Kapitel 56

Eine Woche nach Azraels Fluch saß Legolas mit Elladan zusammen in seinem Zimmer.

„Elladan, jetzt hör auf damit!"

„Womit? Ich tu doch gar nichts."

„Du sitzt nun schon eine Woche hier rum und starrst diese Wand an."

„Lass mich doch, sie ist weiß und glatt, ist doch was."

„Ja, aber das ist kein Grund sie 7 tage lang anzustarren."

Legolas klang sichtlich genervt.

Elladan seufzte auf.

„Hast du ne bessere Idee?"

„Beschäftige dich. Unternimm etwas mit mir und Galawen, hilf deinem Vater und Glorfindel."

„Keine Lust."

Langsam regte Legolas sich wirklich auf.

„Keine Lust, keine Lust!"

„Du hast doch auch nicht immer zu allem Lust, darf ich das nicht auch mal haben?"

Ernst sah der Prinz Düsterwalds ihn an.

„Leb dein Leben weiter, auch ohne sie."

„Du weißt, dass ich das nicht kann."

„Aber du weißt auch, dass sie wieder kommt."

„Wird sie das? Vielleicht hat Alriks Kraft sie verändert, vielleicht ist ihr etwas passiert."

„Du wüsstest es, wenn ihr etwas passiert wäre."

„Wenn es ihr sehr schlecht gehen würde, ja. Aber nicht wenn sie aufgehalten wird, sich den Kopf anhaut oder sie das Gedächnis verliert, es kann wer weiß was dazwischen kommen."

Seufzend stand Legolas auf.

„Das alles sind Vermutungen, du malst den Teufel an die Wand!" er ging Richtung Tür

„Geh wieder unter Elben, sonst wird Azrael keinen Elladan mehr vorfinden, wenn sie zurückkehrt."

Gedankenverloren nickte Elladan, blieb jedoch sitzen.

------

Einen Monat später klopfte Glorfindel leise an Elladans Zimmertür.

„Hm?" war die einzige Antwort.

Als der Berater das Zimmer betrat fand er Elladan auf dem Bett liegend vor, wie er die Decke anstarrte.

„Lord Elladan, Euer Vater würde Euch gerne sprechen."

„Was will er?"

„Mit Euch reden." Glorfindel musterte Elladan. „Ihr seht nicht gut aus."

Mühsam setzte Elladan sich auf.

„Macht das Licht."

In der Tat war es relativ dunkel im Raum.

Energisch ging Glorfindel zu den Vorhängen und zog sie mit einem Ruck auf.

„Bei Licht seht Ihr noch schlimmer aus!"

Geblendet blinzelte Elladan mit roten Augen in das Licht. Sein Gesicht wirkte wirklich blass und eingefallen.

„Ihr solltet ein bisschen nach draußen gehen."

Noch bevor der Elb protestieren konnte hatte Glorfindel seinen Arm gepackt und zog ihm vom Bett mit nach draußen.

Willenlos ließ Elladan sich mitschleppen.

„Wenn ihr meint..."

„Nicht nur ich meine das!" wütend sah der Blonde Elladan an. „Ihr lasst Euch gehen!"

„Ja und? Wen interessiert das?"

„Mich, Euren Vater, alle hier in Bruchtal."

„Mir egal."

Mit zerzausten Haaren stolperte er hinter Glorfindel her.

Draußen im Garten angekommen drückte Elronds Berater seinen Schützling auf eine Bank.

„Meint Ihr wirklich, dass Euer verhalten Azrael hilft?"

„Hilft ihres mir?"

„Wie meint Ihr das?"

„Ihr scheint es gleich, wie es mir hier geht, sie interessiert es nicht mehr, sonst wäre sie viel früher gekommen." Aus seinen Worten sprach keinerlei Emotionen, noch nicht einmal Enttäuschung.

„Und wenn sie nicht früher kommen konnte? Es ist grad mal 1 Monat vergangen."

„Ein Monat oder ein Jahrhundert, was macht das schon?"

„Für einen Elb nicht viel. Ihr wisst sie wird zu Euch zurückkommen, warum also lasst Ihr euch so hängen?"

„Weil man sich bei ihr nie sicher sein kann! Wann hat sie je das getan, was man erwartete?"

