Jason
Währenddessen starrte Jason fassungslos auf die drei reglosen Gestalten, die vor ihm lagen.
In dem Moment, als Natasha Michelle berührt hatte, waren sie und sein Bruder zusammengebrochen und lagen nun wie tot vor ihm.
Allein die Bewegung der Augen unter den geschlossenen Lidern verriet ihm, dass die drei nur schliefen und nicht tot waren.
Allerdings schienen Natasha und Lucius einen schöneren Traum zu haben als Michelle. Die beiden lagen friedlich da, während Michelle schweißgebadet war und sich unruhig bewegte.
Na toll.
Sein Bruder war aber auch ein Dummkopf.
Dass Natasha nicht auf ihn gehört hatte war noch zu entschuldigen, sie wusste es nicht besser.
Aber Lucius hätte vorsichtiger sein müssen. Er hatte doch ganz genau gewusst was passieren würde.
Seufzend ließ sich Jason in einen Sessel fallen.
Eigentlich hätte er es sein müssen, der mit Natasha zusammen in Michelles Gedanken war und nicht sein Bruder. Aber so konnte er nichts anderes tun, als abwarten.
Es gab keine Chance die drei aufzuwecken.
Würde er es tun, könnte das verheerende Folgen haben.
Michelle könnte schlimmstenfalls sogar den Verstand verlieren. Und Jason wollte nun wirklich nicht, dass die hübsche junge Frau eine sabbernde Schwachsinnige wurde.
Lucius wäre da sicher anderer Meinung gewesen, doch kannte er die wahren Beweggründe von Jason nicht.
Jason seufzte wieder.
Wenn er Michelle doch nur die Wahrheit sagen könnte. Das würde vieles einfacher machen. Aber das ging nicht Und so musste er weiter den Bösen mimen.
Natasha
„Hast du überhaupt eine Ahnung, wohin wir gehen?"
„Nein", gab Malfoy offen zu. „In der Traumwelt kenne ich mich nicht aus. Und zudem ist es eine fremde."
„Können wir nicht einfach sagen, dass wir zu Michelle wollen und schon sind wir da?"
„So einfach ist das leider nicht, auch wenn man eigentlich alles machen kann und alles sein kann, was man will", seufzte er. „Aber die Traumwelt ist viel komplexer, als dass man sie vollkommen verstehen, geschweige denn beherrschen kann."
„Macht dich das denn nicht wahnsinnig?"
„Wie meinst du das?"
„Na ja, ich hatte bislang den Eindruck, dass du gerne alles unter Kontrolle hast. Vorhin zum Beispiel. Du hast gesagt du weißt normalerweise immer, was auf deinem Landsitz vor sich geht. Nichts bleibt dir verborgen. Aber, dass du nicht weißt, was da vorhin geschehen ist, macht dich verrückt. Das hab ich dir angesehen."
„Wahrscheinlich hast du recht", gab er zu, aber ich sah ihm an, dass er es nur ungern tat.
„Okay, zurück zum Thema. Wie sollen wir Michelle finden?"
Malfoy antwortete nicht.
„Dann soll wenigstens diese Dunkelheit verschwinden. Ich hasse es, wenn ich nicht sehen kann, wohin ich gehe. Am liebsten wäre mir ein schöner weißer Sandstrand und das Meer."
„Dann stell es dir vor", forderte Malfoy mich auf.
Ich schloss die Augen und vor meinem inneren Auge formte sich ein Bild von einem weiten Strand mit Palmen und Meer.
Ein leichter Wind spielte mit meinen Haaren und ich konnte die salzige Meeresluft förmlich riechen.
„Nicht schlecht", kommentierte Malfoy. „Du hast nur den Himmel vergessen."
Ich öffnete die Augen und vor mir erstreckte sich tatsächlich ein weißer Sandstrand, gesäumt von Palmen.
Nur der Himmel war noch schwarz. Schnell stellte ich ihn mir leuchtend blau vor.
Ich sah Malfoy an und musste kichern. Obwohl ich mir das nicht vorgestellt hatte, trug er eine kurze khakifarbene Hose und darüber ein schreiend buntes Hawaiihemd.
„Das kommt davon, wenn man mit fremden Träumen herumspielt", seufzte er und sah an sich herunter. Schlimmer geht's nimmer, dachte er und wünschte sich sehnlichst seine schwarzen Klamotten herbei.
„Wieso?"
„Du darfst nicht vergessen, wir sind immer noch in Michelles Gedankenwelt, nicht in deiner oder meiner. Hier kann ich nicht voraussehen, was passiert wenn wir ihre Träume verändern."
„Oh man, das versteh ich jetzt nicht."
