Natasha

Ich platzte fast vor Neugier. Was war bloß passiert? Eddie und Jason sahen ziemlich mitgenommen aus und auch die Dusche konnte diesen Eindruck nicht vertreiben. Und Michelle war bewusstlos.

Nun saß Jason wie ein Häufchen Elend vor uns und Eddie sah auch nicht besser aus.

„Was ist denn nun passiert", wollte Lucius ungeduldig wissen.

Jason seufzte nur und beachtete seinen Bruder nicht weiter. Eddie allerdings begann stockend zu berichten.

Er und Jason hatten sich aufgemacht, um Michelle zu befreien. Als sie in Voldemorts Hauptquartier ankamen, wurden sie jedoch schon von mehreren Todessern erwartet und sofort gefangen genommen. Sie erfuhren, dass Michelle fliehen konnte. Allerdings nicht lange, denn schon bald wurde sie von Voldemorts Schergen zurückgebracht.

Was dann passierte ging in einem unverständlichen Genuschel unter. Jeder im Raum verstand aber deutlich, dass Michelle den Dämon zum Leben erweckt hatte.

Als Eddie geendet hatte, sahen sich alle betroffen an.

Lucius schwieg erschüttert und auch ich konnte nicht glauben, was ich da eben gehört hatte. Und noch etwas konnte ich nicht glauben, dass Michelle mich derart verraten konnte.

„Wie konnte sie so etwas tun?" sagte ich leise.

„Sie hatte keine Wahl", versuchte Eddie eine Erklärung zu finden. „Wenn sie es nicht getan hätte, wären wir nicht mehr am Leben."

„Ach ja? Und was ist mit den Leuten, die keine Ahnung davon haben, dass sie in Gefahr sind, die Leute, die sich gegen einen Dämon nicht wehren können?"

„Du meinst euch Muggel?"

„Ja genau, die meine ich. Indem Michelle den Dämon erweckt hat, hat sie quasi das Todesurteil für uns gesprochen."

Bedrücktes Schweigen war die Antwort. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich stand auf und lief aus der Küche.

Lucius und Jason

„Was hat sie denn?" Eddie sah Lucius verwirrt an.

„Laß sie doch", meinte Jason. „Wir sollten besser überlegen, wie wir Michelle wieder hinbekommen. Tasha wird sich schon wieder einkriegen." Zärtlich fuhr er mit seinen Fingerspitzen über Michelles Gesicht.

Wenn ich ihr doch bloß eher gesagt hätte, dass ich sie liebe, dachte er.

„Dir geht es immer nur um dich, wie?" brauste Lucius mit einem mal auf. Seit dem Vorfall auf der Autobahn hatte sich in ihm eine Wut angestaut, die er nun nicht mehr länger zurückhalten konnte. Und Jason war ihm ein willkommenes Opfer.

„Ich glaube ich verstehe Tasha sehr gut. Aber du denkst ja nur soweit, dass es für dich zum Vorteil reicht. Immer nur du, du, du !" Lucius war so heftig aufgesprungen, dass der Stuhl klappernd zu Boden fiel.

„Im übrigen hat Tasha recht, Michelle hat ihre Welt zum Tode verurteilt. Und es war ja klar, dass du nur daran denkst, wie schnell wir Michelle helfen können und nicht, wie wir eine Katastrophe verhindern können. Aber was überrascht mich das noch? Solange du nur deine Bedürfnisse ausleben kannst, ist dir alles andere doch scheißegal. So war es doch schon immer!"

„Jetzt mach mal halblang, Bruder." Jason war ebenfalls aufgesprungen und funkelte seinen Bruder wütend an.

„Wer ist denn derjenige, der über Leichen geht, wenn es seinem Vorteil dient? Wer war denn bislang so skrupellos und hat sich im Ministerium eingemischt? Jetzt behaupte nicht, du wärst ein Engel, denn das bist du wahrlich nicht."

„Das habe ich auch nie behauptet", gab Lucius kalt zurück. „Sie hätte es einfach nicht tun dürfen."

„Dann wären Eddie und ich jetzt tot!"

„Was sind schon zwei Leben gegen das von Millionen? Aber Michelle hat genau wie du nur an sich gedacht..." Lucius kam nicht weiter, denn Jason stürzte sich mit einem Wutschrei auf ihn und riss ihn von den Füßen.

„Rede nie wieder so über Michelle, hast du das verstanden?" Drohend hob er seine Faust.

Lucius versuchte seinen Bruder von sich runter zu schieben, doch Jason war um einiges stärker.

„Hast du das verstanden?" wiederholte Jason und Lucius gab nur ein unwilliges Knurren von sich.

„Meine Güte, jetzt hört auf ihr beiden!" Eddie zog Jason von Lucius runter und sah beide böse an.

Lucius rappelte sich hoch und klopfte sich den Staub von den Kleidern.

„Ich verstehe ja, dass bei uns allen die Nerven blank liegen. Aber wir sollten besser überlegen, was wir jetzt tun, anstatt uns gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Damit spielen wir ihm doch nur zu."

Jason und Lucius musterten sich weiterhin feindselig, sagten aber nichts mehr.

„Ich gehe Tasha suchen", sagte Lucius endlich. Er wollte noch etwas hinzufügen, besann sich dann aber anders und stürmte mit wehendem Umhang aus der Küche.

Natasha

Ich rannte durchs Schloss, ohne überhaupt darauf zu achten wohin ich lief. Mir gingen so viele Gedanken durch den Kopf.

