An diesem Nachmittag sollten die Schüler eintreffen und ganz Hogwarts schien sich darauf vorzubereiten.
Hermine hatte sich bereits in ihrem neuen Büro eingerichtet. Auch der Unterrichtsraum und das angrenzende Lager warteten nur noch darauf, von den ersten Schülern heimgesucht zu werden.
Am frühen Nachmittag beschloss sie, nachdem ihr absolut nichts mehr einfiel, dass noch erledigt werden könnte, eine Weile spazieren zu gehen.
Sie schlenderte ziellos über das Gelände und schwelgte in Erinnerungen an ihre Schulzeit. Die sieben Jahre, die sie auf Hogwarts verbracht hatte, gehörten zweifellos zu den prägendsten ihres Lebens.
Der Gedanke dass die Schüler heute ankommen würden, erfüllte sie mit freudiger Erregung. Sie brannte regelrecht darauf, ihre Ideen im Zaubertränke-Unterricht in die Tat umzusetzen.
Auf dem Rückweg traf sie auf Mister Wishmope, der die Boote kontrollierte, mit denen die Erstklässler traditionsgemäß über den See transportiert würden. Er war gerade mit seiner Inspektion fertig geworden und beeilte sich, Hermine ins Schloss zurück zu begleiten. Das Gespräch, dass sie dabei führten, war ein relativ einseitiges. Der Hausmeister ging auf Hermines Versuch, sich zu unterhalten nur mit sehr einsilbigen Beiträgen ein, starrte sie jedoch die ganze Zeit verzückt an.
Als sie die Eingangshalle betraten, trafen sie auf Professor Snape, der gerade die Treppe herunterkam.
Hermine hatte ihn seit dem Zusammenstoß der vorigen Nacht nicht mehr gesehen, da er zu den Mahlzeiten nicht erschienen war. Der Gedanke an das heftige Gefecht, dass sie sich gestern Nacht mit ihm geliefert hatte, war ihr bei Tageslicht eher unangenehm. Sie beschloss, dass der Versuch, als Widergutmachung etwas höfliche Konversation zu betreiben, nicht schaden könne.
„Guten Tag Professor Snape", sagte sie und nickte ihm freundlich zu.
Sie wurde umgehend belohnt mit den üblichen hochgezogenen Augenbrauen in Kombination mit einem fragenden Blick.
„Miss Granger", sagte er, in ebenso freundlichem Ton wie sie, „haben sie ihren gestrigen Alkoholexzess schadlos überstanden?"
„Müssen wir uns das wirklich schon wieder antun?", seufzte Hermine.
„Sie werden doch verstehen", sagte Snape, „dass ich besorgt bin, wenn eine so begabte, junge Kollegin beschließt, sich des Nachts die Gehirnzellen wegzusaufen."
„Wie überaus fürsorglich von ihnen, Professor", sagte Hermine genervt.
Der Hausmeister, der einen Schritt zurückgeblieben war, fast so, als wolle er einen Sicherheitsabstand zwischen sich und Snape halten, starrte sie immer noch gebannt an.
„Sie sollten darauf achten, dass ihnen die Augen nicht aus dem Kopf fallen, Wishmope", sprach Snape ihn an. „Sicher haben sie noch irgendwo ein paar Pokale zu polieren, oder ähnliches – lassen sie sich nicht aufhalten!"
Und tatsächlich, nach einem letzten schmachtenden Dackelblick auf Hermine, trollte sich „Ernie", der einen beachtlichen Respekt vor dem Professor zu haben schien, völlig widerspruchslos.
Nachdem sie nun allein mit Snape in der Halle stand, beschloss Hermine, einmal eine völlig andere Tour bei ihm zu versuchen.
„Ich verstehe ja, dass sie wegen gestern Nacht noch etwas sauer auf mich sind", sagte sie mit einschmeichelnder Stimme und einem gekonnten Augenaufschlag. „Können sie mir noch einmal verzeihen?"
„Miss Granger", sagte er samtig und sah ihr tief in die Augen, „wenn sie glauben, mich mit ihrem zugegebenermaßen charmanten Gesülze einwickeln zu können, sind sie gewaltig auf dem Holzweg."
„Einen Versuch war es wert", sagte Hermine achselzuckend wandte sich ab und begann die Treppe hinaufzusteigen.
„Auf so ein schlichtes Gemüt wie unseren Hausmeister scheinen ihre Reize allerdings eine geradezu magische Anziehungskraft auszuüben", ertönte seine spöttische Stimme hinter ihr.
„Mister Wishmope scheint, im Gegensatz zu so manch anderem – ich will hier keine Namen nennen - ein sehr netter, höflicher junger Mann zu sein", bemerkte Hermine spitz und schaute auf ihn herunter.
