Als Hermine am nächsten Morgen ausgeschlafen und voller Elan die Große Halle betrat, war ihr Platz vom Vorabend bereits besetzt von einem, ihr unbekannten, jungen Mann.
McGonagall, die neben ihm saß, hatte Hermine hereinkommen sehen und winkte sie nun zu sich.
„Guten Morgen Hermine! Darf ich ihnen unseren Hausmeister, William Wishmope, vorstellen", sagte sie mit einer Handbewegung auf ihren Sitznachbarn, der sogleich aufgesprungen war. „William, das ist Professor Hermine Granger, unsere neue Lehrerin für Zaubertränke."
„Freut mich, sie kennen zu lernen, Mister Wishmope", begrüßte Hermine lächelnd den sympathisch wirkenden, braunhaarigen Mann, der höchstens ein paar Jahre älter sein konnte als sie.
„Oh..., ganz meinerseits, ..ich meine, ich freue mich auch...", stammelte dieser schüchtern und schüttelte etwas linkisch die ihm dargebotene Hand.
Genauer gesagt hörte er gar nicht mehr damit auf, ihre Hand zu schütteln und schaute sie mit seinen großen braunen Augen verzückt an. Diese Augen und die Art, wie er die Brauen zusammenzog und die Stirn in Falten legte, erinnerte Hermine an eine Dackel namens Ernie, den ihre Eltern früher einmal gehabt hatten.
„Sind sie auch neu hier?", fragte sie, in der Hoffnung, ihn dadurch vom Schütteln abzubringen.
„Äh.., nein..., nicht ganz neu", war die erschöpfende Antwort, aber immerhin ließ er endlich ihre Hand los.
„Mister Wishmope ist seit dem letzten Schuljahr bei uns", erklärte McGonagall. „Albus hat Filch in den Ruhestand geschickt, weil er seinen Dienst nicht mehr weiter verrichten konnte, nachdem seine Katze gestorben war. Der arme Filch hatte damals einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen - saß die meiste Zeit heulend in irgendeinem Flur herum und behauptete, alles erinnere in so an Mrs. Norris", fügte sie hinzu und verdrehte vielsagend die Augen. McGonagall hatte sich in ihrer Animagusform, als Katze, nicht sonderlich gut mit Filchs Haustier vertragen.
„Oh – wie tragisch!", murmelte Hermine betroffen. Das einzige Wesen, dem der Schülerhasser Filch, je Zuneigung entgegen gebracht hatte, war mit Sicherheit seine Katze gewesen.
„Mögen sie Kinder?", fragte sie Wishmope unvermittelt, der sie darauf hin perplex ansah, was seine Ähnlichkeit mit Ernie, dem Dackel, noch verstärkte. „Ich meine natürlich: wie kommen sie mit den Schülern klar", fügte sie erklärend hinzu.
„Äh..., na ja, ganz gut, ...denke ich...", sagte er bescheiden.
Ernie, der Hausmeister, war entschieden kein Freund großer Worte.
„Dann werde ich mal frühstücken", beendete Hermine das Gespräch und suchte mit den Augen den Tisch nach einem freien Platz ab.
„Gegenüber von Graf Dracula ist noch was frei", flüsterte McGonagall, allerdings laut genug um ein Kichern bei den in unmittelbarer Nähe Sitzenden auszulösen, und nickte mit dem Kopf zum anderen Ende der Tafel.
Snape saß am selben Platz wie gestern abend, neben ihm Dumbledore, an der Stirnseite des Tisches, und gegenüber stand tatsächlich der einzige, noch unbesetzte Stuhl.
„Ich werde mich schon nicht beißen lassen", flüsterte Hermine zurück, was das Kichern noch verstärkte, und ging hinüber zu den beiden Zauberern.
Das Wishmope noch stehen blieb und ihr wie gebannt hinterher sah bis McGonagall ihn an sein Frühstück erinnerte, entging ihrer Aufmerksamkeit.
„Einen wunderschönen Morgen, meine Liebe! Setzen sie sich doch!", wurde sie von Dumbledore freudestrahlend begrüßt.
„Ihnen auch eine schönen Morgen Direktor - Albus, guten Morgen Professor Snape", sagte Hermine und setzte sich an den Tisch.
