Hallo allerseits. Ja, weil ihr soooo unheimlich fleißig beim Review-Schreiben (für die, die die Ironie nicht erkannt haben, DA ist sie!) wart, gibts jetzt das vierte Kapitel. Das fünfte und letzte habe ich gerade begonnen und bis Mitte/Ende Februar müsste es dann fertig sein, falls mich mangelnde Anteilnahme nicht vorher in ein Krea-tief stürzt. hüst
Jetzt jedenfalls viel Spaß mit dem neuen Kapitel.
Autor: Lillith
Kapitel: 4/ 5+ Epilog
Zusammenfassung/Summary: Nun, es wird weitergehen, wie es weitergehen wird. Unabwendbares wird folgen... seid gespannt!
Disclaimer: s. Kapitel 1
Spoiler: s. Kapitel 1
Pairings: Harry/Draco; Hermine/Ron…
Rating: R oder P-16
Warnungen: s. Kapitel 1
A/N: Kapitel 4 für euch, meine lieben Leser! Der Kapiteltitel... lasst euch überraschen, ich hab ihn noch mal geändert, erst war er bedeutend optimistischer. hehe
Übrigens muss ich mich für meine kleinen Fehlerchen entschuldigen... hab vor kurzem gesehen, dass ich im 1. Kapitel mal was ziemlich überarbeitet hatte und dann nen Satz stehen lassen habe, der da so nicht mehr hätte stehen dürfen. Sorry... aber ich tippe diese ff gleich, ohne erst handschriftlich zu schreiben (wie normalerweise), da ich z.Z. zu wenig Zeit für eine solche Arbeitsweise habe...
Kapitel 4
Innerlich tot...
Lass es Liebe sein
Hast du nur noch einen Tag
Nur eine Nacht
Dann lass es Liebe sein
Hättest du nur eine Frage
Die ich nie zu fragen wage
Dann lass es Liebe sein
Wenn du gehst
Wieder gehst
Schau mir noch mal ins Gesicht
Sag¹s mir oder sag es nicht
Dreh dich bitte noch mal um
Und ich seh¹s in deinem Blick
Lass es Liebe sein
Lass es Liebe sein
Das ist alles was wir brauchen
Noch viel mehr als große Worte
Rosenstolz, „Liebe ist alles"
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Die nächsten drei Wochen verliefen relativ ereignislos – sah man von den regelmäßigen Reibereien zwischen Harry und Draco ab, die ersteren langsam aber sicher zu zermürben begannen. Zudem hatte der Schwarzhaarige nur selten die Chance seinem Pflegling zu ‚entkommen', er hatte ja Urlaub genommen. Und Dracos Gesundheitszustand hatte sich verschlechtert, er musste inzwischen mindestens zwei Löffel des Trankes einnehmen um die Anfälle zum Abklingen zu bringen.
Hatte Harry geglaubt, er hätte mit dem Kauf der Querflöte einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, in diesem Falle ein wenig mehr Lebensfreude und das Ablegen der permanenten schlechten Laune Dracos, so hatte er sich gründlich getäuscht.
Der Blondschopf spielte zwar regelmäßig (und hielt in dieser Zeit Gott sei Dank die Klappe) aber die Musik wurde zusehends depressiver und schwerer.
Sie drückte sogar Harry regelrecht nieder.
Und das in der Adventszeit.
Nicht dass Harry mit seiner eigenbrötlerischen Lebensweise irgendwie an Weihnachten hing, zumindest seit er allein wohnte nicht, in Hogwarts war das etwas anderes gewesen, aber er hätte schon einiges für eine ein wenig friedlichere Stimmung gegeben, die durch seine hübsche Dekoration in Form von ein paar schlicht geschmückten Tannenzweigen, einer aus Holz geschnitzten Spieldose 1 und ein paar weihnachtlichen Kerzenständern durchaus aufkommen hätte können.
Noch dazu hatte sich Ted Neill seit ihrem Gespräch im Ministerium nicht mehr gemeldet und langsam wurde Harry unruhig. Was bedeutete sein langes Schweigen? Dass es da tatsächlich Unstimmigkeiten gab? Dass es nichts dergleichen gab?
Harry wusste es nicht und so grübelte er. Saß in seinem Arbeitszimmer, ganz entgegen seiner Gewohnheiten mit dem Rücken zur Tür, den Blick nach draußen auf das Schneegestöber gerichtet und grübelte.
Er musste zugeben, dass er es inzwischen ein wenig bereute, Draco bei sich aufgenommen zu haben. Er hatte nicht vermutet, dass sich das so nervenaufreibend gestalten würde.
Aber irgendwie machte er sich auch Sorgen um Draco. Logischerweise, denn wäre ihm dieser depressive Holzkopf egal, wäre er selbst wohl kaum mit den Nerven am Ende.
Warum er sich Sorgen machte?
Nun, über diese Frage dachte er lieber erst gar nicht nach.
Stattdessen lenkte er seine Gedanken etwas krampfhaft auf eine Idee, die ihm schon seit geraumer Zeit im Kopf herumspukte...
ooOOoo
„Zieh dich warm an!"
Draco, der gerade in der Küche vorm warmen Kamin saß, den Harry nun doch regelmäßig jeden Morgen anfeuerte, da der Blondschopf sich gern hier unten aufhielt, sah seinen ‚Pfleger' geschockt an.
„Was?"
„Du sollst dich erheben, einen warmen Mantel anziehen, Schal umbinden und die Handschuhe nicht vergessen, ist nämlich ziemlich kalt draußen." Harry grinste ihn an.
„Ich habe seit vier Wochen dieses Haus nicht verlassen...", wandte Draco ein.
„Und? Dann wird's doch Zeit, dass du mal wieder nach draußen kommst."