„Laß gut sein", winkte er ab. „es ist zu kompliziert dir das zu erklären. Laß uns lieber weiter gehen und Michelle und den Dementor suchen."
„Kannst du nicht irgendetwas zaubern?" fragte ich ihn.
„Hm, ich könnte einen Ortungszauber versuchen, nur weiß ich nicht, wie er sich hier auswirkt. Wir sind ja quasi umgeben von Erinnerungen, die natürlich alle was mir ihr zu tun haben."
„Und wenn du den Dementor ortest? Wenn er tatsächlich echt ist, müsstest du ihn nicht dann finden können?"
„Keine schlechte Idee." Er nickte mir anerkennend zu. „Aber bevor ich jetzt irgendetwas zaubere musst du mir versprechen, dass du Jason gegenüber kein Wort erwähnst."
„Wovon?"
„Von dem hier." Er zog an seinem Hemd und sah es angewidert an. „Wenn der was davon erfährt, bin ich geliefert. Dann wird er sich bis ans Lebensende über mich lustig machen."
„Keine Sorge, von mir erfährt er es bestimmt nicht", grinste ich.
Er nahm wieder meine Hand und fing an irgendetwas zu murmeln.
Plötzlich wurden wir wieder in einen Sog gerissen.
„Halt dich fest", rief er mir zu und ich klammerte mich an ihn.
„Was ist passiert?"
„Ich weiß es nicht."
Er presste mich an sich. Lange wurde wir in einem Strudel von Gedanken umhergewirbelt. Und dann hörte es von einer Sekunde zur nächsten auf. Wir standen wieder auf unseren Füßen, so als wäre nichts geschehen.
Ich klammerte mich immer noch an Malfoy und er hielt mich festumschlungen. Es dauerte eine Weile, bis wir bemerkten, dass es vorbei war.
„Und jetzt?" fragte ich ihn und machte mich etwas verlegen aus seiner Umarmung los.
„Keine Ahnung. Aber... Oh Gott." Malfoy stöhnte gequält auf und taumelte einen Schritt zurück.
„Du hattest Recht. Er ist tatsächlich hier."
„Dann sollten wir keine Zeit verlieren", rief ich und wollte schon loslaufen.
„Warte. Du solltest vorher wissen, dass der Dementor auch mir was anhaben kann."
„Weil du nicht reinen Herzens bist, ich weiß. Wir müssen uns beeilen." Ich lief los. Wieder spürte ich diese Kälte in mir aufsteigen, doch ich drängte das Gefühl der Angst zurück. Wir mussten Michelle retten. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.
Michelle
Langsam wich ich vor dem Dementor zurück. Natasha war zum Glück verschwunden. Es beruhigte mich zumindest sie in Sicherheit zu wissen, denn irgendetwas lief hier gewaltig schief.
Das ist nicht real, versuchte ich mir einzureden, aber ich konnte mich aus dieser Situation nicht befreien. Ich war gefangen in meiner eigenen Gedankenwelt.
Verdammt Michelle, rief ich mich zur Vernunft. Du bist stärker als diese Kreatur, reines Herz hin oder her. Du musst dich nur zusammenreißen.
Also versuchte ich meine Atmung wieder in den Griff zu kriegen und atmete tief durch.
Plötzlich stand Natasha wieder neben mir und ich erschrak.
„Was tust du hier?" herrschte ich sie an.
„Na, wir sind hier um dir zu helfen." Erstaunt sah sie mich an.
„Und wer sind bitte schön wir?"
Malfoy trat zu uns und hob nur seine Hand. Ich verdrehte meine Augen.
„Na toll. Was macht der denn hier?"
„Glauben Sie mir, ich bin bestimmt nicht freiwillig hier. Das war ihre Schuld." Malfoy deutete auf Natasha und diese zuckte nur mit den Schultern.
„Aber Ihnen kommt es doch bestimmt ganz gelegen, nicht wahr? So könnten Sie versuchen mehr über mich herauszufinden", gab ich spitz zurück.
Malfoy wollte schon etwas erwidern, doch Natasha kam ihm zuvor.
„Ähm", meinte sie und deutete auf die Kreatur, „tut etwas!"
„Zaubern Sie." Schlug Malfoy vor und ich warf ihm einen bösen Blick zu.
„Das müssen gerade sie mir sagen. Sie sind der letzte, den ich in meinen Gedanken rumwühlen lassen will, Malfoy! Und noch mal, wie sind sie überhaupt hierher gekommen?"
„Um das mal klarzustellen, langsam und deutlich, damit auch Sie das verstehen: Ich wollte auch nicht unbedingt in ihren Kopf... aber Natasha hat mich irgendwie mitreingezogen..."