„Aber natürlich ist er das", versicherte Snape, „wenn sie Männer bevorzugen, die den Intelligenzquotienten eines Bettvorlegers besitzen."
„Sie bevorzugen scheinbar Frauen mit ebensolchen Attributen", giftete Hermine ohne groß darüber nachzudenken, was sie da von sich gab, „Hauptsache sie sind nicht zu dünn!"
„Miss Granger! Ich bin äußerst erstaunt, worüber sie sich Gedanken machen", sagte Snape tadelnd, mit einem hinterhältigen Grinsen.
Hermine, die nicht verhindern konnte, dass sie schon wieder rot anlief, drehte sich schnell um, in der Hoffnung, dass er es nicht gesehen hatte und stieg fluchtartig die Treppe hinauf. Verdammt! Sie musste endlich damit aufhören, diesem Dreckskerl immer selbst neue Munition zu liefern.
Ein paar Stunden später wimmelte das Schloss von Schülern. Die Älteren füllten allmählich die große Halle, während die Erstklässler sich aufgeregt vor dem Eingang drängten, wo sie von Professor McGonagall in der ihr eigenen strengen Art unterwiesen wurden.
Als sich schließlich alle an ihren Plätzen befanden, begann die Einführungsfeier mit der Hutzeremonie.
Hermine beobachtete von ihrem Platz am Lehrertisch aus gerührt die neuen Schüler, die ängstlich auf die Entscheidung des Hutes warteten und danach, mehr oder weniger erleichtert zum jeweiligen Tisch des ausgewählten Hauses gingen, wo sie mit regem Applaus empfangen wurden.
Nachdem alle Erstklässler auf die Häuser verteilt worden waren erhob sich der Direktor von seinem Platz, breitete die Arme aus und lächelte strahlend in die Runde.
„Willkommen in Hogwarts, liebe Erstklässler! Schön, dass ihr wieder da seid, alle Anderen!", sagte er und seine Stimme hallte magisch verstärkt durch den großen Raum. „In diesem Jahr wird es Veränderungen bei zwei Unterrichtsfächern geben.", fuhr er fort. „Zum einen steht wieder einmal ein Wechsel des Lehrers bei Verteidigung gegen die dunklen Künste an."
Ein leichtes Raunen ging durch die Menge und einige reckten die Köpfe um am Lehrertisch eventuell neue Professoren ausmachen zu können.
„Ich freue mich, euch mitteilen zu können, dass ich endlich Professor Snape überzeugen konnte, diese Stelle zu übernehmen", sagte Dumbledore über das ganze Gesicht grinsend und zwinkerte Snape zu, der ihn, aufgrund dieser Tatsachenverdrehung empört anfunkelte, bevor er seinen üblichen verachtenden Blick über die Schülerschar schweifen ließ, aus deren Mitte jetzt deutlich empörtes Getuschel und nicht wenige verzweifelte Seufzer zu hören waren.
Als sich das aufgeregte Gemurmel wieder einigermaßen beruhigt hatte und auch der verhaltene Beifall verstummt war, den die Schüler aus Slytherin ihrem Hauslehrer gespendet hatten (sowie einige Schüler anderer Häuser, die naiv genug waren sich davon einen Vorteil zu erhoffen und diejenigen unter den Neuen, die keine Ahnung von Snape´s Ruf hatten), fuhr Dumbledore mit seiner Rede fort.
„Zum Zweiten entzückt es mich geradezu", sagte er und warf Hermine einen herzlichen Blick zu, „ihnen unsere neue Lehrerin für Zaubertränke vorstellen zu dürfen: Hogwarts ehemalige Schulsprecherin und eine von mir sehr geschätzte junge Dame – Professor Hermine Granger."
Nun brach tosender Applaus in der Halle los, denn Hermine war, aufgrund ihrer engen Verbindung zu Harry Potter, den meisten Zaubererfamilien durchaus bekannt.
Lächelnd blickte Hermine auf die Schüler die sie ab morgen unterrichten sollte und nickte dann dem Direktor freundlich dankend zu.
„Lasst uns mit dem Bankett beginnen", rief Dumbledore strahlend und die Tische füllten sich wie immer mit kulinarischen Köstlichkeiten.
Später am Abend, als die Schüler bereits längst in ihre Unterkünfte waren, und hoffentlich friedlich schlummerten, betrat Hermine ihre magische Treppe und ließ sich in ihr Büro im Kerker transportieren. Sie wollte sich noch einmal versichern, dass für den morgigen Tag alles bereit lag. Als sie die Bücher auf dem Schreibtisch, ungefähr zum zehnten mal an diesem Tag, kontrolliert hatte, ging sie hinüber in den Unterrichtsraum.