Snape schaute nur eine Sekunde zu ihr herüber, murmelte etwas, was mit viel gutem Willen als „Guten Morgen" durchgehen konnte und versenkte dann seinen Blick wieder in die große Tasse, die er mit beiden Händen festhielt, als ob er befürchtete, jemand könne sie ihm wegnehmen.
„Tragen sie ihrem Kollegen sein seltsames Verhalten nicht nach, Hermine. Er nimmt morgens erst menschliche Züge an, nachdem er sich mit ein paar Tassen von diesem scheußlichen schwarzen Gebräu vergiftet hat", sagte Dumbledore, womit er sich einen gereizten Blick von Snape einfing.
Hermine beugte sich nach vorne und machte den Hals lang, um einen Blick in Snape´s Becher werfen zu können, woraufhin dieser sie misstrauisch ansah. Als sie schon fast damit rechnete, das er sein Getränk vor ihr in Sicherheit bringen würde, stieg ihr der verlockende Duft des „scheußlichen Gebräus" in die Nase.
Kaffee?", sagte sie und strahlte ihn an. „Gibt es davon noch mehr?"
Snape zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe und Dumbledore gab ein missbilligendes Schnauben von sich.
„Dass sie Kaffee trinken, überrascht mich", sagte Snape, „Ich hätte sie eher auf Pfefferminztee oder etwas ähnlich ähm - sagen wir mal – gesundes eingeschätzt."
„Wie kann ein Meister der Zaubertränke nur so abfällig über Kräutertee sprechen?", ereiferte sich Dumbledore, woraufhin der besagte Meister umgehend Auskunft gab:
„Einen Zaubertrank, oder auch einen simplen Kräutertee, nimmt man nicht wegen dem Geschmack zu sich, sondern um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, beispielsweise eine Krankheit zu heilen, letzteren auch vielleicht um irgendwelche Wehwehchen zu lindern", dozierte Snape. „Da ich nicht krank bin und erst recht nicht an Wehwehchen leide, trinke ich Kaffee, weil ich Kaffee nun mal mag - und natürlich um morgens menschliche Züge anzunehmen", fügte er genervt hinzu.
Als Hermine ihrerseits eine große Tasse Kaffee vor sich stehen hatte, genauer gesagt bereits die zweite, und gerade ihr drittes Brötchen vertilgt hatte, schien Dumbledore allmählich zum Schluss seines ausführlichen Standard-Vortrags über die gesundheitsschädigende Wirkung von zuviel Koffein zu kommen.
Snape hatte während dieser Rede, die er scheinbar schon auswendig kannte, keine Miene verzogen und seine ganze Aufmerksamkeit seinem Frühstück gewidmet. Er ergriff erst das Wort, als Dumbledore aufgehört hatte zu reden und abwartend zwischen seinen zwei Tischnachbarn hin und her schaute.
„Du hast etwas vergessen, Albus", sagte er ernst, „und zwar die extrem stoffwechselfördernde - ach was sage ich - geradezu auszehrende Wirkung von Koffein auf den menschlichen Körper, insbesondere den weiblichen."
Er warf seiner gegenübersitzenden neuen Kollegin einen besorgten Blick zu.
„Manche Kaffeetrinkerinnen sind erschreckend dünn, obwohl sie Portionen verschlingen, die auch einen ausgewachsenen norwegischen Stachelbuckel satt machen würden", sagte er mitleidig den Kopf schüttelnd.
Hermine, die gerade genüsslich in ihr viertes Brötchen biss, sah ihn sprachlos an. Es blieb ihr, nachdem sie beide Backen voll hatte, auch gar nichts anderes übrig.
„Hören sie nicht auf ihn, Hermine", kicherte Dumbledore, „noch eine Brötchen?"
Hermine, die immer noch krampfhaft kaute, schüttelte heftig den Kopf.
„Als ich gestern sagte, sie könnten sich beim Frühstück ausgiebig stärken, falls es anstrengend würde im Kerker", sagte Snape entschuldigend, „konnte ich ja nicht ahnen, dass sie mich für SO anstrengend halten. Aber packen sie zur Sicherheit ruhig noch etwas Proviant ein – die Zeit bis zum Mittagessen könnte lang werden."
„Das wird nicht nötig sein, Professor Snape - so anstrengend können selbst SIE nicht sein", sagte Hermine angriffslustig, als sie endlich wieder sprechen konnte.
