Auf dem Flagschiff der UEO herrschte rege Betriebsamkeit. Überall wurden Dinge aus- oder umgeladen. Ein Haufen Leute lief unkoordiniert durch die Gegend um die letzten Vorbereitungen zu treffen und die Neuankömmlinge am Landungsbecken wurden in verschiedenen Sprachen an Bord der seaQuest willkommen geheißen.

Während Nathan versuchte aus dem Shuttle auszusteigen, bekam er den oberen Teil einer Pflanze ins Gesicht. Das reichte bereits um ihn genervt sich umsehen zu lassen.

Schulterzuckend lief Noyce an ihm vorbei der sofort alle möglichen Details aus der Bauphase des Bootes im Akkord herunter predigte. Er erklärte welche Funktion die einzelnen Decks hatten, weshalb es nun zu einem wissenschaftlichen Boot umgebaut wurde und verstummte erst, als sie vor der Brücke ankamen. Noyce ließ sich Bridger in aller Ruhe umsehen.

„Sie ist wunderschön, nicht wahr?", fragte Admiral Noyce seinen alten Freund.

„Ganz nett. Aber glaub nicht, dass du mich für irgendwas bekommen kannst. Sobald diese Führung hier vorbei ist, bin ich wieder verschwunden."

Dann legte Noyce den Hebel um und öffnete das Schott, das auf die Brücke führte. Er ließ seinem Freund genügend Zeit alles auf sich wirken zu lassen, ehe er ihm den Vortritt ließ. Jemand entdeckte den Admiral, salutierte und rief. „Admiral an Bord!" Augenblicklich stand jeder von seiner Station auf und zollte dem hochrangigen Offizier seinen Respekt.

Sobald alles wieder in den Normalbetrieb überging sah Nathan sich die Kontrollstation für die WHSKR an und tauschte ein paar kurze freundliche Worte mit dem zuständigen Offizier aus.

„Werden Sie von diesem Besucher belästigt, Mr. Ortiz?", fragte auf einmal eine Stimme hinter den beiden ernst. Langsam drehte sich Nathan herum, während der angesprochene Offizier antwortete.

„Nun, ich weiß nicht Sir, er scheint sich auszukennen." Irgendwie war er jetzt etwas in Verlegenheit geraten.

„Haben Sie ein Problem?", fragte Bridger aggressiv.

„Und ob ich das habe, wenn es sich um Touristen handelt, die aussehen als würden sie hier einen netten Urlaub verbringen wollen. Auf diesem Boot ist das jedoch nicht möglich." Der Sicherheitschef baute sich streng vor dem Besucher auf.

„Was ist, wenn dieser Urlaub nur dazu da ist um Sie bei Ihrer Arbeit zu behindern?", war die nächste Frage von Nathan Bridger.

„Dann können Sie sich darauf gefasst machen", die ernste Stimmung wurde zusehends heiterer und ein Lächeln breitete sich auf Crockers Gesicht aus. „dass ich mich sehr freue, dich wieder zu sehen!" Im nächsten Moment umarmten sich die beiden Männer herzlichst.

„Ich freu mich auch, das muss ja mindestens zehn Jahre her sein!" sagte Bridger.

Der Mann in der Uniform winkte ab. „Das langt nicht, zwölf waren es sicherlich!"

„Was machst du hier? Ich dachte du seist längst in Pension gegangen." Nathan folgte seinem alten Freund, wie sich nun heraus gestellt hatte, herunter von der Stationszeile und setzte sich auf einen augenscheinlich leeren Stuhl.

„Hatte ich auch vor, aber dann wurde mir angeboten hier die Leitung über die Sicherheit zu übernehmen. Ich war gerade im Begriff meine Papiere zu übergeben, als mich Admiral Noyce anrief. Irgendwie fühlt es sich schon komisch an. Ich altes Walroß mit den ganzen jungen Spunden von der Akademie. Man kommt sich doch sehr seltsam vor." berichtete Crocker lächelnd.

