Lucius

Malfoy verschwand wieder in seinem Geheimzimmer und lief wütend auf und ab. Verdammt. Warum hatte er sich bloß dazu hinreißen lassen, diese Frau zu entführen? Aber er hatte sich so maßlos über sie geärgert, dass er ihr einen Denkzettel verpassen wollte. Wie konnte ein Muggel ihn nur so beleidigen. Von wegen Freak!

Aber sie musste erstmal warten. Zuvor hatte er wichtigeres zu erledigen.

Es ärgerte ihn zwar, dass er nun doch hier den Zauber sprechen musste, aber das ließ sich nun nicht mehr ändern. Ins Muggel-London würde er unter keinen Umständen mehr zurückgehen.

Er fing an den Zauber zu sprechen und war von einer Sekunde zur anderen verschwunden.

Lucius fand sich auf einer großen Wiese wieder. Die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. Und soweit er sehen konnte, gab es kein Anzeichen von Zivilisation. Seufzend stand er auf und klopfte sich den Staub von den Kleidern. Wenn er Pech hatte konnte es ewig dauern, bis er seinen Bruder gefunden hatte. Zwar befand er sich in der richtigen Zeit, aber Jason konnte schließlich überall auf der Welt sein.

Er horchte in sich hinein und spürte sofort, dass er auch am richtigen Ort war. Dazu brauchte er gar nicht erst seine magischen Fähigkeiten anzuwenden. Da Jason und er Zwillinge waren verband sie irgendetwas. Und dieses Etwas sagte ihm, dass Jason ganz in der Nähe sein musste.

Jason

Jason atmete auf. Das war wirklich knapp gewesen. Er hatte sich verdammt schnell in seine neue Rolle einfügen müssen und ein paar Zauber hatten ihm dabei geholfen.

Dennoch wunderte er sich über seinen Bruder Lucius. So lange hatte er sich nicht um das Schicksal seines Bruders Jason gekümmert und jetzt auf einmal schickte sich Lucius dazu an ihn zu besuchen. Jason seufzte. Wenn Lucius nur wüsste, was er damit auslösen würde. Höchstwahrscheinlich nämlich totales Chaos.

Jason grinste plötzlich. Wenigstens bot ihm Lucius Besuch, die Möglichkeit seinem Bruder eins auszuwischen. Er hatte Lucius Scheinheiligkeit und Arroganz schon immer gehasst und egal was Lucius nun von ihm wollte, er würde es ihm nicht leicht machen.

Lucius und Jason

Lucius schlug sich durch den Wald. Sein Bruder musste hier ganz in der Nähe sein, das spürte er jetzt nur zu deutlich.

Er blieb abrupt stehen, als hinter ihm ein paar Äste knackten.Ein paar Reiter erschienen zwischen den Bäumen. Sie waren uniformiert und wurden von jemandem angeführt, den Lucius nur zu gut kannte.

Doch er hütete sich seinen Bruder direkt anzusprechen. Dazu hätte es auch nicht den warnenden Blick bedurft, den Jason ihm zuwarf.

„Wen haben wir denn da?"

„Sieht wie ein Rebell aus, Sir", meldete sich einer der Männer zu Wort.

„Ja, das denke ich auch. Nehmt ihn gefangen, damit ich ihn verhören kann." Lucius registrierte, dass Jason sich anscheinend an den Befehlston gewöhnt hatte und musste ein Grinsen unterdrücken. Das war mal wieder typisch für seinen Bruder. Widerstandslos ließ er sich gefangen nehmen.

Lucius wurde von Jason und seinen Männern zu einem Lager gebracht. Überall liefen Männer in roten Uniformröcken herum und das Lager sah sehr nach Militär aus. Jason gab den Männern einen Wink und sie ließen ihn mit Lucius alleine.

„So, so, mein feiner Bruder Lucius. Das ich das noch mal erleben darf, dich wieder zu sehen." Jason sah seinen Bruder abschätzig an und strich sich die Uniform glatt. Er seufzte innerlich. Mit seinem Auftauchen machte Lucius das alles so kompliziert. Nicht nur, dass er ihm jetzt den Verbannten vorspielen musste, nein, sein Auftrag geriet durch diese Eskapade in Gefahr. Aber was hatte er erwartet, sein Bruder hatte ja schon immer ein gutes Timing gehabt.

„Was willst du hier?" fragte er unwirsch.

„Dich nach Hause holen." Lucius runzelte die Stirn. Sein Bruder war so begriffsstutzig. Was wollte er hier sonst wollen?

„Ach ja? War ich denn noch nicht lange genug weg? Aber wohl lange genug, um von meiner Familie vergessen zu werden. Nicht wahr, Lucius? Aber nein, ihr könnt mich ja nicht vergessen haben, sonst wärst du ja jetzt nicht hier." Lucius wand sich unter Jasons schneidenden Ton.