„Ich soll zaubern?" fragend sah ich die beiden an.
„JA!"
Ich atmete tief durch und sammelte meine Kräfte. Dann streckte ich schnell meine Hand in Richtung des Dementors aus und ein hellblau leuchtender Lichtball schoss aus meiner Handfläche.
Als der Dementor getroffen wurde, verschwand er plötzlich und wir sahen uns überrascht an.
„Mmh", kommentierte ich, „das war ja verdammt einfach..."
„Schon fast zu einfach", bemerkte Malfoy und ich nickte.
„Können wir hier jetzt verschwinden?" fragte Natasha nur etwas ungeduldig.
Ich stimmte ihr zu.
Sie sprach das Passwort und unsere Verbindung wurde getrennt.
Als ich wieder zu mir kam, sah ich in drei besorgte Gesichter.
Natasha und Malfoy waren schon wieder auf den Beinen. Nur ich fühlte mich, als hätte ich zwei Wochen nicht geschlafen.
„Sie sollten sich ausruhen", meinte Jason und verließ das Kaminzimmer.
„Wir reden später", schloss Malfoy sich an und folgte ihm nach draußen.
Obwohl ich ziemlich erschöpft war, spürte ich dass hier etwas Seltsames vor sich ging. Dass der Dementor real gewesen war, war schon sehr merkwürdig. Normalerweise waren blieben Träume Träume und Visionen Visionen. Es musste irgendeine Bedeutung haben. Doch wollte mir bei leibe nicht einfallen was das für eine sein könnte.
Natasha saß mir gegenüber. Auch sie schien etwas mitgenommen.
„Wow, das war wirklich..."
„Ziemlich abgefahren", vervollständigte sie meinen Satz und schlug sich sogleich die Hand vor den Mund.
„Das wollte ich doch gar nicht sagen... Wieso hab ich es dann gesagt?"
Ich musste grinsen.
„Du hast Recht. Ich wollte das sagen."
Erschrocken sah sie mich an.
„Kann ich jetzt etwa auch Gedanken lesen?"
„Nein. Aber du warst so lange in meiner Gedankenwelt, dass noch eine gewisse Verbindung zwischen uns besteht. Du verstehst eben ganz genau, wie ich denke und was ich sagen will. Keine Sorge", meinte ich dann, als ich ihren besorgten Blick sah, „das vergeht nach einer gewissen Zeit wieder."
„Dann bin ich ja beruhigt. Das ist ja echt..."
„Gruselig?" Ich lachte. „Andersherum funktioniert das natürlich auch."
„Und was ist mit Malfoy?"
„Ich hoffe, er war nicht lange genug in meinen Gedanken, um irgendetwas Wichtiges erfahren zu haben oder zu wissen, wie ich denke. Das wäre nicht sehr gut..."
Natasha war interessiert.
„Und warum nicht?"
„Es gibt Dinge, die er nicht erfahren sollte..."
„Und ich wohl auch nicht, nehme ich an."
„Tut mir leid", stimmte ich ihr zu.
Sie wechselte das Thema.
„Malfoy hat zugegeben, dass der Dementor ihm etwas anhaben könnte. Also hat er wirklich Dreck am Stecken?"
Ich nickte.
„Wahrscheinlich... Das liegt eben in der Familie." Ich seufzte. „Genau wie in meiner... nur hab ich den Absprung geschafft..."
„Ich versteh das alles nicht…" Seufzte nun Natasha.
„Ich ehrlich gesagt auch nicht so ganz, aber ich weiß, dass hier irgendetwas gewaltig faul ist!"
Natasha
Da stimmte ich Michelle voll und ganz zu.
Einen Gedanken sprach ich allerdings nicht laut aus. Nämlich den, dass ich die Vermutung hatte, dass mit ihr auch nicht alles in Ordnung war.
Irgendetwas verheimlichte sie vor den Malfoys und vor mir.
Aber warum? Was gab es so schlimmes, das sie fast panisch reagiert hatte, als sie sah, dass Malfoy auch in ihren Gedanken gewesen war. Ich musste es herausfinden und es gab nur einen, den ich dazu fragen konnte.
Und dieser Jemand war ganz sicher nicht Michelle.
„Wo ist Malfoy überhaupt?"
„Schleicht wahrscheinlich hier irgendwo herum", meinte sie und zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Aber wenn ich dir einen guten Rat geben darf, halte dich von ihm fern."
„Wieso? Er ist zwar der unfreundlichste Mensch, den ich je getroffen habe, aber ich glaube nicht, dass er in Wirklichkeit so ist."
„Da irrst du dich", widersprach Michelle heftig. „Malfoy kann man nicht trauen. Oder hast du vergessen, was er mit dir gemacht hat?"