Während sie langsam durch die Bankreihen nach vorne, zum Lehrerpult schlenderte, strich sie sanft mit den Fingern über einige der Tische, an denen sie selbst als Schülerin so viele Stunden verbracht hatte.
Ihre Gedanken schweiften zurück zu dem Tag, als sie das erste Mal in diesem Raum gesessen hatte und von Snapes berüchtigtem, spektakulären Auftritt ziemlich verängstigt gewesen war.
Hinter dem Lehrerpult angekommen, rückte sie zum wiederholten mal die dort bereitliegenden Unterlagen zurecht und summte dabei vor sich hin. Dieses Summen hörte sich irgendwie gut an, wie es von den Wänden des leeren Gewölbes wiederhallte. Hermine war noch nie aufgefallen, wie gut die Akustik in diesem Raum war – kein Wunder – bis vor Kurzem hätte auch nie jemand Lust verspürt in Snapes Kerker zu singen – eine durch und durch absurde Vorstellung. Ihr Summen wurde immer lauter und schließlich sang sie das erstbeste Lied, dass ihr in den Sinn kam.
„And aiiiiiaiiiiaii will allways love youuuu-uuuuu-uu...", schmetterte Hermine und stellte sich mit halbgeschlossenen Augen in entsprechend dramatische Positur.
„Wer ist denn der Glückliche, den sie ewig lieben werden?", wurde sie aus ihrer Darbietung gerissen von der Stimme, die in ihrer Erinnerung untrennbar mit diesem Raum verbunden war.
Snape lehnte mit verschränkten Armen lässig im Türrahmen und beobachtete sie.
„Ich hoffe für sie, es ist nicht unser geistig minderbemittelter Pokal-Polierer", bohrte er weiter.
„Das würde sie ja wohl überhaupt nichts angehen", bemerkte Hermine spitz, der es sehr peinlich war, beim Singen belauscht worden zu sein.
„Nein, aber es wäre trotzdem eine schreckliche Verschwendung, wenn sich eine intelligente Frau wie sie, an einen Idioten verschleudert", sagte Snape leidenschaftslos.
„Sollte das wieder eines ihrer seltsamen Komplimente gewesen sein", fragte Hermine zweifelnd.
„Das war nur die Wahrheit!", schnarrte Snape. „Wollen sie morgen ihren Schülern die Zaubertrankrezepte vorsingen?"
„Die Idee ist vielleicht gar nicht so schlecht", grinste Hermine, „und es wäre eine Abwechslung, zu dem nicht ganz so freundlichen Ton, der hier die letzten Jahre geherrscht hat."
„Dann sollten sie lieber noch ein wenig üben", meinte Snape trocken und wandte sich ab. „Gute Nacht, Miss Granger."
„Ich wünsche ihnen einen guten Anfang, morgen, in Verteidigung", sagte Hermine.
Bereits auf dem Flur, drehte er sich noch einmal zu ihr um.
„Sie sollten mir lieber wieder angenehme Träume wünschen", sagte er und lächelte erneut sein Wolfslächeln, „das hat gestern richtig gut gewirkt."
„Wieso, wovon haben sie denn geträumt", fragte Hermine überrascht.
„Von ihnen!", sagte er mit seiner Gänsehaut-Stimme.
„Von mir?", rief sie und sah in entgeistert an. „Was haben sie von mir geträumt?"
„DAS wollen sie gar nicht wissen, Miss Granger", sagte Snape grinsend und ließ seine neue Kollegin, im Korridor verschwindend, allein mit ihrer Fassungslosigkeit.
Am Morgen des nächsten Tages stand für die siebte Jahrgangsstufe Zaubertränke auf dem Stundenplan. Da im letzten Jahr nicht mehr alle Schüler das Fach belegten, gab es nur eine Zaubertränke-Abschlussklasse, die aus Angehörigen aller vier Häusern bestand.
Die Schüler hatten sich bereits im Unterrichtsraum verteilt und warteten gespannt auf das Eintreffen der neuen Lehrerin als plötzlich die halboffene Tür ganz aufgerissen und gegen die Wand gedonnert wurde.
Mit einem äußerst grimmigen Gesichtsausdruck und wehendem Umhang marschierte Professor Granger durch die Bankreihen nach vorne zum Lehrerpult, wo sie sich mit einem Ruck umdrehte und das Buch, dass sie in der Hand hatte, heftig auf die Tischplatte knallte.
Danach war es mucksmäuschenstill im Raum und die Schüler starrten die Zaubertrankprofessorin erschrocken und fassungslos an.
„Da sind sie also", sagte Professor Granger leise aber deutlich, „um ihre Fähigkeiten in der schwierigen Wissenschaft und exakten Kunst der Zaubertrankbrauerei zu vervollkommnen."
