Kapitel 1
1716. Isla Margarita.
Die Luft war an diesem Abend ein wenig kühler als sonst, doch recht angenehm. Es wurde auf die kleine Insel ‚Isla Margarita' langsam dunkel. Was den Bewohnern aber nicht daran hinderte noch wach zu sein.
Scarlet saß in ihrem spärlich eingerichtetem Zimmer: Schrank, Tisch mit Stuhl und Bett. Ihr scharlachrotes Haar hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden und nun baumelte dieser fröhlich ihren Rücken hinab.
Die junge Frau stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab und lehnte sich mit ihrem Oberkörper etwas nach vorne, um sich in dem Spiegel zu beobachten, den sie sich mit 12 selbst gekauft hatte.
Sie seufzte und stand wieder aufrecht hin. Mit einer Hand strich sie sich eine nervenaufreibende Strähne hinter ihr Ohr.
Als ihre Mutter vor 8 Jahren hingerichtet wurde, starb nach einem Jahr auch ihre Großmutter in Folge von Altersschwäche.
Sie fühlte sich anfangs alleine, doch rappelte sich schnell wieder auf. Ihre Mutter und Großmutter hatten ihr nämlich immer eingetrichtert, dass man auf dieser Welt nichts geschenkt bekommt.
Nach einer Woche hatte das damals 11- jährige Mädchen eine Arbeit in einer Bäckerei bekommen, als ‚Mädchen für Alles'. Es war wie ein Wunder gewesen. Eine Woche nur! Sie hatte sich vorgestellt dass es schwieriger werden würde eine Arbeit zu finden und dass längere Zeit dafür notwendig wäre.
Zu dieser Zeit lebte sie noch auf der Insel Haiti und man kannte sie als ‚Hexenkind' oder beschimpfte sie als ‚Satansbraten', wegen ihrer Mutter. Deshalb ließen sie, die ersten die sie nach Arbeit fragte, abblitzen. Und auch wenn es nicht gerade Spaß machte ‚Mädchen für Alles' zu sein, war sie heilfroh eine Arbeit zu haben.
Durch diese konnte sie sich auch diesen Spiegel kaufen. Es half ihr sehr, denn sie glich stark ihrer Mutter und wenn sie sich darin betrachtete erkannte sie immer ihre Mutter.
Als sie 16 war beschloss sie Haiti zu verlassen.
Mit kleinen Arbeiten auf einem Handelsschiff gelangte sie dann auf der ‚Isla Margarita'. Ihr gefiel diese kleine Insel, obwohl es jeden Tag immer neue Menschen auf die Insel zog, die dann am gleichen Abend oder am nächsten Tag wieder weg waren.
Vor allem aber gefiel ihr dass man sie nicht als ‚Hexenkind' kannte.
Ein dumpfes Klopfen erklang.
„ Scarlet! Beweg deinen Hintern! Sam braucht dich und glaub mir" ein helles Lachen erklang „ wenn du nicht gleich auftauchst, feuert er dich hochkantig!".
Scarlet lächelte leicht und zupfte ihr Kleid zurecht.
Seit 2 Jahren arbeitete sie nun schon für Sam, in seiner ‚Spelunke'(1), wie der ältere Mann es ‚liebevoll' nannte. Für Scarlet aber war es einfach eine Kneipe und basta.
Jedoch fühlte sie sich wohl, auch wenn meistens nur Männer anwesend waren.
Die junge Frau öffnete lächelnd die Türe zu ihrem Zimmer und trat hinaus zu ihrer Freundin Alison.
Alison lebte mit drei weiteren Frauen zusammen, alle samt Prostituierte. Scarlet hatte die junge Frau am ersten Arbeitstag kennen gelernt. Zuerst war sie ein wenig ‚eingeschüchtert' über Alison's offene und freudvolle Art, hatte sich aber schnell daran gewöhnt und nun war sie ihre liebste Freundin.
Kaum war die rothaarige draußen nahm die Blonde schon ihren Arm in Besitz und nahm sie mit in die Kneipe.
Da herrschte bereits das Chaos, da an diesem Abend viele Gäste beim ‚alten' Sam vorbeischauten. Die meisten von ihnen waren Händler, die Tage auf Schiffen verbracht hatten und sich nun etwas gönnen wollten bevor es gleich wieder losging.
Alison ließ sie los und, mit einem kurzen Abschiedsgruss, gesellte sie sich zu drei Männern, die ihre Anwesenheit sehr schätzten.
Scarlet hingegen lief hinter die Theke, wo der Kneipenbesitzer mit reden und Gläserfüllen beschäftigt war. Als er sie sah unterbrach er das Gespräch und brachte ihr ein Tablett mit verschiedenen Getränken entgegen, den sie fröhlicher Laune annahm.
„ Na endlich! Mit deiner Langsamkeit wird meine Spelunke noch untergehen" dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu, rief ihr aber noch nach: „ Los, los! Du bist zum arbeiten hier!".