„Nein. Natürlich habe ich nicht vergessen, dass er mich
geschlagen hat und in meinen Gedanken rumgewühlt hat."
Bei dem
Gedanken daran verzog ich schmerzhaft das Gesicht. „Aber woher
willst du wissen, dass man ihm nicht trauen kann? Kennst du ihn
etwa?"
„Jeder in der Zaubererwelt kennt die Malfoys. Und jeder weiß, dass sie mit der dunklen Seite sympathisieren, dass habe ich dir doch schon mal erklärt."
Das ist ja interessant, dachte ich. Malfoy hatte mir vorhin auch versucht weiß zu machen, dass Michelle auf der bösen Seite steht.
„Aber weißt du es genau?" hakte ich nach.
„Nein", musste sie zugeben.
„Also sind das nur Gerüchte?"
„Ist an Gerüchten nicht immer was wahres dran?" antwortete sie mit einer Gegenfrage.
„Nein. Ich habe da schon meine Erfahrungen gemacht, dass kannst du mir glauben", meinte ich.
„Ach ja, erzähl", forderte sie mich neugierig auf.
„Kennst du Lance O'Shea?"
„Der Toptorwart von Arsenal?"
„Ja genau der. Es kursierte eine Weile das Gerücht in den Medien, er würde seine Karriere an den Nagel hängen, weil er die Frau fürs Leben getroffen hätte und sich nun ganz einer eigenen Familie widmen möchte."
„ Ja, das hab ich damals in den Zeitungen gelesen."
„Und alle waren sehr beeindruckt von ihm, aber natürlich auch enttäuscht, dass die englische Fußballwelt ihren besten Spieler verlieren würde. Und soll ich dir mal was sagen? Das war alles Quatsch. Ich kenne O'Shea und etwas geldgeileres als ihn gibt es in ganz England nicht. Zudem gab es diese ominöse Frau gar nicht. Der einzige Grund, warum mein Vater dieses Gerücht in die Welt gesetzt hatte, war reine Imagepflege. Du erinnerst dich vielleicht, dass O'Shea kurz vorher in diesen Alkoholskandal verwickelt wurde."
„Hm, war das nicht das, wo er total besoffen einen Fotografen verprügelt hat, nur weil der Arme ne Kamera dabei hatte."
„Genau. Dabei wollte der arme Kerl gar keine Fotos von O'Shea machen. Na ja, auf jeden Fall musste das Image des makellosen Torwarts wieder hergestellt werden. Und da haben sie sich diese Geschichte ausgedacht, nur um ein paar Wochen später alles zu widerrufen. Von wegen, er liebt den Fußball, fühlt sich noch nicht bereit aufzuhören, will die Fans nicht enttäuschen, bla, bla, bla. Schon war der ganze Alkoholexzess vergessen und O'Shea der Held der Fußballnation."
„Und was wolltest du mir jetzt damit sagen?"
Ich sah sie irritiert an.
„Ach ja. An Gerüchten ist also nicht immer was Wahres dran."
„Bei Malfoy wäre ich trotzdem vorsichtig", beharrte Michelle.
„Wenn du meinst."
„Glaub mir, ich wäre nicht hier, wenn ich es nicht wüsste."
„Das hatten wir, glaube ich schon", seufzte ich.
„Und ich bin quasi der Beweis, dass er mit der dunklen Seite sympathisiert."
„Das habe ich nie behauptet."
„Aber gehofft." Darauf sagte sie nichts mehr, denn irgendwie stimmte das ja auch.
„Was ist eigentlich mir dir?" fragte ich sie nach einer Weile.
„Was soll mit mir sein?"
„Na ja, du hast gerade wieder was von dunkler Seite und so erzählt. Auf wessen Seite stehst du denn jetzt?"
„Ich bin müde", überging sie meine Frage.
„Außerdem habe ich es euch vorhin doch schon erklärt." Ich sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Nein Tasha, ich sehe dir an, dass du mir nicht glaubst, aber mehr wirst du von mir nicht erfahren."
Michelle streckte sich auf der Couch aus und drehte mir den Rücken zu. Na gut, wenn sie es mir nicht erzählen wollte, dann musste ich wirklich zu Malfoy. Ich fand ihn draußen im Garten.
„Was machst du da?" wollte ich wissen.
„Ich überprüfe, ob die Schutzzauber noch alle wirken und ob es hier irgendwo Schwachstellen gibt. Irgendwie muss Michelle die überwunden haben."
„Das wurmt dich, was?"
„Was?"