„Wo willst du denn hin?", fragte Draco.
Harry warf ihm nur einen auffordernden Blick zu, schwieg sich aber ansonsten aus.
Deutlich wiederwillig erhob Draco sich und nahm den Mantel entgegen, den Harry ihm hinhielt. „... und so jemand will einen Todkranken pflegen... unverantwortlich..."
„Ganz im Gegenteil, mein Bester. Du hast in diesen vier Wochen so viel schlechte Laune und Miesepetrigkeit in diesem Haus verbreitet, dass meine Geduld langsam am Ende angekommen ist. Anscheinend bekommt es dir nicht, solange drinnen zu bleiben."
Draco warf ihm einen Blick zu, der deutlich sagte: „Und du glaubst tatsächlich, das hier würde daran etwas ändern?"
Harry ging nicht darauf ein, sondern verschwand kurz zur Garderobe auf dem Gang. Als er wieder die Küche betrat, trug er seinen eigenen dunkelbraunen weichen Ledermantel und hatte sowohl Schal als auch Handschuhe für Draco dabei.
Draco nahm den dunkelgrünen Schal und die schwarzen Handschuhe mit düsterem Gesicht entgegen.
Harry lachte leise, um sich von seiner inneren Unruhe abzulenken. Würde seine Rechnung aufgehen? Er wollte, dass Draco wenigstens an Weihnachten ein wenig Lebensmut fassen konnte. Warum musste das so kompliziert sein?
Er ergriff Dracos Unterarm und zog ihn hinter sich her die Treppe herunter und durch die Eingangshalle.
Draußen war es tatsächlich bitterkalt. Die Sonne hatte ihren täglichen Spaziergang übers Firmament bereits beendet, sodass Draco ohne das Licht der Straßenlaternen nicht einmal die Hand vor Augen gesehen hätte.
„Hast du das Zeug mitgenommen?", fragte der Blonde nach einiger Zeit des Schweigens, in der er mehr hinter als neben Harry hergestolpert war.
Harry nickte und lächelte Draco beruhigend zu.
„Mach dir keine Sorgen, hm. Wenigstens die nächsten paar Stunden nicht."
Draco sah Harry überrascht an, doch der lächelte weiterhin und hakte sich bei ihm unter.
Harry beobachtete von der Seite, wie Draco sich anscheinend verlegen abwandte und seine Umgebung betrachtete.
Sicherlich wusste er nicht, wohin Harry wollte. Der Schwarzhaarige wagte zu bezweifeln, dass er sich in London wirklich auskannte.
Und das gemütliche kleine Restaurant ganz in der Nähe des Trafalgar Square kannte er garantiert nicht.
Auf dem zentralen Platz angekommen, blieben sie kurz bei der riesigen mit Tausenden von Lichtern geschmückten Tanne stehen. 2
„Schön", murmelte Draco.
Harry lächelte. Dann würde er dieses Jahr wohl sogar einen Weihnachtsbaum kaufen.
Mit sanftem Druck zog er den Blonden weiter.
„Verrätst du mir jetzt endlich, wohin wir wollen?", fragte Draco genervt.
„Wir sind schon da", entgegnete Harry grinsend.
Draco sah lediglich eine Holztür, beschlagenen mit einer verschnörkelten Messingverzierung.
Aus den Fenstern in der Wand daneben drang kaum Licht.
„Da rein?" Sein Ton machte mehr als deutlich klar, was er von dieser Idee hielt.
Harry seufzte theatralisch. „Ja, genau da rein."
Keinen Widerspruch duldend öffnete er die Tür und trat mit Draco im Schlepptau in den sich dahinter befindenden Gang.
„Ein Restaurant?", fragte Draco überrascht, als er den Auszug aus der Speisekarte an der Wand erspäht hatte.
Harry nickte. „Zieh' deinen Mantel aus!"
Draco ergab sich in sein Schicksal und schlüpfte aus dem dicken Kleidungsstück.
Ganz so schlecht wie von außen sah es ja noch nicht einmal aus. Die Wände waren sauber gekalkt, in schmiedeeisernen Halterungen hingen Fackeln – schien irgend so eine Mittelalterschenke zu sein.
Sie betraten hintereinander den Schankraum.
Es wirkte alles sehr gemütlich, was sicher nicht nur vom schummrigen Licht herrührte. Trotzdem war es nicht direkt düster, nur eben nicht so hell, wie in den Nobelrestaurants, die Draco bisher gekannt hatte.
Der Wirt, ein recht junger Mann von Anfang dreißig mit braunen Locken, sah auf.
„Harry!", rief er erfreut.
„Hallo, Noël", begrüßte Harry den Wirt. „Haben Sie einen Tisch für uns frei?"
„Natürlich!", der Braunhaarige grinste breit. „Derselbe wie immer?"
Harry nickte und Noël führte sie an einen Tisch in einer gemütlichen Nische, die vom Rest des Raumes ein wenig abgegrenzt war.
Außer ihnen saßen noch drei Paare und eine vierköpfige Familie in dem Restaurant.
Harry und Draco nahmen Platz und Noël beeilte sich, ihnen zwei Karten zu bringen.
„Wissen Sie schon, was Sie trinken wollen?", fragte er.
„Wir nehmen einen trockenen Rotwein, denke ich", antwortete Harry und warf Draco einen fragenden Blick zu, dieser nickte jedoch nur. „Und dazu jeweils ein Glas Wasser", fügte Harry hinzu.
Noël nickte und verschwand.
Über seine geöffnete Speisekarte hinweg musterte Harry Draco.
Er wusste nicht so recht, ob seine Idee angeschlagen hatte. Direkt zu freuen schien sich der andere ja nicht.