Gut darauf achtend die bräunliche Flüssigkeit nicht aus zu schütten, begann sie mit ihrer Arbeit.
„ He, endlich!" kam es von einem der Gäste als Scarlet die Getränke nach einander auf die Tischplatte abstellte.
Gierig nahmen die Männer die Gläser und in einem Atemzug war die Flüssigkeit die Speiseröhre runtergespült worden.
Die junge Frau nahm sich wenige Sekunden und strich sich mit dem Arm über die Stirn. Trotz des kühlen Windes, welches ab und an in die Kneipe hineindrang, blieb die Wärme. Die ‚Kneipenarbeiterin' machte sich mit dem Tablett, unterwegs zu der Theke um die Getränke wieder zu den jeweiligen Gästen zu bringen.
Als sie, wieder mit einem leeren Tablett den Rückweg anheuerte, und ihrer Arbeit nachgehen wollte, stand einer der Männer, an dessen Tisch Alison ebenfalls saß, auf. Seine von der Arbeit rau gewordenen Hände umschlossen ihre beiden Ellbogen und zogen sie etwas grob nach hinten.
„ Wills du nich mal n' Päusschen einlegen Kleine?" nuschelte er. Ohne auf ihre Antwort zu warten setzte er sich und zog sie mit sich, so dass sie auf seinen Oberschenkeln saß. Das Tablett hatte sie leicht an ihre Brust gepresst und sah dem Mann verdattert und etwas scheu an.
Von seinem Atem aus ging eine deutliche Alkoholfahne hervor. Seine Kleider sahen unsauber aus. Scarlet konnte aber erkennen, dass der Mann nicht völlig betrunken war. Noch nicht jedenfalls.
Sie versuchte sich mit einem „ ich muss arbeiten, ein andermal vielleicht" zu verdrücken. Doch die junge Frau schaffte es nicht einmal von Schoss des Mannes weg zu kommen, da dieser ihr mit einem Arm um ihre Hüfte zum weggehen hinderte.
Alison lachte leise in sich hinein und legte dem Gast, der ihre Freundin festhielt, eine Hand auf dem Oberarm.
„ Hey, sie muss arbeiten mein Schatz, sonst feuert Sam sie noch."
Diese Worte taten ihre Wirkung. Ohne ein weiteres Wort ließ sie der Mann gehen und gab ihr als ‚Abschiedsgruss' einen Klaps auf den Hintern.
Das war für Scarlet einer der Momente in denen sie sich höchst unwohl fühlte, aber was sollte man auch in solch einer Kneipe erwarten?
„ Ich wart auf dich Schätzchen! Enttäusch mich nicht".
Scarlet hatte dem Mann den Rücken zugekehrt und verdrehte die Augen. Es würde wie immer enden: Zuerst versuchen sie dich zu begrapschen und erwarten, dass du nach Arbeitsende mit ihnen gehst, doch schlafen sie vor Trunkenheit ein und man muss sie dazu zwingen das Lokal zu verlassen.
„ Scarlet? Hol noch ein paar Flaschen Rum im Hinterzimmer!" schrie Sam ihr zu. Mit einem kurzen Nicken stellte Scarlet das Tablett auf der Theke ab und stieg die 2 Stufen hinauf, um links dann eine hölzerne Tür zu öffnen.
In dem Hinterzimmer war es recht frisch und dunkel. Bevor sie das Zimmer jedoch betrat, nahm sie aus dem in die Wand eingebautem Schrank, eine Öllampe hervor und machte sie an. Sie lief in das Hinterzimmer und machte sich auf die Suche nach dem gewünschten Rum.
Sie hatte die Flasche gefunden und nahm sie an sich.
Plötzlich hielt sie inne und lauschte. War da nicht etwas?
Sie hielt die Öllampe ein wenig höher und durchleuchtete das Zimmer. Die Tür war ein Spalt breit offen und kam konnte gedämpftes Lachen und Getratsche hören.
Die rothaarige seufzte. Das war nicht das erste mal, dass sie sich einbildete, jemand beobachte sie.
Sie nahm Luft um das Licht der Öllampe erlöschen zu lassen, als sie vor Schreck die Rumflasche fallen ließ.
Sie spürte einen Körper hinter ihr, der sie an sich gezogen hatte. Eine große Hand lag auf ihrem Mund und hinderte sie Hilfe zu holen.
Ihr Puls schlug schneller und es kam ihr so vor, als ob ihr das Blut in den Adern gefrieren würde. Etwas kaltes und widerstandfähiges wurde ihr unerbittlich an ihrem Hals gepresst. Sie hatte furchtbare Angst...
To be continued…
(1) Spelunke: Ist die etwas verächtliche Bezeichnung für eine schlechte, verrufene Kneipe oder Spielhölle.
P.s.: werd' mal sehen...vielleicht mach ich doch eine POTC FF draus...hmm