„Na, das du nicht weißt, wie sie es geschafft hat. Wie sie es schaffen konnte deine perfekte Barriere zu überwinden. Finde dich damit ab, dass sie doch nicht so perfekt ist, wie du dachtest."
„Sie ist perfekt", widersprach er heftig.
„Klar."
Malfoy lief weiter durch den Garten.
„Kann ich dich mal was fragen?" Erschrocken fuhr er herum, anscheinend hatte ich ihn gerade in seiner Konzentration gestört. Dann sah er mich erstaunt an. „Was weißt du über Michelle?"
Ich ließ mich neben ihm nieder.
„Eigentlich gar nichts. Wieso fragst du?"
„Na ja, ich finde es etwas merkwürdig, dass sie auch ohne Zauberstab noch zaubern kann."
„Kluges Mädchen", er sah mich nachdenklich an. „Das habe ich mich auch schon gefragt. Normalerweise kann das nicht sein, aber bei ihr wundert mich mittlerweile gar nichts mehr. Immerhin ist sie eine DeWiltshire." „
Und das heißt?"
„Ach nichts. Davon haben Muggel..."
„... sowieso keine Ahnung, ich weiß", seufzte ich. „Mittlerweile hast du mir schon oft genug unter die Nase gerieben, dass ich ein kleines dummes Muggelmädchen bin, das sich aus so wichtigen Angelegenheiten lieber raushalten soll, weil es davon sowieso keine Ahnung hat."
Er sah mich überrascht an.
„Trotzdem hindert mich das nicht daran, mir meine eigenen Gedanken zu machen", fuhr ich fort. „Und mich nicht rauszuhalten. Ich bin nämlich leider an dieser Angelegenheit maßgeblich beteiligt. Dank dir übrigens. Denn wenn du mich nicht einfach aus Jux und Dollerei entführt hättest, wäre ich jetzt nicht hier und müsste mich mit durchgeknallten Zauberern auseinandersetzen."
„Mag ja sein", räumte er ein. „Doch du verkennst den Ernst der Lage. Und hey, wir sind bestimmt nicht durchgeknallt."
„Dir wäre es wohl lieber, wenn ich vor dir vor Angst zitternd im Gras liegen würde, oder? Glaub mir, ich kenne den Ernst der Lage, schließlich wäre ich beinahe draufgegangen, als du in mein Hirn eingedrungen bist. Schon vergessen?"
„Ich wollte dich nicht umbringen", meinte er lahm.
„Sicher, aber du hättest mir auch keine Träne nachgeweint."
„Jetzt schon", versicherte er mir.
„Aha. Und wieso auf einmal?" Malfoy sagte gar nichts, sonder fuhr fort nach Schwachstellen in seinen Zaubern zu suchen.
Das Gespräch begann in eine Richtung zu laufen, die er gerne vermieden hätte. Sie ist ein Muggel, versuchte er sich vor Augen zu halten. Aber irgendwie fühlte er sich in gewisser Weise für sie verantwortlich. Schließlich hatte er sie, aus einer Laune heraus, in diese Situation gebracht. Und sich selbst in eine noch viel schlimmere, denn er fing an sie zu mögen. Muggel hin oder her. Sie übte eine Anziehungskraft auf ihn aus, wie er sie lange nicht mehr erlebt hatte. Und das durfte einfach nicht sein.
„Sag mal, du hast einen Sohn?" riss ich ihn aus seinen Gedanken.
„Woher weißt du das?"
„Das sieht man doch. Überall im Haus liegen Sachen, die dir ganz bestimmt nicht gehören."
„Ja, er heißt Draco und geht nach Hogwarts."
„Hogwarts?"
„Ja", meinte er ungeduldig. „Die Zaubererschule."
„Und deine Frau?" Jetzt wurde ich richtig neugierig.
„Was soll mit der sein?"
„Aha, du hast also eine."
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht." Abweisend sah er mich an.
„Ich meine ja nur... Sie ist bestimmt nicht begeistert, wenn sie Michelle und mich hier sieht."
„Mach dir darüber keine Sorgen, sie wohnt nicht mehr hier."
„Aha. Und wieso nicht?"
„Weißt du eigentlich, dass deine Fragerei nervt?"
„Dann erzähl mir doch einfach die ganze Geschichte, dann brauche ich nicht so viel fragen."
„Sie ist abgehauen, hat mich für einen Muggel verlassen. Für einen Muggel, unfassbar! So, bist du jetzt zufrieden?"
„Noch nicht ganz. Warum hat sie dich verlassen?"
„Das geht dich nun wirklich nichts an." Lucius drehte sich abrupt um und ließ mich stehen. Nachdenklich sah ich ihm nach. Warum fand ich den Gedanken, dass er keine Frau mehr hatte so erleichternd?