Sie machte eine kleine Pause und verschränkte, in einer den Schülern nur allzu gut bekannten Manier, die Arme vor der Brust.
„Ihnen ist hoffentlich klar, dass ich albernes Zauberstabgefuchtel hier nicht dulden werde", sagte sie drohend und schickte einen bitterbösen Blick durch die Reihen.
Die Schüler wagten kaum zu atmen. Keiner sagte ein Wort.
„Es ist nicht jedem gegeben, die Schönheit einer schimmernden Flüssigkeit, die leise im Kessel brodelt, zu erkennen", fuhr die Lehrerin eindringlich fort, „und ebenso wenig, die Macht der Flüssigkeiten zu begreifen, die durch menschliche Venen kriechend, die Sinne betören und den Kopf verhexen."
Wieder ließ sie ihren scharfen Blick über die gebannte Schülerschar schweifen.
„Bei mir könnt ihr unter anderem lernen, wie man zum Beispiel Rum in Flaschen füllt, ansehnliche Cocktails zusammenmixt und das ganze todsicher verkorkt – sofern ihr kein großer Haufen Langweiler seid", sagte Hermine und ihre Mundwinkel wanderten unaufhaltsam nach oben bis sie schließlich den Kopf in den Nacken legte und in schallendes Gelächter ausbrach. „Das wollte ich schon lange einmal tun!", keuchte sie.
Die Mehrzahl der Schüler begann nun zu kichern, aber einige sahen die neue Professorin immer noch verdutzt an.
Diese begab sich zu einem Tisch in der vordersten Reihe, der nicht belegt war, setzte sich darauf, schlug mit einer anmutigen Bewegung die Beine übereinander und lächelte charmant in die Runde.
„Ich wollte ihnen nur den Übergang erleichtern", erklärte sie freundlich, „denn den Unterrichtsstil, den sie seit sechs Jahren in diesem Fach gewohnt sind, wird es in ihrem letzten Jahr nicht mehr geben. Sie werden sich umstellen müssen auf: Zaubertränke – ohne Angst im Nacken. Meinen sie, sie werden das hinkriegen?"
Langsam kam Leben in die Schüler – es wurde eifrig genickt und von mehreren Seiten versichert, dass dies überhaupt kein Problem wäre. Alle schienen mächtig erleichtert zu sein, dass Professor Granger die snape´schen Traditionen doch nicht fortzusetzen gedachte.
Im Laufe der restlichen Stunde ließ sich Hermine von ihren Schülern über die vergangenen sechs Jahre berichten und erzählte im Gegenzug von ihrer eigenen Schulzeit.
Sie vergaß auch nicht, zu erwähnen, dass Professor Snape ein absoluter Meister seines Fachs war, dass sie trotz aller Widrigkeiten, bei ihm mehr gelernt hatte, als sie es vermutlich bei jedem anderen getan hätte und dass nicht zuletzt seine Hingabe an die Kunst der Zaubertrankbrauerei sie dazu bewogen hatte, die selbe Fachrichtung einzuschlagen.
Sie äußerte auch die Überzeugung, das Snape den Schülern in Verteidigung gegen die dunklen Künste ebensoviel würde beibringen können und hob dabei seine tragende Rolle im Kampf gegen Voldemort hervor. Teilweise löste dies bei ihrer Klasse widersprüchliches Gemurmel aus, da Snape auch nach Bekantwerden seiner Spionagetätigkeit, in manchen Kreisen immer noch nachgetragen wurde, dass er ein Todesser gewesen war.
Hermine gab auch zu bedenken, dass der gefürchtete Professor in Verteidigung womöglich ein wenig umgänglicher wäre, nachdem er dieses Fach schon immer hatte unterrichten wollen und die Schüler hier eventuell etwas interessierter wären, als er das vom Zaubertrankunterricht her gewohnt war.
Diese Prognose sollte sich jedoch schon bald als glatte Fehleinschätzung herausstellen.
Snape schaffte es innerhalb von wenigen Tagen, Verteidigung gegen die dunklen Künste zum meistgehassten Fach der Schule mutieren zu lassen.
Als die Abschlussklasse, die sich in Verteidigung aus fast denselben Schülern zusammensetzte wie im Zaubertrankunterricht, das erste mal in den Genuss kam, Unterricht bei Professor Snape zu haben, wurden nicht wenige der Schüler von einem seltsamen De-ja-vue-Gefühl befallen.
Es begann damit, dass die Tür aufkrachte und Snape mit wehendem Umhang hereinrauschte.
„Ich warne sie", zischte er gleich zu Beginn, „wenn sie meinen, hier mit ein wenig albernem Zauberstabgefuchtel ihre Prüfung bestehen zu können, sind sie bei mir falsch. Wenn das der Fall sein solle, wäre es besser, sie legen Verteidigung gegen die dunklen Künste sofort ab. Dilettantismus werde ich auch in diesem Fach keinesfalls dulden."
