Jetzt geht's auch weiter. Mit einer klitzekleinen Verspätung, da ich gestern einfach keinen Bock hatte. -schäm-


Kapitel 6: Warme Erinnerungen

Ah-Uhn landete an dem Ort, wo Sesshoumaru seine Gefährten zurückgelassen hatte. Rin und Jaken waren erschüttert, als sie sahen, wie Amaya den fast leblosen Hundedämon behutsam auf der Erde ablegte und seinen Rücken gegen einen Baum lehnte. Beide sahen einfach grauenvoll aus: von Kopf bis Fuß blutverschmiert, zerkratzt, verschwitzt, die Haare verklebt und es war schwer zu sagen, wer mehr zerfleischt aussah. Amaya machte Rin und Jaken klar, dass sie unverletzt sei und dass das Blut an ihr Sesshoumarus war. Rin schossen Tränen ins Gesicht und sie rannte zu dem Dämon.

"Meister Sesshoumaru! Du darfst nicht sterben!", schluchzte sie.

"Er wird nicht sterben", sagte Amaya leise, aber dennoch entschlossen, und wischte sich das Gemisch aus Blut und Schweiß aus dem Gesicht, wobei sie es eigentlich nur noch mehr verschmierte, "auch wenn ich dafür Naraku in Stücke reißen und die Sterne vom Himmel holen soll: Er wird nicht sterben!"

Ohne noch lange zu überlegen, befreite sie Sesshoumarus Oberkörper von seiner Kleidung und untersuchte die Wunden.

"Er verblutet!", rief Rin entsetzt.

Amayas Miene wurde noch düsterer, jedoch immer willensstärker und entschlossener, Sesshoumaru zu retten. Dass sie eigentlich seine Gefangene war, schien sie ganz vergessen zu haben. Aber er nicht. Er selbst konnte nicht sagen, was ihn mehr plagte: seine Schmerzen oder die Entscheidung zwischen seiner Liebe zu ihr und seinem Plan.

"Komm", sagte die junge Frau zu Rin, "wir steigen auf Ah-Uhn und fliegen ins nächste Dorf, um dort nach Wasser und Heilkräutern zu fragen. Ich bin mir sicher, man wird uns helfen. Und du", sie wandte sich an den Krötendämon, "musst in dieser Zeit zusehen, dass du seine Blutung stillst und ihn im Notfall beschützt."

Noch bevor Jaken antworten konnte, hatten sich die Menschen auf Ah-Uhn gesetzt und fort waren sie. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als Amayas Befehl zu gehorchen, denn das war im Augenblick für ihn die einzige Möglichkeit, seinem Herrn zu helfen.

Während Jaken Anstalten machte, seine Blutung zu stillen, versuchte Sesshoumaru sich von seinen Schmerzen abzulenken. In seinem Inneren wütete inzwischen ein Krieg. 'Führ' den Plan aus, jetzt kann es nicht so schwer sein', verlangte die eine Seite. 'Sie hat dir das Leben gerettet. Kannst du sie denn so einfach verraten?', war die Antwort der anderen Seite. Die Tatsache, dass er ihr sein Leben verdankte, machte das Ganze natürlich viel schwieriger. Bei diesem Vorfall hatten beide das an die Oderfläche gebracht, was sie schon seit längerer Zeit vor einander verborgen hielten. Das, was sie sich selbst zuerst nicht gestehen wollten. Wenn die Dämonen ihn doch nur getötet hätten! Dann müsste er nicht diese schwere Entscheidung treffen. Doch er wurde gerettet, also war es sein Schicksal, zu leben und zu entscheiden. 'Wo führt das alles hin?..'

Amaya und Rin kamen erstaunlich schnell zurück. Amaya hatte einen großen Bottich dabei und Rin trug einen Korb voll duftender Heilkräuter und einen kleinen Kessel. Der arme Jaken bekam den Bottisch und den Kessel in die Arme gedrückt und musste Wasser holen gehen. Während er fort war, überprüfte Amaya wieder die Wunden.

"Jaken hat seine Aufgabe gut gemacht", sagte sie schließlich hoffnungsvoll. "Jetzt müssen wir die Wunden reinigen, disinfizieren und verbinden." Dabei strich sie vorsichtig über eine Wunde und Sesshoumaru kehrte mit einem Zusammenzucken aus seinen verzweifelten Entscheidungsgedanken in die schmerzhafte Realität zurück. Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, dass er erst vor einer kurzen Zeit einem blutigen Springbrunnen geähnelt hatte.