Jason
Jason setzte sich in einen Sessel und betrachtete Michelle, die friedlich auf der Couch schlief. Er hatte ein paar Quellen bemüht, die selbst Lucius verborgen waren und rausgefunden, dass Michelle tatsächlich Edward DeWiltshires Schwester war. Die Schwester seines besten Freundes. Michelle hatte erst vor kurzem ihre Ausbildung zum Auror abgeschlossen und diese Situation bot eine gute Gelegenheit um ihre Standhaftigkeit zu testen. Würde sie etwas Wichtiges verraten?
Es wunderte Jason nun auch nicht mehr, dass er sie nicht erkannt hatte, denn falls überhaupt, hatte er sie vor seiner Verbannung nur ein zweimal gesehen und es erklärte auch, warum sie ihn nicht erkannt hatte. Sie sieht in mir eben nur einen Malfoy, der wie mein Bruder ist, dachte er seufzend.
Michelle
Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen hatte, aber plötzlich wurde ich unsanft von Jason geweckt. Eigentlich war es gar nicht unsanft, aber mir kam es in dem Moment so vor.
„Hey Michelle, kommen sie, ich bringe sie zu ihrem Zimmer."
„Lassen sie mich in Ruhe", murmelte ich verschlafen und drehte mich wieder um. Allerdings lag ich nicht lange so da, denn plötzlich wurde ich von Jason gepackt und über seine Schulter gelegt. Er trug mich in ein großes Zimmer und ließ mich auf das Bett fallen.
Böse sah ich ihn an.
„So, hier können sie weiterpennen… aber sollten sie irgendwelche Dummheiten machen…Ich bin gleich nebenan."
„Na toll." Knurrte ich und sah mir das Bett an. Es war wirklich verlockend weich und groß.
„Ich werde ab und zu nach ihnen sehen… Falls sie wieder einen Albtraum haben."
Jason wollte schon verschwinden, aber ich hielt ihn zurück.
„Und wieso auf einmal diese Sorge?" Fragte ich bissig. „Ihnen kann es doch egal sein, ob ich hier liege und einen Albtraum habe oder in ihrem Keller verrotte."
„Nun, meinen Bruder interessiert es immer noch brennend, wie sie es geschafft seine Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden." Es lag ein Unterton in seiner Stimme, der vermuten ließ, dass Jason schon eine Idee dazu hatte.
„Und? Ich nehme an, sie haben schon eine Vermutung…"
Er nickte.
„Ich denke sie sind ein Auror und haben schwarze Magie verwendet. Was an sich ein Widerspruch wäre…"
„Allerdings. Das ist eine famose Unterstellung", gab ich kampfeslustig zurück.
„Und wie erklären Sie mir dann, dass sie ohne Probleme dutzende Schutzzauber überwinden konnten? Ohne Gegenzauber einzusetzen? Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich Ihnen abkaufe, Sie wären kein Auror und einfach so hier reingeschlichen."
„Wenn, dann Aurorin", korrigierte ich ihn trocken.
„Na schön, wie Sie wollen", seufzte Jason. „Sie wollen nicht reden. Aber glauben sie mir, wir werden sie schon dazukriegen."
„Sie verstehen sich nicht sehr gut mit Lucius oder?" Wechselte ich das Thema und Jason sah mich überrascht an.
„Was?"
„Na, sie und Lucius. Sie scheinen sich nicht gerade sehr zu mögen."
„Wissen sie…" Jason schien darüber nachzudenken, brachte aber seinen Satz nicht zu Ende.
Die Situation wurde mir unangenehm. Ich musste eingestehen, dass er scheinbar doch eine sanfte Seite hatte, die im krassen Gegenteil zu seinem sonstigen Auftreten stand… Die Sache mit Lucius schien ihn doch mehr zu beschäftigen als er zugab und ich musste zugeben, dass ihn dieser Gegensatz in meinen Augen ziemlich attraktiv erscheinen ließ. Dass er sowieso gut aussah, vor allem mit seinen eisblauen Augen, verdrängte ich lieber schnell. Eigentlich war er doch nicht mehr als eine Version von Malfoy mit dunklen Haaren… oder etwa nicht?
Außerdem konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass ich ihm schon einmal irgendwo begegnet war und ich wusste, dass das wenn schon verdammt lange her sein musste.
Am nächsten Morgen traf ich glücklicherweise auf Natasha.
„Hast du etwas über Lucius rausgefunden und was er vorhat?" fragte ich sofort.
„Na ja, nicht wirklich. Aber eine interessante Sache schon." Sie grinste mich schelmisch an.
„Und? Spann mich nicht auf die Folter."