Als ich langsam wieder zu mir kam, fand ich mich im Wald wieder. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern so weit gelaufen zu sein, aber die frische Luft tat gut. Vielleicht konnte sie mir helfen wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Seufzend lehnte ich mich gegen einen Baum, schloss die Augen und versuchte meine Gefühle zu ordnen.

Es war für mich schon immer schwer gewesen einem anderen Menschen mein Vertrauen zu schenken. Das Leben meines Vaters hatte sicher eine Menge dazu beigetragen. In seiner Welt war alles nur Schein und Glamour. Man konnte mit niemandem reden, ohne dass sofort wieder Hintergedanken mit im Spiel waren. Vor allem, wenn man die Tochter eines reichen Managers war und noch solo.

Michelle hatte es aber geschafft. Ich hatte ihr vertraut, sie war für mich eine gute Freundin geworden.

Und jetzt fühlte ich mich verraten und hintergangen. Michelle hatte den Dämon erweckt und meine Welt somit in Gefahr gebracht. Wie konnte sie nur so etwas tun?

In meine Gedanken vertieft, bemerkte ich nicht, dass ich nicht mehr alleine war.

Lucius

Lucius lief durchs Schloss und suchte vergeblich nach Natasha. Ratlos blieb er in der großen Eingangshalle stehen und überlegte, wo Natasha wohl hingegangen sein könnte.

Vielleicht zum Quidditchfeld, dort hatten sie sich ihre Gefühle füreinander gestanden.

„Sie ist bestimmt da", überlegte er und machte sich sofort auf den Weg.

Doch Natasha war nicht da.

Frustriert blieb er mitten auf dem Feld stehen. Wenn es ihr schlecht ging, warum war sie dann nicht hier? Schließlich konnte sie diesen Ort mit schönen Erinnerungen verbinden, mit Erinnerungen an ihn.

Er überlegte weiter.

Snapes Klassenzimmer konnte er ausschließen, obwohl sie dort zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Aber Snapes Klassenraum war einfach kein Ort, um mit seinen Gedanken alleine zu sein.

„Der See!" Lucius grinste. Dort hatten sie auch miteinander geschlafen und es herrschte eine wundervolle romantische Stimmung dort.

Schnell machte er sich auf den Weg, wurde jedoch abermals enttäuscht.

Er suchte alles gründlich ab, doch von Natasha keine Spur.

Seufzend setzte er sich auf einen Stein. Langsam wusste er nicht mehr, wo er suchen sollte, außer...

Er sah zum Wald hinüber und ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Sollte Natasha in den Wald gegangen sein, wäre es besser er würde sie schnell finden.

Denn die Bewohner des Waldes reagierten nicht unbedingt freundlich auf menschliche Besucher.

Natasha

Mir kam der Gedanke, dass Michelle vielleicht keine andere Wahl gehabt hatte. Vielleicht hatte Voldemort ihr auch mit dem Tod gedroht und wem konnte man es schon verübeln sein eigenes Leben zu retten.

Ich wünschte, es wäre so gewesen, denn dann hätte Michelle mich nicht hintergangen.

Vielleicht war sie auch so unter Druck gewesen, dass sie gar nicht über die Konsequenzen ihres Tuns nachdenken konnte.

Ich klammerte mich an diesen Gedanken und er half mir, mich wieder etwas zu beruhigen.

Wäre es anders, würde das bedeuten, dass ich die einzige Freundin verlieren würde, die ich hatte. Und das wollte ich nicht.

Schon taten mir meine Gedanken von vorhin wieder leid.

„Ich sollte wieder zurück gehen", murmelte ich.

Zufrieden, dass ich meine Gedanken wieder etwas ordnen konnte, öffnete ich meine Augen und sah mehrere Pfeilspitzen, die auf mich gerichtet waren.

Instinktiv wollte ich zurück weichen, jedoch wurde ich schmerzhaft daran erinnert, dass ich vor einem Baum stand, als sich mir ein Ast in den Rücken bohrte.

Die anderen Wege waren mir versperrt. Überall traf mein Blick auf gefährlich aussehende Pfeilspitzen.

Als ich mich von dem ersten Schock etwas erholt hatte, betrachtete ich meine Besucher genauer.

Ich wusste sofort, dass es Zentauren waren. Ich hatte schon oft Bilder von diesen Sagengestalten gesehen. Der Oberkörper war der eines Menschen. Doch endete er auf einem Pferdeleib.

Wie sie nun so dastanden und mich mit ihren Bögen und Armbrüsten bedrohten, bekam ich es doch mit der Angst zu tun. Sie sahen alles andere als freundlich aus und musterten mich mit finsteren Blicken.

Ein großer schwarzer Zentaur trat nach vorne und musterte mich von oben bis unten.

„Was suchst du hier, Mensch?"

„Ich... äh... was?"

„Was du hier zu suchen hast, hab ich gefragt. Ich kann mich nicht erinnern, dir erlaubt zu haben den Wald zu betreten."

Er kam noch näher, packte mich bei den Schultern und schüttelte mich.

„Ich... oh..." ich versuchte mich zu sammeln und versuchte es nocheinmal. „Ich wusste doch nicht, dass es euer Wald ist, ich wollte hier ganz bestimmt nicht eindringen."

„Und doch hast du es getan." Er sah mich abschätzig an und spielte demonstrativ mit seinem Bogen.

„Aber doch nicht absichtlich", versuchte ich mich zu verteidigen.

„Das spielt keine Rolle. Wir wollen keine Menschen hier. Dennoch bist du hier. Ich schätze dagegen müssen wir etwas unternehmen."