Allerdings hatte er sich jetzt anscheinend beobachtet gefühlt und sah auf.
Einen langen Moment lang war Harry fasziniert von dem hellen Grau, das ihm entgegenfunkelte. Dann erst registrierte er die fragend hochgezogene Braue seines Schützlings.
„Hab ich was im Gesicht?", fragte Draco sarkastisch.
Etwas zu schnell schüttelte Harry den Kopf. „Nein, nein." Der Schwarzhaarige trat sich selbst gedanklich in den Hintern und senkte seinen Blick auf die Speisekarte.
Er wusste zwar auch so, was er nehmen würde, aber ehe Draco ihn noch einmal dabei erwischte, wie er ihn anstarrte...
Noël kam zurück und mit einem ‚bitteschön' stellte er die langstieligen, bauchigen Weingläser vor ihnen hin und schenkte ein.
„Na, Harry, auch beim Essen dasselbe wie immer?", fragte er dann grinsend.
Harry nickte nur.
Draco bestellte mit Pinienkernen, Korinthen und Parmaschinken gefülltes Lammschnitzel. 3
„Die Speisekarte ist nicht schlecht", meinte Draco leise, als Noël gegangen war.
Harry grinste. „Sag bloß, dieses Restaurant besteht unter deinen anspruchsvollen Augen?"
Draco warf ihm einen säuerlichen Blick zu. „Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen."
Harry seufzte lautlos, dann hob er sein Glas.
Sie stießen an, die Gläser erzeugten ein feines, hohes ‚Pling'.
„Auf dich", murmelte Harry.
Draco schwieg, seine Wangen färbten sich allerdings leicht dunkler.
Für einige Zeit drängte sich ein zähes, unangenehmes Schweigen zwischen sie.
Schließlich sah Draco Harry direkt in die Augen.
Der Schwarzhaarige fuhr innerlich unter dem traurigen Ausdruck in den hellgrauen Iriden zusammen. Es war, als würde die Melancholie, die tiefe Hoffnungslosigkeit ihn herunter ziehen, dorthin, wo Draco bereits hinabgesunken war.
„Warum auf mich?"
Harry glaubte einen Moment sich verhört zu haben, so leise hatte der Blonde gesprochen.
„Warum auf meine Existenz?"
Diese Frage stand wie eine Mauer zwischen ihnen.
Harrys Mundwinkel hoben sich zu einem weichen, zaghaften Hauch eines Lächelns. „Weil du leben wirst!"
Draco sah ihn entgeistert an. „Wie kannst du daran glauben?" Seine Stimme überschlug sich beinahe, obwohl er nur leise gesprochen hatte.
Harry zuckte nur mit den Schultern.
„So, die Herren, einmal das Lammschnitzel und die gebratene Perlhuhnbrust!", ertönte Noëls Stimme neben ihnen und unterbrach die beiden vorerst.
„Guten Appetit!"
Harry nickte Noël dankend zu, dann wandten sich beide ihrem Essen zu, welches sehr schweigsam verlief.
Schließlich legte Harry Gabel und Messer beiseite und stützte das Kinn auf die ineinander verschränkten Finger, die Arme dabei mit den Ellbogen auf dem Tisch abstützend. Sein Blick fixierte Draco.
„Was?", fragte der Blonde tonlos.
Harry schüttelte nur den Kopf. „Entschuldige. Ich wollte dich damit nicht vor den Kopf stoßen. Aber ich denke trotzdem nicht, dass du stirbst." Er lächelte. Draco hatte sein Besteck losgelassen, seine Augen klebten an denen Harrys. „Du... wirst doch sicherlich einiges durchgemacht haben. Zumindest", beeilte der Schwarzhaarige sich, hinzu zu fügen, „kann man nicht sagen, dass du den leichten Weg gewählt hast..."
Draco schien sich langsam zu fangen, dann lächelte er ein wenig.
„Neugier tötet die Katze, Harry." 4
Harry hob irritiert eine Augenbraue.
Draco seufzte und sah auf seinen Teller. „Du willst wissen, was in mir vorgeht, wie mein Leben ausgesehen hat", stellte er fest.
Ja, das wollte Harry. Obwohl es ihm selbst bis eben gerade nicht wirklich klar gewesen war.
Draco sah auf. „Nicht heute, Harry, bitte."
Harry nickte ernst. „Ist schon okay."
Der Rest des Essens verlief hauptsächlich in einvernehmlichem Schweigen.
Schließlich zahlte Harry und unterhielt sich ein Weilchen mit Noël, dann verabschiedeten sie sich.
Die Kälte draußen griff mit eisigen Klauen nach ihnen.
Harry fühlte sich einen Moment lang, als wären diese Klauen tatsächlich Wirklichkeit geworden, als er einen Griff an seinem Mantelärmel spürte.
„Draco?", fragte er dann besorgt. „Alles in Ordnung?"
Der Blonde taumelte.
Harry griff nach seinen Schultern und hielt ihn fest.
„Ein Anfall?" Seine Stimme klang in seinen eigenen Ohren unnatürlich laut.
Draco nickte schwach, dann sackte er in Harrys Armen zusammen.
Der Schwarzhaarige kramte hektisch nach dem Fläschchen, das er eingesteckt hatte, entkorkte es und flößte Draco etwas des Inhalts ein.
Aus Erfahrung wusste er, dass es ein Weilchen dauern konnte, bis der Blondschopf wieder ganz bei Kräften war und Apparieren kam in dessen Zustand nicht in Frage, also hob er sich den beinah erschreckend leichten Körper auf die Arme und trug Draco so durch das Straßengewirr Londons.
„Lass mich bitte runter", murmelte Draco nach etwa fünf Minuten.