„Du weißt doch bestimmt, dass er einen Sohn hat..."
„Ja und?"
„Aber er hat keine Frau mehr!"
„Wie er hat keine Frau mehr? Was ist denn mit Narzissa? Hat er sie umgebracht?"
„War ja klar, dass du nur wieder daran denkst ihm irgendetwas anhängen zu können… Nein, sie hat ihn für einen Muggel verlassen", ließ Natasha die Bombe platzen.
„Das glaub ich nicht."
„Kannst du mir ruhig. Er hat es mir gestern selbst erzählt. Und du? Hast du was rausgefunden?"
„Nein. Aber ich glaube, irgendetwas stimmt hier nicht. Jason und Lucius scheinen nicht gerade die besten Freunde zu sein und ich hab Jason auch noch nie zuvor in der Zaubererwelt gesehen. Das ist verdammt merkwürdig, wenn er doch angeblich auch hier wohnt."
„Und wie finden wir raus was wirklich los ist?"
„Ich schnappe mir einen der beiden in einem unbeobachteten Augenblick und versuche ihn zu sondieren. Ich muß ihn nur sehen können. Das würde reichen. Und wenn er nicht weiß, was ich vorhabe, blockt er mich vielleicht auch nicht ab."
„Aber wird er das nicht merken. Ich fand es immer schrecklich, wenn Malfoy in meinen Geist eingedrungen ist."
Ich grinste.
„Malfoy ist auch ein Anfänger. Der braucht dazu seinen Zauberstab…"
„Zum Glück. Aber wer will auch gerne seine Gedanken lesen lassen. Ich jedenfalls nicht. Allerdings kann ich mich auch nicht dagegen wehren. Du liest doch nicht gerade meine Gedanken, oder?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Denkst du, ich tue das ständig? Meistens ist es netter nicht zu wissen, was die Leute denken… und vor allem was sie über einen denken. Die Lächeln dich an und denken darüber nach, wie scheiße sie dich finden. Glaub mir, dass will ich eigentlich auch lieber nicht wissen."
Natasha nickte verständnisvoll.
Ich konnte mir denken, dass sie ganz froh darüber war, dass Malfoy sie erst mal in Ruhe gelassen hatte.
„Es ist etwas anderes, wenn man nur oberflächlich in die Gedanken eindringt. Das merkt so gut wie niemand. Vor allem Muggel nicht… und die werden es auch nicht merken. Ich bin schließlich ein Profi in Legilimentik."
„Was ist das denn jetzt schon wieder?"
„Die Kunst in die Gedanken anderer Leute einzudringen. Los, suchen wir die beiden."
Wir mussten nicht lange suchen und fanden Malfoy und Jason in der großen Halle. Die beiden diskutierten angeregt und ich fragte mich worüber wohl.
Dann sammelte ich mich und fixierte Jason. Er merkte tatsächlich nichts, aber ich schnappte nach Luft, als ich herausfand, wer er wirklich war.
Natasha sah mich fragend an.
„Und?"
„Jason war in die Vergangenheit verbannt worden. Von seiner eigenen Familie und Lucius hat ihn erst jetzt wieder zurückgeholt."
„Aber warum wurde er verbannt?"
„Er hat im Auftrag von Voldemort gehandelt."
„Voldemort?"
„Erkläre ich dir später." Auch hatte ich ihr nicht unbedingt erzählen wollen, dass Jason zusammen mit meinem Bruder beim verschwinden lassen von Muggelleichen erwischt wurde.
„Schluß damit!" meinte ich und ging mit Natasha auf die beiden zu.
„Sie wandern nach Askaban", fuhr ich Jason an.
„Und wie wäre es zur Abwechslung mal damit, dass ihr die Wahrheit sagt?" fügte Natasha hinzu.
Die beiden sahen uns erstaunt an.
„Brüder, nicht wahr? Die sich seit Jahren nicht gesehen haben, weil der eine verbannt wurde?"
Jason gab nach.
„Okay, dann sind wir wohl aufgeflogen. Ja, ich wurde verbannt. Sogar von meiner eigenen feinen Familie." Er warf Lucius einen verächtlichen Blick zu. „Und was ist daran bitte so schlimm?"
„Was daran schlimm ist?" Empörte ich mich. „Sie wurden verbannt, weil sie Muggel umgebracht haben. Das ist schlimm!"
„Muggel?" fragte Natasha leise und wurde etwas blass.
„Sie haben Gedanken gelesen, nicht wahr?" Meinte Malfoy nur und ich nickte.
Natasha war völlig fassungslos. Jetzt glaubte sie Michelle tatsächlich mehr als Malfoy.
Natasha
„Moment mal, das glaub ich jetzt nicht", schnappte ich nach Luft.