Dumbledore schien sich immer noch köstlich zu amüsieren. „Darauf würde ich lieber nicht wetten", kicherte er, „aber Hut ab vor ihrem Optimismus, mein Kind." Er lüpfte andeutungsweise seinen hohen spitzen Zaubererhut.
Snape bedachte ihn mit einem missbilligenden Blick, schob geräuschvoll seinen Stuhl zurück, was ihm die Aufmerksamkeit aller Anwesenden einbrachte, und stand auf.
„Bereit für den Kerker, Miss Granger?", schnarrte er, leicht nach vorne gebeugt, die Hände auf die Tischplatte gestützt und Hermine mit zusammengezogenen Augenbrauen fixierend.
„Bereit!", sagte sie knapp, trank noch rasch ihre Kaffeetasse aus und nickte Dumbledore zu, bevor sie Snape nacheilte, der schon fast beim Ausgang angelangt war.
Erst auf dem Flur gelang es ihr, ihn einzuholen.
„Würde es ihnen etwas ausmachen, ein bisschen langsamer zu gehen, Professor?", fragte sie ihn gereizt und etwas außer Puste.
„Selbstverständlich nicht, Miss Granger", sagte er betont höflich und blieb so plötzlich stehen, das sie beinahe auf ihn aufgelaufen wäre. „Ich hatte einen Moment lang vergessen, welche Menge an Nahrung ihr Körper gerade verarbeiten muss – entschuldigen sie bitte, das ich ihren zarten Organismus mit meinem Tempo überstrapaziert habe."
Er legte eine Hand auf seine Brust und vollführte eine kleine Verbeugung.
Hermine sah ihn erstaunt an und wollte gerade entgegnen, dass es so schlimm auch wieder nicht gewesen wäre, als plötzlich das Wolfslächeln von gestern abend wieder auf seinem Gesicht erschien.
„Ich will natürlich nicht, dass sie hier die Gänge voll kotzen, werte Kollegin.", sagte er und machte mit der Hand eine einladende Bewegung den Flur hinunter.
„Darf ich sie also zu einem kleinen Verdauungsspaziergang in Richtung Kerker einladen."
Mit diesen Worten setzte er sich, übertrieben langsam und sich ständig mit besorgten Blicken versichernd, dass sie auch Schritt halten konnte, wieder in Bewegung.
„Ich habe noch nie die Gänge vollgekotzt", sagte Hermine entrüstet mit einem bösen Seitenblick auf den gemächlich dahinschlendernden Professor.
„NEIN, selbstverständlich nicht! Sollte ich den Anschein erweckt haben, ihnen selbiges zu unterstellen, so tut es mir schrecklich leid", sagte Snape bedauernd. „Jemand, der sich so vehement wie sie bemüht, immer genau das Richtige zu tun, würde eine solch frevelhafte Tat niemals begehen."
„Was soll das heißen: - vehement bemüht, immer genau das Richtige zu tun - ?", fragte Hermine aufgebracht, die das durchaus nicht als Kompliment wertete.
„Irre ich mich, oder waren sie die Schülerin, die sich immer selbst den Lernstoff von mindestens einem Monat, in manchen Fällen sogar von einem ganzen Jahr, im Voraus erarbeitet hat, um sich im Unterricht niemals die Blöße zu geben, auch nur eine einzige Frage nicht beantworten zu können?", fragte Snape.
„Seit wann ist es denn für einen Lehrer eine Zumutung, wenn eine seiner Schülerinnen sich so viel Wissen wie möglich aneignen will?", fauchte Hermine.
„Das ist kein Problem, solange sich die Schülerin mit ihrem Wissen nicht penetrant in den Vordergrund drängt", sagte Snape. „Stellen sie sich vor: ich habe tatsächlich eine Zeit lang geglaubt, ihre andauernd in die Höhe gestreckte Hand und das damit verbundene nervöse Zappeln währen angeboren und sie Ärmste müssten ständig so durch die Gegend laufen", fügte er süffisant hinzu.
Hermine blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Snape tat es ihr gleich und sah spöttisch grinsend auf sie herab.
„Es hat ihnen Spaß gemacht mich andauernd auflaufen zu lassen, nicht war", fragte sie mit zitternder Stimme, sah ihn aber geradeheraus an, „beispielsweise, indem sie meine Wortmeldung ignorierten."