Jetzt musste Glorfindel doch leicht lächeln.

„Das stimmt, erwartet das Unerwartete bei Azrael."

„Da hast du, sonst noch was?"

„Aber vertraut Ihr nicht in ihre Liebe?"

Elladan zuckte mit den Schultern.

„Wer weiß was Alrik aus ihr gemacht hat."

„Sie ist stark und kann sich wehren."

„Das darf sie ja gerade nicht." Wiederholte Elladan die Worte seines Vaters.

Nachdenklich saß Glorfindel sich neben Elladan.

„Hoffen wir, dass sie es schafft. Egal was sie tut."

Elladan nickte stumm.

„Sie wird wieder kommen, sonst wäre sie mehr als dumm. So eine große und aufrichtige Liebe weg zu werfen, das könnte selbst sie nicht." Fuhr der Berater fort, stand auf und ging weg.

aufsteht und weggeht

Elladan sah ihm kurz hinterher, stand dann jedoch auf und schleppte sich zurück in sein Zimmer. Er hatte einfach keine Lust mehr mit Elrond zu reden, und zog die Vorhänge wieder zu, das Licht tat ihm in den Augen weh. Auch fühlte er sich seltsam matt und müde.

------

Ein Halbes Jahr später betrat Elrond besorgt Elladans Zimmer.
"Mein Sohn? Wie geht es dir?"

Ansatzweise hob dieser den Kopf.

„Egal."

Resigniert setzte der Herr Bruchtal sich auf die Bettkante neben seinen Sohn.

„Ein halbes Jahr…" sagte er leise.

„Es ist wie eine Ewigkeit." Flüsterte er.

„Hast du aufgegeben?"

„Was meinst du?"

Elrond legte ihm eine Hand auf die Stirn.

„Du weißt was ich meine. Du schwindest mein Sohn."

Der Elb zuckte mit den Schultern.

„Dann soll es so sein."

„Und sollte sie wiederkommen? Nachdem du…"

„Wird sie das denn je wieder tun?" mit letzter Kraft stand Elladan auf und schlurfte zum Fenster.

Traurig betrachtete Elrond ihn, oder besser was noch von ihm übrig war.

„Vertraust du ihr denn nicht?"

„Ich dachte mal es zu tun."

„Und dann?"

„Dann ging sie und kam nie zurück."

Elladan redete als wäre sein Vater nie dabei gewesen, dieser hörte ihm still zu.

„Sie sagte, sie würde nicht lange weg bleiben, nur bis sie mit ihrem Fluch fertig geworden ist, doch sie hat ihr Versprechen nie gehalten, sie hat gelogen."

„Und wenn sie nicht damit fertig geworden ist?"

„Dann ist sowieso alles egal."

„Glaubst du das?"

„Ist es anders?"

„Ist deine Liebe so groß zu ihr?"

Benommen schüttelte Elladan den Kopf.

„Adar...?" Mit verschwommenen Augen versuchte er den Blick Elronds zu finden.

„Elladan!" erschrocken sprang er auf und eilte zu seinem Sohn. „Was ist los?"

„Ich..."

Elladan machte einen schwankenden Schritt, auf halben Weg zu Elrond brach er zusammen und blieb reglos liegen.

Eilig kniete Elrond sich neben ihn.

„Elladan, wach auf!"

Doch als alles nicht half rief der Herr Bruchtals nach Glorfindel und den anderen.

„Mylord, was ist geschehen?" Atemlos kam sein Berater herangeeilt.

„Ich befürchte es ist zu spät…" Trauer spiegelte sich in seinem Blick, hilflos sah er auf seinen Sohn herab.

Glorfindel wurde bleich.

„Ihr meint... das darf nicht wahr sein!"

Galawen und Legolas kamen ebenfalls von Elronds Ruf alarmiert heran gelaufen.

„Wir müssen Azrael so schnell es geht zurückholen, vielleicht kann sie ihn noch retten." Sagte die Elbe mit zitternder Stimme, sie hatte schon länger mit sowas gerechnet.

„Wer geht sie suchen?" Elrond sah in die Runde.

„Ich werde gehen!" sagte Legolas mit fester Stimme und trat vor.

„Ich komme mit!"

„Nein, du musst bei Elladan bleiben."