Die beiden sahen mich nur vielsagend an.
„Dann wolltest du also nur mein Vertrauen gewinnen, nicht wahr? Hast uns deswegen aus der Zelle geholt… Und hast die ganze Zeit über gelogen…" verletzt sah ich Malfoy an. Ich wusste nicht wieso diese Erkenntnis so weh tat, aber sie tat es und ich war maßlos enttäuscht. Hatte ich mich denn wirklich so in ihm täuschen können? Ich hatte doch wirklich geglaubt, dass er auch eine ehrliche Seite hatte.
„Nein, ich habe dir nur nicht die ganze Wahrheit gesagt", gab Malfoy zurück.
„Nun mal langsam ihr zwei", versuchte Jason uns zu beschwichtigen. „Wir werden euch schon alles erzählen, aber nicht jetzt und nicht hier."
„Doch, genau jetzt und hier. Das ist doch nur eine lahme Ausrede", verlangte Michelle und funkelte Jason böse an. Dieser grinste plötzlich.
„Na gut, erwischt. Wir werden euch gar nichts erzählen und ihr geht zurück in eure Zelle."
„Paß lieber auf Michelle, vielleicht hat er noch irgendwo einen Zauberstab versteckt", vermutete ich, doch Jason grinste mich abschätzig an.
„So einen Muggel habe ich gerne. Keine Ahnung von Zauberei, aber trotzdem meinst du, alles darüber zu wissen. Vielleicht sollte ich dich wirklich mal verhexen, Muggel! Ein netter Imperius-Fluch, so dass du alles machst, was ich dir sage. Sogar von der nächsten Brücke würdest du springen…"
Michelle
„Und das finden sie wohl amüsant, was?" Ich war kurz davor die Beherrschung zu verlieren und Jason eine Ohrfeige zu verpassen, da ich ja keinen Zauberstab hatte… und Malfoy natürlich auch.
„Und sie, Malfoy? Was sagen sie dazu? Tun hier so als wären sie der Gute, oder was?"
„Da stimme ich ihnen zu", kommentierte Jason trocken und brachte mich noch mehr in Rage.
„Ich bringe jedenfalls keine Leute um."
„Ha, das ich nicht lache! Sie haben sich aber auch nie daran gestört, oder?"
Malfoy sah mich böse an.
„Das muß ich mir nicht länger anhören!"
Er zog plötzlich seinen Zauberstab, aber ich war viel zu sauer um mich davon einschüchtern zu lassen.
„Und wo ist bitte schön mein Zauberstab?" Wollte ich wissen.
„In sicherer Verwahrung", gab Jason mit einem fiesen Grinsen zurück.
„Na gut, wenn das so ist…" Damit stürzte ich blitzschnell auf Malfoy zu und bevor er einen Zauber sprechen konnte, riß ich ihm seinen Zauberstab aus der Hand.
Ich berührte Natasha und mit einem schnell gemurmelten Spruch brachte ich uns weg von Malfoys Landsitz.
Jason und Lucius
Jason und Lucius starrten fassungslos auf die Stelle, wo gerade noch Michelle und Natasha gestanden hatten.
„Wie blöd bist du eigentlich?" Herrschte Jason dann seinen Bruder an. „Wie kannst du dir nur den Zauberstab aus der Hand reißen lassen? Ach ja, ich vergaß: Das ist dir ja schon einmal passiert…"
Lucius warf seinem Bruder einen vernichtenden Blick zu.
„Das ist schon Jahre her!"
„Guck nicht so", gab Jason zurück, „so ein Blick steht dir nicht… und mir dann wohl genauso wenig…"
„Das ist nicht amüsant, Jason. Was machen wir jetzt?"
„Das fragst du mich?"
„Ja, ich frage dich! Du hast schließlich noch Michelles Zauberstab, wenn ich mich nicht irre."
Jason grinste.
„Stimmt! Den Zauberstab einer DeWiltshire. Besser geht's ja wohl nicht… nachdem ihr mir meinen Zauberstab abgenommen habt…"
Lucius seufzte.
Jason zog Michelles Zauberstab, berührte seinen Bruder und apparierte mit ihm in die Winkelgasse.
„Okay. Du versuchst deinen Stab zurückzuholen und sie zu finden. In der Zeit gehe ich mir vernünftige Klamotten kaufen."
„War ja klar", seufzte Lucius. „Und binde ja nicht gleich jedem auf die Nase, wer du bist und wo du warst."
„Ich bin doch nicht völlig bescheuert, Brüderchen." Jason verschwand.
„Und nenn mich nicht Brüderchen!" Rief Lucius ihm hinterher.