In ihren verdächtig feucht schimmernden Augen konnte er sehen, wie sehr diese Erinnerung sie aufwühlte.
„Ja, Miss Granger", sagte Snape leise, „trotz ihrer großen Begabung und ihres beachtlichen Wissens, war es nie ein Problem für mich, sie kalt zu erwischen."
Hermine schluckte.
„Obendrein war es mir immer ein besonderes Vergnügen...", raunte er kaum hörbar, während er sich umdrehte um weiterzugehen, „...und ich werde es mit Freuden wieder tun."
Hermine folgte ihm, blieb aber einige Schritte zurück, damit er nicht sehen konnte, wie verstört sie war. Hatte er ihr gerade tatsächlich offen gedroht? Wie reagierte man, auf so eine unverschämte Provokation?
Die junge Frau, die sich nach wie vor ständig bemühte, immer genau das Richtige zu tun, war ratlos.
Wenn sie Snape zur Rede stellte, würde die Situation vielleicht noch weiter eskalieren.
Wenn sie aber die Demütigung einfach so hin nahm und nicht darauf reagierte, würde sie ihm das Gefühl geben, gesiegt zu haben - doch erfahrungsgemäß würde er deswegen noch lange nicht aufhören, sie zu piesacken.
Als sie vor der Tür des Unterrichtsraumes im Kerker angekommen waren, hatte sich Hermine bereits entschieden, die Flucht nach vorn anzutreten.
Nachdem sie hinter ihm das Klassenzimmer betreten hatte, knallte sie die Türe mit voller Wucht ins Schloss.
Angriffsbereit wirbelte Snape herum – mit gezücktem Zauberstab und einem Blick, der zartbesaitete Gemüter ohne weiteres Zutun erledigt hätte.
„Schreckhaft, Professor?", fragte Hermine und schlenderte lässig an ihm vorbei in Richtung Lehrerpult.
„Was soll das?", donnerte Snape. „Was haben sie sich dabei gedacht? Wollen sie, dass ich sie aus Versehen umbringe?"
Nachdem Hermine nicht reagierte und ihm weiter den Rücken zukehrte, lief er ihr nach, packte sie an den Schultern und drehte sie unsanft herum.
„Antworten sie mir gefälligst, sie dumme Göre", schrie er und schüttelte sie unsanft.
„Was haben SIE sich dabei gedacht, mir zu drohen, sie Mistkerl?", brüllte Hermine ebenso laut und stieß sich mit beiden Händen an seiner Brust ab um sich aus seinem Griff zu befreien – allerdings ohne Erfolg – was sie in leichte Panik versetzte, zumal er aufgrund ihrer Attacke noch kräftiger zupackte.
Einen Moment lang dachte Hermine, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen, aber schließlich schien Snape sich wieder unter Kontrolle zu haben und er ließ sie abrupt los.
„Was bringt sie auf den absurden Gedanken, ich hätte ihnen gedroht?", sagte er kalt.
„Wollen sie das etwa abstreiten?", keifte Hermine, beflügelt von dem Gefühl, dass sie Snape, den Schrecklichen, angebrüllt hatte und trotzdem noch unter den Lebenden weilte.
„Ich habe es nicht nötig, irgend etwas abzustreiten", stellte er klar.
„Sie haben vorhin auf dem Flur gesagt...", begann Hermine, „sie sagten...". Was genau hatte er eigentlich gesagt – genau genommen nichts, woraus sich bei näherer Betrachtung ein Strick drehen ließ.
Und das wusste er genau, dieser verdammte Bastard, der mit verschränkten Armen dastand, die Augenbrauen in seiner unnachahmlichen Art hochgezogenen, auf sie herabsah und darauf zu warten schien, dass sie sich weiter lächerlich machte.
„Ich werde das besser nicht mit ihnen, sondern mit Direktor Dumbledore besprechen", spielte sie ihren letzten Trumpf aus.
„Tun sie das, Miss Granger, gehen sie petzen", sagte er gelassen. „Vorhin hatte ich zwar einen Moment lang den Eindruck, sie hätten genug Mut, um sich selbst zu verteidigen – aber was versteht ein Mistkerl wie ich schon von solchen Dingen."
