Fuer Vivian Lupin, und zu deiner Frage: Wirst du schon sehen!

4) Azkaban

Das Boot, das Remus immer näher an die grauenerregende Insel heranbrachte schaukelte leicht als der Wachmann, der ihn begleitete das Gewicht verlagerte.
Remus musste sich sehr zusammenreißen um sich nicht in das schwarze Wasser zu übergeben. Normalerweise machten ihm Bootsfahrten nichts aus aber allein der Gedanke an Azkaban ließ sein Inneres gefrieren.
Die Zinnen der beiden grauen Türme waren Heim von Gargoyles welche bewegungslos auf ihren Plaetzen verharrten mit den Augen jeder Bewegung folgend.
Und mit jedem Ruderschlag wurde der Einfluss der Dementoren größer.
Natürlich war es Remus nicht erlaubt seinen Zauberstab mitzubringen. Er wünschte allerdings es wäre so. Die Dementoren wurden zwar in einen anderen Teil des Gefängnisses beordert, wenn Besucher kamen. Allerdings waren es so viele, dass das feuchte Gemäuer selbst den gleichen Effekt wie die Kreaturen zu haben schien. Mehr als einmal war Remus bei seinen Besuchen zusammengebrochen.
Das Wärterhaus am Bootssteg das er jetzt erreichte, sah nicht viele Besucher. Die meisten Insassen hier waren von ihren Familien längst aufgegeben worden. Nur wenige wagten regelmäßig das schützende Wasser zu überqueren.
Wie jedes Mal wurde Remus durchsucht. Vielleicht war es Glück, oder die Tatsache, dass er so oft kam und sie nie etwas gefunden hatten, aber sie entdeckten die in seinen Papieren versteckte Kinderzeichnung nicht.
Wie konnte er Harry nur versprechen, dass Sirius sie bekam? Was für ein Risiko für ein Bild? Aber es war Harry wichtig und für seinen Welpen würde er alles tun.

Remus hatte in seinem Studierzimmer gesessen. Der Sinn dessen, was er las wollte sich heute einfach nicht erschliessen. In Gedanken bereitete er sich bereits wieder auf Azkaban vor.

"Remus?" Harry war hereingekommen.

Ja, Harry?"

"Tust du mir einen Gefallen, bitte?"

"Das kann ich dir erst beantworten, wenn ich den Gefallen kenne."

Harry trat naeher an den bücherbeladenen Schreibtisch heran hinter welchem Remus sass. Er war einen Moment unsicher, dann legte er das Papier, welches er hinter seinem Rücken verborgen hatte vor Remus hin.

"Kannst du das Sirius geben?"

Remus musste das Bild nur kurz ansehen um zu erkennen, was darauf abgebildet war. Er schloss die Augen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Dann sagte er mit belegter Stimme: „Du hast Tatze sehr gut getroffen."

"Bitte, Remus." Der Junge schaute ihn flehend an und doch schüttelte Remus den Kopf.

"Das ist nicht erlaubt, Harry. Ich darf keine persönlichen Dokumente nach Azkaban bringen. Keine Bilder, keine Briefe. Nur offizielle Schreiben, nur was für die Verteidigung von Belang ist."

Der Werwolf war aufgestanden und um den Schreibtisch herum gegangen. Als Harry traurig den Kopf senkte nahm Remus das Kinn des Jungen und brachte ihn dazu ihn anzusehen.

"Es ist zu gefährlich, Harry."

Die Augen des Jungen standen voller Tränen.

"Bitte," flüsterte er erneut.

Die teilweise unterirdischen Gänge schienen beinahe endlos. Die Beleuchtung war schlecht und das ungute Gefühl nie wieder einen glücklichen Gedanken fassen zu können lastete schwer auf jedem Besucher. Hinter den Türen konnte man manchmal wirres Gemurmel ausmachen, manchmal schrie einer der Gefangenen um Hilfe oder darum, durch den Tod erlöst zu werden.
Remus wusste, dass es eine Tür gab, hinter der niemand mehr schrie. Seelenlose Körper, ohne Willen, ohne Erinnerung. Zu sinnlosem Hinvegetieren verdammt.
Er schauderte. Sirius war nur sehr knapp diesem Schicksal entkommen. Ausgerechnet der Fakt, dass er nie eine Befragung unter Wahrheitsserum erhalten hatte rettete ihn vorerst vor dem Kuss der Dementoren.

