Hey, hier gibt's tatsächlich einige Fans. Na, da muß ich doch einfach weiterschreiben.

Kapitel 2

Wie sich herausstellte, waren die Orks noch schneller, als ich angenommen hatte. Ich schätzte die Zeit auf elf Uhr, als mir ein übler Gestank in die Nase wehte, der das Herannahen der Orkschar ankündigte. Bald konnte ich sie sehen: ein dunkler Haufen, der sich mit erstaunlicher Schnelligkeit näherte. Dann wurden sie langsamer; sie hatten das Feuer entdeckt. Tatsächlich blieben sie nicht weit von meinem Versteck entfernt halten und beratschlagten. Aber dann setzten sie sich alle ohne Ausnahme in Bewegung und begannen, die Feuerstelle einzukreisen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Was immer man über sie sagen mochte, diese Orks waren geradezu tollkien (5).

Mir blieb nichts anderes übrig, als ihnen vorsichtig zu folgen. Glücklicherweise kannte ich das Gelände besser als sie, was mir nun zustatten kam. Ich schlug einen Bogen und näherte mich der Feuerstelle langsam von Osten. Hier konnte ich einige Bodenwellen und ein wenig spärliches Gebüsch als Deckung benutzen. Eine größere Gruppe Orks fand ich rund um das Feuer versammelt, dessen nähere Umgebung sie wohl schon abgesucht hatten. Andere waren noch im Gelände unterwegs, denn ich vernahm ihre Stimmen. Glücklicherweise hatte ich vor meiner Abreise daheim ein Lehrbuch des Orkischen durchgeblättert, so daß ich diese Sprache in vier verschiedenen Dialekten verstehen und fließend sprechen konnte. Wie ich nun hörte, gehörten die Orks zwei verschiedenen Gruppen an, die unter sich manchmal ihren jeweiligen Orkdialekt sprachen, meistens aber Westron benutzten. Dieses Westron, eine Art lingua franca hiesiger Gegend, hatte ich mir ebenso wie Halef schon bei unserem letzten Aufenthalte in Rohan angeeignet.

"Ich glaub nicht, daß das ein Feuer von den Pferdeleuten ist," sagte einer der Orks. "Was meinst du, Glukgluk?"

Der Angesprochene, ein untersetzter, kräftiger Ork mit einer S-Rune auf dem Helm und einer weißen Hand auf dem Schild, antwortete: "Wenn ihr die Schnauze haltet und mithelft, zu suchen, dann werden wir sie schon finden, wer immer sie sind. Also los! Und ein paar von euch bleiben bei den Gefangenen!"

Damit zog der größere Teil der Orks ab und verstreute sich im Terrain. Nun konnte ich sehen, daß zwei Gefangene, klein wie Kinder, nahe beim Feuer lagen. Sie waren gefesselt und rührten sich nicht.

Plötzlich erhob sich in einiger Entfernung lautes Geschrei. Dazwischen vernahm ich deutlich die Stimme von Halef: "Laßt mich los, ihr Gewürm, ihr häßlichen Ungeheuer!"