„Machen Sie neuerdings Führungen Chief?", fragte eine strenge Frauenstimme, die nun in Form einer attraktiven Offizierin mit kurzen braunen Haaren neben ihnen auftauchte.

Crocker stand augenblicklich gerade da. „Nein, Lieutenant-Commander."

Sie drehte sich zu Bridger herum. „Das hier ist meine Station, wenn Sie etwas besichtigen wollen, dann gehen Sie zum Arizona Memorial. Haben Sie überhaupt die nötige Sicherheitsstufe um sich hier aufhalten zu dürfen?" Sie beugte sich vor um seinen Ausweis zu kontrollieren, als sie inne hielt. „Unbegrenzt?" Verwundert sah sie in Bridgers Augen.

Der Sicherheitschef räusperte sich. „Wenn ich vorstellen darf, Nathan Bridger." Um dem nochmal Nachdruck zu verleihen, wiederholte er den Namen mit seinem früheren Rang. „Captain Nathan Bridger. Das hier ist Lieutenant-Commander Hitchcock unsere Chefingenieurin an Bord."

Die junge Frau fasste sich sofort und wurde mit einem mal ganz anders. Höflich hielt sie Bridger die Hand hin. „Captain, es freut mich sie kennen zu lernen."

„Mich auch." Er drehte sich auf seinem Stuhl herum. „Das ist also ihre Station? Das war damals von mir gar nicht vorgesehen gewesen."

„Bei allem Respekt, Sir, aber wir haben hier einige Veränderungen vorgenommen. Sobald Sie sich genauer umgesehen haben, werden Sie wissen was ich meine. Wenn Sie möchten, kann ich das gerne übernehmen, noch hätte ich ein wenig Zeit." bot der Lieutenant-Commander ihm an.

Bridger erhob sich. „Vielen Dank, ich werde darauf zurück kommen, doch vorerst ist das Arizona-Memorial dran." Er lächelte Crocker zu, der sofort seinen Anpfiff von der jungen Dame bekam, sobald Bridger die Brücke verlassen hatte.

Nathan fand er hatte sich genug auf der Brücke umgesehen, besser er mache sich auf die Suche nach Bill, bevor der Zeit hatte sich neue Gemeinheiten für ihn auszudenken. Ließ der ihn einfach so auf der Brücke allein. Als würde er dadurch auf seinen Plan hereinfallen und sofort die Führung übernehmen. Es war ein gutes Gefühl auf dieser zu stehen, doch er konnte es nicht tun. Nicht jetzt mehr. Früher vor einigen Jahren noch, hätte er sich sofort bereit erklärt, doch es war wie es war. Die Zeiten änderten sich und damit auch seine Einstellung.

Endlich fand er Bill, der gerade aus einem der vielen Räume trat, die sich auf dem Boot finden ließen. „Du läufst wohl vor mir davon?"

„Wie?", Bill Noyce war einen Moment verwirrt, doch dann sah er Nathan. „Oh, hast du dich schon ausreichend genug auf der Brücke umgesehen? Ich dachte du würdest länger brauchen."

„Wenn ich dieses Schiff als Captain übernehmen würde, wäre das auch der Fall. Hier bin ich jedoch nur ein Tourist und als solcher reicht es kurz einen Blick darauf zu werfen. Können wir weiter machen, damit ich schnell zurück kann?", drängte Nathan.

„Du kannst es wohl kaum erwarten wieder auf deine Insel zu kommen." sagte der Admiral ein wenig abfällig, doch er führte ihn in einen anderen Teil des Bootes. „Ich glaube ich kann dir aber etwas zeigen, das dir sehr gut gefallen wird." Er öffnete eine Tür und stieg durch die kleinere Luke hindurch. „Das Seedeck."