Er schaute dabei mit derart angewidertem Blick in die Runde, als wären alle Anwesenden äußerst verdächtig, potentielle Versager zu sein.
„Leider wurden sie in den letzten sechs Jahren fast ausschließlich von Dilettanten unterrichtet", fuhr er fort, „so dass es unumgänglich sein wird zunächst einmal ihr Grundwissen zu vervollständigen. Aufgrund der begrenzten Unterrichtszeit, werden sie sich die Theorie hierbei selbst erarbeiten müssen. Bis zur nächsten Stunde fassen sie die ersten drei Kapitel ihres Lehrbuches zusammen. Ich will von jedem von ihnen mindestens zehn Rollen Pergament sehen."
Das Gemurmel, das daraufhin kurzfristig aufbrandete, wurde umgehend mit einem scharfen Blick in Schweigen verwandelt.
„In meinem Unterricht werden sie hauptsächlich die Praxis einüben – und seien sie versichert, sie werden viel zu lernen haben", sagte Snape und sah drohend umher, „ und zwar so intensiv, als säße ihnen der Tod im Nacken."
An dieser Stelle wagte es die äußerst unvorsichtige Schülerin Felicia Marlowe, eine kleine zierliche Gryffindor, ihre Hand zu heben, was Snape zunächst völlig ignorierte. Als sie jedoch ihre Meldung nicht zurückzog, während er begann über die verschiedenen Formen der Verteidigung zu dozieren, sondern auch noch anfing mit der erhobenen Hand herumzuwinken, unterbrach er seinen Vortrag, verschränkte die Arme und sah sie mit einem vernichtenden Blick an.
„Haben sie ein Problem, Miss Marlow?", fragte er scharf.
„Ich wollte nur sagen", meinte Felicia etwas piepsig, „dass wir bei Professor Moleburrow im letzten Jahr schon sehr viel gelernt haben, denn er war ganz bestimmt kein Dilettant."
Nach diesem Statement sah sie Snape trotzig aber auch leicht panisch an, als hätte sie plötzlich Angst vor ihrer eigenen Courrage bekommen.
„Moleburrow, hm?", sagte Snape leise. Er sprach den Namen seines Ex-Kollegen so aus, als wäre er etwas absolut widerwärtiges.
„Der gute Moleburrow hat seine Nase andauernd in uralte Gräber gesteckt und dabei, wie es scheint, zu viele Dämpfe von halbverfaulten Mumien eingeatmet", fuhr Snape fort. „Das hatte bedauerlicherweise erhebliche Auswirkungen auf seinen Geisteszustand."
Felicia, die eine vehemente Anhängerin des archäologiebegeisterten Professors gewesen war, sah Snape entrüstet an.
„Er hat uns alles beigebracht, was wir wissen müssen", beharrte sie trotz Snapes vernichtendem Urteil über seinen Vorgänger. „Es war eine große Ehre, von einem so genialen Gelehrten unterrichtet zu werden", flüsterte sie mit verdächtig feucht glitzernden Augen. Sie schluckte heftig und schaffte es, ihren neuen Professor für Verteidigung herausfordernd anzusehen.
„Und außerdem", brach es aus ihr hervor, „ist es ja gar nicht mehr nötig, die schwierigeren Verteidigungszauber zu beherrschen, seit Vol... sie-wissen-schon-wer tot ist."
Snapes zunächst nur angewiderter Gesichtsausdruck verwandelte sich bei diesen Worten in etwas eindeutig Gefährlicheres.
„So, so, Miss Marlow", sagte er leise, mit einer fast sanften Stimme, aber der Blick den er dem Mädchen zuwarf, ließ die anderen Schüler instinktiv ein Stückchen von ihr abrücken. "Sie meinen also, ihr genialer Leichenfledderer hat ihnen alles beigebracht, was sie über Verteidigungszauber wissen müssen, ja?"
Sie schlug die Augen nieder und blickte stumm auf das Pult vor ihr.
Snape schritt langsam an den vorderen Bankreihen vorbei, bis er vor ihrem Platz angekommen war, stützte die Hände beidseitig auf die Tischkante und starrte nun aus nächster Nähe auf sie herunter.
„Bis wann ungefähr, meinen sie, könnten sie mich mit einer Antwort beehren?", raunte er.
Felicia starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an und öffnete den Mund. „Ich..., ja..., nein...", stammelte sie.
„Nun – sie werden sicher nichts dagegen haben, uns eine Kostprobe von ihren umfassenden Fähigkeiten zu geben." Snape richtete sich auf und kehrte nach vorne, zum Lehrerpult zurück. „Kommen sie zu mir, Miss Marlow!", befahl er.