Oh, dieser unglückselige Hadschi! Er hatte meine Weisungen mißachtet und sich anschleichen wollen. Dabei war er von den Orks übertölpelt worden. Das hatte er nun davon! Wie konnte ich ihm helfen? Zunächst einmal gar nicht, da er sicher inmitten der Orkmeute steckte. Ich mußte warten, wie sich die Dinge entwickelten. Die meisten der noch ums Feuer stehenden Orks rannten zu der Stelle, von woher der Lärm ertönte. Einer der Gefangenen wurde von seinem Wächter einfach über die Schulter geworfen und mit ins Dunkel getragen. Ein Ork, der offenbar für den anderen Gefangenen verantwortlich war, machte Anstalten, auch diesen aufzuheben, ließ ihn dann aber doch liegen und blieb bei ihm stehen. Er lauschte in Richtung des Lärms und wendete mir dabei den Rücken zu. Als alle anderen Orks aus dem Lichtschein des Feuers verschwunden waren, konnte ich handeln. Ich schnellte mich zu dem Ork hin, richtete mich hinter ihm auf und versetzte ihm einen Fausthieb an die Schläfe. Das war mein berühmter Jagdhieb, der mir in den Prärien des Wilden Westens den Ehrennamen "Old Shatterhand" eingebracht hatte und mit dem ich den stärksten Menschen wie einen Klotz zu Fall bringen konnte. Offenbar hatte der Ork noch nichts davon gehört, denn anstatt bewußtlos niederzusinken drehte er sich um, fletschte die Zähne und ging auf mich los. Ich wich behende aus und schmetterte ihm mein Kinn an die Faust. Als er verblüfft innehielt, rammte ich ihm mit Wucht meinen Magen ins Knie, so daß ihm Hören und Sehen verging. Er stieß ein heiseres gelächterartiges Keuchen aus. In diesem Moment raffte sich der Knabe trotz seiner gefesselten Glieder auf und warf sich mit den Worten "Ah, Elb, errett' Gilthoniel!" gegen die Beine des Orks. Dieser verlor das Gleichgewicht, strauchelte, stürzte nach hinten und schlug hart mit dem Kopf gegen einen kleinen Felsen. Ich griff mir den Knaben, nahm ihn der Einfachheit halber unter den Arm, sprang aus dem vom Feuer beleuchteten Bereich und lief durch die Dunkelheit davon. Aus den Worten, die er eben ausgestoßen hatte, entnahm ich, daß sein Name Gilthoniel war und daß er mich für einen Elbenkrieger hielt, der ihn erretten sollte – eine Verwechslung, die im Dunkeln ganz verständlich war. Es war nicht das erstemal, daß ich wegen meiner ehrfurchtgebietenden Gestalt und meiner ebenmäßigen Züge für einen Elben gehalten wurde. Nach einer Weile hatten wir eine ausreichende Entfernung zum Orklager erreicht, so daß wir keine Verfolgung zu fürchten hatten. Ich konnte Gilthoniel niedersetzen und endlich seine Fesseln lösen.

"Ich danke dir, Herr!" sagte er in Westron, "Das war Rettung aus höchster Not. Und doch betrübt es mich zutiefst, daß mein Freund Merry noch in ihrer Gewalt ist, ebenso wie der andere Gefangene, den sie gerade anschleppten."

"Das war mein Freund," antwortete ich, "und sei beruhigt: Keiner von beiden wird sich lange in ihren Händen befinden, wenn ich es verhindern kann. Ich bin Kara Ben Nemsi, ein Effendi aus dem fernen Dschermanistan, und ich werde sie befreien. Aber komm jetzt, Gilthoniel. Wir müssen meine Pferde erreichen und die Orks überholen. Wenn der Tag anbricht, unterhalten wir uns weiter." Bald waren wir bei den Pferden. Ich kürzte Halefs Steigbügel für Gilthoniel und ließ ihn aufsteigen, dann ritten wir eilends nach Westen, um die Orks zu überholen.