Verwundert blieb Nathan vor einem Becken stehen, während Bill Noyce, den sofort salutierenden Männern sagte, dass sie mit ihrer Arbeit weiter machen konnten. „Das hier war auch nicht von mir vorgesehen. Sollten hier nicht Raketen gebunkert werden?"

„Ja, aber im Rahmen unserer Friedensmission waren die nicht mehr von nöten und wir mussten umrüsten. Sei unbesorgt Nathan, sie ist weiterhin gut bestückt." Schon war Noyce wieder am Laufen und arbeitete sich nach unten an das mondförmige Becken, während Bridger ihn nun doch nach Hintergründen befragte, als ihn jemand mit Wasser bespritzte. Langsam drehte sich der Captain herum. „Hey." Ein Delphin war in dem Becken und hatte sich einen Spaß daraus gemacht ihn voll zu spritzen.

Nathan beugte sich hinunter zu dem Delphin und streichelte ihn. „Komm her, na komm." Plötzlich hielt er inne und fuhr zu Bill herum. „Darwin? Das ist mein Darwin!"

„Ja sicher doch, schließlich war es deine Idee geschulte Delphine an Bord zu bringen."

„Das hieß aber nicht meinen Darwin hier mit her zu schaffen" fuhr Nathan ihn an.

„Ich dachte es würde dich freuen ihn um dich zu haben." sagte Bill unschuldig.Er konnte den Ärger seines Freundes nicht ganz nachvollziehen.

„Darwin spielen", erklang eine Computerstimme.

„Was?"

„Darwin will spielen."

„Wer will spielen?" Nathan wusste nicht genau was hier vor sich ging.

„Na ich schätze mal er will spielen." meinte Bill mit einem Nicken auf den Delphin.

Nathan sah zu Darwin und dann auf. „Ich weiß, was er meint, ich möchte wissen was das soll?" Sein Blick verfinsterte sich. „Nettes Spiel, das ihr hier mit mir treibt. Erst schaffst du meinen Delphin hier an Bord und für den Fall ich springe nicht drauf an, holst du dir auch noch meinen Sohn?" Er zeigte böse auf den Teenager der da auf einer Treppe kauerte und mit einem gelben Gerät herum hantiert hatte.

„Das ist kein Spiel!" sagte Lucas daraufhin. Es gab schließlich keinen Grund hier auszuflippen. Außerdem konnte er sich ein Wiedersehen mit seinem Vater auch anders vorstellen. Fing der an hier groß rumzuschnauzen. Vielleicht sollte er gleich die Biege machen, dann hätten sie es hinter sich. Leider war das nicht ganz so einfach, denn wer Nathan Bridger zum Vater hatte, wusste wie dieser empfand und warum er gerade jetzt gereizt war.

„Nathan, das ist nicht alles gegen dich. Wir haben ihn gefragt, ob er Lust hätte an Bord zu kommen und er hat ja gesagt." antwortete Bill.

„Ach, so ist das also." fuhr Nathan aufgebracht seinen alten Freund an. „Werde ich als Vater gar nicht mehr gefragt?" Bridger fuhr zu Lucas herum. „Kannst du mir mal erklären warum du nicht mehr in Stanford bist? Ich dachte dir würde dein Studium Spaß machen und bist dort gut aufgehoben, doch statt dessen muss ich mitbekommen, wie du einfach so dich von diesen Idioten hier hast zu irgendetwas überreden lassen! Warum rufst du nicht einmal an, um mich über solche Angebote zu informieren?" Er schlug mit der flachen Hand auf den Beckenrand, so wütend war er.

Lucas seufzte auf. So hatte er sich das schon gedacht gehabt. Er stand aus der Hocke auf und ging zu den beiden Männern hinunter. „Wie hätte ich das tun sollen? Auf der Insel gibt es kein Telefon, kein Vidphone, gar nichts. Außerdem habe ich bereits im letzten Semester mein Studium beendet. Ich konnte dich nur nicht erreichen." sagte er leise.