„Gleich werden wir sehen, was ihnen der durchgeknallte Grabräuber tolles beigebracht hat", sagte Snape hämisch, als Felicia schließlich mit zitternden Beinen vor ihm stand. „Sind sie bereit?"
Sie nickte, umklammerte ihren Zauberstab und sah ihm tapfer in die Augen um den erwarteten Angriff frühzeitig erahnen und abblocken zu können.
Er murmelte etwas unverständliches und ermahnte sie dann, gut aufzupassen.
Aus seinem Zauberstab, den er nicht einen Millimeter bewegt hatte, glitten unterdessen zwei Seile heraus und schlängelten sich, in nur mäßig schnellem Tempo, auf die Schülerin zu, die davon noch nichts bemerkt hatte, da sie noch immer auf einen offensichtlicheren Angriff des Professors wartete.
Als sie, von den nervösen Geräuschen und Blicken ihrer Mitschüler aufmerksam geworden, nach unten blickte war es bereits zu spät. Die Seile fesselten ihre Hände innerhalb von Sekunden mitsamt dem Zauberstab an ihre Oberschenkel, wickelten sich weiter nach oben und stoppten erst kurz vor den entsetzten Augen der Umschlungenen.
Nachdem Snape noch einmal etwas gemurmelt hatte, verbanden sich die beiden Seilenden in Höhe der Schultern zu einer hübschen Schleife.
Zufrieden blickte der Verteidigungs-Professor seine eingewickelte Schülerin an, die sich krampfhaft bemühte das Gleichgewicht zu halten.
„Sie haben gewisse Ähnlichkeit mit einer Mumie", bemerkte er boshaft lächelnd. „Ihr verrückter Gelehrter hätte sicher seine Freude an ihnen."
Felicia schwankte bedrohlich und versuchte verzweifelt ihr Gewicht nach hinten zu verlagern, damit sie wenigstens nicht in die Richtung ihres Feindes kippte. Kurz bevor sie die Balance verlor, hielt Snape sie an den Armen fest, hob sie mühelos hoch und stellte sie so wieder ab, dass sie sich am Lehrerpult anlehnen konnte.
„Nicht, dass sie mir noch umfallen und sich ernstlich verletzen", sagte er.
„Machen sie mich los!", sagte sie kläglich.
„Und jetzt verraten sie uns doch bitte, Miss ich-kann-schon-alles, warum sie sich nicht verteidigt haben", sagte Snape, ihre Aufforderung ignorierend.
„Das war unfair!", schluchzte sie.
„Unfair?", sagte er ungläubig und zog die Augenbrauen hoch. „Ich habe sie vorher gefragt, ob sie bereit sind und dann sogar noch einmal aufgefordert, gut aufzupassen. Das macht ein Angreifer, der ihnen wirklich Übles will in der Regel nicht."
„Sie haben einen ganz gemeinen Trick angewandt", jammerte sie und versuchte vergeblich, sich aus ihren Fessel zu winden.
„Da haben sie recht – es war ein Trick – und zwar ein ziemlich lächerlicher, im Hinblick auf die vielen anderen Möglichkeiten, die ich gehabt hätte. Tatsache ist jedoch, dass sie nicht einmal ansatzweise fähig waren, sich dagegen zu verteidigen."
Er machte eine kleine Pause und sah sie und sah sie bedauernd an.
„Ich hege die starke Befürchtung, Miss Marlowe, dass sie sich selbst gegen eine gewöhnliche, völlig unmagische Muggel-Kakerlake nicht wehren könnten", seufzte er. „Übrigens würde ich an ihrer Stelle nicht so herumzappeln, da sich die Fesseln bei jeder Bewegung automatisch fester zusammenziehen", fügte er warnend hinzu.
„Bitte...", flüsterte Felicia mit panischem Gesichtsausdruck, „bitte binden sie mich doch los."
„Geduld, junge Dame", sagte Snape kalt, „ich will schließlich sicher gehen, dass das, was ich noch zu sagen habe, sie auch ausreichend fesselt."
Er wandte der verzweifelten Schülerin den Rücken zu und baute sich wieder vor der Klasse auf.
„Sind noch andere unter ihnen der Meinung, bereits alle gewöhnlichen Verteidigungszauber perfekt zu beherrschen? Oder teilt sogar noch irgendjemand die naive Anschauung ihrer eingewickelten Mitschülerin, dass es nach Voldemorts Ende niemand mehr nötig hat, noch die Verteidigung gegen die extremen dunklen Flüche zu erlernen?"
Er fixierte mit seinem stechenden schwarzen Blick einen nach dem anderen und nur wenige der Schüler brachten es fertig, die Augen nicht abzuwenden.
