Michelle
Es hat also funktioniert, freute ich mich, als ich mich in einem ausschweifend ausgestatteten Herrenhaus wieder fand.
Nachdem ich Moodys Büro verlassen hatte, war ich zu einer anderen Abteilung gegangen, in der mir noch jemand einen Gefallen schuldig war und hatte so Malfoys Landsitz ausfindig gemacht. Natürlich war dieser durch eine Menge Schutzzauber gesichert, aber in meinen Adern floss das Blut zahlreicher mächtiger Zauberer und nicht nur das von denen, die auf der guten Seite standen. Das alles brachte mir aber einen Vorteil: Ich kannte die meisten schwarzen Zauber und Flüche, die solche Zauberer gerne verwendeten... und ich kannte Gegenzauber um ihre Schutzvorkehrungen zu umgehen.
Vorsichtig schlich ich nun von Raum zu Raum, bis ich in einem die Frau bewusstlos auf dem Boden fand. Sofort tastete ich nach ihrem Puls und sie lebte noch.
Dann ließ mich eine kalte, anmaßende Stimme herumfahren.
„Sie sind in meinen Landsitz eingedrungen! Haben sie etwas zu ihrer Verteidigung vorzubringen bevor ich das Ministerium informiere? Ich habe nämlich die Vermutung, dass sie ein Auror sind und Moody sie hierher geschickt hat… und ohne Durchsuchungsbefehl nehme ich an… Darunter wird ihre ganze Abteilung leiden."
Lucius Malfoy verzog sein Gesicht zu einem spöttischen Grinsen. Aber solche Drohungen schüchterten mich schon lange nicht mehr ein. Ich hatte eher damit gerechnet, dass er mich selbst umbringen und verschwinden lassen würde. Trotzdem schien es, er wollte lieber unsere ganze Abteilung inklusive Moody loswerden. Wahrscheinlich wusste er, dass wir jeden seiner Schritte verfolgten. Wenn auch nicht offiziell…
„Das würde ich an ihrer Stelle nicht tun, Mr. Malfoy. Ich meine, dass Ministerium informieren… oder wie wollen sie die ganzen schwarzmagischen Gegenstände und Bücher erklären, die ich auf dem Weg hierher gesehen habe. Oder noch besser: Wie erklären sie diese Frau? Sollten sie nämlich das Ministerium hier reinlassen, werden die ihre Chance nutzen und alles durchsuchen… und zwar gründlich."
Jetzt grinste ich, weil Malfoy Grinsen erstarb. Er wusste, dass ich Recht hatte und er wahrscheinlich nicht alle Dinge schnell oder gründlich genug verstecken konnte. Trotzdem musterte er mich abschätzig.
„Was haben sie mit ihr gemacht?" herrschte ich ihn dann an.
„Ich habe sie zum Schweigen gebracht. Ihre Fragen strapazierten meine Geduld."
Genau so hatte ich mir Lucius Malfoy auch immer vorgestellt: Rücksichtslos und arrogant.
„Sie sind in ihren Geist eingedrungen. Das verkraften Muggel nicht so leicht."
Ich kniete wieder neben der Frau nieder, legte meine rechte Hand auf ihren Brustkorb und meine linke auf ihre Stirn. Dann ließ ich meine magische Energie fließen und sie durchfloss auch zu einem geringen Teil die Frau. Nach etwa einer halben Minute zeigte meine Behandlung Wirkung. Ich hatte ihre Lebensgeister wieder geweckt und plötzlich richtete sich die Frau auf und schnappte nach Luft. Noch etwas benommen sah sie mich an. Malfoy hatte alles mit wachsendem Interesse verfolgt, sagte aber nichts und griff auch nicht ein. Noch nicht…
Ich warf ihm einen bösen Blick zu und half der Frau auf die Beine.
„Wer sind sie und was wollen sie hier?" fragte er noch einmal überheblich.
„Ich bin ihnen hierher gefolgt, um dieser Frau hier zu helfen. Es ist mir durchaus bekannt, Mr. Malfoy, dass sie zu Muggeln nicht unbedingt das beste Verhältnis haben…"
Malfoy starrte mich nur an und musterte mich ausgiebig.
„Ich kenne sie nicht und daher frage ich mich, woher sie mich kennen, Miss. Außerdem habe ich Monate darauf verwandt diesen Landsitz mit Schutzzaubern zu sichern und sie folgen uns einfach so hierher? Wer sind sie?"
Ich wartete nur darauf, dass er versuchte, mich zu verhexen, aber scheinbar war seine Neugier darüber, wie ich es geschafft hatte, seine Schutzzauber zu überwinden, größer.
Ich hatte nicht vor ihm zu sagen, wer ich wirklich war und daher nannte ich nur meinen Vornamen.
„Ich heiße Michelle und alles andere geht sie nichts an."
„Ich bin Natasha", meldete sich jetzt die Frau zu Wort, „und sie sind eine Hexe?"
„Ich bevorzuge Zauberin. Das Wort Hexe ist so negativ vorbelastet…"
Malfoy verdrehte die Augen.