„Kommt nicht in Frage!", stieß Harry unter leisem Keuchen hervor. Auf die Dauer wog Draco doch ein bisschen mehr als vermutet...
Draco zappelte ein wenig, hatte aber nicht genug Kraft um sich wirklich zu wehren. Schließlich schien er aufzugeben und hielt still.
Harry war heilfroh darüber, denn langsam wurden seine Arme schwer wie Blei. Er unterdrückte den Wunsch nach einer Rast mit purer Willenskraft und setzte Draco erst ab, als sie vor der Haustür des alten Black-Hauses standen.
Draco hielt sich an Harrys Arm fest, während dieser die Tür öffnete, dann ließ er sich widerspruchslos von ihm stützen.
ooOOoo
Harry warf einen langen Blick auf den Kalender in der Küche. 23. Dezember 2001. Morgen war Heiligabend. Harry seufzte. Draußen versteckte sich die Sonne noch hinter dem Horizont, nicht besonders verwunderlich im Winter und um 6 Uhr morgens.
Draco schlief noch, kein Wunder nach dem gestrigen Anfall. Harry spürte ein beständiges Ziehen in den Armen. Muskelkater. Er schüttelte resignierend den Kopf und rührte in seinem schwarzen Kaffee herum.
Er wusste nicht, was ihn zu alledem trieb. Er hatte Tonks gerade einen Brief geschickt, in dem er sie bat, einen Weihnachtsbaum für ihn zu besorgen. Das letzte Mal hatte er sich dazu aufgerafft, als er gerade hier eingezogen war, seitdem hatte ihn die weihnachtliche Stimmung nicht mehr erreichen können. Und nun wollte er extra für Draco, nur weil der gestern beim Anblick der Tanne auf dem Trafalgar Square „Schön" gemurmelt hatte, einen Baum haben...
Nochmals seufzend stand er auf und richtete mit wenigen Handgriffen ein Frühstückstablett für den Blonden her.
Er wollte gerade noch eine Tasse Kakao aufgießen, als er ein leichtes Klopfen hinter sich hörte. Überrascht drehte er sich um.
Im Türrahmen stand Tonks, eingemummt in einen dicken Wintermantel, das bonbonpinke Haar von einer Wollmütze beinahe vollständig verdeckt. Hinter ihr lugten ein paar grüne Äste hervor.
„Der Weihnachtsbaumlieferservice!", rief sie fröhlich.
Harry schüttelte lachend den Kopf.
„Himmel, bist du gleich aufgesprungen, als Hedwig angekommen ist?", fragte er.
Tonks schüttelte den Kopf. „Nein, ich musste sowieso früh raus, auf mich wartet noch ein Auftrag so kurz vor Heiligabend. Und da ich nicht wusste, ob ich hinterher noch Zeit für deinen kleinen Besorgungstrip habe, bin ich lieber gleich gegangen."
Harry nickte. „Dankeschön." Er umarmte Tonks kurz. „Und pass auf dich auf!"
Tonks nickte lächelnd und nachdem sie ihm noch einmal zugewinkt hatte, verschwand sie.
Leicht lächelnd betrachtete Harry die Tanne, die auf dem Flur stand. Sie war groß, etwa zwei Meter schätzte er. Mit einem gedanklichen Achselzucken belegte er sie mit einem Locomotor und ließ sie neben sich her die Treppe hinaufschweben.
Leise öffnete er die Schlafzimmertür und manövrierte die Tanne beinahe lautlos hindurch und zu ihrem finalen Ziel, dem Wohnzimmer.
Dort hatte er tatsächlich einen Weihnachtsbaumständer hervorgekramt, in dem er den Baum jetzt befestigte.
Zufrieden mit sich und seinem Werk ging er wieder hinunter in die Küche und holte Dracos Frühstückstablett nach oben.
Behutsam stellte er es auf dem Nachtschränkchen ab und rüttelte Draco an der Schulter.
Der Blonde brummte unwillig und kuschelte sich tiefer in die Decke.
Harry setzte sich auf die Bettkante. „Draco, ich hab dir Frühstück gemacht."
„Ist das denn ein Grund mich noch vor sieben Uhr zu wecken?", fragte Draco übellaunig.
„Ja, das Brötchen ist frisch aufgebacken und wird kalt."
„Na und? Ich esse es auch kalt."
„Ich habe mir aber die Mühe gemacht, es aufzubacken und deswegen kannst du es ruhig auch warm essen", entgegnete Harry und lobte sich gedanklich selbst für seine Geduld.
Draco drehte sich jetzt endlich herum, warf Harry einen bösen Blick zu und begann dann tatsächlich zu frühstücken.
Harry seufzte leise. Es war doch alles beim Alten. Und er hatte nach Dracos Verhalten gestern schon gedacht, der Blonde würde sich bessern...
ooOOoo
„Muss da nicht mehr Pfeffer ran?"
„Nimm deine Nase aus der Schüssel, da ist genug Pfeffer drin!"
Harry stöhnte innerlich auf. Warum? Warum hatte er sich vorgenommen, ein echtes traditionelles Weihnachtsessen mit Truthahn vorzubereiten?
Er schüttelte den Kopf und verrührte mit ziemlich kräftigen Bewegungen die Äpfel-und Zwiebelstückchen in der Schüssel vor ihm, die mit Thymian, Salz und Pfeffer gewürzt waren.
Warum musste er sich ausgerechnet am Heiligabend mit so einem depressiven Idioten herumschlagen? Warum konnte Draco nicht mal am 24. Dezember bessere Laune haben, als sonst? Was, bei Hölle und Teufel, hatte er verbrochen, dass er so gestraft wurde?
Während Harry die Apfel-Zwiebelmischung in den Truthahn stopfte ging ihm auf, wie sehr er sich eben gerade selbst bemitleidete.