„Aber... könnt ihr mich nicht einfach gehen lassen?" flehte ich ihn an.

„Nein."

„Aber ich verspreche euch auch, dass ich nie wieder komme."

Sein langer seidiger Schweif peitschte unruhig hin und her.

„Nein."

Er gab seinen Leuten einen Wink und die Zentauren bildeten einen dichten Kreis um mich.

„Was habt ihr vor?"

Ich bekam keine Antwort, die Sehnen der Bögen knirschten jedoch verdächtig.

Ich schloss die Augen und betete zum ersten Mal seit langem wieder.

„Lasst sie gehen!"

Ich fuhr herum und sah Lucius zwischen den Bäumen hervortreten.

„Lucius!" rief ich und wollte zu ihm, doch ein Zentaur schlang seinen Arm um mich und hielt mich zurück.

„Noch jemand, der keine Erlaubnis hat unseren Wald zu betreten." Der schwarze Zentaur drängte sich zu Lucius vor und sah ihn kalt an.

„Komm schon Bane, du willst dich nicht wirklich mit mir anlegen?" Lucius sah ihn spöttisch an. „Das hast du schon einmal getan und den Kürzeren gezogen." Er zog seinen Zauberstab aus dem Ärmel und hielt ihn lässig in der Hand.

„Bane!" Ein brauner Zentaur drängte Bane zurück und baute sich statt seiner vor Lucius auf.

„Ah, Magorian, welch Freude dich wiederzusehen."

„Was willst du hier?"

„Ich hatte gehofft sie zu finden, bevor ihr es tut. Aber wie ich sehe komme ich leider zu spät."

„Und was willst du wirklich, Malfoy?" seufzte Magorian.

„Nichts. Gebt mir die Frau und wir verschwinden."

„Misch dich nicht in unsere Angelegenheiten", erwiderte der Zentaur abweisend.

„Was wollt ihr denn tun? Sie umbringen, euch an ihr vergehen..."

Magorian schnaubte wütend und funkelte Lucius böse an.

„Für was hältst du uns eigentlich? Wir sind keine Monster."

„Dann könnt ihr sie ja gehen lassen."

„Sie ist hier ohne Erlaubnis eingedrungen und nun muss sie auch die Konsequenzen tragen."

Magorian blieb stur.

Lucius seufzte ergeben. „Und was, wenn ich euch sage, dass sie nichts über diesen Wald weiß, also auch nichts von euch wusste? Sie ist ein Muggel."

„Umso schlimmer", knurrte Bane und ich sah ihm an, dass er seinen Bogen zu gerne benutzt hätte.

„Bitte Magorian, du weißt, dass ich euch mit Leichtigkeit überwinden kann und ich werde es auch tun, wenn du nicht einlenkst." Lucius wurde langsam sauer.

„Du kannst uns nicht alle überwinden."

„Du weißt genau, dass ich es kann, also pfeif deine Gäule zurück."

„Wahhh!" Bane stürzte nach vorne und schoss im gleichen Augenblick einen Pfeil ab.

Lucius wich geschickt zur Seite aus und der Pfeil flog ins Leere.

Aber darauf hatte er nur gewartet.

„Tasha, Vorsicht!" rief er, hob seinen Zauberstab und brüllte „Stupor!"

Der Zentaur der mich festhielt, ließ mich los und kippte zur Seite. Schnell rannte ich zwischen den überraschten Zentauren hindurch. Lucius packte mein Handgelenk und zog mich mit sich.

„Lauf!" rief er mir zu.

Wir rannten durch den Wald, hinter uns hörten wir Äste brechen und ab und zu sirrten uns ein paar Pfeile um die Ohren.

Ich stolperte über eine Wurzel, doch Lucius hielt mich eisern fest und zerrte mich einfach mit sich.

Endlich erreichten wir den Waldrand, trotzdem rannten wir noch ein gutes Stück, begleitet von ein paar Pfeilen.

Als wir genug Abstand zwischen den Wald und uns gebracht hatten, blieben wir schwer atmend stehen.

„Was hast du denn dort im Wald zu suchen?" wetterte Lucius dann auch schon los.

„Ich wollte einfach nur alleine sein."

„Was ist denn mit dir los?" fragte er, schon etwas sanfter.

„Ich weiß auch nicht. Vor einer Stunde noch hatte ich das Gefühl, dass Michelle mich hintergangen hat, aber jetzt tut mir dieser Gedanke schon wieder leid."

„Sie hätte den Dämon nicht erwecken dürfen, dadurch hat sie uns alle in Gefahr gebracht und V-v-voldemort gestärkt."

„Und wenn sie keine Wahl hatte?"

„Tasha." Er zog mich in seine Arme. „Mach dir darüber nicht zu viele Gedanken. Wir werden schon einen Weg finden."

Ich kuschelte mich an ihn. „Du hast mir glaube ich gerade das Leben gerettet. Danke."

„Du hast mir aber auch einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Tu das nie wieder."

„Versprochen."

„Tasha, ich würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas passiert."

Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich.

„Lucius?"

„Hm."

„Ich liebe dich."

„Ich weiß", grinste er.

„Wie geht es jetzt weiter?"

„Wir müssen einen Weg finden den Dämon zu vernichten."

Dumbledore beugte sich über Michelle und legte seine Hand auf ihre Stirn. Nach einer Weile zog er sie weg und lächelte. Er drehte sich zu den anderen rum, die ihn alle erwartungsvoll ansahen. Sie befanden

sich auf der Krankenstation und standen vor Michelles Bett.

