ist er durchgelaufen.", nickte Fred und griff nach der Kanne, um in beide Tassen Kaffee zu füllen. „Und nun marschierst du direkt ins Wohnzimmer, servierst deiner Herzensdame meinen besten Kaffee und verführst sie direkt auf deinem Lieblingssessel.", erklärte Fred seinen soeben entworfenen Schlachtplan und ignorierte dabei geschickt das erstarrte Gesicht seines um wenigen Minuten jüngeren Bruders. „Was?", stammelte George entsetzt und blickte verwirrt auf das Tablett, das ihm Fred in die Hände drückte. „Los!", gab der Ältere den Startbefehl und schob George resolut in Richtung Tür, stieß sie auf und gab seinem Zwilling noch einen sachten Schubs, sodass dieser auf das Wohnzimmer zustolperte.

Drei Jahre waren mehr als genug, befand Fred und blieb, mit verschränkten Armen (das Milchglas stand längst unbeachtet auf dem Küchentisch) und einem frechen Grinsen auf den Lippen, am Türrahmen der Küche gelehnt zurück. Drei Jahre, in denen George und Angelina umeinander geschlichen waren wie zwei Raubkatzen vor einem Kampf. Drei Jahren, in denen immer wieder Andeutungen gefallen waren und in denen George beinahe verrückt geworden wäre, als er, Fred, mit Angelina zum Weihnachtsball gegangen war. Dabei hatte Fred gedacht, dass George vielleicht endlich einmal aus sich herausgehen und ein wenig Eifersucht zeigen würde, aber nein. Kaum zu glauben, wie schüchtern ein solcher Rumtreibernachkömmling sein konnte, wenn es um Mädchen ging. Doch nun befanden sich die beiden im selben Raum und Fred würde schon darauf achten, dass keiner herausstürmte, bevor nicht endlich gesagt worden war, was ja wohl irgendwann gesagt werden musste.

Währenddessen hatte George die Wohnzimmertür hinter sich mit seinem Fuß geschlossen und balancierte nun, mit einem höchst konzentriert wirkenden Gesichtsausdruck, das beladene Tablett auf den kleinen Tisch zu, der in der Mitte des Raumes stand. „Kann ich dir helfen?", erkundigte sich Angelina und sprang sofort auf, als er neben ihr stand. „Geht schon…", brachte George hervor, durch ihre unmittelbare Nähe nervös geworden und heilfroh, als das Tablett endlich auf dem Tisch stand und der Kaffee noch immer, unberührt von dem, was hier gerade vor sich ging, seelenruhig in den Tassen schwappte, ohne überzulaufen. „Bitte schön…", murmelte er, während er eine der Tassen hochhob und vor Angelina schob.

Er ließ sich neben ihr auf der riesigen Couch nieder, griff sorgsam nach seiner eigenen Tasse, räumte auch Milch und Zucker von dem Tablett herunter und legte es schließlich unter den Tisch. „Milch? Zucker?", fragte er überflüssigerweise und löffelte sich selbst ein wenig Zucker in den pechschwarzen Kaffee. „Danke sehr.", erwiderte Angelina leise und schüttete etwas Milch in ihre Tasse. Schweigen herrschte, während die beiden vorsichtig an dem heißen Getränk nippten. Fieberhaft durchsuchte George seine Gedanken nach einem geeigneten Gesprächsthema, doch ihm wollte nichts einfallen, abgesehen von dem üblichen Gerede über das Wetter.

„Wie geht's dir?", erkundigte er sich schließlich und betrachtete das Mädchen, das neben ihm saß und das er nun schon so lange kannte. „Wir haben uns ja eine Weile nicht mehr gesehen…" Angelina nickte bekräftigend. „Allerdings. Seitdem ihr zwei so spektakulär aus der Schule geflohen seid, hab ich euch nicht mehr zu Gesicht bekommen." Georges Herz setzte einen Moment lang aus. ‚Euch.' Angelina war nicht gekommen, um ihn zu besuchen, sondern sie. Ihn und Fred. Zwei ihrer besten Freunde. Hastig stellte George sicher, dass sein Lächeln, das gerade im Begriff war zu entgleiten, nur noch breiter wurde und beschloss, erst einmal zu warten.

Nun offenbar mutig geworden, sprach Angelina weiter. „Ihr hättet euch ruhig mal melden können.", erklärte sie und ihr Tonfall klang seltsam anklagend. Genau wie ihre Augen, die ihn beinahe zu durchbohren schienen. Instinktiv wich George etwas nach hinten aus. Angelina schien ihm nicht gerade glücklich und zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass er und Fred sich nicht besonders gut verhalten hatten, seitdem sie Hogwarts hinter sich gelassen hatten. Irgendwie hatten sie, zwischen Wohnung suchen und Laden einrichten, wohl vergessen, sich bei ihren alten Freunden zu melden und sie mal wieder zu treffen.