Draco aus seiner Wahrnehmung aussperrend – eine Fähigkeit, über die er sehr froh war, die aber nicht mit allem und jedem funktionierte – konzentrierte er sich ganz auf den Vogel vor ihm und tauchte erst wieder auf, als der Truthahn im Ofen vor sich hin brutzelte.
Harry sah auf und bemerkte, dass Draco auf einem der Küchenstühle saß, die Arme vor der Brust verschränkt und ihn bitterböse anstarrend.
„Ist irgendwas?", fragte Harry wenig geistreich.
„Ach, woher denn. Ich habe nur eben gerade geschlagene zehn Minuten immer wieder dieselbe Frage gestellt, ohne dass du mich auch nur bemerkt hast. Hättest du's gemerkt, wenn ich gerade jetzt einen Anfall gehabt hätte, oh edler Held?", fragte Draco bissig.
„Natürlich hätte ich das bemerkt." Harry lächelte undurchsichtig. „Was wolltest du denn fragen?"
„Ob du vorhast, Weihnachten richtig traditionell zu feiern. Sieht ja beinahe so aus."
Damit meinte er wohl den Truthahn.
„Ja, hatte ich eigentlich vor", antwortete Harry.
Draco verzog das Gesicht. „Na, wenn du meinst."
Harry sah ihm fragend in die Augen. „Hast du ein Problem damit?"
Draco schüttelte schnell den Kopf. Etwas zu schnell.
Lautlos seufzend trat Harry hinter Draco und schlang seine Arme um die Schultern des Blonden. Er spürte, wie Draco unter der Berührung zusammenzuckte und sich versteifte.
„Wir können Weihnachten auch einfach übergehen, aber ich dachte, dir würde es gefallen...", murmelte Harry an Dracos Ohr.
„Ist schon okay, ich... habe nur bisher eigentlich noch nie wirklich Weihnachten gefeiert..."
Harry ließ Draco los und setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl.
„Wie meinst du das?", fragte er mit gerunzelter Stirn.
Draco verdrehte die Augen. „Himmel, was denkst du denn? Dass meine Eltern sich an Weihnachten mit mir unter den Tannenbaum gesetzt haben und wir zusammen Geschenke ausgepackt haben? Es gab natürlich immer ein großes Fest, aber es waren viele Leute eingeladen, Todesser, einflussreiche Leute... die Oberschicht eben. Entsprechend unterkühlt und distanziert ging es dort auch zu..." Draco verstummte und blickte auf seine Hände, die verkrampft in seinem Schoß lagen.
Harry lächelte und hob Dracos Kinn mit der rechten Hand ein Stück an, sodass er dem Blonden in die Augen sehen konnte.
„Dann freu' dich doch jetzt wenigstens ein bisschen."
Erstaunen zierte Dracos Gesicht, dann hoben sich seine Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln, das sogar seine Augen einen Moment lang erhellte. Harry sah gebannt zu, wie kleine eisblaue Sprenkel in dem Regenwolkengrau aufzuleuchten schienen.
Schließlich senkte er den Blick und schüttelte den Kopf.
„Was?", fragte Draco irritiert.
„Nichts", erwiderte Harry lachend und strich mit dem Daumen flüchtig über Dracos Wange, als er die Hand von dessen Kinn nahm. Die Geste war ihm selbst nicht einmal wirklich bewusst und er erhob sich, um nach dem Truthahn zu sehen.
ooOOoo
Die Tür zwischen Schlafzimmer und Wohnzimmer öffnete sich und Harry steckte den Kopf in letzteres.
„Du kannst jetzt reinkommen!", meinte er grinsend an Draco gewandt, der auf dem Bett saß und den er hatte warten lassen, bis er selbst mit dem Schmücken des Baumes fertig war.
Draco erhob sich, das Gesicht unbewegt, und betrat das Wohnzimmer Harrys.
Das Zentrum des Raumes nahmen wie immer das große, dunkelgrüne Sofa und der niedrige Tisch davor ein, rechts davon stand ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum.
Die Kugeln waren von einem matten Gold und unterschiedlich groß, ansonsten schmückten nur noch eine große Anzahl hübscher Strohsterne und eine Lichterkette den Baum. Recht schlicht gehalten, aber die Farben fügten sich perfekt in den in Beige und Dunkelgrün gehaltenen Raum ein.
Draco ließ sich auf das Sofa fallen. Harry setzte sich neben ihn und sah ihn erwartungsvoll an.
„Und? Was sagst du?"
Draco sah auf und grinste sein Gegenüber an. „Schön!"
Harry schluckte. Der Blonde hatte wirklich ein schönes Lachen... er freute sich darüber, dass er endlich eines auf sein Gesicht hatte zaubern können.
Um seine eigene Verlegenheit zu überspielen griff er nach den zwei bauchigen Weingläsern auf dem Couchtisch und hielt Dracos eines davon hin.
Draco nahm es wortlos und klingend ließen sie die Gläser zusammenstoßen.
„Auf dich", murmelte Harry wieder und sah Draco über den Rand des Glases in die Augen.
Der wandte sich ab und trank erst dann.
Als sie die Gläser abstellten entstand ein drückendes Schweigen.
Schließlich brach Draco die Stille und seufzte. „Du willst meine Warnung also missachten?", fragte er, ohne Harry dabei anzusehen.
„Ja", antwortete der Schwarzhaarige leise, aber deutlich.
Draco ließ sich zurücksinken und sah zur Decke. „Wo soll ich anfangen?"
„Wo du möchtest." Harry sah ihn gespannt an. Würde der Blonde tatsächlich aus seiner Vergangenheit erzählen? Würden sich die ungeklärten Fragen in Harrys Kopf dann klären?
