Geneigte Leser/innen,

Was ich in diesem Kapitel mit Arwen bzw. vielmehr mit ihrem alter ego veranstalte, hätte keiner der beiden Großmeister in seinen Werken zugelassen. Aber ich finde, ein klein wenig Erotik kann ganz prickelnd sein, und ich habe es schon immer als Manko empfunden, daß Tolkien die zwischenmenschlichen Beziehungen in seinem Werk so vernachlässigt um nicht zu sagen verschwiegen hat. Ich habe männliche Figuren wie Legolas, Aragorn, Gimli und die Hobbits - ganz zu schweigen vom Balrog - nun schon so oft durch den Kakao gezogen, daß ich mir das auch bei Arwen Undómiel erlaube. ;-)

Dieses Kapitel ist Lenaluna gewidmet, die in Sachen Nschotschi - äh - Arwen Undómiel meine Muse war. Nochmals ganz lieben Dank dafür. (Für die Handlungen der besagten Undómiel bin natürlich ganz alleine ich verantwortlich. ;-))

Außerdem werden manche von euch feststellen, daß ich in schamloser Weise einige Anregungen aus Reviews und e-mails aufgenommen und verarbeitet habe. Auch hierfür bitte ich um Nachsicht und Verständnis (*zu Dragon-of-the-North schiel*).

Kapitel 6

Es dauerte kaum zwanzig Minuten, bis uns die Reiterinnen eingeholt hatten. Aus der Nähe betrachtet konnte ich kaum entscheiden, was mehr zu bewundern war: die Anmut und Schnelligkeit ihrer hochedlen Tiere oder die Geschicklichkeit, mit der die Reiterinnen - die übrigens Zwillinge waren - ihre Pferde handhabten.

Ein paar Meter vor Aragorn kamen sie zum Stehen und stiegen ab. Aragorn, Legolas und Gimli wurden von ihnen begrüßt wie gute alte Bekannte, während Halef und ich daneben warteten. Schließlich wendeten sich die Elbinnen zu uns und Aragorn sagte: "Dies sind die Töchter des Scheiks der Uëlad Imladrisi."

"Wir sind Arwen ..." sagte die eine Zwillingsschwester, "... und Ómiel" ergänzte die andere.

Arwen und Ómiel! Zwei prächtige Namen für zwei prächtige, wilde, ursprüngliche Geschöpfe! Mit ihrem tiefschwarzen Haar, den glänzenden dunklen Augen, den ebenmäßigen Gliedern und den zweischneidigen Schwertern, die sie um ihre kräftigen Hüften gegürtet hatten, waren sie so recht der Inbegriff orientalischer Schönheit. Nur ihre Ohren, die wie bei allen Beni Elb merkwürdig verunstaltet waren, warfen einen kleinen Schatten auf ihren außergewöhnlichen Liebreiz. Während die Stadtbewohner ihren Frauen den Schleier aufzwingen, läßt der stolze Bedawi (10) seinen Weibern die Freiheit, ihr Antlitz aller Welt offen zu zeigen. Überhaupt ist die Beduinin viel weniger Beschränkungen unterworfen als andere Araberinnen und so war es wohl auch zu erklären, daß diese beiden Elbinnen Waffen bei sich trugen, die üblicherweise dem Manne vorbehalten sind. Außer ihren Schwertern hingen am Gürtel lange Messer in feinziselierten Scheiden und es hätte mich nicht gewundert, in den Schäften ihrer weichen Stiefel ein Paar Wurfmesser zu finden.

Ich überließ es Halef, uns vorzustellen und er machte seine Sache sehr gut, indem er sich kurz faßte, nur wenig übertrieb und kaum flunkerte. Die edlen Frauengestalten schienen auch ihn zu beeindrucken. Danach nahm Aragorn die beiden Elbinnen zur Seite und sprach leise auf sie ein. Da ich nicht aufdringlich erscheinen wollte, ließ ich sie alleine und bewunderte die edlen Pferde, die noch immer Seite an Seite standen und denen der scharfe Ritt nicht anzusehen war, den sie hinter sich hatten. Sie waren, was der Araber als Radschi Pak zu bezeichnen pflegt - edelstes Blut aus reinster Zucht. So ungern ich es zugestand, aber sie waren unserem Assil und Barkh fast ebenbürtig. Die Uëlad Imladrisi sind unter allen Beni Elb durch ihre weithin berühmten Zuchtpferde bekannt. Nun sah ich, daß die Berichte, die ich darüber gehört hatte, nicht übertrieben waren.

