Figwit stöhnte innerlich auf. Seit diese furchtbar hässliche Orkfrau in Bruchtal Einzug gehalten hatte, blieben wirklich alle haushälterischen Tätigkeiten an ihm hängen. Den ganzen Tag würde er mit Staubwedel und Lappen in der Hand verbringen, statt mit einem guten Buch im Gras zu liegen und Eru einen guten Mann sein zu lassen. Das Esszimmer musste aufgeräumt, Elronds Roben gebügelt und Socken gestopft werden… Im Moment war er damit beschäftigt, die Bilderrahmen auf den Fluren zu entstauben. Er seufzte. Manchmal war das Leben wirklich unfair. Wie viel leichter hatten es dagegen die Zwillinge! Sie ließen sich bedienen und bedienten sich. Das musste wahrlich angenehm sein. Nicht dass er die Zwillinge bedienen...

Sich nähernde Schritte und Stimmen störten Figwits Gedanken. Mit einer schnellen Bewegung verschwand er hinter dem langen Vorhang eines Fensters; gerade noch rechtzeitig, bevor zwei schlanke, dunkelhaarige Elben in den Flur einbogen und nahe seines Vorhangs stehen blieben.

„Glorfindel konnte Eruiwen nicht wirklich begeistern, oder, Elladan?"

„Nein, konnte er nicht. Allerdings hat er ihr sein größtes Argument auch nicht gezeigt."

„Aber er hat es sie spüren lassen….Woher weißt du eigentlich, wie groß sein Argument ist?"

„Weiß ich ja gar nicht. Ich nehme an, dass es groß ist. Schließlich ist Glorfindel auch groß."

„… Es ist bestimmt nicht so groß wie meins."

„Nein, SO groß kann es gar nicht sein, Liebling…und er kann auch nicht so gut damit umgehen!"

„Woher weißt du denn das schon wieder?"

„Ach Elrohir! Das weiß ich ja gar nicht. Ich nehme an, dass er nicht so gut damit umgehen kann. Und jetzt lass uns über etwas anderes reden…oder etwas anderes tun?"

Einen kurzen Moment blieb es still.

„Tun wäre schön."

Figwit vernahm das Rascheln von Stoff.

„Hier?"

Die Stimme klang nicht entsetzt – eher entzückt.

„Jetzt. Hier. Oder besser: Dort. Auf der Fensterbank."

Doch wohl nicht auf der Fensterbank des Fensters SEINES Vorhangs? Figwit brach der kalte Schweiß aus. Elronds Bälger beim Fischen zu erleben hatte ihm heute noch gefehlt!

°°°°°

Schon seit Stunden lief Lindir in seinem Zimmer auf und ab. Er hatte in der vergangenen Nacht keine Ruhe gefunden, und mittlerweile wurde es draußen hell. Lindir bangte es vor dem kommenden Tag, dem ersten Tag, an dem er um Eruiwen werben durfte. Oder musste? Mittlerweile war er sich da nicht mehr so sicher.

Ganz Bruchtal würde ihm auf die Finger gucken; seine erbärmlichen Versuche, die Orkfrau zu bezirzen, auf das Genaueste analysieren und kommentieren. Er würde sich zum Gespött machen, da war sich Lindir sicher. Auf einmal fühlte er sich ganz wackelig auf den Beinen, seine Knie wurden weich und seine Handflächen feucht. Für diese Dinge war er einfach nicht gemacht! Nun ja... er konnte ein wenig singen.

Erestor hatte einmal gesagt, er habe das Temperament eines Bären im Winterschlaf. Und damit irgendwie schon Recht gehabt. Wie sollte er schon neben dem schönen Glorfindel bestehen, dessen geschmeidige Bewegungen an eine schlanke Raubkatze erinnerten? Oder neben dem belesenen Erestor, der auf alles eine Antwort wusste und sich auf wunderbare Wortspiele verstand? Über Elrond wollte er gar nicht erst nachdenken. Es gab nichts, was Elrond nicht konnte. Da war er sich GANZ sicher... außer vielleicht singen.

Lindir warf einen Blick in den Spiegel. Seine hellen Haare fielen ihm in langen weichen Strähnen um die Schultern und bildeten einen schönen Kontrast zu seiner olivfarbenen, ebenmäßigen Haut. Unter langen schwarzen Wimpern leuchteten seine dunkelgrünen Augen hervor. Gut. Auch was das Aussehen anging, übertraf er Elrond... und er konnte besser singen!

Vielleicht sollte er es darauf ankommen lassen... dann würden sie eben über ihn lachen... und wenigstens hatten sie dann einmal etwas zu lachen! Lindir straffte seine Schultern, klemmte sich seine Drehleier unter den Arm und verließ das Gebäude.

Kurze Zeit später stand er im Garten und blickte ein wenig bange auf das Fenster über ihm. Die dunklen Vorhänge waren zugezogen und sperrten das Licht des Vormittags aus. Doch seine Stimme würde hoffentlich durch den Stoff dringen und das Herz Eruiwens erreichen. Lindir räusperte sich. Dann setzte er an:

Oh holdes Weib, oh schöne Dame!

Ich hielte euch so gern im Arme!

Gar fest und eng umschlungen

in der großen Liebe Enthüllungen.°

Das Hohe C war ihm etwas entglitten, aber das war doch nur eine Orkfrau! Die wusste sicherlich gar nicht, was ein Hohes C überhaupt war! Lindirs Blick hing an dem Fenster. Hatte sich der Vorhang nicht gerade bewegt? Gefiel Eruiwen sein Lied womöglich, und sie spähte vorsichtig zu ihm hinaus?

Unter der dunklen Nacht Sterne,

schweifen unsre Gedanken in die Ferne…

hinüber zu der Zukunft Wonne,

und der großen Glückes Sonne!

Ja, diesmal war er sich ganz sicher! Der Vorhang bewegte sich! Oh, wie nervös er doch wurde!

Nie wieder ließe ich euch gehen,

nie würd ich mich an eurer Gunst vergehen!

Nie wollte ich, dass es euch reue -

Auf ewig währte meine Treue!

Da! Der Vorhang…er öffnet sich! Gleich…gleich…sicher würde ein Lächeln Eruiwens Gesicht zieren!

„Verflucht, Lindir, du STÖRST!"

Das war nicht Eruiwens Stimme…das klang ganz nach - ELLADAN! Starr vor Schreck und mit aufgerissenen Augen sah Lindir zum Fenster hoch. Ja, es war Elladan, der mit zerzausten Haaren und bloßem Oberkörper über der Fensterbank lehnte.

„Los, hau ab! Ich kann mich bei deinem Gejaule wirklich nicht konzentrieren!"

Röte schoss in Lindirs Gesicht. Er hatte es ja gewusst – das würde nicht gut gehen. Jetzt würde er das Gespött Bruchtals sein…und JETZT war es ihm auch gar nicht mehr egal, dass er alle zum Lachen hatte bringen können! Am Besten, er schloss sich für die einige Tage in sein Zimmer ein... und übte noch einmal... für die nächste Orkfrau... irgendwann... in 10.000 Jahren.

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Etwas später traute sich Figwit aus seinem Versteck. Mit einem vergnügten Grinsen machte er sich wieder an seine Arbeit – und trällerte dabei hin und wieder in seinen Staubwedel.

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°Der geneigte Leser sehe mir die schlechte Übersetzung nach…im Sindarin klingt es natürlich VIEL lieblicher!