Gerade kam Jaken angeschnauft und lud die beiden Behälter ab. Rin hatte inzwischen ein Feuer gemacht und hängte den Kessel nun darüber. Amaya hatte unterdessen aus dem Korb ein Tuch gekramt und begann, das Blut von Sesshoumaru abzuwischen, wofür sie das Wasser aus dem Bottich benutzte. Nach einer kurzen, aber für den Dämon sehr schmerzhaften, Weile (denn durch das Wasser brannten die Wunden nur noch mehr) sah Sesshoumaru nicht mehr so fürchterlich aus. Sobald das Wasser im Kessel blubberte, streue Amaya einige Kräuter hinein.

"Jetzt muss das Ganze nur noch ein wenig köcheln und wir können mit der Behandlung deiner Verletzungen fortfahren", sagte sie munter und klatschte in die Hände. Sie war sich ganz sicher, dass Sesshoumaru nun gerettet sei.

"Eigentlich brauchst du nichts mehr zu machen", meinte Sesshoumaru. "Ich bin ein Dämon; spätestens in wenigen Tagen bin ich wieder gesund."

"Ja", erwiderte Amaya, "aber wenn wir bis dahin wieder angegriffen werden, sieht es schlecht für uns aus."

"Verstehst du denn nicht, du dumme Göre?", sagte Jaken empört. "Dass du seine Verletzungen behandelst, verletzt seine Ehre!"

"Weil ich ein Mensch bin, oder was?", schnaubte Amaya mit einem giftigen Unterton.

Jaken schauderte und hatte sich offenbar fest vorgenommen, die Klappe zu halten, denn er befürchtete, Amaya könnte ausrasten und Horatu die Kontrolle überlassen, die ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, augenblicklich grillen würde.

Er hatte die Gedanken seines Herrn natürlich erraten. Sesshoumaru sah die Reaktion der anderen Dämonen auf die Neuigkeit, dass er, der mächtige Sesshoumaru, von einem Menschen gepflegt wurde, bereits vor seinem inneren Auge. Aber da drängte sich ein anderer Gedanke durch. 'Ich muss es ja nicht unbedingt jedem erzählen...' Zu angenehm waren die zarten Berührungen von Amayas Händen, auch wenn er dafür immer ein kurzes Aufflammen seiner Wunden in Kauf nehmen musste. Tatsächlich rief Amayas liebevolle Art, wie sie ihn nun behandelte, in ihm eine beinahe vergessene Erinnerung wieder in seinen Kopf. So lange war es her, viele Jahrzehnte, dass seine Mutter sich um ihn gekümmert hatte, dass er sich nach seinen ganzen Kämpfen und Kriegen sich noch kaum daran erinnern konnte. Seine Mutter, Rin und jetzt Amaya waren in seinem gesamten Leben die einzigen Wesen, die sich jemals so sehr um ihn gesorgt hatten - ihn geliebt hatten. Eigentlich war da noch Jaken, aber er liebte seinen Meister nicht, sondern er vergötterte ihn.

-

Ein Baum stürzte zu Boden und in wenigen Sekunden war er Kleinholz. Ein kleiner Sesshoumaru trat hervor. Er war nur halb so groß wie er als ausgewachsener Dämon und hatte noch nicht diesen immer gleichgültigen Blick. Auf seinem etwas frechen und sehr, sehr, sehr stolzen Gesicht stahlte ein selbstzufriedenes Lächeln. Dabei ragten seine verhältnismäßig großen Reißzähne über seine Unterlippe, sodass er ein wenig aussah wie ein niedlicher, kleiner Vampir, der gerade von besonders süßem Blut gekostet hatte. Er stellte sich mit verschränkten Armen vor den Kleinholzhaufen und betrachtete stolz und genüsslich sein Werk, als eine Stimme nach ihm rief. Sein Grinsen wich und er ging mürrisch der Stimme entgegen.

"Jetzt beeil' dich, es wird spät!", rief die Stimme wieder.

"Ich komme ja schon!", antwordete er und fügte leise hinzu: "Grrr... Immer muss ich früh ins Bett und alles. Wenn ich mal groß bin, lasse ich niemanden mehr mir etwas sagen!"

"Natürlich, wirst du das", sagte wieder die Stimme seiner Mutter und eine Hand mit langen und scharfen Krallen legte sich auf seine Schulter. "Du wirst ja schließlich einmal sehr groß und stark, wie dein Vater."

"Ich habe heute einen Baum innerhalb von wenigen Augenblicken zu Pulver verarbeitet!", berichtete Sesshoumaru mit geschwollener Brust.

"Das ist aber fein", sagte die Dämonin stolz. "Du bist jetzt schon sehr mächtig. Aber jetzt ab ins Bett mit dir!"

