Kapitel 5
Hogwarts, 1. September 1996
Alle Lehrer hatten sich im Konferenzzimmer versammelt, da in etwas mehr als einer halben Stunde die Schüler kommen würden und somit das neue Schuljahr da wäre.
„Zum Abschluss möchte ich euch noch die neue Professorin in ‚Verteidigung gegen die Dunklen Künste' vorstellen. Einige von euch werden sich vielleicht noch an sie erinnern, sie verließ Hogwarts bereits während ihres ersten Jahres. Also: Hier ist Sarah Hamilton!"
Die nun folgenden Minuten erlebte Sarah wie in Trance. Sie musste einiges über sich erzählen, ihr wurden die anderen Lehrer vorgestellt; gut, DAS war ja noch ganz normal. Das schlimme war ja, dass Severus sie die ganze Zeit über hasserfüllt ansah. Und dieser Blick machte es ihr unmöglich, sich darauf zu konzentrieren, was sie sagte, oder wer ihr gerade vorgestellt wurde.
‚Ob er davon weiß, dass ich soviel mit Remus unterwegs war?', dachte Sarah panisch, als sie das Konferenzzimmer verließ, um zur Großen Halle zu gehen.
So in Gedanken verloren bemerkte sie gar nicht, dass sie soeben in Severus gerannt war, der sie darauf hin noch wütender ansah.
„Miss Hamilton", begann er ruhig. ‚Oh mein Gott! Er ist förmlich! Das heißt nichts Gutes.' Tiefschwarze Augen bohrten sich in die von Sarah.
„Sollten Sie vorhaben, mir das Leben schwer zu machen, dann kann ich Sie beruhigen: DAS ist Ihnen in den letzten Tagen bereits ausreichend gelungen."
Sarah wurde rot. ‚Er weiß, dass ich mich mit Remus angefreundet habe.'
„Sev,... Du bist doch nicht etwa eifersüchtig auf Remus!"
Severus war erst mal sprachlos. „Besteht ein Grund dazu? Willst du mir damit sagen, dass zwischen dir und diesem Werwolf etwas läuft?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte Severus in die Große Halle.
Nachdenklich ging Sarah hinter Severus ebenfalls in die Große Halle. Severus konnte doch nicht ernsthaft denken, dass sie etwas mit Remus Lupin hätte. Allein den Gedanken daran fand Sarah lachhaft.
Als sie beim Lehrertisch angekommen war, fiel ihr ein, dass sie noch nicht wusste, wo sie sitzen sollte. Doch zum Glück war Dumbledore auch schon da.
„Professor Dumbledore?" Der Angesprochene lächelte Sarah an.
„Nennen Sie mich doch Albus."
„Wenn Sie Sarah zu mir sagen. ... Eigentlich wollte ich fragen, wo ich beim Essen sitzen soll." Sarah fühlte sich wie mit elf Jahren, als sie den Direktor fragen musste, wo das Verwandlungs-Klassenzimmer wäre.
„Ach ja, natürlich! Da du Severus ja schon so gut kennst, würde ich vorschlagen, du setzt dich zu ihm."
„Gut, danke."
Vorsichtig ging Sarah zu Severus, der ihr Gespräch mit Dumbledore aufmerksam verfolgt hatte.
„Mach mir keine Vorwürfe, es war seine Idee, dass ich hier sitze!", begann Sarah als eine Art Abwehrreaktion.
„Ich habe nichts gesagt."
Während der Feier sprachen Sarah und Severus kein einziges Wort miteinander. Als Severus schließlich aufstand um die Große Halle zu verlassen, lud Dumbledore alle Professoren und andere Angestellte, wie Mister Filch oder Madam Pomfrey, zu einem Gläschen Kognak in seinem Büro ein. Severus murmelte ein sehr verärgertes „in Ordnung" und setzte sich wieder, um auf seine Kollegen zu warten.
Als schließlich das ganze Kollegium auf dem Weg zu Dumbledores Büro war, wagte Sarah einen Vorstoß und sprach Severus an.
„Severus?"
Genervt blieb der Angesprochene stehen. „Was ist? Ich habe wirklich keine Lust, mich auf ein Endlos-Gespräch mit dir einzulassen, so dass ich noch länger bei dieser stupiden Feier von Dumbledore bleiben muss."
„Ich wollte nur fragen, ob wir irgendwann reden können. Ich möchte dir gerne etwas sagen."
„Soweit ich mich erinnere, hast du mir bereits mitgeteilt, was zwischen dir und Lupin ist."
„Diesbezüglich habe ich überhaupt nichts gesagt."
Die beiden waren inzwischen weiter gegangen und standen nun vor Dumbledores Büro. Alle anderen waren bereits hineingegangen.
„Können wir dann bitte auch hinein gehen? Ich habe mir vorgenommen, genau fünf Minuten bei dieser Feier zu bleiben. Das heißt, du hast fünf Minuten Zeit, mir zu sagen, was du sagen willst."
„Okay", murmelte Sarah und sah Severus erwartungsvoll an.
„Was ist denn noch?"
„Ich weiß das Passwort nicht, Sev."
„Natürlich... Toblerone"
Die Tür öffnete sich und die beiden gingen in das Büro des Direktors.
„Ah, Sarah, Severus. Es freut mich, dass ihr beide doch noch den Weg hierher gefunden habt! Hier, nehmt euch ein Glas!"
‚Diese Laune ist ja furchtbar. Heute begann das neue Schuljahr, wie kann er so fröhlich sein?', dachte Severus grimmig und nahm sich ein Glas.
Während er einen Schluck trank, nahm Sarah seine freie Hand und zog ihn in eine Ecke.