„Und? Was hat sie denn jetzt?" Ergriff Lucius als erster das Wort. Er konnte es kaum erwarten, dass Michelle aufwachte, um ihr mal richtig die Meinung zu sagen.

Dumbledore blickte in die Runde.

„Es geht ihr gut. Aber wie es scheint gönnt sie sich, wie man in der Muggelwelt so schön sagt, eine Auszeit…"

„Eine Auszeit? Sie meinen, sie hält ein Schläfchen?" Lucius konnte das kaum glauben.

„Nun es war wahrscheinlich alles etwas viel für sie…"

„Etwas viel? Sie hat den Dämon erweckt und uns alle zum Tode verurteilt… da finde ich, ist etwas viel wohl die Untertreibung schlechthin. Sie soll gefälligst aufwachen und das wieder in Ordnung bringen."

„Halt die Klappe, Lucius", mischte sich nun Jason ein.

Mir war schon aufgefallen, dass die beiden Brüder großen Abstand zueinander hielten und sich nur hin und wieder feindselige Blicke zuwarfen.

Bevor es jedoch zu einem weiteren Kampf kommen konnte, stellte ich fest, dass ich mal wieder nur Bahnhof verstand.

„Wie meinen sie das denn, Professor? Schläft sie oder was geht in ihr vor?"

„Ich denke, dass sie sich in ihr Unterbewusstsein geflüchtet hat… in ihre Gedankenwelt."

„Dann scheinen das aber nicht sehr angenehme Gedanken zu sein", stellte Eddie fest und deutete auf Michelle, die sich unruhig bewegte und etwas vor sich hin murmelte.

„Vielleicht hat sie gerade einen Alptraum… so wie ich im Moment, wo die einzige Person, die uns helfen kann, ein Nickerchen macht", spottete Lucius und Jason sah ihn scharf an.

Jason wollte etwas erwidern, aber ich kam ihm zuvor.

„Oh nein! Was ist, wenn sie wieder auf diesen komischen Dementor getroffen ist? Er könnte ihr vielleicht etwas antun."

„Dementor?" fragte nun Dumbledore.

„Na ja, wir waren schon einmal in ihrer Gedankenwelt. Ist aber ne lange Geschichte… auf jeden Fall könnte es für sie gefährlich sein. Können wir sie nicht irgendwie aufwecken?"

Dumbledore dachte nach.

„Nein, wir können sie nicht aufwecken, von hier aus jedenfalls nicht, aber jemand könnte zu ihr gehen und ihr vielleicht helfen."

„Ich machs", meinte Jason in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und es kam auch keiner. Also wurde alles vorbereitet.

Michelle

Entspannt lief ich durch den Wald meiner Gedankenwelt. Das letzte an das ich mich erinnern konnte, waren Schmerzen. Nicht zu ertragende Schmerzen und dann hatte ich mich hier wiedergefunden. Kurz überlegte ich, ob ich wohl tot war, konnte mir aber nicht vorstellen, das das Leben nach dem Tod in meiner eigenen Gedankenwelt stattfinden sollte. Ich ging weiter und mich überkamen Schuldgefühle. Ich war hier und mir ging es gut, aber was war mit den anderen… und was war mit Shakra Tahn und dem Kampf gegen Voldemort. Über kurz oder lang würde es zu einem Krieg kommen. Mittlerweile war das unvermeidlich.

Ich hörte ein Rascheln in den Büschen rechts von mir und plötzlich trat mein dunkles Ich hervor. Genau wie ich sah sie älter aus, aber hatte immer noch schwarze Haare und einen spöttischen Gesichtsausdruck.

Ich zuckte kurz zusammen als ich erkannte, dass sie den Dementor als Begleiter hatte, aber die beiden blieben zum Glück auf Abstand.

„Na wen haben wir denn hier?" wurde ich von mir selbst gefragt. „Du lässt dich leider sehr selten hier blicken."

„Oh nein", murmelte ich, „nicht schon wieder dieser Alptraum... und der Dementor."

„Das ist kein Alptraum! Auch wenn du es gerne so hättest, aber darf ich dir jemanden vorstellen?" Sie deutete auf den Dementor, der doch nicht so ganz wie ein Dementor aussah, wenn man ihn näher betrachtete. Er sah mehr aus, wie eine große schwarze Wolke, die einem Dementor ähnelte, aber rote leuchtende Augen hatte.

„Das ist mein Kumpel Shakra Tahn", wurde mir erklärt und ich sah die beiden ungläubig an.

„Unmöglich."

„Oh doch. Da du die Mächtigste bist, oder eher gesagt wir, haben wir eine unterbewusste Verbindung zu Shakra Tahn und da du ihn immer abgewiesen hast, hab ich mich um ihn gekümmert."

„Was heißt abgewiesen?"

„Die Visionen. Er wollte Verbindung zu dir aufnehmen, aber du hast das ignoriert und jetzt dient er einem neuen Meister: Voldemort."

„Das ist doch Schwachsinn!" Rief ich erbost. „Du bist nur eine Illusion! Ihr beide seid nicht real und deswegen werde ich jetzt einfach durch euch durchgehen! Lasst mich in Ruhe!"

Ich ging direkt auf sie zu, aber plötzlich packte mein dunkles Ich meine rechte Hand und schlug mir mit ihrem linken Handrücken ins Gesicht. Vor Schmerz stöhnte ich kurz auf. Dann berührte auch der Dämon mich und die Kälte die von ihm ausging erschütterte mich. Er war der Tod. Definitiv. Und er würde den Tod für alle Feinde Voldemorts bringen.