Nathan war einen Moment still. Er musste die gerade erhaltenen Informationen erst verarbeiten. „Du bist fertig?"

Stumm nickte der Teenager.

„Wir haben heraus gefunden, dass er Schwierigkeiten hatte etwas geeignetes zu finden, wegen seines Alters und da du einer der besten Leute der Navy warst, war es nur recht, wenn wir ein Auge auf deinen Sohn haben. Wir fragten ihn, ob er an einer Stelle im Forschungsteam interessiert wäre. Völlig unverbindlich und mit der Option jederzeit gehen zu können. Seine erste Errungenschaft hat er schon mal gemacht und das ist deinen Delphin zum reden zu bringen." erklärte Bill.

Nathan Bridger achtete nicht auf Noyce, ihn interessierte sein Sohn jetzt mehr. „Das wusste ich nicht." Er legte ihm die Hand auf die Schulter. „Dennoch hättest du mir eine Nachricht zukommen lassen können oder überhaupt vorbei kommen sollen!"

„Das hätte doch nichts gebracht. Seit Mum tot ist bist du völlig in dich gekehrt. Dir war es doch nur recht, als ich nach der Beerdigung sofort zur Uni zurück bin, damit du allein warst." sagte Lucas betrübt.

„Nein, das stimmt nicht", schüttelte Nathan den Kopf. Er zog Lucas in eine feste Umarmung. „Ich liebe dich doch mein Kleiner. Du bist alles was mir geblieben ist, wie könnte ich dich da los werden wollen?" Er gab ihm einen Kuss auf den Kopf und wuschelte ihm anschließend durch das blonde Haar. „Außerdem könnten die etwas kürzer sein."

Ein leichtes Lächeln huschte über Lucas' Gesicht. „Meine Haare sind genau richtig."

„Kann unser Darwin auch noch etwas anderes sagen außer, dass er spielen will?"

„Natürlich, du musst es nur ausprobieren. Frag ihn irgendwas!" Lucas hielt das gelbe Geräte auffordernd zu seinem Vater.

Abschätzend sah Nathan zu Bill und dann zu seinem Sohn zurück. „Also gut, ich probier's. Darwin, wie haben wir uns kennen gelernt?"

„Darwin verletzt." antwortete eine Computerstimme.

„Das stimmt. Er lag am Strand gefangen in einem Treibnetz. Moment, eine Frage hab ich noch, die Lucas nicht hier manipuliert haben könnte. Über unser Kennenlernen weiß er zu genau bescheid. Darwin, welche Farbe hat meine Badehose?"

„Deine Hose?", die Stimme klang amüsiert. „Haut."

Ein wenig irritiert sah er sich zu den anderen beiden um. „Das stimmt, ich trag nie eine."

„Vielen Dank für dies wundervolle Bild. Aber ich muss jetzt los, sonst kann ich mir was anhören. Da hab ich schon kaum was zu tun und komme dennoch zu spät."

„Du musst das nicht tun. Ich mache diese Bootsführung nur noch schnell zu Ende, dann gehe ich nach Hause zurück und du kannst mit mir kommen." Nathan hielt Lucas am Arm fest.

Eine Weile dachte der Teenager durchaus darüber nach. „Das würde ich gern, aber ich möchte nicht den ganzen Tag dabei zusehen müssen, wie du immer wieder trübsalblasende Anfälle bekommst und an Mum ... oder an Robert denkst. Bis jetzt gefällt es mir hier nämlich und ich kann ein wenig mit dem arbeiten, was ich gelernt habe."

„Das kannst du zu Hause auch!" protestierte Nathan.

„Nicht auf die Weise. Wenn wir zu unserer ersten Mission aufbrechen, darf ich beim Wissenschaftsteam helfen. Das ist besser als zu Hause auf der Insel immer nur die selben kleinen Experimente mit Darwin zu machen, der das nun auch schon auswendig kann. Da ist nichts neues mehr dabei."