„Hören sie mir gut zu", donnerte Snape. „Voldemorts Niedergang bedeutet nicht das Ende des Bösen. Was glauben sie eigentlich, wie viele Zauberer ohne jede Skrupel den Platz des dunklen Lords einnehmen würden, wenn sie die Macht dazu hätten. Das Böse steckt in jedem von uns: in mir – was sicher auch der Dümmste unter ihnen schon vermutet hat, aber auch in jedem von ihnen – was ihnen, in ihrem jugendlichen Größenwahn, bisher entgangen sein dürfte. Jeder trägt eine dunkle Seite in sich und wer das nicht wahrhaben will, ist im Grunde nur feige. Es liegt auch durchaus nicht außerhalb des Möglichen, dass ihnen ein vermeintlicher Freund plötzlich in den Rücken fällt, wenn er durch irgendetwas oder irgendjemanden korrumpiert wird. Auf jeden Fall ist es wichtig, nicht so blauäugig vor sich hin zu dümpeln, wie Miss Mumie hier", er deutete auf das hinter ihm lehnende Mädchen, „sondern auf mögliche Gefahren so gut wie irgend möglich vorbereitet zu sein – und genau das habe ich vor ihnen beizubringen. Hat dazu noch irgendjemand etwas anzumerken?"
Nach einem weiteren scharfen Blick über die eingezogenen Schülerköpfe, wandte sich Snape wieder der gefangenen Felicia zu.
„So, Miss Marlow, ich werde sie jetzt erlösen. Ich hoffe sie haben sich gut eingeprägt, wozu Überheblichkeit führen kann", sagte er und befreite die Schülerin, auf deren Gesicht die Tränen feuchte Spuren hinterlassen hatten, mit einer leichten Bewegung seines Zauberstabes von ihren Fesseln. Zitternd und mit gesenktem Blick stand sie da und rieb sich mit den Handflächen über die Oberarme, als ob sie sich überzeugen wollte, dass die Seile wirklich verschwunden waren.
„Setzen sie sich wieder hin", sagte Snape ruhig und sah ihr nachdenklich hinterher, als sie zu ihrem Platz zurück stolperte.
Danach erklärte er der Klasse, wie man sich gegen die Fesseln verteidigen konnte und ließ sie, einen nach dem anderen zum Üben antreten, wobei er die Seile diesmal wesentlich schneller auf den Weg schickte als vorher. Alle die es nicht schafften, sich rechtzeitig zur Wehr zu setzen, mussten bis zum Ende der Stunde auf ihre Befreiung warten. Die arme Felicia kam somit zum zweiten mal innerhalb kürzester Zeit in den zweifelhaften Genuss, einer Mumie zu ähneln.
Am Ende der Stunde waren sieben Schüler übrig, die es geschafft hatten, den Verteidigungszauber schnell genug anzuwenden. Denen erklärte Snape, durch welchen Spruch die Fesseln wieder gelöst werden konnten, gab ihnen den Auftrag ihre Mitschüler zu befreien, erinnerte alle noch einmal an die zehn Pergamentrollen, die sie bis zur nächsten Stunde abzuliefern hatten, und rauschte hinaus. Zurück lies er einen ziemlich zermürbten Haufen verstörter Schüler, die sowie er aus dem Raum verschwunden war, heftig zu schimpfen anfingen.
So kam es, dass Hermine, welche die Zaubertränke-Abschlussklasse in den darauffolgenden zwei Stunden unterrichten sollte, ihre Schüler aufgelöst, und um die von heftigen Schluchzern gebeutelte Felicia herumsitzend, vorfand als sie den Unterrichtsraum im Kerker betrat.
Sie ließ sich von den Vorfällen in Verteidigung gegen die dunklen Künste berichten und versuchte danach ihr Bestes, um die aufgeregten Siebtklässler wieder zu beruhigen.
„Felicia", sagte sie und streichelte der völlig fertigen Schülerin behutsam über den Rücken, „ich weiß genau, wie sie sich jetzt fühlen – ich habe das oft genug selber mitgemacht – und ich kann ihnen nur einen guten Rat geben: Provozieren sie Professor Snape nicht mehr unnötig. Wenn sie sich unauffällig verhalten und ihre Sache so gut wie möglich machen, haben sie einigermaßen gute Chancen, dass er sie in Zukunft in Ruhe lässt."
Als die Schüler sich weitgehend abgeregt hatten versuchte Hermine, den Rest der Doppelstunde noch für ihr Fach zu nutzen und einen Trank herzustellen, was aber nicht von übermäßigem Erfolg gekrönt war, da die Mehrheit ihrer Schützlinge ziemlich unkonzentriert arbeitete.
Schließlich war sie erleichtert, als sie alle am Ende des Unterrichts in die Mittagspause entlassen konnte.