Als der Morgen anbrach, machten wir Rast und lagerten an einer geschützten Stelle unweit des Flusses. Nun hatte ich zum ersten Mal Gelegenheit, meinen Begleiter bei Tageslicht in Augenschein zu nehmen. Er war einer der merkwürdigsten Beduinen, den ich je gesehen hatte. Außerordentlich klein von Statur erwies er sich nicht als Kind, sondern als ein kleinwüchsiger junger Mann von etwa 20 Jahren. Er hatte ein offenes, ehrliches Gesicht und war gesund und wohlgenährt, wenn auch im Moment noch von den Strapazen der Gefangenschaft geschwächt. Ich hatte ihm Brot, Dörrfleisch und einige Süßspeisen, die wir in Arda erstanden hatten, angeboten und er tat sein Möglichstes, um "seine verpaßten Mahlzeiten nachzuholen", wie er es ausdrückte. Sein Name war nicht, wie ich angenommen hatte, Gilthoniel, sondern Peregrin Tûk, genannt Pippin, und er gehörte zu den Beni Hobbit im Lande Shair. Die Hobbits waren, erzählte er, alle so klein wie er, weswegen sie von anderen Stämmen als "Halblinge" bezeichnet wurden. Und sie hatten auch alle diese kräftigen und wollig behaarten Füße, die mir gleich an ihm aufgefallen waren. Solche Konditionen werden bei isolierten Völkerstämmen oft durch jahrhundertelange Inzucht verursacht. Ich konnte aber erfreut feststellen, daß er geistig völlig normal und dazu recht mitteilsam war. Als ich nach dem Essen meine Pfeife stopfte, war er überglücklich, es mir gleichtun zu können, da ihm die Orks alle persönlichen Gegenstände gelassen hatten, darunter auch seine Pfeife. Der Hâsh schien ihm jedoch nicht gut zu bekommen – er war sein einheimisches Shair-Kraut gewöhnt – denn die Geschichte, die er mir beim Rauchen auftischte, war in höchstem Maße ungewöhnlich. Auch wenn ich die übliche Erfindungs- und Übertreibungssucht und die blumige Redeweise der Orientalen berücksichtigte, hatte ich Schwierigkeiten, in dieser Geschichte den wahren Kern zu finden. Und doch schien er nicht alles zu sagen, was er hätte sagen können, wie ich aus einigen Pausen und Stockungen entnahm. Ich möchte meine Leser nicht mit einer Wiederholung dieser phantastischen Erzählung langweilen, sondern nur soviel sagen, daß es um die Ausführung eines überaus wichtigen Auftrags ging, mit dem neun Gefährten beauftragt waren, die zu fünf verschiedenen Stämmen gehörten. Neben Pippin waren drei weitere Hobbits beteiligt, von denen einer eine besondere Stellung unter diesen Gefährten einzunehmen schien. Ihr Chabir (6) war ein weiser alter Mann namens Gandalf gewesen. Er war in einem unterirdischen Gang im Kampf mit einem wilden Tier gefallen, wohl einem Bären, den Pippin jedoch in seiner Erzählung mit einem brennenden Fell, einem aufrechten Gang, schattenartigen Flügeln und verschiedenen anderen Unmöglichkeiten ausstattete. Mindestens ein weiteres Mitglied der Gemeinschaft war von den Orks getötet worden, aber Pippin und Merry hatten gehofft, daß die anderen den Orks nachfolgen und sie befreien würden. Ich notierte mir diese Erzählung in meinem Tagebuch und nahm mir insgeheim vor, alle Hobbits, die ich traf, nach Geschichten auszufragen.

Pippins grauer Burnus schien stets die Farben der Umgebung anzunehmen. Er bot deshalb eine vorzügliche Tarnung, wie sie mir beim Anschleichen höchst willkommen gewesen wäre. Der Umhang stammte, wie er mir erzählte, aus Lórien und war von den dort ansässigen Elben hergestellt worden. Als ich ihn mit meiner Taschenlupe untersuchte, erkannte ich, daß darin Fäden aus einem reflektierenden Material eingewebt waren, das ich jedoch nicht näher identifizieren konnte. Ich beschloß, auf der Heimreise durch Lórien zu reiten, um mir die Freundschaft der dortigen Elben und einige dieser bemerkenswerten Mäntel zu erwerben. Ich erfuhr nun auch, daß die Mantelspange, die ich klugerweise für Pippins Gefährten liegengelassen hatte, ebenfalls eine elbische Arbeit war.

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Fußnoten
(5) Anmerkung des Verlegers: sächsisch für "tollkühn". Karl May verfiel hier ungewollt in seinen Heimatdialekt.
(6) Führer

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