„Vielleicht, soviel wie dumme Gören von angedeuteten Drohungen?", fragte Hermine und sah ihn scharf an.
„Das wäre gut möglich", schmunzelte Snape.
„Aber versprechen sie mir eines, Miss Granger", sagte er dann wieder in ernstem Ton, „erschrecken sie mich nie wieder so, wie vorhin mit der Tür. Sie haben wirklich Glück gehabt, dass ich ihnen keinen Fluch verpasst habe."
„Aber Professor", sagte Hermine schnippisch, „das wäre doch eine günstige Gelegenheit gewesen, mich ein für alle mal los zu werden.
„Das trauen sie mir also zu", rief Snape und sah sie entsetzt an.
Hermine war betroffen. Hatte sie tatsächlich seine Gefühle verletzt? Wenige Sekunden später wurde ihre unausgesprochene Frage beantwortet.
„Wenn ich sie loswerden wollte, und - unter uns - ich tendiere tatsächlich dazu, das zu wollen", sagte er mit seiner samtigsten Stimme, „würde ich es mir sicher nicht so einfach machen – das wäre einfach nicht mein Stil, kleine Miss Schlaumeier, und außerdem würde es uns beiden doch den ganzen Spaß verderben."
Nach diesen Worten ließ er, die entrüstet nach Luft schnappende Hermine einfach sehen, und ging hinter das Lehrerpult.
„Kommen sie her, Miss Granger, und genießen sie den Anblick des Klassenzimmers aus dieser, für sie neuen Perspektive", sagte er in einem völlig neutralen Ton und mit gleichmütiger Mine. „Und dann wird es Zeit, dass wir uns dem eigentlichen Grund unseres Hierseins zuwenden, bevor der Vormittag vorüber ist".
Die nächste Stunde verbrachten sie ohne weitere Zwischenfälle bei einem ausschließlich fachbezogenen Gespräch, über den Zaubertränke-Unterricht. Hermine empfand Snapes professionelle, sachliche Vorgehensweise als sehr wohltuend, konnte sich allerdings nicht völlig entspannen, da sie ständig einen neuerlichen verbalen Seitenhieb erwartete.
Als sie mit der Übergabe des Unterrichtsraumes und des angrenzenden Vorratslagers fertig waren betraten sie das daneben liegende Labor.
„Das Labor dürfen sie natürlich als Lehrerin für Zaubertränke auch benutzen", sagte Snape, für Hermines Geschmack, etwas zu gönnerhaft.
„Wenn ich Albus richtig verstanden habe", sagt sie spöttisch, „ist das ab sofort MEIN Labor, und sie dürfen es hin und wieder als Gast benutzen, um – wie nannte er es gleich, ach ja - herumzupanschen.
Er funkelte sie wütend an und wollte gerade zu einer Antwort ansetzen als sie abwehrend die Hände hob.
„Schon gut, Professor, ich würde ihre Arbeit selbstverständlich nie so bezeichnen", sagte sie versöhnlich. „Ich habe dem Direktor bereits gesagt, das wir sicher eine, für beide Seiten zufriedenstellende, Lösung bezüglich der Benutzung des Labors finden werden."
„Die haben wir schon gefunden", sagte Snape ätzend, „wenn ich drinnen bin, bleiben sie draußen!"
„Das würde ihnen so passen", zischte Hermine angriffslustig. „Ich werde mir doch von ihnen nicht den Zutritt zu meinem eigenen Labor verbieten lassen. „Apropos Zutritt: Sie haben doch alle Bannsprüche aufgehoben, die auf den Eingängen lagen?"
Hermine musterte ihm misstrauisch. „Ich möchte an meinem ersten Arbeitstag nicht in die Verlegenheit kommen, irgend einen Raum nicht betreten zu können, und das vor meinen Schülern, weil ich das entsprechende Passwort nicht kenne."
„Sie müssen einem aber auch jeden Spaß verderben, Granger, ich hatte mir schon so schön ausgemalt, wie sie umringt von einer Horde hämisch kichernder Schüler vor dem Zaubertränke-Klassenzimmer stehen, verzweifelt ein Passwort nach dem anderen ausprobieren und schließlich, weil ihnen kein anderer Ausweg bleibt, angekrochen kommen und mich demütig um Einlass anbetteln", sagte er enttäuscht.