Da sie ohnehin keinen Hunger verspürte, beschloss Hermine im Kerker zu bleiben und die nächste Stunde vorzubereiten.
Nachdem sie für eine Schrumpflösung, die von der nächste Klasse hergestellt werden sollte, die Zutaten vorbereitet hatte, verließ sie den Unterrichtsraum.
Sie ging in ihr Büro hinüber und hatte die Tür schon fast hinter sich geschlossen, als sie Snape seine Wohnung verlassen hörte.
Hermine war noch relativ aufgebracht aufgrund des Berichts ihrer gebeutelten Schüler und beschloss daher, die Gelegenheit wahrzunehmen, Snape zur Rede zu stellen.
Sie trat wieder aus ihrem Büro heraus, genau in dem Moment als Snape schwungvoll daran vorüber gehen wollte.
„Miss Granger", sagte er seitlich ausweichend, „wollen sie mich umbringen?"
„Professor!", sagte sie.
„Ja, bitte, Miss Granger?", sagte Snape fragend.
„PROFESSOR!", sagte Hermine mit Nachdruck.
„Haben sie eine Sprachstörung?", fragte Snape zweifelnd.
„Nicht MISS, sondern PROFESSOR!", sagte Hermine genervt. „Falls es ihrer werten Aufmerksamkeit entgangen ist - ich unterrichte mittlerweile."
„Aber natürlich – PROFESSOR Granger - wie konnte ich das nur übersehen", raunte Snape, „ich bin untröstlich!"
„Ihnen geht es blendend, nicht war?", fragte sie bissig.
„Warum, zum Teufel, fragen sie mich das", sagte er und sah sie misstrauisch an.
„Weil es ihnen einfach gut gehen muss, nachdem sie wieder kleine Mädchen quälen können", keifte Hermine ihn an.
Er sah sie an, als hätte er eine gefährliche Irre vor sich.
„Siebte Klasse - Felicia Marlow – sagt ihnen das irgend etwas?", fauchte sie.
„Ach sieh mal einer an", sagte Snape grinsend, „die arme kleine Miss Marlow hat sich also bei ihnen ausgeheult."
„Das macht ihnen Spaß, nicht war?", zischte Hermine wütend. „Eine Siebzehnjährige zum Weinen zu bringen – was für eine Glanzleistung für einen erwachsenen Mann!"
Die wutschnaubende Frau, die da vor ihm stand, hatte sehr viel Ähnlichkeit mit der Hermine aus seinem Traum, schoss es Snape durch den Kopf, bis auf die Tatsache natürlich, dass sie eindeutig zuviel Kleidung am Körper trug.
„Sie sollten ihr überschäumendes Temperament ein wenig zügeln, Miss Granger, obwohl es ihnen rein optisch, wie gesagt, vorzüglich steht", sagte er mit einem gekonnt überheblichen Lächeln.
„PROFESSOR Granger", schrie Hermine.
„Sie sind doch hoffentlich nicht bewaffnet, Miss, äh, ich meine natürlich Professor Granger?" Er trat einen Schritt zurück und hob theatralisch die Hände hoch. „Man könnte ja direkt Angst vor ihnen bekommen!"
„Was hat Felicia Marlow denn Schlimmes getan, um auf ihrer Abschussliste zu landen?", fragte Hermine und funkelte ihn zornig an.
„Zum einen hat sie sich fast so penetrant gemeldet, wie sie früher, Miss, nein, Professor Granger – sie hat sogar gewedelt – nur das dazugehörige nervöse Zappeln hat sie nicht so gut hingekriegt, wie sie das immer taten", sagte Snape nachdenklich, „dann hat sie eine Portion haarsträubenden Blödsinn von sich gegeben – das haben sie allerdings nie gemacht Miss, ups, Professor Granger – ja und zum Schluss hat die kleine Göre noch eine grottenschlechte Leistung bei einer einfachen Verteidigungsübung gebracht. Sind das genügend Gründe Miss, zum Donner, PROFESSOR Granger?"
Hermine sah ihn an, als würde sie ihm gleich ins Gesicht springen.
„Und außerdem ist das mit den Fesseln gar nicht so schlimm", fügte er anzüglich grinsend hinzu, „wenn sie es selbst einmal gerne ausprobieren wollen – sagen sie mir Bescheid – Miss, Mist, verdammter, PROFESSOR Granger."
„Was sind sie nur für ein mieser, überheblicher, sadistischer Schweinepriester, MISTER Snape", sagte Hermine bitterböse und verschwand, die Tür hinter sich zuknallend, in ihrem Büro.
Fortsetzung folgt...
Ich würde mich riesig freuen, wenn Ihr mich wissen lasst, ob's Euch gefällt! :-)