„Oh man", stöhnte Natasha, „zwei Zauberer? Hast du etwa die gleichen Sachen drauf wie er?"
Dabei deutete sie auf Malfoy und ich nickte.
„Und was wollen sie von mir?" Natasha wurde die ganze Situation scheinbar immer unheimlicher
„Kommen sie, ich werde sie hier wegbringen." Leider schenkte sie mir wenig glauben und wich vor mir zurück, als ich den Kontakt zum apparieren herstellen wollte.
„Ich will ihnen nur helfen und deswegen…"
Plötzlich spürte ich, wie jemand versuchte in meine Gedanken einzudringen und blockte ihn unsanft ab. Malfoy zuckte zusammen. Er fasste sich an die Schläfe, denn abgeblockt zu werden fühlte sich an wie eine Migräneattacke und Malfoy bekam das gerade zu spüren. War ja klar, dass er es mit Gedankentricks versuchen würde.
Also wandte ich mich wieder an ihn.
„Ich denke, sie wissen, was mit Zauberern passiert, die wehrlose Muggel entführen. Das Zaubereiministerium wird davon nicht sehr begeistert sein… egal wie viele Bekannte sie dort auch haben mögen…"
„Es gibt ein Ministerium für Zauberei?" fragte Natasha überrascht.
„Natürlich", antworteten Malfoy und ich fast gleichzeitig.
Er verdrehte die Augen.
„Wie ich immer sage: Muggel haben keine Ahnung von den wirklich wichtigen Dingen", meinte er dann ironisch.
„Wie dem auch sei… Zauberer die gegen die Muggelschutzgesetze verstoßen, werden schwer bestraft. Und deswegen werde ich jetzt Natasha nehmen und mit ihr zurückkehren …"
„Das werden sie nicht tun", widersprach mir Malfoy drohend und griff mit seiner rechten Hand in den linken Ärmel seines Gewands.
Ich wusste, was jetzt kommen würde. Das war der Ort an dem Zauberer normalerweise ihren Zauberstab aufbewahrten und er hatte gemerkt, dass Geistestricks bei mir nicht funktionieren würden.
Blitzschnell zog ich ebenfalls meinen Zauberstab und richtete ihn auf Malfoy… genauso wie er jetzt seinen auf mich richtete.
Natasha sah nur zwischen uns beiden hin und her. Wahrscheinlich verstand sie es nicht.
„Versuchen sie es nicht, Malfoy", warnte ich ihn, aber er lachte nur spöttisch.
„Lassen sie das mal meine Sorge sein…"
In Gedanken ging ich schnell ein paar wirkungsvolle Zaubersprüche durch. Ich hatte mich schließlich schon seit Ewigkeiten nicht mehr duelliert…
„Hey, was ist hier los?
Was soll das alles?" In Natashas Stimme lag Panik, als sie uns
beide abwechselnd ansah.
Das irritierte mich so sehr, dass ich gar
nicht merkte, wie noch jemand den Raum betrat und bevor irgendwelche
Flüche gesprochen wurden, riss mir jemand meinen Zauberstab aus
der Hand. Bis dahin war mein Plan perfekt gewesen, aber ohne
Zauberstab, waren meine Kräfte so sehr eingeschränkt, dass
wir Malfoy ausgeliefert waren.
Ich fluchte innerlich. So ein blöder Anfängerfehler. Moody würde mich persönlich umbringen, wenn er erfahren würde, dass ich mir meinen Zauberstab hatte entreißen lassen. Außer Malfoy kam ihm zuvor und tötete mich und Natasha sofort.
Jetzt erst fiel mir auf, wer mir meinen Zauberstab entrissen hatte. Der Mann sah Malfoy zum Verwechseln ähnlich. Nur hatte er dunkle Haare.
„Was ist denn hier los?" Entfuhr es mir. „Haben sie sich etwa geklont, Malfoy?"
Der andere schüttelte seinen Kopf und grinste spöttisch.
„Keinen Zauberstab mehr, aber trotzdem noch vorlaut. Als Gentleman werde ich mich aber trotzdem vorstellen: Ich bin Jason. Jason Malfoy… und Lucius ist mein Zwillingsbruder."
Klar, dachte ich. Bei so viel gemeinsamer Bosheit, konnten sie nur verwandt sein. Allerdings hatte ich nie davon gehört, dass Lucius einen Bruder hatte. Befand es aber auch für nicht gut, da es wahrscheinlich bedeutete, dass jetzt schon zwei Malfoys für den dunklen Lord arbeiteten.
„Jason, verdammt was soll das?" Lucius sah seinen Bruder wütend an. „Musst du mir immer dazwischen funken?"
„Ach, Brüderchen, jetzt reg dich nicht künstlich auf", grinste Jason ihn an. „Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dir den ganzen Spaß alleine lasse."
„Du bist unmöglich!" Lucius raufte sich die Haare. „Erst machst du dich hier breit und dann mischt du dich auch noch in meine Angelegenheiten. Und nenn mich nicht Brüderchen!"