Draco seufzte nochmals, dann begann er stockend:
„Mein Vater saß immer noch in Askaban, als ich mit der Schule fertig war... natürlich wollte er, dass ich in seine Fußstapfen trete und Todesser werde, arbeiten hätte ich eigentlich nicht müssen. Aber... das wollte ich nicht mehr. Ich... wollte nicht morden. Außerdem sah ich die Auffassung meines Vaters, dass Reinblüter etwas besseres sind als Muggelgeborene nicht in der Realität bestätigt." Er lachte hohl. „Hermine Granger ist ja wohl das beste Beispiel dafür. Nun, meine Mutter war gelinde gesagt schockiert, als ich ihr erzählte, dass ich mich bei der Aurorenakademie beworben habe. Aber sie hat es akzeptiert und nicht versucht, mich umzustimmen. Eine Tatsache, die mich... überrascht hat. Heute wünsche ich mir, sie hätte mich angefleht, es nicht zu tun... Jedenfalls konnte sie auch meinen Vater davon überzeugen, dass ich meinen eigenen Weg gehen müsse. Ich weiß nicht genau... was dann passierte. Aus Sicherheitsgründen schrieb ich meiner Mutter nur sehr selten und besucht habe ich sie nachdem ich mit der Ausbildung angefangen hatte, auch nicht mehr. Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass mein Vater etwa vier Monate nach meiner Entscheidung gestorben ist. Meine Mutter schrieb mir noch, dass sie vermutet, dass der dunkle Lord ihn bestrafen wollte... weil ich die Seiten gewechselt hatte... sie selbst sah nur noch seine beinahe zur Unkenntlichkeit verstümmelte Leiche..." Draco verstummte einen Moment. Harry meinte Tränen in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Eine Welle des Mitleids stieg ihn ihm auf. Er legte Draco die Hand auf die Schulter.
„Meine Mutter ist kurz danach ebenfalls gestorben, ich denke, das weißt du, oder?" Draco wartete nicht auf eine Antwort Harrys, sondern fuhr fort: „Mir schrieb sie, sie wolle einfach nicht ohne Lucius leben, was sicher auch zum Teil der Wahrheit entspricht, aber ein Gutteil ihrer Beweggründe war sicher auch die Tatsache, dass sie mich... schützen wollte. Der dunkle Lord hätte mich in der Hand gehabt, hätte sie weitergelebt. Er hätte mich nach Belieben manipulieren können... Ich habe sie beide mit meinem Egoismus in den Tod gezerrt..."
Harry schüttelte den Kopf. „Nein, hast du nicht."
Draco sah auf und den Schwarzhaarigen böse an. „Was weißt du denn schon?"
„Nichts, schon klar", antwortet Harry spöttisch. Dann sah er Draco ernst an. „Ich denke deine Eltern haben gewollt, dass du deine Zukunft selbst wählen konntest. Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass sie dich so sehr geliebt haben..." Im nächsten Moment hätte sich Harry für seinen letzten Satz selbst ohrfeigen können. Wie dämlich war er eigentlich, so was zu sagen?
Draco sah ihn einen Moment lang überrascht an, dann lächelte er ein wenig. „Ich weiß, was du meinst. Sie erschienen in der Öffentlichkeit sehr unterkühlt, nicht wahr?"
Harry nickte wortlos. „Wie ging es dann weiter?"
Draco zuckte die Achseln. „Ich beendete meine Ausbildung, wurde Auror... und schließlich habe ich einen Auftrag zusammen mit Harry Potter bekommen und bin währenddessen von einem Fluch aus dem Zauberstab meiner herzallerliebsten Tante getroffen worden und werde demnächst sterben", endete er sarkastisch.
„Und sonst?", fragte Harry.
„Hm?"
„Du hast einfach nur als Auror gearbeitet und sonst nichts?", konkretisierte Harry seine Frage.
„Ja, ich habe keine engen Freunde, das dürfte dir aufgefallen sein, immerhin hat mich keiner besucht, in dem einen Monat, in dem ich hier bei dir wohne, und interessiert hat sich auch niemand für mich... außer dir."
Harry sah Draco einen langen Moment prüfend an. Der Blondschopf hatte von Einsamkeit gesprochen, als würde sie ihm nichts ausmachen. War das tatsächlich der Fall?
„Im Prinzip kam mir Bellatrix Fluch ganz gelegen", platzte Draco plötzlich heraus.
Erschrocken fixierte Harry ihn, schwieg aber klugerweise.
„Ich... hatte keine Lust mehr zu leben. Warum auch? Da war niemand mehr, der sich für mein Schicksal interessiert hätte, im Ministerium schlugen mir die Feindseligkeit und das Misstrauen förmlich entgegen... mir war eigentlich alles egal. Ich hatte nur nicht den Mut, es selbst zu beenden." Draco verstummte wieder und warf Harry einen hilflosen Blick zu.
In dessen Kopf hatte irgendetwas ‚klick' gemacht und wie betäubt rutschte er näher an den Blonden heran und nahm ihn in die Arme.
Draco ließ sich wie haltlos in die Umarmung sinken und schloss die Augen, das Gesicht in Harrys schwarzem Hemd vergraben.
„Hast du eine Ahnung, warum Bellatrix dich verflucht hat?", fragte Harry leise und sehr langsam, als müsse er sich jedes Wort gut überlegen.
„Ich denke, sie hat mich für den Tod ihrer Schwester verantwortlich gemacht..."
Harry nickte leicht. Das hätte er weiß Gott nicht erwartet. Über all den Dingen, die er gerade erfahren hatte, schwebte eine essenzielle Frage: Was empfand er jetzt für Draco?