Ich riss mich los und wich ein paar Schritte zurück. Verwirrt sah ich mich um. Ich hatte die beiden für wirklich nicht real gehalten und nun wurde ich von mir selbst ausgelacht.

„Das hier ist deine Gedankenwelt, meine Liebe. Hier ist alles real… oder auch nichts."

„Es ist vollkommen egal, was hier ist", gab ich zurück. „Denn das spielt in der Realität keine Rolle mehr. Wenn ich wieder aufwache, dann…"

„Oh ja, das war ja klar!" Fuhr sie mich an. „Du willst mich hier liebend gern verrotten lassen! Deine Tugendhaftigkeit kotzt mich an! Nie tust du etwas Verbotenes! Immer hilfst du anderen! DAS IST EKELHAFT! Wir sind böse und mächtig, aber du lässt es zu, dass der Orden uns wie ein Schoßhündchen behandelt!"

„Was ist denn hier los?" Hörte ich plötzlich Jasons Stimme. Er war einfach neben mir aufgetaucht und hatte wohl alles mitgehört.

„Oh unser Lover ist auch hier! Was für eine Überraschung!" Spottete mein anderes Ich und ich seufzte.

„Darf ich vorstellen?" Wandte ich mich dann an Jason. „Mein böses Ich, meine dunkle Seite… Die wolltest du doch so gerne kennenlernen. Scheint so, als hättest du jetzt Gelegenheit dazu. Wie bist du her gekommen?"

„Dumbledore. Und Natasha hat mir das Passwort verraten. Mit dem kommt man nämlich auch rein." Er grinste. „Nette Welt übrigens. Schöner Wald."

„Hey Süßer", fuhr mein anderes Ich fort, „denk ja nicht, dass du der tollste Hengst im Bett bist. Wir sind nämlich besseres gewohnt." Sie grinste spöttisch.

„Jetzt mach mal halblang, Schwester!" Fuhr ich sie an. Das war ja wirklich peinlich.

„Ignorier das einfach", erklärte ich Jason, aber er sah mich ungläubig an.

„Das ist sehr irritierend", meinte er dann. „Und wer ist überhaupt dieses schwarze Monster?"

„Shakra Tahn", gab ich seufzend zurück. „Mein böses Ich behauptet, dass ich eine unterbewusste Verbindung zu ihm habe…"

„Das ist keine Behauptung. Das ist die Wahrheit. Würde ich dich denn anlügen?" Warf sie prompt ein und ich sah sie nur böse an.

„Jetzt versteh ich auch, warum die meisten Leute sagen, dass das Unterbewusstsein ne komplizierte Sache ist", seufzte Jason und ich nickte.

„Tja, ja."

„Es war nicht klug von dir, hier her zu kommen, Süßer", meinte meine dunkle Seite und dann wandte sie sich an mich. „Dir würden wir natürlich nichts antun, denn das können wir ja nicht, aber für Besucher wie deinen Lover hier gilt das nicht."

„Zeit sich zu verabschieden", meinte ich zu Jason, griff seine Hand und drehte ihn um.

„Spring."

Wir standen an einem tiefen Abgrund, der in ein schwarzes Nichts endete. Der Dämon und mein böses Ich kamen langsam näher. Sie wussten nicht, dass es eine Möglichkeit gab zu entkommen … und noch dazu an einen Ort, zu dem sie uns nicht folgen konnten.

„Was? Ich bin doch nicht irre!"

„Du vertraust mir doch, oder?" Er nickte.

„Dann spring." Ich riss ihn mehr oder weniger mit mir, als alles aufhörte sich zu drehen, saßen wir nebeneinander an einem langen Sandstrand. Die Sonne stand schon tief und ein paar Schleierwolken zogen über den hellblauen Himmel. Es sah aus, als wäre das alles in Pastellfarben gemalt worden.

Jason sah sich um, aber ich wusste schon, dass hinter uns ein weißes, größeres Holzferienhaus stand.

„Wo sind wir hier?" Fragte er dann und ich musste lächeln.

„Das hier ist der Ort an den sie uns nicht folgen können. Hier gibt es nur schöne Erinnerungen."

„Also sind deine Erinnerungen an mich auch hier?" Grinste er und ich schnaubte.

„Da wäre ich mir nicht so sicher."

„Dieser Ort ist wunderschön. Gibt es ihn wirklich?" Lenkte Jason ab und ich nickte.

„Ja, das Ferienhaus gehört meiner Familie… aber ich war schon lange nicht mehr dort. Nicht mehr seit… ach lassen wir das…"

„Hör zu Michelle. Ich bin hier um dich zurückzuholen. Du musst aufwachen. Wir brauchen deine Hilfe." Jason sah mich verzweifelt an.

„Wer sagt, dass ich zurückkommen will?" Gab ich abweisend zurück.

„Aber wir brauchen dich. Die Welt braucht dich…"

„Das ist mir egal. Hab ich nicht schon genug gelitten? Hab ich nicht genug geopfert? Meine Eltern sind tot. Meine Familie ist zerstört. Mir reichts!"

Jason fing an zu lachen.

„Du benimmst dich wie ein trotziges Kind."

Wütend starrte ich ihn an.

„Na und? Ich hab nicht darum gebeten, dass du herkommst. Verschwinde!"

„Oh nein, diesmal wirst du mich nicht so leicht los."