Seufzend nickte Bridger. Genau das hatte er auch schon feststellen müssen. Seine Arbeit mit Darwin war eintönig und wirklich große Ergebnisse brachte es ihm nicht, denn er spielte immer und immer wieder die selben Muster ab. Alles was er tat war Routine um sich zu beschäftigen. „Ist gut. Ich sehe dich aber noch mal, bevor ich gehe. Ich möchte wissen, warum du bereits mit deinem Studium fertig bist."

„Natürlich." nickte Lucas ihm bestätigend zu. „Ich bin dann aber wirklich weg." Er warf einen kurzen Blick auf Admiral Noyce, dann huschte er schnell davon.

„Cleveres kleines Kerlchen, findest du nicht? Er hat uns alle mit dem Vocoder überrascht gehabt."

Nathan sah zur Decke um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Diese Begegnung hätte nicht sein müssen, denn es tat ihm im Herzen weh, wie wenig er sich um seinen jüngsten Sohn die letzte Zeit gekümmert hatte. Der Junge verdiente wirklich einen besseren Vater als ihn. Soweit war es schon gekommen, dass er nicht einmal mehr mitbekam, wie dieser seinen Universitätsabschluß machte. Er wäre gerne an diesem letzten Tag bei ihm gewesen. Das war dann wohl ein weiterer Grund, warum Bill ihn hier haben wollte. Einfach um nach seinem Jungen zu sehen. „Ja, er ist wirklich ein Geschenk."

„Wir hatten zwei von unseren trainierten Delphinen die letzte Woche hier an Bord, da hat er das Gerät gebaut und sofort in Betrieb genommen. Ich glaube euren eigenen Delphin hier zu haben, hat ihn gefreut." redete Bill ungeachtet weiter.

„Die zwei sind unzertrennlich." sagte Nathan, als es ihm ein wenig besser ging und er sich etwas gefasst hatte.

Bill Noyce ging die erste Stufe der Treppe, die sich rechts und links am Rand des Moon Pools befand rauf. Dort war gerade jemand anderes gekommen. Der dunkelhäutige junge Mann wirkte leicht angespannt. „Oh, Nathan, darf ich dir Commander Jonathan Ford vorstellen." Schon wurde dieser in Richtung Nathan geschoben.

„Sehr erfreut, Sir." sagte dieser zu Bridger.

Freundlich nickend schüttelte Nathan die Hand des ersten Offiziers.

„Ich habe noch einigen Papierkram zu machen, warum lässt du dir nicht vom Commander alles weitere zeigen? Er kennt sich hier sowieso besser aus, da er bereits seit der ersten Stunde an Bord ist. Wir sehen uns dann." Nun war Bill mit einem Mal ganz schnell verschwunden.

Jonathan Ford trat langsam die letzten Stufen hinunter. „Muss ein schönes Gefühl sein seinen Traum verwirklicht zu sehen."

„Ja, das ist es." Nathan drehte sich herum und betrachtete einige der Gegenstände. „Sie gehören seit der Jungfernfahrt zur Mannschaft?"

„Ja, Sir", nickte der Commander. „Ich gehörte zu einem handverlesenen Team, das vor drei Jahren bei der ersten Fahrt dabei war. Von uns sind außer mir nur noch zwölf weitere Leute an Bord. Das hier wird jetzt nicht anders, als damals. Wir haben eine Menge Veränderungen vorgenommen, aber ich freue mich schon, wenn es endlich wieder nach draußen geht."

Nathan lauschte den Ausführungen des Commanders und sah durch die Glasscheibe eines abgetrennten Raumes. Als er die Hand auf die Oberfläche legte fühlte es sich merkwürdig an. „Was ist das?"

„Was, Sir?" Jonathan sah etwas verwirrt zu dem älteren Mann.

„Das Boot bewegt sich." musste Bridger mit Schrecken feststellen. „Wieso fahren wir? Wer hat den Befehl dazu gegeben?"