„Warum hast du ausgerechnet mir all das erzählt?", fragte er mit rauer Stimme.
Draco zuckte hilflos die Schultern. „Ich weiß es nicht..." Er zitterte ganz leicht in Harrys Armen. Beruhigend streichelte der Schwarzhaarige den Rücken des anderen.
„Kann es sein, dass du dich einfach nach menschlicher Nähe und Zuneigung sehnst?"
Draco lachte leise auf. „Vielleicht, wer weiß... du hast anscheinend den Beruf verfehlt. Hättest Seelenklempner werden sollen", meinte Draco spöttisch.
Harrys seufzte leise.
„Aber es hat gut getan, darüber zu reden...", murmelte Draco.
„Hast du etwa seitdem nie...?", entfuhr es Harry überrascht.
„Nein, mit wem denn?" Draco lachte wieder leise, aber ohne die geringste Belustigung. „Es war doch niemand da."
In Harrys Kehle bildete sich ein Kloß. Ja, langsam verstand er den anderen. Nicht gänzlich zwar, aber einen Bruchteil immerhin.
Er zog Draco ein Stück weit nach oben und sah dem Blonden in die traurigen Augen.
„Ich bin für dich da", flüsterte Harry, dann berührte er mit seinen Lippen die Dracos.
Er spürte, wie der förmlich in seinen Armen erstarrte, dann jedoch entfuhr ihm ein kleiner Seufzer, als Harry begann, leicht an seiner Unterlippe zu knabbern und seine Arme schlangen sich von ganz allein um den Hals des anderen.
Schließlich lösten sie sich voneinander, sahen sich in die Augen. Völlig wortlos. Es bedurfte keiner Worte mehr.
Harry strich federleicht über Dracos Wange und zog ihn wieder tiefer in seine Arme. Immer noch wurden sie von tiefem Schweigen umhüllt und eine halbe Stunde später war Draco unter der sanft streichelnden Hand Harrys eingeschlafen.
Der Schwarzhaarige hob ihn auf seine Arme und trug ihn ins Schlafzimmer, wo er ihn vorsichtig entkleidete und ihm das T-Shirt, das er beim Schlafen trug, überzog.
Alle Gedanken, die ihm durch den Kopf wirbelten, aussperrend zog er sich selbst um und legte sich neben Draco.
Er wusste nicht im Geringsten, was er für den Blondschopf empfand. Mitleid? Zuneigung? Freundschaft? Liebe?
Aber eigentlich war es egal. Er würde darüber nachdenken und bis dahin... würde er einfach für Draco da sein. Er ahnte, dass das mehr war, als Draco je zu hoffen gewagt hätte.
Harry driftete bereits ins Traumland ab, als ein dumpfes Klopfen an der Fensterscheibe ihn noch einmal in den wachen Zustand zurückriss.
Grummelnd stand er auf und ließ den Uhu, der draußen gegen die Scheibe pochte, ins Zimmer.
Zitternd ob des Schwalls kalter Luft, den er mit hineingelassen hatte, band er dem Vogel den Brief vom Bein und öffnete ihn.
Sehr geehrter Mr Potter,
Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Sie mit Ihrer Vermutung mehr als richtig lagen.
Mehr will ich Ihnen auf diesem Wege noch nicht mitteilen, seien Sie morgen Vormittag um 10 Uhr in Ihrem Arbeitszimmer.
Hochachtungsvoll
Ted Neill
Gedankenverloren faltete Harry den Brief, der eher wie eine Notiz anmutete, zusammen und legte ihn in die Schublade des Nachtschränkchens.
Der Uhu hatte sich auf dem Kleiderschrank niedergelassen, anscheinend hatte er vor, die Nacht hier zu verbringen.
Harry legte sich wieder hin, aber es dauerte lange, ehe er eingeschlafen war.
ooOOoo
Harry erwachte von einem penetranten Kitzeln in der Nase.
Er runzelte verstimmt die Stirn, dann konnte er das unangenehme Gefühl nicht mehr länger ignorieren und öffnete notgedrungen die Augen.
Direkt vor seinem Gesicht befand sich ein silberblonder Haarschopf.
Harry seufzte leise und verstärkte seinen Griff um den zugehörigen Körper seines Bettgefährten ein wenig.
Strich mit den Fingerkuppen sanft über Dracos Rücken. Vergrub seine Nase in den weichen duftenden Haaren des Blonden.
Doch Morpheus weigerte sich strikt ihn wieder in seine Arme zu nehmen und so warf Harry schließlich einen widerwilligen Blick auf den Wecker – und erschrak.
Die Zeiger dieser bösen Erfindung der Menschheit standen tatsächlich auf Viertel vor zehn!
Vorsichtig schlüpfte Harry aus Dracos Armen, hauchte dem friedlich Schlafenden noch einen Kuss auf die Stirn, dann zog er sich leise an, machte zwei Abstecher ins Bad und in die Küche, in letzterer brühte er Kaffee auf, den er samt zwei Tassen mit nach oben in sein Arbeitszimmer nahm.
Dort stellte er Kanne und Tassen auf dem Schreibtisch ab und sah sich einen Moment lang resignierend um. Tja, zum Aufräumen reichte die Zeit nun wirklich nicht mehr.
Er zuckte mit den Achseln und ließ sich in seinen Stuhl sinken.
Just in diesem Moment flammte das Feuer im Kamin grün auf und Ted Neill kletterte etwas umständlich aus dem Kamin.
„Guten Morgen!"
„Ich habe die leise Vermutung, dass dieser Morgen nicht ganz so gut ist...", erwiderte Harry.
Neills Lächeln schlug in ein eher sorgenvolles Gesicht um. „Da muss ich Ihnen leider zustimmen."
