Kapitel 2
Irgendwo auf Gemma 4
"Ist es noch weit?"
"Pardon?"
"Wie weit?"
"Nicht mehr weit."
So verlief in den letzten Stunden die Unterhaltung der beiden. Auf ein Minimum reduziert.
Nach ein paar Minuten blieb Richard stehen und stützte sich auf einem Baumstumpf ab.
"Erschöpft?"
Kam es von dem anderen.
"Wundert dich das?"
Die beherrschte Stimme bröckelte.
"Ich mache nicht jeden Tag einen Querfeldeinlauf."
"Ist ja schon gut."
Blue konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
"Gut, gut!"
Richard drehte sich in die Richtung des Blauhaarigen.
"Nichts ist gut."
Seine Stimme hatte einen gefährlichen Unterton angenommen.
Der Ärger kam sprichwörtlich zu den Ohren heraus.
"Du bedrohst mich mit einer Waffe, entführst mich und am Ende verpatzt du auch noch alles."
Wild gestikulierend lief Richard immer kleiner werdende Kreise um Jesse.
Blieb dann vor ihm stehen. Nur Inches trennte sie voneinander.
"Deine Leute müssen wirklich stolz auf dich sein."
Der Schotte schien einen wunden Punkt getroffen zu haben.
Blues Augen verfinsterten sich.
Später
"Hast du eine Ahnung wo wir sind?"
Jesse lehnte an einem gegenüberliegenden Baumstamm.
Eine Buche, stellte Richard fest.
"Nein!"
"Nein?"
"Nein!"
Resigniert ließ sich der Blonde auf den Waldboden sinken. Seit Stunden liefen sie in der Dunkelheit
umher. Das Licht der Taschenlampe trug nicht wirklich zur Besserung bei. Schien beide nur noch
mehr zu verwirren.
"Wir haben uns verlaufen."
Er ho den Kopf und schaute in die Richtung, in der er der anderen vermutete.
"Wie mich die Intelligenz der Menschen doch immer wieder überrascht."
"Du bist auch einer."
"Oh, ich vergaß."
Eine kleine Weile waren beide so stumm wie der Wald. Nur ab und zu vernahm man ein Krächzen.
Andere Planeten, andere Geräusche. Sogar die Luft war anders, fand Richard. Er hatte die
Beine angezogen und den Kopf auf die Knie gelegt.
"Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet."
Flüsterte er irgendwann.
"Schläfst du Blue?"
"Wir schlafen nie."
Wieder vergingen ein paar Minuten.
"Mich hat keiner geschickt. Wenn du dass meinst. Meine Auftraggeber..."
Richard hob erstaunt den Kopf.
"Und weswegen dann der ganze Aufwand?"
Unterbrach er ihn.
Der andere schluckte hart.
"Wegen…"
"Ich höre."
"Wegen dir."
Hauchte der andere fast lautlos. Der Blonde glaubte sich verhört zu haben. Starrte mit offenem Mund
in die dunkle Dämmerung.
Plötzlich vernahm Richard ein Rascheln. Jesse hatte sich neben ihn gesetzt.
Noch immer sagten beide nichts. Wagten es nicht.
Dann spürte er die Lippen des anderen. Die Welt um ihn herum versank.
Er wehrte sich nicht.
In der Nacht
Feuer, Hitze. Ein Kind schreit. Der heiße Nebel drückt in seine Augen. Rauchschwaden nehmen ihm jegliche Sicht.
Hastigen Schrittes stolpert er durch das lodernde Inferno. Bleibt kurz stehen. Der Drang umzudrehen keimt
auf. Endlich hat er die Treppe erreicht. Das Schreien weicht einem Winseln. Dem eines Tieres. Oben bietet sich ihm das gleiche
Bild. Glühende Wogen, die alles verschlingen. Er muss sich beeilen. Aus den Augenwinkeln heraus nimmt er die Gestalten
wahr. Nur noch ein paar Inches. Der Rauch schnürt ihm die Lunge zu. Er presst sich die Hand vor den Mund.
Mit letzter Kraft schnappt er sich den leblosen Körper, schleppt sich zurück nach unten. Dann ertönt ein Knall…
"Nein…"
Schweißgebadet wachte er auf. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen konnten.
Das Lagerfeuer war ausgegangen. Der Wind rauschte in den Kiefern.
Dieser verdammte Traum. Jener verfolgte ihn regelrecht. Feuer, Schreie.
Er konnte sich einfach nicht daran erinnern. Nur Fetzen. Unvollständig.
Im Morgengrauen schlief er wieder ein.
