Der Gefolgsmann
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Save me, O God; for the waters are come unto my soul.
I sink in deep mire, where there is no standing:
I am come into deep waters, where the floods overflow me.
I am weary of my crying: my throat is dried.
Mie eyes fail while I wait for my God
Psalm 69: 1-3
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Wir standen in verwirrter Dunkelheit nachdem er uns verlassen hatte und die Anspannung klang durch den Raum wie das verstörte Klingeln einer Krankenbettglocke. Mein frisch gebrandmarkter Arm war schwer und schmerzhaft. Ich konnte den Umriss des Mals spüren und mein Arm kribbelte, so als ob Sonnenlicht durch giftigen Efeu scheinen würde. Das einzige Licht kam von dem stolz glänzenden Amour Pur. Rodolphus zuckte. Ich konnte mir seine scharfen Augen vorstellen, wie sie sich nach einem Fluchtweg umsahen. Mit einem Seufzer setzte ich mich auf das Bett.
- Lass es uns hinter uns bringen.
Wie alle vermögenden Reinblutfamilien besaßen die Blacks ein Stückchen Land, um dort faulenzend die Sommermonate zu verbringen. Das Herrenhaus lag eine halbe Meile von Little Hangleton entfernt, der Heimatstadt meines Vaters, und war in naher Nachbarschaft zu meinem eigenen Landhaus, dem verfallenen Riddle-Anwesen. Ich mochte die dunklen, verwinkelten Flure von dem Zuhause meines Vaters; ich mochte den Geruch der Verwesung und der Furcht; ich mochte das Echo der Schreie meines Vaters, als ich auf ihn zu ging, den Zauberstab im Anschlag. Manchmal stand ich in der Mitte des Zimmers, in dem mein Vater und meine Großeltern ermordet worden waren, und gestattete mir ein bedächtiges Lächeln. Und ein anderes Mal lachte ich einfach stundenlang ohne Ende.
Ich verbrachte viele Sommer alleine und hatte nur Eulenkontakt.Ich fandes wichtig, mich auszuruhen und in Frieden zu planen, meinen Gedanken zu gestatten ziellos umherzuirren wie eine träge Schlange in dickem Gras. Nur gelegentlich, wenn es mich ermüdete, einheimische Vandalen anzuzünden, verließ ich mein glückliches Labyrinth und ging über sonnenbeschienene Wiesen und Waldlichtungen und suchte nach etwas Neuem, das ich verstümmeln konnte. Oft kam ich an dem Wohnsitz der Blacks vorbei und fragte mich, wie es wohlgewesen wäre, in dem perfekten Reinblutfrieden aufzuwachsen anstatt in einem schmutzigen Loch im Waisenhaus. Ich beobachtete die Kinder, wie sie auf ihren Besen über den gepflegten Rasen flogen, während die Erwachsenen teure Brombeercocktails aus Silberkelchen schlürften und stellte mir vor, ich würde dazu gehören, mit meinem schwarzen Haar und der blassen Haut. Vermutlich hätten sie den neuen Zugang nicht einmal bemerkt.
Es war einer dieser heißen, stickigen Tage vor vielen Sommern, noch vor dem Krieg und bevor sich meine Erscheinung änderte, dass ich ein Paar der Black-Kinder bemerkte, die vor der lärmenden Menge Reißaus nahmen und über die Felder in Richtung Wald liefen. Sie waren ein außergewöhnlich hübsches Paar mit ihrer süßen, monotonen Haarfarbe und ihren ungetrübt jugendlichen Charakterzügen. Sie konnten nicht älter als vierzehn sein. Einer, ein Junge, den ich schon zuvor einmal gesehen hatte und von dem ich wusste, dass er Sirius hieß, schien halb zu zögern, halb zu eilen, um mit den Anweisungen des Mädchens mitzuhalten, als ob er ihm innig folgen wollte, jedoch nicht in die Richtung, in die es ihn führte. Das Mädchen hatte ich sicher noch nie gesehen, denn wenn, hätte ich mich erinnert. Ihr kohlrabenschwarzes Haar umgab ein strahlendes, herzförmiges Gesicht mit Augen wie raue, unpolierte Diamanten.
Ich ging auf die Jagd, meine Finger umschlossen meinen Zauberstab.
Sirius und ich, wir waren uns näher als er es jemals zugelassen hätte. Ich schaue zurück auf diese Sommer in dem Landhaus mit etwas, das vielleicht in vereinfachter Ansicht Glück genannt werden konnte. Für mich kann Glück niemals das unverfälschte Gefühl von Selbstwert sein, das andere fühlen, mein Glück wird immer mit Dominanz und Kontrolle über einen anderen verbunden sein. Glücklich sein wird ein auf meine Anordnung manipuliertes Ereignis sein müssen. Und genau das war es, was ich tat.