Die schwere Eisentür von Sirius Hochsicherheitszelle wurde geöffnet. Remus trat ein und die Wache schloss die Tür, was Remus jedes Mal wieder Schauer über den Rücken laufen ließ.
Sirius saß in einer Ecke zusammengekauert. Diese Position sagte Remus bereits alles. Viel würde er heute hier nicht erreichen.
Je nachdem wie stark Sirius an den Tagen vor seinen Besuchen den Dementoren ausgeliefert war, dauerte es mehr oder weniger lange, bis Remus ihn aus dem Panzer, den Sirius um seine Seele errichtet hatte, herauslocken konnte.

Wie einer der Geküssten starrte er ins Nichts. Die einzige Bewegung war das Kratzen seiner Fingernägel auf dem Steinboden. Remus fragte sich zum hundertsten Mal welcher Gedanke Sirius wohl aufrecht hielt. Was war so schrecklich und was gab ihm gleichzeitig die Kraft den letzten Rest seines Verstandes zu bewahren?
Remus kniete sich zu Sirius und wartete. Dann, als der Atem des Gefangenen ruhiger wurde und er mit dem Kratzen aufhörte sprach Remus ihn an: „Hallo Sirius."
Eine leichte Bewegung mit dem Kopf, als ob dieser sich besinnen musste, dass er gemeint war.
"Ich bin es. Remus. Moony."
"Moony?" kam es fast unhörbar von dem Gefangenen.
"Ja." Wieder war es eine Weile still.
"Tut mir so leid Moony, so leid." Er begann sich hin und her zu wiegen wie ein Kind.
"Sirius, hör auf!" Remus fasste den Freund bei den Schultern und brachte ihn dazu ihn anzusehen. Durch den dünnen Stoff der Gefängniskleidung konnte er deutlich spüren wie dürr Sirius war.
"Was tut dir leid, Sirius? Du hast nichts falsch gemacht."
"Harry, fort... für immer," flüstere Sirius und begann zu zittern und zu weinen. Remus nahm den Freund in den Arm und nutzte die Chance Sirius das Bild zuzustecken. Hoffentlich würde Sirius es finden.
Der Aufpasser an der Zellentür räusperte sich.
"Ja, ja ich weiß."
"Dann lassen sie das gefälligst!"
Remus nahm Abstand und konnte nur warten, bis Sirius sich wieder unter Kontrolle hatte.
"Sirius?" Ganz langsam hob der Gefangene das Gesicht. Seine Augen waren glanzlos und starr.
"Erinnere dich, Sirius! Ich hab dir erzählt, dass Harry bei mir ist. Harry ist sicher."

Aber Sirius reagierte nicht und Remus wusste nicht, ob sein Freund die Worte überhaupt gehört hatte. Er wartete noch eine Weile und betrachtete den Mann, der so jämmerlich in sich zusammengesunken dasaß. Remus schüttelte betrübt den Kopf, heute würde er nichts mehr erreichen. Aber Sirius hatte Harrys Bild, vielleicht hatte es sich ja doch gelohnt.

Es war Tage später als der riesige schwarze Hund sich die letzen Schritte aus dem Wasser schleppte und dann erschöpft im Sand zusammenbrach. Hinter ihm, weit draußen im Meer lag die Gefängnisinsel, von der er geflohen war. Im Moment hatte er keine Kraft weiter zu fliehen.
Ein Suchtrupp war vorbeigegangen, aber für die Zauberer hatte er nur wie ein weiteres, an der Küste verendetes Tier gewirkt. Nichts Ungewöhnliches. Es war wichtiger den entflohenen Gefangenen zu finden, schließlich war noch niemals zuvor jemandem die Flucht gelungen.

Nach einiger Zeit bewegte sich der Hund. Langsam, mit schweren Gliedern stand er auf und dann ... verwandelte er sich in Sirius Black.
Beinahe sofort machte er sich fanatisch auf die Suche nach dem Stück Papier, das der Hund wie einen kostbaren Schatz an Land getragen hatte. Er fand es, stolperte zum nahen Waldrand und setzte sich mit dem Rücken an einen Baumstupf gelehnt um Kraft zu schöpfen. Er hielt das Papier fest in der Hand. Es war das Bild, das Harry ihm gemalt hatte, sein Harry! Er musste zu ihm!