„Jason, du verstehst nicht..."

„Ich verstehe sehr gut. Nur was ich nicht verstehe ist, warum du jetzt auf einmal auftauchst. Damals hattest du keine Probleme damit, dass sie mich verbannt haben."

„Jason..." Lucius wirkte so verzweifelt, dass er Jason fast schon wieder Leid tat, aber eben nur fast. Er hatte ihm immer noch nicht verziehen, dass Lucius sich damals nicht gegen seine Verbannung ausgesprochen hatte. Und er gedachte auch nicht, dies so schnell zu tun.

„Bitte, Jason, du kannst doch nicht mich dafür verantwortlich machen. Ich hätte dem niemals zugestimmt, das musst du doch wissen."

„Du hast dich aber auch nicht für mich eingesetzt. Also bist du genauso schuldig wie die anderen. Und ich verabscheue dich genauso, wie ich diese ganzen scheinheiligen Auroren verabscheue, die sich für bessere Zauberer halten, nur weil sie meinen die Welt vor Leuten wie uns beschützen zu müssen. Und gerade du als mein Bruder hättest mich unterstützen müssen."

„Du weißt genau, dass ich es nie gutgeheißen habe, dass ihr Zauberer umbringt, die nicht reinblütig waren", begehrte Malfoy auf.

„Ach ja. Ich hatte vergessen, dass du nur ein Pseudo warst. Hast so getan, als ob du auf der dunklen Seite stehst, aber in Wirklichkeit hast du nie verstanden, was es wirklich heißt, ihm zu dienen. Stattdessen hast du dir eine eigene kleine Welt aufgebaut, hast schwarze Magie betrieben, aber deine Kräfte nie wirklich genutzt. Eigentlich kann ich gar nicht verstehen, wie du mein Bruder sein kannst", Jason lachte trocken auf. „Kannst noch nicht mal einen Muggel töten, geschweige denn einen Zauberer."

„Ich bin kein Mörder, im Gegensatz zu dir", fauchte Lucius. Jason grinste.

„Nein, dazu bist du viel zu feige. Ich dagegen schicke die Muggel dahin wo sie hingehören. Und glaube mir, ich habe es genossen, als ich damals zusammen mit Eddie diese Muggelfamilie ausgelöscht habe. Wir haben ihnen unsere Macht demonstriert. Einer nach dem anderen bekam sie zu spüren."

„Dann haben sie dich auch zu Recht hierher geschickt. Du hast unsere Familie beschmutzt!"

„Nur weil ich was getan habe, was längst fällig war? Oder weil ich dem dunklen Lord besser diene als du? Aber was erwarte ich von dir? Deine Arroganz stand dir schon immer im Weg zu Höherem berufen zu werden. Und was interessiert mich der Ruf der Familie, es sind ohnehin nur wir beide noch übrig." Jason stöhnte innerlich auf. Mit seinen ganzen Anschuldigungen machte Lucius es nur noch komplizierter als es ohnehin schon war.

„Muss diese Streiterei jetzt sein?" Lucius sah seinen Bruder genervt an.

„Wir sollten hier schnell verschwinden. Ich habe zu Hause einen Muggel sitzen, von dem ich nicht weiß, wie ich ihn schnell wieder loswerden kann."

„Du hast einen was? Bist du noch ganz dicht? Wie kannst du einen Muggel auf unseren Landsitz schaffen?"

„Es musste sein", verteidigte sich Lucius. „Außerdem ist es immer noch mein Landsitz. Nicht deiner und schon gar nicht unserer!"

„Ja, ja, reg dich wieder ab, Bruder." Jason grinste ihn an. „Um den Muggel kann ich mich ja auch kümmern."

„Nein, das mache ich. Sie hat mich beleidigt, also werde ich ihr zeigen, dass man einen Malfoy nicht ungestraft beleidigen kann."

„Du hast dich nicht verändert, Brüderchen. Immer noch so überheblich wie damals."

„Mal was anderes. Können wir hier einfach so verschwinden?"

„Einfach wird es nicht. Ich muss meinen Leuten irgendwie verklickern, dass ich für unbestimmte Zeit verschwinde."

„Deine Leute, wie?" „Ja, es sind meine Leute, schließlich bin ich ihr Oberbefehlshaber." „Dann klär das. Ich will hier nicht länger als nötig bleiben."

Jason

Jason ließ seinen Bruder wortlos stehen. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sein Bruder hatte sich kaum verändert, aber Jason musste zugeben, dass es ihm Spaß machte mit Lucius zu streiten. Er nahm sich vor Lucius noch weiter zu ärgern. Schließlich hätte dieser ihn hier versauern lassen. Jetzt hatte Lucius es auch nicht besser verdient und sollte dafür etwas schmoren. Außerdem war Jason klar, dass er seine Rolle überzeugend spielen musste, um erst mal hinter die wahren Motive seines Bruder zu kommen.