„Also wirklich...", begann Hermine entrüstet.
„Für wie primitiv halten sie mich eigentlich?", unterbrach Snape sie kopfschüttelnd. „Nur noch das Labor ist mit einem Bann belegt, aber wenn sie versprechen GANZ brav zu sein, verrate ich ihnen vielleicht das Passwort."
„Wie können sie es wagen, so mit mir zu reden", schnaubte Hermine wütend.
„Nun plustern sie sich mal nicht so auf, Gnädigste", grinste Snape, „das war natürlich nur ein kleiner Scherz."
„Aufplustern kann mir doch nicht schaden", giftete Hermine ihn an; „wo ich doch so schrecklich dünn bin."
„Sie sollten nicht alles immer so tragisch nehmen, Miss Granger, schließlich sind sie doch jetzt erwachsen - mehr oder weniger", sagte Snape amüsiert.
„Ich bin erwachsen, und bitte – hören sie auf, mich andauernd MISS Granger zu nennen. Ich habe einen Professorentitel, genau wie sie", sagte Hermine erbost.
„Sein sie nicht albern, MISS Granger, sie haben noch nicht eine Minute unterrichtet", entgegnete Snape. „Die Anrede Professor müssen sie sich in meinen Augen erst noch verdienen. Und was soll das überhaupt heißen: genau wie ich? Sie Frischling wollen sich doch nicht allen Ernstes mit mir auf eine Stufe stellen?"
Er sah sie an, als würde er sich echte Sorgen über ihren Geisteszustand machen.
„Sie arroganter, selbstgefälliger...", Hermine fehlten vor Zorn die Worte.
„Na was denn?", raunte er, „Mistkerl? Sie sollten sich lieber etwas neues einfallen lassen, sonst wird's langweilig. Na los – trauen sie sich!"
„BASTARD!", fauchte Hermine. „Das war es, was ich eigentlich sagen wollte – aber das darf ich natürlich nicht einmal denken, weil sie ja SO viele Stufen über mir stehen."
Sie war außer sich vor Wut. Die Hände hatte zu Fäusten geballt, und ihre Bernsteinaugen, die zu schmalen Schlitzen verengt waren, funkelten bedrohlich.
Snape trat einen Schritt zurück und betrachtete sie nachdenklich. „Auch wenn ich jetzt Gefahr laufe, ein Klischee zu bedienen - eines muss man ihnen lassen", sagte er anzüglich grinsend, „sie sehen wirklich entzückend aus, wenn sie sich so echauffieren."
„Sie chauvinistischer Schweinehund!", keuchte Hermine.
„Wow, das wird ja immer besser", sagte Snape anerkennend, „aber ich würde ihnen raten, sich nun ein wenig zu mäßigen, denn – wenn man sie so herumzicken hört, könnte man erhebliche Zweifel an ihrer angeblichen Professionalität bekommen."
Mit Genugtuung beobachtete er, wie die vor Wut zitternde jung Frau sich verzweifelt bemühte tief durchzuatmen, um ihre Emotionen wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen. Es war tatsächlich fast immer noch so leicht wie früher, sie zu demütigen und das Beste daran war, dass sie nicht mehr um jeden Preis versuchte, ihre Gefühle zu verbergen. Die kleine Miss Alleswisserin probte doch tatsächlich den Aufstand – das versprach äußerst interessant zu werden.
„Wenn sie sich dann soweit beruhigt haben, könnten wir in mein – pardon – in IHR Büro hinübergehen und die Lehrpläne besprechen", schlug Snape vor.
Hermine folgte im schweigend, als er ohne ihre Zustimmung abzuwarten vorausging.
„Ich übergebe ihnen, wenn sie das wollen, auch meine Aufzeichnungen über den jeweiligen Wissenstand der verschiedenen Jahrgangsstufen", sagte er, als sie vor dem Büro angekommen waren, „ oder besser gesagt: den Wissensstand der eigentlich vorhanden sein müsste, wenn ich nicht hauptsächlich Schwachköpfe unterrichtet hätte."
„Haben sie schon einmal daran gedacht, dass diese Wissenslücken vielleicht von der immensen Angst herrühren könnten, die der Großteil der Schüler vor ihnen hat?", fragte Hermine aufgebracht.