„Oh.", machte er gedehnt und konnte beobachten, wie Angelina in Zeitlupe die Augen verdrehte. „Oh.", wiederholte sie schnaubend. „Was Besseres fällt dem werten Herrn Weasley wohl nicht ein, hm? Verdammt, George, hast du auch nur den Hauch einer Ahnung davon, wie wir uns gefühlt haben? Gut, in der ersten Woche nach eurem Verschwinden sind wir noch davon ausgegangen, dass ihr zwei irgendwo betrunken durch die Welt torkelt und eure neue Freiheit genießt. Aber irgendwann wurde die Hoffnung weniger und selbst wir konnten uns nichts mehr einreden. Die Tage flogen nur so dahin und niemals kam eine Eule von euch."

George blickte betreten beiseite, während er Angelinas Worte auf sich wirken ließ. Sie prasselten auf ihn ein, ungeschützt und ohne Vorwarnung saß er da und ließ alles über sich ergehen. Was hätte er auch sagen sollen? Eine Entschuldigung für ihr Verhalten hatte er nicht anzubieten… Und er wagte nicht, Angelina ins Gesicht zu sehen, aus Angst vor dem, was er in ihren Augen würde lesen können. Wut, Verachtung und vor allem Enttäuschung. Ihre Stimme, Angelinas leicht dunkle Seidenstimme, die er so sehr liebte, bebte vor Zorn, als sie weitersprach.

„Wir fühlten uns verraten, George, kannst du das irgendwie nachvollziehen? Wir dachten, wir würden euch etwas bedeuteten und dann mussten wir feststellen, dass wir uns offenbar geirrt hatten. Jeden Tag aufs Neue versuchten wir einen Grund für euer Verhalten zu finden, versuchten zu verstehen, weshalb keine Nachricht von euch kam, aber irgendwann bemerkten wir, dass wir uns nur selbst belogen und die Wahrheit aussperrten. Dann dachten wir, es läge an uns. Vielleicht hatten wir euch schlecht behandelt und es nicht einmal gemerkt. Immer und immer wieder überlegten wir und keiner wusste etwas. In den Monaten zuvor hatten wir uns stets gut verstanden…"

Angelina sah gedankenverloren in die Ferne und George schluckte schwer. In seinem Kopf kämpften Tausende von Gedanken gegeneinander an und alles, was er davon mitbekam, war reinstes Chaos. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte, ob und wenn ja, was er erwidern sollte und so schwieg er weiterhin, auch wenn ihm bewusst war, dass dies die schlechteste Lösung von allen war. Und dennoch starrte er nur in seine Tasse, rührte ab und zu darin herum und lauschte Angelinas Worten, die ihn ungeschützt und ohne Vorwarnung trafen.

„Das Schuljahr ging vorüber, jeder von uns bekam eine Einladung zur Eröffnung eures Ladens und wir freuten uns, weil ihr an uns gedacht hattet. Wir waren glücklich- zumindest solange, bis wir mitbekamen, dass die Mehrheit aller Hogwartsschüler solche Einladungen erhalten hatte." An dieser Stelle spürte George ganz deutlich Angelinas Augen auf sich gerichtet und hob kurz den Kopf, um sich gleich darauf zu wünschen, es unterlassen zu haben. Ihre Augen waren Himmel und Hölle zugleich, sprachen von Liebe, sollte er eine Erklärung haben, und von unendlichem Leid, sollte er sie erneut enttäuschen.

„Verdammt, George…" Plötzlich war ihre Stimme ganz leise und das Schwarz ihrer Augen zeugte nur mehr von Verwirrung. „Wir dachten, euch liegt etwas an uns. Haben wir uns so geirrt? Sag doch was…" Geradezu bittend blickte sie ihn an, flehte nach einer Erklärung, die sie beruhigen würde. Und es zerriss George schier das Herz, dass er ihr keine geben konnte. Langsam schüttelte er den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich dir antworten soll, Angelina. Nur, dass es mir, uns, so Leid tut. Wir haben es schlicht und einfach vergessen…"

Noch während er sprach, spürte George, dass er etwas vollkommen Falsches gesagt hatte. Angelina saß fassungslos vor ihm und betrachtete mit müdem Blick ein Sofakissen. „Vergessen.", wiederholte sie wispernd. „Ihr habt uns also vergessen?" Das Wispern schwoll an zu einem lauten, wütenden Fauchen und George zuckte erschrocken zusammen. So hatte er das doch überhaupt nicht gemeint… „Ich erzähl dir gleich was von ‚vergessen', George Weasley!", stieß das Mädchen hervor, ihre Fingernägel gruben sich in den weichen Stoff der Couch und George konnte sehen, wie die Knöchel weiß hervortraten.