„Das weiß ich nicht." Ford holte seinen Pal hervor und drückte darauf herum. „Hier Commander Ford, wer hat Befehl zum auslaufen gegeben?" Er hielt das Gerät in Bridgers Richtung.

„Der Admiral, Sir." antwortete jemand von der Brücke.

„Stoppen Sie dieses Boot!", verlangte Bridger.

„Ich fürchte das wird nicht möglich sein. Sobald wir auslaufen steht der Kurs fest und es kann nicht mehr umgekehrt werden." sagte Ford um Höflichkeit bemüht. Noch jemand der ihn meinte anfauchen zu müssen. Da hatte er bereits mit einem frechen Jungen am Vormittag beim Frühstück eine Begegnung gemacht. Der war genauso fordernd, weil ihm immer noch nicht sein Quartier passte. Dabei fand Jonathan die Kammer neben der Kombüse gar nicht so schlecht.

„Ich verlange dieses Boot verlassen zu dürfen!" beharrte Bridger weiter auf seinen Willen.

„Wenn der Captain es wünscht, kann ihn ein Shuttle wieder an Land bringen, sobald wir offenes Gewässer erreicht haben!" sagte Ford durch die Zähne.

„Der Captain wünscht es!" schrie Nathan halb.

„Aye, Sir." sagte Ford weiter bissig, doch da machte sich Bridger bereits auf dem Weg. Er war stinksauer und musste jetzt unbedingt jemanden anrufen. Gnade ihm Gott.

„Fünfunddreißig Jahre kennen wir uns jetzt schon und nie habe ich mich so hintergangen gefühlt!" schrie Nathan in Rage dem Abbild seines alten Freundes auf dem großen Monitor entgegen.

„Ich habe dich nicht hintergangen, ich habe versucht dich aus deiner Einsamkeit zu befreien."

„Ich brauche keine Befreiung. Es war mein freier Entschluß mich zurück zu ziehen woran mich niemand hindern darf!" Wütend warf er die Tür ins Schloß, damit nicht zu viele Unbeteiligte von der Crew mitbekamen, was in dem kleinen Konferenzraum vonstatten ging.

„Nein, aber wenn du dich selbst kaputt machst, dann muss jemand eingreifen. Nathan, du bedeutest zu vielen Menschen einfach zuviel, als das wir da tatenlos zusehen können. Du hast es selbst in den Augen deines Sohnes gesehen. Er hat die Hoffnung in seinen Vater verloren. Einen Vater, der früher vor Forscherdrang nur so gesprüht hat und nun auf seiner Insel Tarzan spielt!"

„Du hast kein Recht meine Lebensart anzuzweifeln. Du erreichst gar nichts, wenn du versuchst Lucas gegen mich einzusetzen. Das ist hinterlistig! Versuch ihn nicht gegen mich auszuspielen oder mich aufzubringen. Das könnte ich dir sehr übel nehmen."

„Es tut mir leid, wenn du das so siehst. Meine Absichten waren immer nur die besten. Meine Art mag dir nicht gefallen, doch es war nur zu deinem besten." Der Admiral legte dazu ein besorgtes Gesicht auf. Es war ihm wirklich ernst mit dem was er sagte, aber Nathan nahm es nicht an.

„Zu meinem Besten? Du hast doch gar keine Ahnung was...", doch da war der Bildschirm bereits aus. Admiral Noyce hatte die Verbindung unterbrochen. Er betonte nochmals wie leid es ihm tat und schaltete ab.

„Verdammt!" wütend schlug er mit der Faust auf den kleinen eckigen Konferenztisch. Der Kerl erlaubte sich wirklich eine Menge. Nun saß er auf diesem Boot fest und kam nicht wieder davon herunter. Am besten er suchte Lucas und versuchte den wenigstens von dieser fixen Idee abzubringen hier zu bleiben.