„Sev, ich... Naja, also... Ich wollte dich fragen, warum du so abweisend bist", begann Sarah das Gespräch.
Severus sah sie wütend an und meinte: „Vielleicht wegen dir und diesem ... Werwolf!"
„Das zählt nicht, Sev. Ich habe nur damit angefangen, weil du schon vorher so ... kühl warst."
„Gut, ich werde es dir sagen, doch zuvor erzählst du mir, was zwischen dir und Lupin läuft."
Sarah seufzte. Konnte sie ihren Frischgewonnenen Freund so hintergehen? Sie hatte versprochen, nichts zu sagen...
„Okay, aber nicht hier", gab Sarah schließlich nach.
„Dann treffen wir uns in zehn Minuten beim Aufgang zum Astronomieturm, Sarah." Damit war Severus verschwunden.
Sarah beschloss, die zehn Minuten die sie noch hatte zu genießen und füllte sich ihr Glas nach.
Als sie dann zum Aufgang zum Astronomieturm kam, wartete Severus bereits auf Sarah.
„Also, schieß los."
„Ähm... Sev... wenn wir schon hier sind, könnten wir auch rauf gehen."
„Wenn es sein muss."
Oben angekommen, begann Sarah auch schon zu erzählen.
„Es ist überhaupt nichts zwischen Remus und mir. Wir sind wirklich nur gut befreundet. Severus, du musst mir das glauben." Severus sah sie daraufhin abschätzend an.
„Und wieso sollte ich dir das glauben?"
„Na ja, weil... ich dachte, wir wären... befreundet, oder?"
„Dann kannst du mir ja sagen, warum ich dir das glauben soll, Sarah."
„Severus, was ich dir jetzt sage, muss unter uns bleiben. Remus köpft mich, wenn er rauskriegt, dass ich dir das erzählt habe. Ausgerechnet dir..." Sarah schwieg einen Moment bevor sie weitersprach. „Remus wird nie etwas mit mir anfangen."
„Bist du ihm vielleicht nicht hübsch oder charmant oder schlau genug? Ich bitte dich, jeder Mann der dich ansieht, wird schwach." Severus klang ernsthaft böse.
„Na ja, sagen wir so: Ich habe das falsche Geschlecht für Remus." ‚Jetzt ist es raus. Jetzt wird sich zeigen, wie ernst Severus mich nimmt', dachte Sarah, nachdem sie es gesagt hatte.
„Remus Lupin ist schwul? Das ist das Beste, was ich in meinem ganzen Leben gehört habe! Das ist wunderbar! ER! Ausgerechnet!"
„Sev, man könnte denken, du wärst in ihn verliebt."
„Ich denke, du solltest am besten wissen, dass ich nicht auf Männer stehe."
Sarah begann zu grinsen. „Ich weiß! War das vorhin eigentlich als Kompliment gemeint?"
Severus sah sie fragend an. „Was genau meinst du?"
„Als du gesagt hast ‚Ich bitte dich, jeder Mann der dich ansieht, wird schwach'? Ich meine, du wurdest ja offenbar auch schwach..."
Severus sah Sarah lange an, bevor er weitersprach.
„Es war als Kompliment gemeint. ... Remus Lupin steht auf Männer! Das ist einfach göttlich!"
„Sev, du musst mir versprechen, es keinem zu sagen!"
Severus gute Laune war sofort wieder verschwunden. „Das darf ich niemandem erzählen? Sarah, sei nicht unfair!"
„Severus, ich habe ihm versprochen, es niemandem zu erzählen. Du wüsstest es auch nicht, wenn du vorhin nicht so eifersüchtig reagiert hättest."
„ICH – WAR – NICHT – EIFERSÜCHTIG!"
„Doch, warst du. Und jetzt schau mich nicht so böse an. Du hast schon so genug Falten auf der Stirn."
„Du miese kleine Schlange!"
Da rannte Sarah los. Sie schaffte sogar alle Treppen hinunter bis ins Erdgeschoss, doch ungefähr fünfzig Meter nach dem Aufgang holte Severus sie ein und hielt sie fest.
Sarah drehte sich geschockt um und sah in die wohl schwärzesten Augen der Welt. Mal wieder. „Entschuldige, Sev."
Doch Severus lächelte. Und es war ein sanftes Lächeln, kein schiefes Grinsen. Dann nahm er Sarah in die Arme. „Du bist so wunderschön, Sarah."
Die Angesprochene wusste daraufhin nichts zu sagen und sah Severus einfach weiter in die Augen. Die beiden verharrten ungefähr fünfzehn Minuten in diesem Zustand ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Doch dann kamen Dumbledore und Filch in ihre Richtung.
„Sarah! Severus! Hier seid ihr. Warum seid ihr denn schon so früh verschwunden?", rief ihnen der Direktor entgegen.
Severus schob Sarah von sich fort und sagte: „Wir hatten eine Sache zu klären bevor das Schuljahr begann. Albus, du weißt doch, wie viel mir am Wohl meiner Kollegen liegt und dass ich auf keinen Fall Streit mit jemanden haben möchte."
Sarah und Dumbledore tauschten leicht amüsierte Blicke aus, Severus hingegen war bereits verschwunden.
„Sarah, möchtest du nicht zurück zu unserer kleinen Feier kommen? Die anderen haben sich schon gefragt, ob du sie vielleicht unsympathisch findest und deswegen so früh verschwunden bist." Himmelblaue Augen sahen Sarah freundlich an.
„Nein, Albus. Es war genau so, wie Severus gesagt hat. Mal abgesehen davon, dass ihm etwas an seinen Kollegen liegen würde..." Das brachte sowohl Dumbledore als auch Sarah zum lachen.