Ich trat zu dem Grauschimmel, der schnell Vertrauen zu mir faßte und sich ohne Anstand den breiten Grashalm entfernen ließ, der sich zwischen seinen Zähnen festgeklemmt hatte. Ich reichte ihn an Legolas weiter, der zufällig gerade neben mir stand. Er betrachtete das Grasstück angewidert, bevor er es wortlos zu Boden fallen ließ und mit der Ferse seines Schuhes in den Staub trat. Dann wendete er sich seufzend ab.

"Gefällt dir Asfaloth, Effendi?" Eine der beiden Elbinnen war hinter mir herangetreten und legte nun dem Wallach ihre feingliedrige Hand auf den Hals, während er an ihrem Haar schnupperte.

"Er ist ein wundervolles Tier. Und doch kann seine Schönheit sich nicht mir der seiner Herrin messen, die lieblicher ist als die Morgenröte, wenn der junge Tag sich in den Wassern des großen Stroms Anduin spiegelt."

Sie lächelte spöttisch und blitzte mich aus ihren dunklen Augen an. "Deine Lippen triefen von Süße und deine Worte sind wie die Weisen des Bülbül (11), wenn er seiner Frau sein abendliches Liebeslied singt. Hat dich deine vorlaute Zunge noch nie in Schwierigkeiten gebracht, o Kara Ben Nemsi?"

"Ich bin gewohnt, zu sagen, was ich denke und ich stehe zu dem, was ich sage. Ich suche keinen Streit, aber ich gehe Schwierigkeiten auch nicht aus dem Wege," erklärte ich. Dann fügte ich hinzu: "Ich habe eure Namen gehört, doch meinen Augen fällt es schwer, Zwillingsschwestern auseinanderzuhalten. Willst du mir deinen Namen sagen?"

"Die Unterscheidung fällt dir schwer, weil du uns nicht näher kennst." Sie blickte hinüber zu Aragorn, der noch mit ihrer Schwester ins Gespräch vertieft war und flüsterte: "Schau dir diese beiden genau an, wenn du wissen willst, wem meiner Schwester Herz gehört. Sie ist Arwen und ihre Augen ruhen stets mit Wohlgefallen auf dem Dúnadan (12). Doch ist dies eine Sache, über die noch nicht gesprochen werden darf. Daß ich sie dir mitteile, mag dir zeigen, wie sehr ich dir vertraue. Aragorns Freunde sind auch unsere Freunde und in diesen dunklen Zeiten müssen wir alle vereint gegen den Schatten im Osten stehen. - Ich bin Ómiel und ich pflege mein Messer links zu tragen, wie mein Schwert. Arwen trägt ihr Messer rechts." Damit drehte sie sich um und führte die Pferde ein paar Meter weiter zu einer feuchten Stelle, wo frisches, junges Gras wuchs, an dem sich die anderen Pferde bereits gütlich taten.

Bald darauf hatte Aragorn sein Gespräch mit Arwen beendet und mahnte zum Aufbruch. Es war nun Spätnachmittag und es war abzusehen, daß wir den Kampfplatz der Rohirrim nicht vor Einbruch der Dunkelheit erreichen würden, aber wir wollten wenigstens noch ein Stück weiter reiten, um dann ganz früh am nächsten Morgen nach Spuren der Hobbits zu suchen. Halef war eifrig bemüht, seine Kenntnisse des Westron zu vertiefen und erzählte während des Ritts von unseren Abenteuern, wobei ihm nicht nur Gimli Ben Glóin seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte.

Nach einigen Meilen trafen wir auf einen Bachlauf, der von kleinen Gehölzgruppen begleitet wurde und so ins Gelände eingetieft war, daß er eine gute Deckung bot und beschlossen, an dieser Stelle zu übernachten. Wir hielten es sogar für sicher genug, ein kleines Feuer anzuzünden, über dem wir einen Tee kochen konnten.