Sirius fing an, mich zu hassen, lange bevor ich ihn umbrachte. In diesen sorglosen, androgynen Tagen vor der Pubertät waren wir die besten Kameraden. Wir schliefen in dem selben Bett und erwachten lang vor den anderen, um auf den leeren, taubenetzten Ländereinen umherzuwandern. Wir spielten endlos, geheime Spiele weit weg von meinen Schwestern und ihren Puppenhäusern und für diese kurze Zeit erlaubte ich ihm, mir ebenbürtig zu sein. Doch wir wurden älter und ich begann in die Bedeutung des reinblütigen Seins einzutauchen, während Sirius in dieser Hinsicht an einer Stelle verharrte und dumm blieb. Ich hatte schon meine Suche nach einer größeren Macht begonnen und war scharfsichtig genug, um zu bemerken, wie Sirius sich immer weiter von den Black'schen Idealen entfernte. Nun nutzte ich die Zeit, die wir zusammen verbrachten, meine neue Dominanz durchzusetzen und redete mit ihm über unser Blut und wie er unseren Namen Schande machen würde, wenn er sich nicht um den Weg kümmerte, den er ging. Und obwohl er ebenfalls argumentierte und mir erzählte, wie kalt ich geworden war und wie sehr ich ihn abstieß, war da etwas in seinen Augen, das mir andeutete, dass er mich ansehen wollte, obgleich er mich nicht leiden konnte. Zuerst war ich verwirrt. Seine Worte störten mich nicht, ich wusste schon, dass er auf dem Weg, den er ging, ein schlimmes Ende nehmen würde und dass nichts, was ich sagen könnte, ihn umstimmen würde. Was mich störte, war die Art wie er mich anstarrte, wenn er dachte, ich würde es nicht bemerken: neuer Hass und Hunger kämpften in seinem Augen um den Platz, wie ein Duell verschiedener Willen. Dann erkannte ich es. Er begehrte mich. Und je mehr ich sein attraktives Gesicht beobachtete, desto mehr wollte ich ihn auch.
Voldemort hat Recht. Macht ist eine schöne Sache.
Ich folge den abgekühlten Fußabdrücken, trete mit meinen eigenen Füßen in ihre Mulden und bemerke, dass sie nur wenig kleiner sind als meine. Ich erreiche den Handabdruck auf der Badezimmertür und halte inne, um das hohle Geplätscher und Spritzen laufender Hähne drinnen zu hören. Ihr Duft ist unter der Tür durchgesickert, ein muffiger, schmutziger, verbrannter Geruch, der sich mit dem der Blasen und Badetränken gemischt hat. Sie wäscht Askaban zusammen mit Rodolphus herunter. Mit dem Kräuseln einer dünnen, farblosen Lippe öffne ich die Türe und trete ein.
Ihr Keuchen hallt in dem Deckengewölbe wie das einer Schauspielerin, die zu oft ihren Text durchgegangen ist. Sie wusste, dass ich kommen würde, sie weiß nur nicht, warum. Nun ja. Ich bin hier, um es zu tun, nicht um es zu erklären.
Der Raum hallt, als ich in vollstem Bewusstsein über die Fliesen zu der eingelassenen Badewanne gehe. Schaurige Kerzen werfen schreckliche, blutzerstäubte Schatten auf die Wände. Ihr Gesicht, frisch, glänzend, wieder vierzehn Jahre alt. Lange dunkle Haarranken fächern sich auf der schäumenden Oberfläche des Badewassers wie totes Seegras. Der Rest ihres Körpers ist unter trüben Blasen bedeckt und wieder bin ich mit einem verzerrten, schimmernden Umriss geplagt.
- Komm, mein Liebling. Tu einfach so, als ob du wieder in einem Fluss wärst.
Ich lasse ihr keine Zeit, zu schreien, als ich in das Wasser eintauche, schwarze und wogende Roben ziehen ihren nassen und kämpfenden Körper zu meiner Brust lassen ihn nicht gehen.
Niemals? Fragte ich.
- Niemals, antwortete er. Ich formte seine dünne, atemlose Art um die schilfige Stimme, die aus der Dunkelheit neben mir kam, und fand es schwer, Überraschung aufzubringen.
- Dann wirst du es wohl brauchen, sagte ich und ging an ihm und der Flasche „Vertrauen" vorbei. Es spritzte und tropfte, als er ihren Hals packte. Ich hoffte, er wäre ein wenig geschickter, wenn sein Augenblick letztendlich kam.
- Du... Hast du? Ist es nicht eine Black'sche Tradition mit keinem aus einer anderen Reinblutfamilie zu schlafen, bis man verheiratet ist?
Ich lächelte dunkel und undurchsichtig. Die Regel hat nie für die Mitglieder der Familie Black gegolten, dachte ich. Rodolphus erwiderte ich einfach, dass ich ein wenig von „Vertrauen" bräuchte.
Er ignorierte meine Frage und entleerte die Flasche, ließ sie über den Boden rollen, legte seine zitternden Hände um meine Taille und brachte mich rückwärts in eine liegende Position. Ich blockierte meine Gedanken und wartete auf das Vergessen.