Er musste eine Weile suchen bis er ihn fand, doch er fand ihn. „Sag mir bitte nicht, das hier ist deine Unterkunft." Zögernd betrat er die kleine Zelle hinter der Kombüse.

Lucas holte tief Luft. „Also... noch befinde ich mich in Verhandlungen mit dem Commander in der Hoffnung etwas besseres zu bekommen. Ganz die Luxusklasse ist es nicht, aber ich komme vorerst noch klar. Du weißt doch, wenn ich lange genug nerve, bekomme ich meist was ich möchte."

Sichtlich erschüttert über diese Unterkunft sah sich Nathan Bridger um. „Du willst mir doch wohl nicht ernsthaft weis machen, dich hier wohl zu fühlen? Ich kenne dich gut genug, dir war nicht einmal dein Zimmer in unserem Haus groß genug und dabei hattest du bereits eines der größten!"

Der Teenager war sichtlich um eine Antwort bemühte und setzte mehrmals an. „Nun ja, ich komme schon eine Weile damit zurecht."

„Nein, das glaube ich nicht." sagte Nathan den Kopf schüttelnd. „Ich werde zu Commander Ford gehen, er wird dir ein anderes Zimmer zu weisen. Er muss es. Erst recht, wenn du mich nicht begleiten wirst." Er sah drängend auf seinen Sohn. „Wirst du mit mir kommen, wenn wir ausführlich über unsere Möglichkeiten reden?"

Augenrollend ließ sich Lucas auf seine Koje sinken. „Die da wären?"

„Das weiß ich nicht, was wäre es denn, das dich von hier weg bringen könnte?"

„Ich wusste es läuft wieder darauf hinaus." sagte Lucas sichtlich genervt. „Kannst du es denn nicht einfach akzeptieren und mich das hier durchziehen lassen? Ich freue mich wirklich auf diese Tour. Ich bin gespannt was hier alles passieren wird, was ich lernen könnte. Ich bin in einem großen Wissenschaftsteam. Andere haben mich nicht genommen, zu jung haben sie gesagt. Als wäre das Alter so ein großer Unterschied zwischen Wissen und nicht wissen."

„Doch genau das ist es. Viele Leute sehen skeptisch auf jemanden wie dich, dazu noch gibt es eine Menge Kids, die in der Lage sind Unterlagen zu fälschen. Man muss vorsichtig sein."

„Na ganz toll, jetzt fang du auch noch an. Mir ist das nämlich tatsächlich vorgeworfen worden. Irgendwer hat mir sogar die Polizei nach Hause geschickt, die gleich meinen ganzen Computer untersuchen wollten, da ich bereits dort gemeldet bin."

Nathan verzog das Gesicht und verbarg die Augen hinter der Hand. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er und Carol eines Morgens geweckt worden waren, weil ihr jüngster Sohn beim Hacken erwischt worden war und die Polizei nun vor der Tür stand. Da es sich um einen Minderjährigen handelte konnten sie nicht viel machen, aber eine Geldstrafe gab es dennoch und Lucas war polizeilich gemeldet. „Haben sie es getan?"

„Nein, zum Glück nicht. Die haben sich von der Echtheit meiner Abschlußdokumente überzeugen können. Ich hatte einfach zuviel Zeug da und sie haben auch an der Uni nachgefragt. Aber das hatte mir gereicht und dann kam bereits schon der Anruf von Admiral Noyce." Lucas rutschte näher an seinen Vater heran. „Dad, ich will das wirklich machen. Mir passiert hier schon nichts! Ich bin nicht wie Robert direkt im Gefecht, ich arbeite mit Wissenschaftlern auf einem Boot, das hauptsächlich für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt wird." Er griff nach der Hand seines Vaters, der ihn nun wieder ansah.

„Du weißt gar nicht wie schnell etwas passiert sein kann. Ich werde nicht mehr ruhig schlafen können, solange ich dich auf diesem Boot weiß." Liebevoll strich er über die Wange des Jungen.