„Ich hab aber keine Lust mehr auf diese Unterhaltung…"

„Du hörst mir jetzt zu!" Fuhr er mich plötzlich an. „Es gibt Leute da draußen in der realen Welt, die sich Sorgen um dich machen und ich gehöre zufällig dazu. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust monatelang an deinem Bett zu sitzen und darauf zu warten, dass du aufwachst. Es ist mir egal, ob du das jetzt hören willst, aber ich will mehr Zeit mit dir verbringen… und falls es wirklich zu einem Krieg gegen Voldemort kommt, bleibt uns vielleicht nicht mehr viel davon. Außerdem glaube ich dir nicht, dass dir alles egal geworden ist. Falls es aber wirklich so sein sollte, dann tu es nicht für die anderen sondern für mich. Denn ich brauche dich! Mehr als alles andere! Ich liebe dich, Michelle! Und wenn du jetzt immer noch willst, dass ich verschwinde, dann tue ich das, aber wenigstens habe ich dir gesagt, was ich dir unbedingt noch sagen wollte…"

Total verwirrt sah ich ihn an und konnte nichts sagen außer:

„Ich liebe dich auch, Jason."

Erleichtert zog er mich in seine Arme.

„Willst du hier bleiben? Vielleicht könnten wir ja sogar beide hier bleiben…"

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein. Es ist zwar wunderschön, aber trotzdem bleibt es nur eine Illusion. Wir wissen, dass es noch eine realere Welt gibt… und die braucht jetzt wohl einen Retter."

„Aber bevor wir gehen…" Jason sah mir tief in die Augen. Dann küsste er mich.

„Glaubst du wir können hier auch…?"

„Probieren wir es aus…"

Damit legte er sich über mich und wir begannen uns auszuziehen.

„Hör nicht auf", stöhnte ich nach einiger Zeit und gerade als es besonders schön wurde, spürte ich, wie ich langsam zu mir kam.

Ich öffnete meine Augen und blinzelte. Das konnte doch echt nicht wahr sein. Jason, der seinen Kopf auf mein Bett gelegt hatte und meine Hand hielt wurde ebenfalls wieder wach. Er zwinkerte mir zu und streckte sich, als er sich im Stuhl zurücklehnte.

„Sieh mal an, wer sein Schläfchen beendet hat", hörte ich Lucius und mir entging die Schärfe in seiner Stimme nicht.

Ich setzte mich auf und sah mich um. Die Krankenstation von Hogwarts. Also war uns die Flucht gelungen. Langsam spürte ich wieder Schmerzen. Mein Kopf fühlte sich hohl an und meine Handgelenke waren immer noch blutig, wo die Fesseln eingeschnitten hatten.

Jason sah seinen Bruder böse an, aber Dumbledore ging dazwischen bevor es zu einem Wortgefecht kommen konnte.

„Kannst du uns sagen, was passiert ist, Michelle?"

Ich nickte.

„Ich habe Shakra Tahn erweckt."

„Das wissen wir. Es wäre aber auch gut, zu wissen wie er aussieht…was wir zu erwarten haben", ergänzte Eddie.

„Wie ne schwarze Wolke mit roten Augen", meinte Jason, aber ich widersprach ihm.

„Das wissen wir nicht genau. So sah er in meinen Gedanken aus, aber wie er in der Realität aussieht, können wir nicht wirklich sagen."

„Wie konntest du das nur tun? Du hast uns alle zum Tode verurteilt!" Meinte Natasha aufgeregt. Sie hatte es vorwurfsvoller gesagt, als sie eigentlich gewollt hatte.

„Moment mal. Glaubst du ich hab das so aus Spaß gemacht? Ich hatte keine Wahl."

Entrüstet sah ich sie an.

„Doch die hattest du. Aber du hast nicht an die gedacht, die sich nicht verteidigen können!"

„Ich werde mich bestimmt nicht rechtfertigen! Was ist denn los mit dir?"

„Ihr alle kanntet das Risiko, dass von Voldemort ausgeht und habt nichts getan… aber wir Muggel haben keine Ahnung und jetzt sind wir ihm ausgeliefert."

Natasha klang furchtbar aufgeregt, aber langsam wurde es mir zu bunt.

„Wirfst du mir etwa vor, dass ich uns gerettet habe?"

Sie antwortete nicht.

„Oh", fuhr ich fort, „tut mir leid, dass mir mein Leben und das meiner Freunde am Herzen liegt…"

„Du hättest es aber nicht tun dürfen. Ihr seid Zauberer, da hättest du einen anderen Weg finden müssen…"

„Du verurteilst mich? Aber natürlich… du sitzt ja auf deinem Thron der Tugend und blickst auf uns alle anderen herab wie auf kleine Ameisen. Soll ich dir mal was sagen Natasha? Wir sind Zauberer, ja. Aber das heißt nicht, dass wir allmächtig sind… auch wenn Lucius gerne so tut… und es heißt auch nicht, dass wir keine Gefühle haben oder keine Schmerzen empfinden. Wenn ich mir in den Finger schneide, dann tut mir das genauso weh wie dir. Siehst du das?" Ich zeigte ihr meine Handgelenke. „Das waren Zauberfesseln. Die schneiden jedes Mal tiefer in deine Haut, wenn du deine Hände auch nur ein Stückchen bewegst. Voldemort hat uns gefoltert und den Dämon zu erwecken war die einzige Möglichkeit an meinen Zauberstab ranzukommen. Ohne Zauberstab sind wir Zauberer nämlich aufgeschmissen. Oder was glaubst du, warum die meisten Zauberer mit ihrem Leben an ihrem Zauberstab hängen? Weil die meisten von uns schwach sind, Natasha. Sie sind nicht allmächtig sondern schwach, weil sie ohne zu zaubern nämlich gar nicht mit den Problemen des alltäglichen Lebens klarkommen. Und ich sag dir noch was: Wenn es nur um mich gegangen wäre, ich hätte mich geopfert. Aber ich konnte es nicht ertragen mitanzusehen, wie die Menschen, die ich liebe, gequält werden. Aber was rede ich hier eigentlich… du verstehst das sicher nicht…"

Ich sprang von meinem Bett auf und stürmte aus dem Raum.