Nur Sekunden später löste sie ihre Finger wieder, um sie zu Fäusten zu ballen und vom Sofa aufzuspringen. Ihre Lippen waren schmal und dünn, wütend zusammengepresst und nicht wie sonst lächelnd. „Wir können euch ebenso vergessen, wie ihr uns vergessen habt.", erklärte sie tonlos und es war diese Ruhe in ihrer Stimme, die George nun Angst machte. Das hier war jenseits von Wut und Zorn, das war weitaus mehr. „Aber wir haben euch doch gar nicht vergessen!", beeilte sich der Rotschopf zu sagen, bevor Angelina ihn überhaupt nicht mehr zu Wort kommen ließ. „Wir hatten nur wahnsinnig viel zu tun und haben dabei vergessen, euch zu schreiben…"

Er konnte selbst hören, wie verzweifelt das klang. Ein verrückter Versuch, etwas zu retten, das ganz offensichtlich nicht mehr gerettet werden konnte. „Sicher.", nickte Angelina spöttisch und musterte ihn kühl. „Ihr wart über ein halbes Jahr lang so beschäftigt, dass ihr euren alten Freunden nicht einmal ein paar Zeilen kritzeln konntet. Für wen hältst du mich eigentlich, George Weasley, dass du es wagst, mir etwas Derartiges ins Gesicht zu sagen?" Selbst wenn er die Worte an sich nicht begriffen hätte, hätte George gemerkt, dass es um etwas Ernstes ging. Es war immer ernst, wenn sie ihn mit seinem vollen Namen ansprach.

„Es ist die Wahrheit.", entgegnete er leise und hob langsam eine Hand, um behutsam nach ihrer zu greifen. Es wunderte ihn nicht wirklich, dass sie sie ruckartig wegzog. „Angelina… bitte hör mir zu.", beschwor George seine älteste Freundin und deutete stumm auf den Platz neben sich. „Bitte setz dich wieder zu mir, ja?" Er wartete einen Moment, sah zu, wie sie überlegte und sich schließlich, in gebührendem Abstand, erneut auf der Couch niederließ. „Danke.", begann er leise und lächelte sie unsicher an. Noch einmal nippte er an seinem mittlerweile kalten Kaffee, bevor er die Tasse auf dem Tisch abstellte.

„Ich weiß, es hört sich furchtbar an, aber Fred und ich haben wirklich nur vergessen, euch Briefe zu schicken. Schau mal, beinahe sieben Jahre lang haben wir uns mehr oder weniger tagtäglich gesehen und niemals ein Wort geschrieben.", versuchte er zu erklären, weshalb sein Zwilling und er selbst niemals daran gedacht hatten, dass vielleicht jemand auf einen Brief von ihnen warten könnte. „Dann haben wir die Wohnung gesucht und einen Laden- wir wollten endlich unsere Träume verwirklichen und hatten nicht im Geringsten damit gerechnet, dass es so schwierig sein würde. Fred und ich haben bestimmt zwanzig Gebäude inspiziert, bis wir endlich das hier gefunden hatten. Und plötzlich wurde es ernst."

George unterbrach sich kurz, lächelte Angelina verlegen an und fuhr leise fort. „Du kennst uns doch- wir waren vollkommen überfordert und hatten uns alles viel leichter vorgestellt. Jahrelang haben wir in einer Traumwelt gelebt und von heute auf morgen wurde es die Realität. Die Arbeit war schwieriger, als wir vermutet hatten und auch der Papierkram war schwer zu bewältigen. Wir hatten alle Hände voll zu tun und waren froh, wenn wir abends in unsere Betten fallen und bis zum nächsten Morgen durchschlafen konnten. Die Wochenenden haben wir genutzt, um alle Artikel im Laden einzuräumen und die Werbekampagne zu starten. Freizeit war ein Fremdwort geworden."

Scheu blickte er nach links, wollte Angelinas Reaktionen sehen und hoffen, dass sie nun wieder etwas fröhlicher war. „Aber doch wohl nicht sechs Monate lang.", gab Angelina gerade bissig zurück und Georges Hoffnungen verpufften auf der Stelle. Er seufzte kurz auf. „Nein. Nicht sechs Monate lang, da hast du vollkommen Recht. Aber nach diesen ersten, anstrengenden Monaten lief das Geschäft ganz gut an und wir bekamen erstmals richtig Arbeit. Arbeit mit Kunden, mit neuen Aufträgen und allem. Arbeit, die uns daran hinderte, unsere Gedanken schweifen zu lassen und die kaum Zeit ließ für lange Briefe an alte Freunde."