Ich hatte mich abseits von den anderen gelagert, um das letzte Tageslicht zu nutzen und in Ruhe einige Tagebucheintragungen zu machen. Da hörte ich Schritte näherkommen. Es war Ómiel, die Linksträgerin, die - wie es schien - in Gedanken versunken durchs Gebüsch streifte und erstaunt aufblickte, als sie meine Lagerstatt erreichte.

"Störe ich dich, Effendi?"

"Um die Wahrheit zu sagen, ja."

"Oh, dann will ich dich nicht lange aufhalten," sagte sie in typischer Frauenart und ließ sich neben mir im Grase nieder. "Ich wollte dir nur einige Fragen stellen, wenn du erlaubst."

Ich klappte das Tagebuch zu. "Nun gut. Was hast du auf dem Herzen?"

Sie hob den Kopf und blickte mich mit ihren dunklen, seelenvollen Augen an. "Du kommst aus einem fernen Land, Effendi. Sage mir, müssen bei euch die Weiber dem Manne untertan sein?"

"Kein Mensch sollte einem anderen Menschen untertan sein. So lehrt es uns unsere Religion."

"Und sitzen bei euch die Weiber im Rat, wenn abgestimmt wird? Ziehen sie mit in den Krieg?"

"Nun ja... So wäre es sicherlich, wenn es irgendein Land gäbe, in dem völlige Gleichberechtigung herrschte. Aber das Weib ist nicht für dieses blutige Handwerk geschaffen. Das Weib verkörpert die Liebe, die Heilkraft, die familiären Tugenden, die Kunst und die Erziehung und sollte ihre Hände nicht mit Blut beflecken." Das Gespräch nahm eine Wendung, die mir unangenehm war. Arwen und Ómiel trugen ihre Schwerter sicherlich nicht zur Zierde mit sich herum, sondern waren Kämpferinnen. Durfte ich das verurteilen, angesichts der dunklen Mächte im Osten, die ganz Rohan und Gondor zu überrollen drohten?

Ómiel schien mit meiner Antwort nicht zufrieden zu sein. "Gibt es bei euch nicht ganze Länder, die von einem Weibe regiert werden?" - Im Orient sind die Mariatheresientaler ein weithin beliebtes Zahlungsmittel und so konnte es nicht ausbleiben, daß auch diese Wüstentöchter darüber nachdachten, warum eine Frau auf ihnen abgebildet war. Zudem haben viele gebildete Araber von Queen Victoria gehört und auch in orientalischen Märchen sind weibliche Herrscherinnen bekannt, man denke nur an die Königin von Saba.

"Warum sollte Gondor nicht eine Königin haben?" fuhr sie fort.

Jetzt begaben wir uns auf dünnes Eis. Wie sollte ich darauf antworten? Daß mich die Machtverhältnisse in Minas Tirith nichts angingen? Daß ich nur ein reisender Schriftsteller war, der sich nicht in die hiesige Politik einmischen wollte und daß mir die Politik überhaupt fern stand?

Während ich noch nachdachte, spürte ich plötzlich Ómiels Hände auf meinem Körper und erkannte, daß die ganze Unterhaltung nur eine Ablenkung gewesen war. Diese hinterlistige Beduinin hatte meine Gürtelschnalle gelöst und nestelte jetzt an den Knöpfen meiner Hose herum. Ihr halb geöffneter Mund stieß kehlige Laute aus, während sie eines ihrer langen, muskulösen Beine über das meinige schwang und mich damit an Ort und Stelle festnagelte. Mir brach der kalte Schweiß aus. Wer mit offener Hose in inniger Umarmung mit einem Weibe angetroffen wird, ist bei den meisten Beduinenstämmen so gut wie verheiratet. Kara Ben Nemsi verehelicht mit dieser Furie? Das durfte nicht sein! Das war ich mir selbst und meinen Lesern schuldig. Es mußte einen Ausweg geben! Aber welchen? Keinesfalls durfte ich sie mit Gewalt zurückweisen, denn das wäre eine Beleidigung, die nur mit Blut abgewaschen werden konnte. Ich zermarterte mir das Gehirn, doch wollte mir keine Lösung einfallen. Schon hatte sie ihre bestickte Weste geöffnet, die nun den Blick auf verschattete Herrlichkeiten freigab, während sie mit der anderen Hand meinen dichten Vollbart streichelte, so daß mein Kopf ganz leer und benommen wurde.