Jason sprang ebenfalls auf und folgte Michelle.

„Michelle, warte!"

Natasha sah bestürzt zu Lucius. Sie hatte das eigentlich gar nicht so gemeint und hatte nur wissen wollen, was passiert war. Aber Michelle hatte wohl gemerkt, dass Natasha sich auch so ihre Gedanken gemacht hatte.

„So hatte ich das doch gar nicht gemeint", murmelte sie und Lucius zuckte nur mit den Schultern. Er dachte wohl nur spöttisch, dass Michelle gut zu seinem Bruder passte.

Natasha

Verdattert sah ich Michelle hinterher. Gut, ich hatte meine Bedenken nicht gerade nett formuliert, aber dass Michelle gleich so reagieren würde, überraschte mich doch ein wenig.

„Vergiss sie", meinte Lucius, der meine Gedanken zu erraten schien. „Sie ist genau wie mein Bruder. Das beste ist, man ignoriert sie einfach. Glaub mir, ich kenne mich damit aus."

„Shakra Than wurde erweckt, wir können es nicht mehr ändern", meldete sich Dumbledore zu Wort.

„Und was schlagen Sie vor, was wir jetzt tun?" fragte Lucius giftig.

„Voldemort wird sich zuerst die Muggel vornehmen. Ich kenne ihn, er hält sich immer zuerst an diejenigen, die sich nicht wehren können."

„Und das heißt?" Lucius wurde ungeduldig. Er hasste es, wenn Dumbledore sich nicht klar ausdrückte.

„Das heißt, wir brauchen jemanden, der die Muggel im Auge behält und sofort Alarm schlägt, wenn etwas seltsames vor sich geht", erklärte Moody, der sich zu uns gesellt hatte.

„Und wer könnte das besser machen als Sie, Natasha." Dumbledore lächelte mich freundlich an. „Sie kennen Ihre Welt am besten und werden sofort Bescheid wissen, wenn sich dort etwas tut. Und damit Sie Verbindung zu uns aufnehmen können wird Mr. Malfoy Sie begleiten."

„Und worauf soll ich achten?" Zweifelnd sah ich ihn an.

„Auf alles was Ihnen ungewöhnlich erscheint..."

„Zum Beispiel mysteriöse Todesfälle..." Lucius grinste schief.

„Das ist nicht komisch", fuhr ich ihn an.

„Ihr solltet euch beeilen", ging Dumbledore dazwischen. „Voldemort wird keine Zeit verlieren."

„Und was machen Sie solange?"

„Wir werden überlegen, wie wir ihn aufhalten können."

„Dann überlegen Sie bitte schnell."

Dumbledore schenkte mir ein nachsichtiges Lächeln, dann wurde ich auch schon von Lucius nach draußen gezogen.

Am See sahen wir zwei Gestalten. Michelle und Jason.

„Laß sie", meinte Lucius, als er merkte wie sich mein Schritt verlangsamte. „Du hast doch Michelle gehört, im Prinzip verstehst du doch gar nicht worum es geht, wohingegen sie den vollen Durchblick hat. Auch wenn sie es vielleicht abstreitet, sie ist leider die Schlüsselfigur um dem Ganzen ein Ende zu setzen. Und anscheinend ist ihr das zu Kopf gestiegen. Aber was erwartest du von jemandem, der sich mächtigster Zauberer der Welt nennen kann?"

Ich wollte und konnte das nicht glauben. Allerdings hatte mir ihre Worte doch mehr weh getan, als sie vielleicht ahnte.

Thron der Tugend, pah, was wusste sie schon von meinem Leben. Sie hatte gesagt, ich solle sie nicht verurteilen, aber dann soll sie es bitteschön auch nicht mit mir machen.

Lucius zog mich ungeduldig weiter.

Wir hatten Hogsmeade hinter uns gelassen.

„Hier kann ich apparieren." Lucius fasste meine Hand und augenblicklich wurde es dunkel um mich herum.

Etwas unsanft landeten wir in meiner Küche.

„Und nun?" Lucius rappelte sich hoch und rieb sich den Hintern. Er war etwas unglücklich auf einer Stuhlkante gelandet.

„Nun werde ich das Internet nach ungewöhnlichen Vorkommnissen durchforsten."

„Das was?"

Seufzend winkte ich ab. „Komm mit ich zeige es dir."

In meinem Arbeitszimmer schaltete ich den Computer ein. Es dauerte eine Weile bis er hochgefahren war, dann checkte ich schnell meine E-Mails durch, aber es war nichts wichtiges dabei.

Ich wählte mich ins Internet ein und rief verschiedene Seiten auf, von denen ich wusste, dass sie immer die neuesten Nachrichten parat hatten.

Aber mir fiel nichts ungewöhnliches auf, was ich Lucius mitteilte.

„Dann sind wir noch nicht zu spät", meinte er erleichtert.

Ich meldete mich ab und öffnete noch einmal mein Postfach.