Neill ließ sich Harry gegenüber in den Stuhl sinken, in dem sonst immer Draco saß.
„Kaffee?", fragte Harry.
Neill nickte. „Schwarz bitte."
Einen Moment lang herrschte Schweigen, Neill nippte an seinem Kaffee, Harry beobachtete den Dampf der aus seiner Tasse nach oben stieg.
„Was haben Sie herausgefunden?", fragte Harry schließlich.
„Nun", setzte Neill an, „etwas äußerst Schockierendes. Jemand hatte im Falle der Erforschung der Gruft tatsächlich seine intriganten Finger im Spiel." Er seufzte. „Zuerst einmal gibt es aber ein paar allgemeine Dinge, die Sie wissen sollten. Draco Malfoy wurde sehr selten für Einsätze bei denen direkter Kontakt mir Todessern wahrscheinlich war, herangezogen. Der Grund dürfte Ihnen so klar wie mir sein: sein Vater war selbst Todesser. Man konnte also die Reaktionen derer, die er verraten hatte nicht abschätzen und aus Sicherheitsgründen arbeitete Mr Malfoy hauptsächlich als Fallenentschärfer oder im Büro. Schon allein aus diesem Grund kam es einigen wenigen seltsam vor, dass er so plötzlich einem solchen Auftrag zugeordnet wurde."
Harry nickte langsam.
Neill fuhr fort: „Eine bestimmte Person im Ministerium hat dafür gesorgt, dass er teilnahm. Und zwar aus einem äußerst perfiden Grund: Misstrauen. Es sollte ein Test für Mr Malfoy sein. Würde er angegriffen und vielleicht sogar verletzt werden, sollte das seine Aufrichtigkeit beweisen... um ehrlich zu sein, ich war schockiert, wie viel Misstrauen diesem jungen Mann entgegengebracht wird." Neill seufzte. „Und nun hat ihn auch noch ein solch gefährlicher Fluch getroffen."
Harry wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ein dumpfes Geräusch von der anderen Seite der Tür zu ihnen herein drang.
Alarmiert sprang er auf und riss die Tür auf. (die zum Glück nach innen öffnete)
Draußen hockte Draco, zusammengesunken, mit Schweißperlen im Gesicht.
Harry hockte sich neben ihn und flößte ihm behutsam etwas des Trankes aus dem kleinen Fläschchen ein, das er immer bei sich trug.
Erst dann warf er einen Blick zurück zu Neill.
„Ich bin gleich wieder da", murmelte er.
Inzwischen geübt hob er den Blondschopf hoch und trug ihn ins Schlafzimmer zurück. Dracos Hände verkrallte sich in sein Hemd, er spürte ihn in seinen Armen zittern.
„Wie viel hast du mitgehört?", fragte Harry, als Draco wieder im Bett lag.
„Genug."
Harry strich ihm eine schweißnasse Haarsträhne aus der Stirn.
„Aber es hat mich nicht schockiert. Irgendwie... habe ich es geahnt." Dracos Stimme klang angestrengt.
„Ich bin gleich wieder da", sagte Harry leise, küsste Draco flüchtig auf die Lippen, das Ziehen in seiner Magengegend ignorierend.
Als er die Tür zum Schlafzimmer hinter sich schloss, lehnte er kurz die Stirn an das alte Holz, um ein wenig Ruhe in seine Gedanken zu bekommen.
Schließlich kehrte er zu Ted Neill zurück und ließ sich mit fahrigen Bewegungen in seinen Stuhl fallen.
„Es wäre besser gewesen, hätte er nichts davon erfahren", sagte er bedauernd.
Neill nickte.
„Wissen Sie, wer es war?", fragte Harry.
„Nein, bis jetzt nicht. Wer auch immer das zu verantworten hat, hat seine Spuren äußerst gründlich verwischt. Es war ohnehin schwer, überhaupt etwas herauszufinden. Die wenigsten Auroren scheinen kein Misstrauen gegen Mr Malfoy zu hegen. Das ist es, was mich am meisten entsetzt hat. Er wurde förmlich als Fremdkörper betrachtet. Kaum jemand hat sich um ihn geschert, geschweige denn um die Ungereimtheiten bei unserem verhängnisvollen Auftrag." Neill schüttelte bekümmert den Kopf. „Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, etwas zu ändern..."
„Vielleicht", stimmte Harry zu.
Ende Kapitel 4
1 So schmücke ich selber auch... hab ne Abneigung gegen Kitsch entwickelt.
2 Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an die große Tanne, die in London tatsächlich auf dem Trafalgar Square steht? Übrigens war ich dort schon... hab auf den hübschen Löwen gesessen. hehe
3 Für die Menüs hab ich extra einen Blick ins Kochbuch geschmissen!
4 "curiosity kills the cat" Wer die Anspielung nicht verstanden hat, es bezieht sich eigentlich auf Harrys Schulzeit, ist aber sehr doppeldeutig zu sehen, nämlich auch als Warnung an Harry, ob der denn wirklich alles wissen will
Lil's kleine Plauderecke die Vierte:
Mir wurde vor Kurzem vorgeworfen, ich sei in dieser ff ein „Romantikkiller". Immerhin lass ich die zwei nicht erst ewig darüber nachdenken, dass sie beide Männer sind... etc. pp. Dazu haben sie auch zu wenig Zeit und dessen sind sie sich beide bewusst.
Ja ja, tragisch, nicht wahr? hehe
Nun, das nächste Kapitel wird das letzte sein, dann kommt noch der Prolog. Dürfte vielleicht nicht allzu lange hahahaha... dauern.
Nun denn
Bis zum Showdown
Eure Lil (total langes Kapitel übrigens... das längste bisher, wenn mich nicht alles täuscht)