"Oh, Effendi," flüsterte sie heiser, "ich bin nicht nur schön, ich bin auch stark und geschickt. Ich bin eine Prinzessin der Beni Elb und habe viele Talente. Laß mich an deiner Seite kämpfen. Gemeinsam können wir selbst die Nazgûl überwinden. Laß mich die Königin deiner Nächte sein. Ich werde dir Söhne schenken, Effendi, Söhne, so edel wie du und so schön wie ich," - unwillkürlich glitt mein Blick über ihre armen, mißgestalteten Spitzohren - "Söhne, die eine Dynastie begründen könnten. Gondor ist noch immer ohne rechtmäßigen König. Laß uns hinreiten und die Krone usurpieren, Kara Ben Nemsi! Zusammen sind wir unwiderstehlich!"

Inzwischen hatte sie ihre Hand tief in meine Beinkleider gesteckt und sich gegriffen, was ihr eroberungswürdig schien. Aber da ihr Gesicht nun so nah an dem meinigen lag, daß ich die kräftigen schwarzen Härchen, die ihrer Oberlippe entsprossen, deutlich erkennen konnte, ebenso wie die ausgeprägte Warze, die ihren Nasenflügel zierte und die Mitesser, die um die lieblichen Lippen herum angesiedelt waren, ließen meine körperlichen Reaktionen wohl etwas zu wünschen übrig, denn sie runzelte die Stirn und begann emsig, ihre flinke Hand in Bewegung zu setzen.

Nun war ich in allerhöchster Gefahr und wie immer in solchen Momenten konnte ich plötzlich mir der größten Ruhe und Sicherheit denken und kaltblütig handeln. Ich wußte auf einmal, was ich zu tun hatte, und ohne Verzug setzte ich meinen Plan in die Tat um. "Oh, Arwen..." hauchte ich leise.

Ómiel zuckte wie von einem Skorpion gestochen zusammen und starrte mich entgeistert an.

"Hör nicht auf, Arwen," bat ich sie. "Bitte mach weiter. Genauso wie letztes Mal, weißt du noch ...?"

Sie zog ihre Hand zurück, als hätte sie eine Natter angefaßt. "Arwen?" entfuhr es ihren blutleeren Lippen. "Du – ? Du – und Arwen? ... Ihr kennt euch – ihr seid – Ihr habt – ?" Sie war totenbleich geworden und gefährlich ruhig. In ihren Augen glitzerte der Wahnsinn. Es tat mir leid, dieser Wüstenblume solches Herzeleid zuzufügen, aber es war die wirksamste Weise, um sie für immer von ihrer fatalen Schwärmerei für mich zu heilen.

Sie faßte sich recht schnell und zog verschämt ihre Weste zu, während ich mich beeilte, meine derangierten Beinkleider in Ordnung zu bringen. In diesem Augenblick trat Arwen aus dem Gebüsch und blieb wie angewurzelt stehen. Ihr Blick ließ keinen Zweifel darüber, was sie von der Situation hielt. "Du Schlange," zischte sie ihrer Schwester zu. "Ich hatte ihn zuerst gesehen!"

Ómiel rückte schnell von mir ab und wir kamen beide etwas schwankend auf die Füße, doch da war Arwen bereits wieder zwischen den Büschen verschwunden. Ómiel hastete ihr nach und ich fand mich wieder alleine an meiner Lagerstatt. Nun war es mit meiner Ruhe allerdings vorbei und auf das Tagebuch konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Ich verwünschte die Beduinen im allgemeinen und die Prinzessinnen der Beni Elb im besonderen und wünschte mir nicht zum ersten Mal, daß meine Wirkung auf das weibliche Geschlecht eine weniger starke wäre.

* * * * *

Fußnoten:
(10) Bedawi: Beduine.
(11) Bülbül: Nachtigall.
(12) Dúnadan: Westländer, Mann aus dem Westen. Bezeichnung für die Nachkommen der Númenorer.