Das meiste waren Werbemails, die ich sofort löschte. Am Ende blieben drei Stück übrig. Eine von einer Freundin aus Schweden, eine von meiner Bank und die dritte war von Lance.

Ich überlegte schon, ob ich diese nicht ungelesen löschen sollte, entschied mich aber dann doch sie zu lesen.

Eigentlich schrieb er nicht viel. Er fragte, warum ich mich nicht mehr meldete und ob ich unsre Verabredung vergessen hätte.

„Wer ist das?" In Lucius Stimme schwang ein drohender Unterton mit.

„Das ist Lance O'Shea. Er arbeitet für meinen Vater."

„Was will er von dir?"

„Das ist etwas kompliziert", wich ich ihm aus.

„Ich denke wir haben Zeit genug." Ich sah ihm an, dass er sich nicht eher zufrieden geben würde, bis er eine Erklärung bekommen hatte.

„Na schön." Seufzend fuhr ich den Computer herunter und ging ins Wohnzimmer. Lucius folgte mir und ließ sich ungeduldig in einem Sessel nieder.

„Also, wer ist der Typ?"

Ich sah an ihm vorbei und begann zu erzählen.

„Mein Vater ist Manager eines großen Fußballvereins hier in London. Als ich klein war, hat er mich immer mit ins Stadion genommen. Ich bin quasi auf dem Fußballplatz aufgewachsen. Als ich allerdings älter wurde hatte mein Vater ganz andere Vorstellungen für mein Leben als ich. Und das war auch der Grund, warum wir uns vollkommen voneinander entfernt hatten. Ich wollte Journalismus studieren, doch Vater hatte es mir verboten. Er war der Meinung, dass ich als seine Tochter nicht zu arbeiten brauche. Geld genug hatte er ja. Er wollte vielmehr, dass ich einen seiner Fußballer heirate und mir ein schönes Leben mache.

Als der Verein dann Lance O'Shea kaufte, hatte mein Vater den passenden Schwiegersohn für sich gefunden. Seitdem lässt er keine Gelegenheit aus mir nahe zu legen O'Shea zu heiraten. Daß ich O'Shea überhaupt nicht ausstehen kann, interessiert ihn nicht. Für ihn zählt nur das Prestige. Und seitdem werde ich O'Shea einfach nicht mehr los. Bislang habe ich es eigentlich ganz gut geschafft ihn zu ignorieren. Doch langsam knallt mein Vater vollkommen durch. Jetzt hat er mir schon damit gedroht mir den Geldhahn zuzudrehen, wenn ich O'Shea noch mal abweisen würde.

Was er allerdings nicht weiß ist, dass mir das total egal ist. Ich arbeite nämlich als freier Journalist für einige Zeitungen und schreibe nebenbei noch Romane. Damit verdiene ich ganz gut und bin nicht auf ihn angewiesen.

So, jetzt kennst du meine Lebensgeschichte."

„Was ist mit deiner Mutter?"

„Die ist bei meiner Geburt gestorben", erwiderte ich knapp und gab ihm zu verstehen, dass ich nicht darüber reden wollte.

Lucius sah mich merkwürdig an, sagte aber nichts.

Drei Tage saßen wir nun schon in meiner Wohnung fest und es passierte nichts. Der Nachrichtenkanal lief ununterbrochen und ich schaute regelmäßig im Internet nach den neuesten Meldungen. Aber nirgendwo tauchte ein Hinweis auf, dass Voldemort aktiv geworden war.

Was uns jedoch nicht wirklich störte. Im Gegenteil, wir genossen die Zeit, die wir endlich mal für uns hatten.

Ich hatte Lucius dazu überreden können, seinen Umhang im Schrank zu lassen und statt dessen etwas passendere Klamotten zu tragen.

Nun trug er eine schwarze Jeans und dazu einen schwarzen Rollkragenpullover. Alles Bitten meinerseits half nichts, er blieb beharrlich bei seiner Farbe.

„Ich verstehe nicht, wie mein Bruder so etwas tragen kann." Zum wiederholten Male zupfte er an seinem Pulli herum. „Kann ich nicht wenigstens..."

„Nein", unterbrach ich ihn. „Mit deinen Sachen fällst du nur auf."

„Und was mach ich mit meinem Zauberstab?"

„Deine Sorgen möchte ich mal haben. Außerdem ist dein Zauberstab doch schon gut verstaut." Ich grinste ihn an.

„Ich meinte eigentlich den hier", gab er ebenfalls grinsend zurück und langte nach seinem Stab.

„Ach so, der interessiert mich eigentlich weniger..."

„So so. Aber du kannst ja gerne nachprüfen, ob alles gut verstaut ist."

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich ging um den Couchtisch herum und setzte mich auf seinen Schoß. Erwartungsvoll sah er mich an. Langsam zog ich ihm den Pullover über den Kopf. Meine Fingerspitzen liebkosten seine Brust und fuhren langsam über seinen Bauch, hinab in tiefere Regionen. Genüsslich schloss er die Augen und stöhnte leise auf, als sich meine Hand einen Weg in seine Hose suchte.

Ich beugte mich vor und küsste sanft seinen Hals, als es an der Tür klingelte.

„Oh nein", fluchte ich. „Ich bin nicht da."

„Ich mach das schon." Lucius schob mich von sich runter und marschierte zur Tür.

„Äh... dein... Pullover… dann eben nicht." Seufzend lehnte ich mich zurück und freute mich darauf, was passieren würde, wenn Lucius wieder zurückkam.