George verstummte, denn ihm gingen die Worte aus. Mehr hatte er nicht vorzutragen zu seiner und Freds Entschuldigung. Es schmerzte ihn zu wissen, dass das niemals ausreichen würde; zu wenig ausreichend klangen die Worte in seinen Ohren. Er schloss seine Augen, fühlte die seltsame Ruhe, die nun seinen Körper beherrschte und wartete darauf, dass Angelina das Schweigen brach. Wartete darauf, dass sie aufsprang, noch etwas sagte und dann aus seinem Leben verschwand. Wer wollte schon mit jemandem befreundet sein, der derart ignorant zu sein schien?

„Habt ihr uns denn wirklich vergessen?", flüsterte Angelina und ihre Stimme klang erstickt, als würde sie die Tränen zurückhalten müssen, und gleichzeitig flehte sie George an, ihr zu widersprechen. Als er seine Augen wieder öffnete, blickte er direkt in ihre. Sie glitzerten silbrig und er ahnte, was es sie kosten musste, die Tränen nicht laufen zu lassen. Er öffnete schon den Mund, um etwas zu erwidern, als Angelina weitersprach und ihre Worte trafen ihn mitten ins Herz. „Hast du mich tatsächlich vergessen, George?", wisperte sie und kauerte vor ihm, die Beine angezogen, die Arme darum geschlungen und die Augen riesengroß.

Fassungslos sah er sie an, schluckte schwer und suchte nach seiner Stimme, die ihm beinahe den Dienst versagen wollte. „Glaubst du das tatsächlich?", wollte er wissen, hörte, wie rau seine Stimme klang und bemerkte, wie Angelina Gänsehaut bekam. „Wie könnte ich dich jemals vergessen?" Er schüttelte den Kopf, starrte ins Nirgendwo und murmelte immer wieder vor sich hin: „Wie könnte ich… wie könnte ich…" Irgendwann legten sich ihre Finger auf seine Hand und brachten ihn zurück, zu ihr. „Heißt das ‚Nein'?", vergewisserte sie sich und biss sich auf die Unterlippe, um nicht aufzuschluchzen. „Angelina… Ich habe in jeder Sekunde der vergangenen drei Jahre an dich gedacht. Nachts träume ich von dir und bei Tage kann ich den Gedanken an dich nicht abschütteln, er ist immer irgendwo. Ist das Antwort genug?"

Einige silbrige Tränen rollten Angelinas Wange hinab, wurden auf dem Weg zu ihrem Kinn von zwei weichen Lippen weggeküsst und lautlos weinend schmiegte sie sich, umschlungen von starken Armen, an Georges warmen Körper. „Ist es…", nickte sie irgendwann und spürte seinen fliegenden Atem dicht bei ihrem rechten Ohr. „Ich liebe dich.", wisperte George und streichelte mit einer Hand ihre Wange. „Nicht mehr weinen… ich wollte dir nicht wehtun…", murmelte er beruhigend und hauchte sanft einen Kuss auf ihr Ohrläppchen. Ein Lachen war Angelinas Antwort. „Endlich…", lächelte sie. „Endlich hast du es gesagt… Ich liebe dich auch."

Und draußen vor der Wohnzimmertür war Freds Grinsen breiter als jemals zuvor. Nach drei Jahren hatte es sein Zwilling also doch noch geschafft und machte nun sowohl sich selbst als auch Angelina glücklich. Fred hätte kaum einen Menschen gewusst, dem er es mehr gegönnt hätte…

OoOoOoO

Vielen Dank an meine lieben Reviewer:

Leaky: /lach/ Ja, ich weiß, ich komm nicht los davon, deswegen schreib' ich ja an dieser längeren Sache, um mich mal wieder richtig austoben zu können /zwinker/. Aber es freut mich, dass dir „Lovestory" gefallen hat! Vielleicht kannst du mit diesem Oneshot hier auch was anfangen…

LadyAdamas: Tausend Dank! So viele wunderbare Komplimente auf einmal /freu/. Und ja, ich überleg mir was zu den beiden, aber ich warne dich lieber gleich vor, dass es noch etwas dauern könnte. Ich hab im Moment so wahnsinnig viel zu tun. Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem kleinen Kapitel wieder ein wenig den Tag versüßen!

Moon: Danke schön! Ich glaube, das hier kennst du auch noch nicht- oder?

Darkheart1230: Vielen, vielen Dank /drück/ Seamus/Blaise kommt auch bald

Amélie: Mh, tut mir Leid, dass du Harry nicht mochtest und tut mir Leid, dass du das hier auch schon wieder kennst. Aber daran ist Koko schuld, sie hat gesagt, ich solle „Vergissmeinnicht" hochladen /smile/. Ich sitz an deinem Brief dran, am WE ist er fertig!