„Aber warum?" hilfesuchend sah Galawen von Legolas zu Elrond und wieder zurück. „Was könnte ich für ihn tun, was Ihr nicht besser könntet, Lord Elrond?"

Doch der Herr Bruchtals schüttelte den Kopf.

„Legolas hat Recht. Es sollten Freunde bei ihm bleiben, solange Azrael nicht da ist." Dann sah er Legolas an. „Eile dich!"

Legolas gab Galawen einen Kuss.

„Ich werde so schnell es geht nach Rohan gehen."

Die Elbe nickte resigniert, doch sah sie ein, dass es so besser ist.

„Pass bitte auf dich auf, Schatz." Bittend sah sie ihn an.

„Es ist doch nicht gefährlich Azrael zu suchen." Ein leichtes Lächeln huschte über die Züge des Prinzen, dann verließ er den Raum.

Seufzend sah Galawen ihm nach, doch dann wandte sie sich Elrond zu.

„Wenn ich etwas für Elladan tun kann, so sagt es bitte, egal was."

Zusammen mit Glorfindel legte Elrond Elladan auf das Bett.

„Wir können nicht viel tun, nur beten und hoffen, dass Azrael bald kommt."

Die Elbe nickte.

„Mögen die Valar uns erhören..."

------

Nur wenige Tage nach Elladans Schwinden stürmte Legolas in die Halle von Meduselt. Außer Atem verbeugte er sich vor Eomer.

„Bitte verzeiht mein ungestümes Auftreten, König der Reiter Rohans."

Dieser saß auf dem Thron und sah Legolas überrascht an.

„Freund Legolas, was führt Euch zu uns?"

„Bitte helft mir das Mädchen Azrael zu finden, ich bitte Euch, ein Leben steht auf dem Spiel!"

Eomer sprang auf.

„Woher wisst Ihr, dass es ihr nicht gut geht?"

„Was?" nun war der Elb verwirrt „Ich verstehen nicht ganz."

„Sie hatte vor ein paar Tagen einen Schwächeanfall. Zu Zeit geht es ihr wieder besser, doch haben wir uns zwischenzeitlich richtig Sorgen um sie gemacht."

„Wann war dies genau?"

„Ich schätze es war vor 5 Tagen, wieso?"

Erschrocken sah Legolas Eomer an.

„Deswegen bin ich hier, vor genau 5 Tagen verlor Elladan von Bruchtal sein Bewusstsein, er schwindet von Tag zu Tag weiter, die Sehnsucht nach Azrael zerreißt ihn."

„Elladan und Azrael?" der König schluckte hart. „Davon wusste ich nichts. Folgt mir."

Schnell eilte er aus dem Raum.

So schnell es ging folgte der Elb ihm.

„Wird sie stark genug für einen sofortigen Aufbruch sein?"

„Es ist nichts schlimmes, es geht ihr wieder sehr gut. Wahrscheinlich spürt sie Elladans schwinden. Wir sind da." Er blieb vor einer Tür stehen.

„Ich weiß nicht weshalb sie vor einem halben Jahr hier her kam und ich habe sie auch nie gefragt. Aber was immer ihre Seele belastet hat, laut meiner Schwester hat sie sich darauf eingelassen und bekämpft es nicht mehr. Ich verstehe es nicht ganz, aber Ihr wisst sicher was sie meinte."

„Passt auf sie auf."

Damit ging er den Gang wieder zurück.

Legolas verstand sehr wohl, eilig klopfte er an.

Azrael saß auf ihrem Bett und starrte aus dem Fenster, eine seltsame Beklemmung hatte sich ihrer seit einiger Zeit bemächtigt.

„Ja?"

„Azrael, du musst sofort mitkommen!" sagte der Prinz sofort als er die Tür geöffnet hatte.

„Legolas?" erschrocken sah das Mädchen ihn an.

„Ja, ich bin es, und jetzt komm in Erus Name, es bleibt keine Zeit!"

„Ich… Ich kann nicht"

„Aber du MUSST! Elladans Leben steht auf dem Spiel!"

„WAS?" sie sprang vom Bett auf.

Energisch schnappte Legolas sich Azraels leere Tasche und stopfte ihre Sachen eilig rein.

„Vor 5 Tagen ist er zusammen gebrochen, er wird sterben sollte ein Wunder ihn nicht noch retten können."