An dem Tag, als Remus ihn besucht hatte, hatte er das Stück Papier nicht gefunden. Später, der Gefangene hatte das Gefühl für Tageszeiten längst verloren kam die magere Portion Essen. Seine Gedanken waren beinahe klar, die Dementoren mussten einen neuen Gefangenen zum quälen haben. Sie mochten die unverbrauchten lieber, mehr glückliche Gedanken.
Sirius grummelte vor sich hin und verrichtete seine Toilette in einer anderen Ecke der Zelle. Nicht, dass es einen Unterschied machte, er wusste, dass er erbärmlich stank aber es war das einzige, was ihm geblieben war, was ihm sagte, dass er noch nicht ganz verloren war.
Er schüttelte traurig den Kopf und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Da entdeckte er einen weißen Zipfel im Aufschlag seines Hemdes. Er hielt in der Bewegung inne und starrte ihn einen Moment perplex an.
Neugierig geworden zwang er sich in seine Sitzecke zurück, versicherte sich, dass kein Wärter in der Nähe seiner Tür war und entfaltete das Stück Papier. Langsam, ganz langsam kam ihm die Erinnerung zurück. Remus war bei ihm gewesen, nicht vor allzu langer Zeit.
Von dem Papier starrte ihm ein schwarzer Hund entgegen. Sirius starrte zurück. Woran erinnerte ihn der Hund bloß? Unter dem Bild war etwas geschrieben. Wie lange war es her, dass er etwas gelesen hatte?
'Harry Potter, 10 Jahre „Tatze"'
Sirius konnte die Augen nicht mehr abwenden, las die wenigen Worte wieder und wieder. Dann sackte er kraftlos an die Wand. Harry hatte Tatze gemalt! Sein Harry! Tatze war er!
Wenig später kamen die Dementoren zurück, aber den Gedanken an Harry konnten sie ihm nicht mehr nehmen. Den Gedanken an ein kleines Baby in einem zerstörten Haus, an tote Freunde, Verrat. Und nie wieder würde er Tatze vergessen, welcher schließlich auch nur existierte, weil etwas Schreckliches geschehen war.


In dem Haus in London war die Nachricht von Sirius Flucht bereits angekommen noch bevor der Tagesprophet die Öffentlichkeit informiert hatte. Auroren waren aufgetaucht um nach Sirius zu suchen und Remus zu befragen. Beinahe hätten sie ihn verhaftet aber Sebastian wusste es zu verhindern.
Harry und Remus bekamen den ganzen Tag ein Grinsen nicht aus dem Gesicht was Sebastian furchtbar nervös machte.
Er rechnete jeden Moment damit, dass Sirius Black auftauchen könnte. Black, der Mörder, Verräter aber auch Harrys Pate und Remus bester Freund. Was bei Merlin brachte die beiden dazu, Black so bedingungslos zu vertrauen?

Nach der ersten Freude darüber, dass Sirius den Dementoren entkommen war, kamen Remus Zweifel. Die Flucht machte ihren Fall um einiges komplizierter. Sollten die Auroren Sirius finden würde er den Kuss erhalten noch bevor er „Unschuldig" sagen konnte.
Er musste Sirius Unschuld beweisen und das hieß Peter zu finden was sich in der Vergangenheit als fast unmöglich herausgestellt hatte. Aber er musste es zumindest versuchen. Sebastian würde ihm nicht helfen, auch Dumbledore nicht, er war allein. Allein auf der Suche nach einer Ratte unter tausenden.

Harry ahnte nichts von Remus Sorgen und Problemen. Er war viel zu aufgeregt. Würde Sirius kommen?
Sirius war für ihn eine Figur aus tausenden Geschichten, die Remus ihm erzählt hatte. Natürlich hatte Remus ihm auch von seinen Eltern erzählt aber Lily und James waren tot und nichts würde sie zurück bringen. Sirius war zum greifen nahe. Er war frei. Sirius war in Harrys Augen der Einzige, der wusste wie er sich fühlte. Der Einzige, der wusste was er bei seinen Verwandten hatte durchmachen müssen. Der ohne zu lügen sagen konnte: „Ich verstehe."

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