Michelle

„Michelle zum hundertsten Mal: Du kannst nicht einfach in Malfoys Landsitz eindringen nur weil du denkst, er hätte einen Muggel entführt!" Finster starrte ich meinen Vorgesetzten Mad-Eye Moody an, der mir jetzt bestimmt schon zum zehnten Mal das gleiche erzählte. Ich hatte ihm alles erzählt, was ich beobachtet hatte, aber er war der Meinung, dass das für einen Durchsuchungsbefehl nicht ausreichen würde.

„Aber ich weiß, was ich gesehen habe. Und ich bin mir sicher er hat sie mit nach Malfoy Manor genommen. Das hat mein Ortungszauber ergeben…" Beharrte ich auf meinem Standpunkt.

„Michelle, du weißt, dass ich Malfoy auch zu gerne überführen würde ein Todesser zu sein, aber du weißt auch, dass er ein angesehener Mann in der Zauberergemeinschaft ist."

„Noch", knurrte ich. „Wenn ich mit ihm fertig bin, dann…"

Mad-Eye sah mich unnachgiebig an. „Wir versuchen alle schon seit Jahren Malfoy etwa nachzuweisen, Michelle. Und bislang ohne Erfolg. Du bist gerade erst Auror geworden und denkst, du kannst das besser? Glaubst du, wir haben nicht schon alles versucht? Malfoy wird von mächtigen Freunden im Ministerium geschützt und du solltest dich zurückhalten… sonst hast du mal in dieser Abteilung gearbeitet."

„Aber wieso habt ihr nicht einfach…"

„Michelle, hältst du uns für unfähig? Ist es das?"

Ich schüttelte meinen Kopf. „Das wollte ich damit nicht sagen. Tut mir leid, wenn es sich so angehört hat. Ich weiß, dass ihr alles versucht." Ich blickte betreten auf den Boden. Moody war schließlich einer der besten Auroren unserer Zeit und ich hatte ihn nicht beleidigen wollen.

„Michelle", begann Moody erneut. Er wusste, dass er dieser äußerst talentierten neuen Aurorin gut zureden musste. Ihm war klar, dass hier Fingerspitzengefühl gefragt war und darin war er nicht gerade der beste. Michelle war in seinen Augen einer der besten Zauberer, die er bisher gesehen hatte und er wusste, dass sie sich dessen ebenfalls bewusst war. Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass sie überheblich wurde und sich nur auf ihre Kräfte verließ. Als Auror hatte sie noch einiges zu lernen und Moody hatte sich vorgenommen ihre alle Tricks beizubringen. Dazu gehörte zum Beispiel auch auf den richtigen Moment zu warten.

„Ich weiß, dass du über sehr gute magische Fähigkeiten verfügst. Das habe ich bei deinen Prüfungen gesehen. Aber du musst diese Fähigkeiten auch weise und nicht überstürzt einsetzen. Sonst bringen sie dir nämlich gar nichts. Du musst deine Macht verantwortungsvoll einsetzten."

Ich seufzte innerlich. Moody ahnte gar nicht, wie Recht er damit hatte. Unwillkürlich musste ich an den Tag zurückdenken, an dem ich meine Macht zum letzten Mal unüberlegt eingesetzt hatte. Es war schon lange nicht vorkommen, dass jemand die Schattenseite meiner Macht gespürt hatte… und das eine Mal, dass es passiert war… da war ich noch ein kleines Mädchen gewesen. Trotzig und zornig und ich hatte meinen Willen durchsetzen wollen, wurde aber schnell zu Recht gewiesen. Danach hatte ich durch hartes Training und einen unerbittlichen Meister lernen müssen, verantwortungsvoll mit diesen Kräften umzugehen und seit diesem Tag hatte ich nie wieder jemanden verletzt… weder vorsätzlich noch aus Versehen. Normalerweise hatte ich mich immer Kontrolle. Das hatte ich gelernt. Und es war auch notwendig. Ich durfte nicht die Kontrolle verlieren. Ich hatte gesehen zu welchem Leid das führen würde.

„Ich verstehe." Antwortete ich aber nur und Moody nickte mir aufmunternd zu, nicht ahnend, dass sich in mir schon ein Plan manifestiert hatte.

„Gut. Dann lass Malfoy erst mal in Ruhe und komm zu mir, wenn du Beweise hast, die eine Durchsuchung rechtfertigen. Verstanden? Halte dich von Malfoy fern!"

Natürlich nickte ich. Dann verließ ich Moodys Büro und grinste. Er wollte Beweise? Die sollte er bekommen. Und schließlich hatte er nur gesagt, ich solle mich von Malfoy fernhalten. Von seinem Landsitz war nie die Rede gewesen… und sollte ich dort Malfoy begegnen, dann wäre das wirklich nicht meine Schuld.