"Nein, ich will noch nicht schlafen!", protestierte der kleine Hundedämon, obwohl er ganz genau wusste, dass er auch bei dieser kleinen Auseinandersetzung, wie sonst immer, verlieren würde.

"Auch große und starke Dämonen müssen sich ausruhen", sagte die Dämonin lächelnd.

Sesshoumaru murrte wieder und warf sich dann auf sein Lager. Seine Mutter deckte ihn zu und küsste ihn darauf auf die Stirn.

"Gute Nacht, mein großer, starker Dämon", wünschte sie ihm.

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Versehentlich ließ Sesshoumaru bei dieser Erinnerung ein Lächeln zu. Während er in der Vergangenheit geschwebt hatte, hatte Amaya seine Wunden versorgt und war nun zu dem Fluss gegangen, aus dem Jaken vorhin Wasser geholt hatte, um sich zu waschen. Rin war mitgegangen. Jaken wuselte aus Sesshoumaru unbekannten (und uninteressanten) Gründen murmelnd durch die Gegend. Dem Lord war es aufgefallen, dass er schon lange etwas gegen Amaya hatte. 'Nun, auch ich würde sie nicht mögen, wenn sie nicht so gut riechen würde und so...', huschte dem Verletzten durch den Kopf.

Als ob dieser Gedanke einen Zauber bewirkt hätte, wurde Amayas Geruch stärker. Die beiden Mädchen kamen zurück. Amayas Haar war noch nass und sie war etwas leichter bekleidet als sonst. Sesshoumaru vergaß nicht zu entdecken, dass ihre Kleidung an ihrem feuchten Körper ein wenig klebte und so ihre schöne Figur besser sichtbar wurde. Rin legte sich hinter Ah-Uhn zum Schlafen und zog Jaken hinter sich.

"Tut's noch sehr weh?", fragte Amaya.

"Es geht langsam", antwortete Sesshoumaru.

Sie setzte sich neben ihn und schlang ihre Arme um die Knie.

"Warum hast du mich eigentlich gerettet?", fragte sie nach einem längeren Schweigen.

Sesshoumaru antwortete nicht. Sollte er ihr jetzt die Wahrheit sagen oder erzählen, es sei wegen ihrem Nutzen für ihn geschehen?

"Es war schon ein merkwürdiges Gefühl", sprach Amaya weiter. "Ich war entsetzt, aber zugleich... war ich auch irgendwie glücklich."

Sesshoumaru erwiderte wieder nichts. 'Wenn du nur wüsstest, Amaya, wie ich mich gefühlt habe, als du mich getragen hast...'

Amaya legte ganz plötzlich und ohne Vorwarnung ihren Kopf auf seine rechte Schulter und das Feuer in seinen Wunden regte sich wieder. Er zuckte zusammen und Amaya setzte sich auf und sah ihn besorgt an.

"Tut mir -"

"Macht nichts", unterbrach er sie.

Sie legte ihm den Kopf wieder auf die Schulter, doch diesmal vorsichtiger, und jetzt war auch Sesshoumaru vorbereitet und er schloss sie darauf in seinen Arm. Das Wasser von ihrem Haar rann ihm die Brust hinunter und hinterließ eine kühle Spur, als sie nach oben zu den Sternen blickte. Sesshoumaru sah sie an. Sein Blick wirkte wie immer gleichgültig, doch Jaken, der hinter Ah-Uhn hervorlugte, erkannte in seinen Augen einen liebevollen Glanz. Gerade wollte der Krötendämon einen empörten Schrei ausstoßen, als sich Rins Finger um seinen Mund schlossen und ihn wieder hinter den Drachen zerrten.

'Was will ich dir sagen? - Ich liebe dich? Nein, das ist es nicht. Was ist überhaupt Liebe? - Ich weiß es nicht. Ist es das Leben? Was ist überhaupt das Leben? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich bin und dass du ein Teil von mir bist. Ich liebe dich, einfach ausgedrückt, denn Worte vermögen es nicht zu beschreiben, was ich für dich empfinde... und was ich dir sagen will.' Diese Worte fanden einen Weg in Sesshoumarus Gedanken, ohne dass er wirklich wusste, wie. Sie kamen einfach. Sollte er sie vor Amaya aussprechen? Er sah wieder auf sie hinab. Ihr Gesicht war ruhig und ihr Atem gleichmäßig. Sie war bereits eingeschlafen. Sesshoumaru musste bei diesem Anblick wieder lächeln. So friedlich und bezaubernd wie sie in diesem Augenblick war, wollte er sie nicht stören. Diese plötzlichen Gedanken riefen in ihm auch eine Entschlossenheit hervor. Er hatte sich entschieden und würde es morgen tun...