„Dann bleib doch ebenfalls hier und du weißt was los ist. Ganz einfach! Die wollen doch sowieso, dass du die Leitung übernimmst, warum tust du das dann nicht? Was ist denn so schwer dabei?"

„Nein", Nathan schüttelte leicht abwesend wirkend den Kopf. Er war ruhiger geworden und tief in Gedanken versunken.

„Warum nicht? Willst du ewig vor allen Menschen davon laufen? Weißt du wie ich mich dabei fühle? Du kommst hierher und spielst den liebenden Vater aber im gleichen Moment habe ich das Gefühl dir nur eine Last zu sein. Jemand den du nicht zu nah an dich heran lassen möchtest. Ich komme mir vor, als würde ich gar nicht mehr gewollt sein. Würde es einen Unterschied machen wenn ich nicht mehr da bin?" Zwischen Lucas' Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet. Es tat schwer so ehrlich zu sprechen, aber was raus musste, musste raus. Er konnte so nicht weiter machen.

Erneut musste sich Nathan zusammen reißen. Diese Worte aus dem Mund seines Sohnes taten mehr weh, als alles andere im Moment. Er hätte alles gegeben wenn er sie nicht hätte hören müssen. „Natürlich würde es einen Unterschied machen." sagte er leise.

„Wirklich? Ist es um meinetwillen oder geht es nur darum, dass du keine Lust hast wieder jemanden zu verlieren?" Lucas kam richtig in Fahrt. „Ich habe auch meine Mutter verloren! Aber damit noch nicht genug, denn ich habe gleichzeitig meinen Vater dazu verloren, denn der hat sich von der Welt abgeschottet und kommt nur noch dann kurz raus, wenn er etwas braucht. Ich bin völlig auf mich gestellt gewesen von heute auf morgen und hatte niemanden mehr. Mein älterer Bruder war bereits tot und nun hatte ich beide Eltern mit einem mal verloren. Siehst du mich hier Trübsal blasen? Ich habe wenigstens versucht damit zu leben, wenn du das nicht kannst, kann ich nichts dafür! Aber du solltest es nicht an mir auslassen und mich in das selbe schwarze Loch stoßen in das du dich selbst hinein manövriert hast!"

Jedes Wort ein weiterer Stich in sein Herz. Bridger rieb sich die Schläfen. Natürlich hatte er darüber nachgedacht, was mit Lucas war. Er hatte sich oft versucht klar zu machen, was er für Gefühle empfand, wie es ihm ging, wenn er da in dem großen Wohnheim an der Uni allein war. Irgendwie hätte er damit rechnen müssen, nun von diesem diese Worte hören zu müssen.

„Siehst du, ich habe recht! Dir fällt nämlich nichts ein, was du mir darauf antworten kannst." sagte Lucas wütend und stand von seiner Koje auf. „Ich muss jetzt los. Man gibt mir zwar immer nur kleine Sachen zu tun, die sofort erledigt sind, aber ich habe wenigstens immer mal wieder was." Der Teenager verließ den Raum und ließ Bridger allein in der kleinen Zelle.

So hätte das nicht enden dürfen. Er wollte nur mit ihm reden und erfahren, ob es ihm gut ging, statt dessen war er angeklagt worden. Lucas' Worte hatten sehr an seiner Vaterehre gekratzt und das schlimmste war, er hatte wirklich recht. Mit jedem einzelnen Punkt hatte Lucas den Nagel auf den Kopf getroffen. Vieles war wie er es sagte. Bridger atmete mehrmals tief ein und aus. Das mit Lucas würde wohl doch etwas komplizierter werden, als er gedacht hatte. Wenn er schon so nichts für ihn tun konnte, dann sollte er wenigstens versuchen ein besseres Zimmer für ihn zu bekommen. Diese Besenkammer war das Letzte.

Fünf Minuten später stand er vor Jonathan Fords Quartier und klopfte an.