„Unfug!", konterte Snape. „Sie hatten auch große Angst vor mir – und sie haben trotzdem immer alles gewusst, meistens sogar mehr, als ihnen gut tat."
„Was soll das denn schon wieder...", begann Hermine genervt, doch dann wurde ihre Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen: Eine Katze war beim Betreten des Raumes mit durch die Tür geschlüpft – weiß, zierlich, mit schwarzen Beinen, die sie aussehen ließen, als hätte sie Stiefel an, einem schwarz-grau geringeltem Schwanz und einem schwarzen Fleck, der das rechte Auge weitläufig umrahmte.
„Ist das ihre Katze?", fragte sie erstaunt.
„Ja!", sagte Snape knapp, als wäre ihm das Thema unangenehm.
„Aber sie ist ja gar nicht...", begann Hermine zögernd.
„Was?", unterbrach er sich unwirsch. „So bösartig wie ich?"
„...schwarz!", sagte Hermine belustigt.
„Was für eine umwerfende Logik, Miss Granger", stöhnte Snape und verdrehte die Augen. „Ich habe mir diese Katze nicht ausgesucht, sondern sie mich, und es hat das Tier scheinbar nicht gestört, dass ich nicht schwarz-weiß gefleckt bin."
„Das würde aber bestimmt mindestens so entzückend aussehen, wie ich, wenn ich mich – wie war das noch – echauffiere", flötete Hermine und grinste ihn frech an.
„Miss Granger!", sagte Snape tadelnd, doch seine Mundwinkel zuckten verdächtig. „Sie sind wirklich anstrengend – fast wünsche ich mir die duckmäuserische kleine alles-richtig-Macherin, die sie früher waren, wieder zurück."
„Das können sie vergessen!", sagte Hermine salopp und machte es sich in dem Sessel hinter ihrem neuen Schreibtisch bequem.
Snape, der schon auf dem Weg zu eben diesem Sessel gewesen war, sah sie an, als wollte er sie unsanft von seinem jahrelangen Stammplatz verscheuchen, besann sich dann aber eines Besseren und nahm, ihr gegenüber, auf dem Besucherstuhl Platz.
„Wenn es ihnen nicht all zu viel ausmacht, können wir jetzt wieder zum fachlichen Teil übergehen", sagte er und mit einem Schlenker seines Zauberstabs landete ein dickes Bündel übereinandergestapelter Pergamente mit einem klatschenden Geräusch vor Hermine auf dem Tisch. „Diesen Aufzeichnungen können sie entnehmen, wie weit letztes Schuljahr der Unterrichtsstoff jeweils in den Klassen durchgenommen wurde", erklärte er.
„Der diesjährige Abschlussjahrgang ist dem Lehrplan ein wenig voraus, die künftigen Zweitklässler von Ravenclaw und Hufflepuff hinken ein bisschen hinterher und die Kombination aus Gryffindor und Slytherin in der jetzigen sechsten Jahrgangsstufe ist schlichtweg eine Katastrophe."
„Danke, Professor", sagte Hermine, die interessiert in den Unterlagen geblättert hatte, aufrichtig, „ihre Protokolle werden mir sicher eine wertvolle Hilfe sein – es ist wirklich sehr nett von ihnen, sie mir zur Verfügung zu stellen."
Sie sah lächelnd zu ihm auf und stutzte – die Katze war auf den Schoß ihres Herrn gesprungen und forderte dort, mit einigem Nachdruck, Streicheleinheiten ein. Sie bohrte ihren Kopf hingebungsvoll, mit geschlossenen Augen, in seine Handfläche und schnurrte so intensiv, das ihr ganzer Körper zu vibrieren schien.
Und Snape, den der Überfall der Kleinen nicht zu stören schien, schaute liebevoll auf seine Katze herab – ein Gesichtsausdruck, an den sich Hermine aus ihrer Schulzeit, im Zusammenhang mit dem Zaubertränkemeister, beim besten Willen nicht erinnern konnte.
Fasziniert beobachtete sie, wie seine langen, eleganten Finger immer wieder zärtlich durch das Fell der Katze fuhren, doch er schien sich ihrer gespannten Aufmerksamkeit nicht bewusst zu sein.
Dumbledores Worte gingen ihr durch den Kopf: „...er hat sogar seine Katze nach ihnen benannt – er mag diese Katze wirklich gern."