Wie versteinert blieb Azrael stehen und starrte den Elb an.

„Steh nicht so rum, komm schon!"

Er fasste sie am Arm und zog sie mit sich.

Azrael konnte das einfach nicht begreifen.

„Aber… wieso?"

„Weil du ihn verlassen hast, seit diesem Tage war er nicht mehr er selbst, schon seit einem halben Jahr hat er das Zimmer nicht mehr freiwillig verlassen, starrte immerzu die Wand an."

„Was?" das Mädchen war fassungslos. „Aber ich hab doch gesagt ich würde wieder kommen." Sie bekam feuchte Augen.

„Aber nicht wann, er hat den Glauben in sich und alles auf dieser Welt völlig verloren."

„Warum?"

„Ich weiß es nicht, niemand weiß es, er redete so gut wie gar nichts und wenn ja nur Dinge, die völlig deprimierend waren."

Plötzlich fing das Mädchen an zu zittern.

„Und das nur wegen mir?"

Legolas nickte knapp.

„Du weißt doch was mit Elben passiert, wenn ihre Liebe sie verlässt oder zurückweist."

„Aber doch nur wenn sie ihr Herz endgültig verschenkt haben!"

„Das hat er dir doch immer wieder gesagt, was hast du dir bitte dabei gedacht?"

„Wobei?"

„Wenn er dir immer wieder seine Liebe beteuert hat."

„Ich weiß nicht…" Azrael fing an zu stottern. „Vielleicht, dass er es doch nicht so meinte?"

Der Elb rollte mit den Augen.

„Versteh einer die Menschen..."

„Woher soll ich denn wissen das es ihm diesmal erst ist, wenn man an all die Jahre zurückdenkt?" fauchte sie ihn plötzlich an.

„Vertrauen nennt man sowas!" fauchte Legolas nicht minder aggressiv zurück.

Draußen erreichten sie endlich das Pferd.

„Vertrauen muss man sich verdienen!" nun war sie ernsthaft böse.

„Ach und was hätte er noch alles tun sollen? Sterben? Da ist er auf dem besten Wege, außerdem, wer hat ihn des Öfters mal betrogen? Stichwort Glorfindel, Alrik, klingelt es?"

Azrael riss sich von ihm los.

„Hör auf mir das vor zu werfen. Du hast nicht das Recht so mit mir zu reden!"

„Hast du das Recht Elladan sowas anzutun, und auch noch zu behaupten er wäre deines Vertrauens nicht würdig?"

„Das habe ich nie so gesagt."

„Aber gemeint."

Mit einer heftigen Bewegung schnappte er sie und setzte sie aufs Pferd.

„Legolas Grünblatt!" Azrael war extrem wütend, plötzlich war sie von einer schwarzen Aura umgeben.

„Lass mich runter!" sagte sie kalt.

Legolas musste doch irgendwie schlucken, doch der Krieger in ihm ließ sich die aufkeimende Angst nicht anmerken.

„Nein, du kommst mit, und basta!"

Azrael sprang vom Pferd.

„Du hast mir gar nichts zu befehlen!"

Langsam musste Legolas sich wirklich stark beherrschen um sie nicht niederzuschlagen und so mitzunehmen.

„Nein? Was willst du dagegen tun?"

„Ich könnte sehr vieles tun um dich davon abzuhalten."

„Und bitte was?" seine Augen blitzten herausfordernd auf. „Es geht um das Leben deines Mannes, verdammt!"

Das brachte Azrael wieder zu Vernunft, langsam verschwand die Aura.

„So schlimm?" fragte sie leise und schuldbewusst.

„Er stirbt verdammt, wir wissen doch noch nicht mal ob er überhaupt wieder aufwachen wird!"

Das Mädchen zuckte zusammen.

„Oh."

„Also kommst du jetzt mit, oder was?"

„Natürlich." Entschlossen stieg sie aufs Pferd.

„Deine Angst vor Pferden verloren, hm?" der Elb konnte sich die Spitze einfach nicht verkneifen.

„Red nicht!" sie wirkte doch sehr angespannt.

Legolas rollte nur mit den Augen und stieg hinter ihr auf.

„Noro lim."

Das Pferd machte einen Satz nach vorne und galoppierte aus der Stadt.