„Jetzt tu mal nicht so, als wenn du die Situation im Griff hättest." Langsam wurde auch Jason wütend.
„Ach? Hab ich nicht?"
„Nein, hast du nicht. Oder wie konnte sie hier einfach auftauchen? Ich dachte, unser Landsitz wäre gegen Eindringlinge gut geschützt?"
„Erstens, ich weiß es nicht und zweitens, es ist mein Landsitz. Ich dachte, das hätte ich dir schon erklärt."
„Ja, ja." Jason verdrehte die Augen.
„Du brauchst gar nicht die Augen zu verdrehen", fuhr Lucius ihn an. „Du bist hier nur Gast, dass das mal klar ist."
Natasha
Ich sah zu Michelle hinüber und erkannte, dass sie genauso sprachlos wie ich dem Streitgespräch der beiden Brüder folgte.
„Äh...hallo... wir sind auch noch da...", meldete ich mich zaghaft zu Wort.
Die beiden unterbrachen ihre Streitereien und Lucius fuhr zu mir herum.
„Du! Halt bloß deine Klappe. Wegen dir ist diese ganze Scheiße doch nur passiert!"
„Du hättest mich ja nicht entführen brauchen." Lucius lief rot an und ich hatte das Gefühl, dass es jetzt vernünftiger wäre die Klappe zu halten.
„Und ich habe immer noch keine vernünftige Erklärung von dir erhalten." Okay, dann waren wir heute mal unvernünftig...
„Ich schulde dir gar keine Erklärung. Und jetzt halte endlich deine Klappe, bevor ich mich vergesse!"
„Brüderchen, jetzt komm mal wieder runter", mischte Jason sich ein.
„Und du: NENN MICH NICHT BRÜDERCHEN!"
„Ist ja schon gut, Brüderchen", grinste Jason.
„Hallo? Ich habe nicht ewig Zeit. Außerdem werden mich meine Leute bestimmt schon vermissen und die Polizei eingeschaltet haben. Ich war nämlich gerade auf dem Weg zu einer Verabredung, als du mich entführt hast."
Lucius wandte sich wieder mir zu und sah mich so böse an, dass ich geradezu Angst vor ihm bekam. Zu Recht, wie sich ein paar Sekunden später herausstellte.
„Halt endlich deinen Mund, Muggel!" Er hob die Hand und schlug mir hart ins Gesicht. Ich spürte, wie meine Lippe aufplatzte und schmeckte warmes Blut.
„Sind Sie noch ganz bei Trost?" fuhr Michelle
ihn an.
„Erst entführen Sie sie und dann schlagen Sie sie auch
noch. Das geht eindeutig zu weit, Malfoy!"
„Du hast ja nicht mehr alle Tassen im Schrank!" schrie ich ihn an. „Das gibt ne saftige Anzeige wegen Körperverletzung, das kannst du mir glauben."
Jason hatte die ganze Szene schweigend verfolgt und grinste nun schadenfroh in sich hinein. Das gefiel ihm, dass sein Bruder von zwei Frauen zusammengestaucht wurde.
Michelle
Ich sah, wie Malfoy die Fäuste ballte und um Fassung rang. Dann starrte er uns finster an.
Lucius hatte seine Fassung zurückgewonnen und sah zu seinem Bruder, der immer noch schadenfroh dastand.
„Jason, würdest du unsere Gäste bitte in ihre Zelle bringen?"
„Nichts lieber als das, Brüderchen."
Natasha und mir blieb nichts anderes übrig, als zu tun, was von uns verlangt wurde.
So hatte ich mir meine Befreiungsaktion wirklich nicht vorgestellt.
Als ich den schmutzigen kleinen Raum sah, konnte ich mir einen Kommentar nicht verkneifen
„Hey Malfoy!" rief ich. „Hier sollen wir schlafen? Da sind nicht einmal Schlafsäcke! Ich schlaf doch nicht auf dem Boden..."
Wütend kam Jason auf mich zu und ich merkte, dass er sich zusammenriss um mir keine Ohrfeige zu verpassen.
„Das hier ist auch kein
Hotel!" zischte er. „Sie sind unsere Gefangenen und wenn sie noch
einmal ihr vorlautes Mundwerk öffnen, werde ich es ihnen
persönlich stopfen… und zwar mit Vergnügen..."
Danach hielt ich lieber
meinen Mund.
Nachdem ich mich etwas in der Zelle umgesehen hatte, rutschte ich auf dem Boden zu Natasha rüber.
„Deine Lippe sieht nicht gut aus", meinte ich zu ihr und sie nickte nur.
„Tut auch ziemlich weh."
„Tut mir leid, dass das passiert ist."
Sie schien wohl etwas schlecht auf mich zu sprechen zu sein, weil ich nichts hatte sagen wollen.
„Ja, ja... schon gut."
„Ich kann dir helfen..." Damit streckte ich meine Hand aus und wollte meine Hand an ihren Mund legen, aber sie zuckte zurück.
„Keine Angst. Tut nicht weh", beruhigte ich sie und es wirkte.
Sie ließ die Berührung zu und ich konzentrierte mich.