„Warum können sie zu mir eigentlich nicht auch so nett sein, wie zu meiner Namens-Kollegin?", seufzte Hermine leise.
Snape sah sie einen Moment lang argwöhnisch an.
„Ach so – Albus hat wieder mal zuviel geplappert", sagte er dann angewidert, „Er weiß den Namen selbst nur deshalb, weil er mich einmal, unter Verwendung einiger der besten Flaschen aus seinem persönlichen Weinvorrat, zum sprechen gebracht hat", fügte er erklärend hinzu.
„Sie wollen also, dass ich zu ihnen genauso nett bin, wie zu Hermine, der Katze?" Er sah sie belustigt an und seine Augenbrauen erreichten schwindelerregende Höhen. „Wo möchten sie den gerne gekrault werden? – Vielleicht kann ich es ja irgendwie einrichten!"
Hermine spürte, wie ihr die Röte unaufhaltsam ins Gesicht stieg und senkte beschämt ihren Kopf.
„So habe ich das natürlich nicht gemeint", murmelte sie verlegen, „sie haben doch nicht wirklich gedacht..., ich wollte nicht, dass..."
Snape lachte leise. „Sie sollten das nächste mal lieber nachdenken, BEVOR sie den Mund aufmachen", sagte er mit seiner angenehmsten Samtstimme.
Hermine strich sich mit beiden Händen die Haare aus der Stirn und lugte dabei vorsichtig durch ihre gespreizten Finger hindurch zu ihm hinüber.
Er sah sie mit seinen schwarzen Augen unverwandt an, während er immer noch die Katze streichelte, und sein unverschämt amüsierter Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, wie sehr er diese, für Hermine äußerst peinliche Situation, genoss.
Nachdem ihr klar war, dass sie sich nicht ewig so verstecken konnte, nahm Hermine resignierend die Hände vom Gesicht und sah ihn ebenfalls an.
„Bitte, Professor Snape", sagte sie leise, „sie wissen, dass ich es nicht so gemeint habe."
Er sah sie fragend an und legte den Kopf leicht auf die Seite, als ob er auf weitere Erklärungsversuche von ihrer Seite warten würde.
„Warum haben sie ihre Katze eigentlich Hermine genannt?", fragte sie schließlich nach einer Weile.
Endlich nahm er seinen durchdringenden Blick von ihr und sah seine Katze an, die sich völlig entspannt, auf seinen Oberschenkeln ausgestreckt, genüsslich den Bauch kraulen ließ.
„Wie ich vorhin schon sagte - sie ist mir zugelaufen. Ich wollte eigentlich keine Katze, besser gesagt – ich wollte überhaupt kein Haustier. Aber dieses kleine eigenwillige Wesen war aus mir unerklärlichen Gründen entschlossen, bei mir einzuziehen. Ich habe alles mögliche versucht, um meinen ungebetenen Gast wieder los zu werden – aber so oft ich sie auch vor die Tür setzte, beschimpfe oder sogar verjagte – sie hat sich nicht entmutigen lassen. Letztendlich habe ich nachgegeben und seitdem teile ich meine Wohnung mit dieser durchaus angenehmen Mitbewohnerin."
Snape hob den Kopf und sah Hermine mit einem undefinierbaren Blick an.
„Es war diese unglaubliche Hartnäckigkeit", fuhr er fort, „die mich stark an eine gewisse Schülerin erinnert hat, und so benannte ich die Katze nach ihr. Immerhin konnte ich nicht ahnen, dass sie als Lehrerin hierher zurückkehren – und ebenso wenig, dass unser verehrter Schulleiter mich bei ihnen verpfeifen würde. Ich hoffe, sie verübeln mir diese Namensgebung nicht allzu sehr."
„Nein..., ich glaube, ich werte das einfach mal als ähm,... Kompliment", sagte Hermine unsicher, da sie nicht so recht wusste, wie sie mit diesem unerwarteten Ehrlichkeitsanfall umgehen sollte.
„Tun sie das, aber erzählen sie es bloß nicht weiter – das würde mein mühsam erarbeitetes Image beschädigen", schnarrte Snape. „Und jetzt sollten wir lieber wieder hoch gehen in die große Halle, Miss Granger – sie müssten eigentlich wieder Hunger haben!"
