Kapitel 9

Ein paar Tage später, als sie Snape während des Abendessens genauer ansah, hatte Hermine den Eindruck, dass er sehr wohl Zeit gefunden hatte, ihre Produkte zu untersuchen, vielmehr, dass er sie doch an sich selbst ausprobiert hatte. Von den Haaren, die einen seidigeren Eindruck machten (vermutlich aufgrund der Verwendung von Barbers professional silky-soap), bis zu den Zähnen (anscheinend hatte er Doc Whiteys magische Zahnweißcreme benutzt) – er wirkte insgesamt gepflegter als gewöhnlich.

Hermine freute sich, über diesen Beweis des Vertrauens in ihre Fähigkeiten, beschloss aber ihn lieber nicht darauf anzusprechen, um zu vermeiden, dass er aus einer Trotzreaktion heraus alles wieder sein ließ.

Heute Abend sollte ihre Geburtstagsfeier stattfinden und sie hoffte, das Snape auch später, wenn ihre Gäste von Außerhalb eintrafen, hier in der großen Halle bleiben würde.

Dumbledore erhob sich nach dem Essen und bat die Schüler, sich an diesem Abend - obwohl Samstag war - zeitig in die jeweiligen Gemeinschaftsräume zurückzuziehen, da in der Halle gleich eine kleine Feier stattfinden würde. Er versäumte auch nicht, ihnen den Grund für das Fest mitzuteilen und Hermine erhielt einen kräftigen Geburtstagsapplaus und viele zugerufene Glückwünsche.

Als sich die Halle schließlich leerte rückten Dumbledore und McGonagall mittels ihrer Zauberstäbe die Tische und Bänke in der Halle so zur Seite, dass einige Tische mit ausreichend Platz für die Geladenen übrig blieben und außerdem eine große Tanzfläche entstand. Hermine hatte von Dumbledore selbst den Tipp erhalten, die Feier mit Tanzmusik zu untermahlen – einer Bitte der sie mittels eines leicht modifizierten Muggel-CD-Players gerne nachkam.

Kurz darauf trafen die ersten Gäste ein, die sich durch vergnügtes Gelächter, das von draußen in die Halle drang, lautstark ankündigten.

Snape, dem der Rummel jetzt schon begann auf die Nerven zu gehen, hielt sich dezent im Hintergrund und beobachtete die hereinströmenden Besucher aus sicherem Abstand.

Allen voran marschierte Ron mit einer etwas pummeligen aber hübschen Brünetten im Schlepptau in die Halle. Er warf Hermine fast um, als er sie stürmisch umarmte und ihr links und rechts je einen schmatzenden Kuss auf die Wange verpasste.

„Minchen", rief er, „Ich wünsch dir alles Gute. Harry ist noch draußen in der Halle – ist von einer Horde Mädels überfallen worden und muss jetzt Autogramme schreiben, der arme Tropf."

„Hallo Ron, hallo Rosie – wie schön, dass ihr da seid", sagte Hermine herzlich, die auch von Rons Begleiterin umarmt und geküsst wurde.

Nacheinander trudelten die anderen Gäste ein – Rons kleine Schwester, Ginny, Neville Longbottom, der sich immer wieder nervös nach allen Seiten umsah, Remus Lupin, der ehemalige Lehrer für Verteidigung, die Aurorin Tonks, einige junge Leute, die Hermine aus ihrer Studienzeit zu kennen schien, und schließlich - von einer Horde kichernder Mädchen bis an den Eingang der großen Halle verfolgt - Harry Potter mit einer auffallend schönen, jungen Frau an seiner Seite.

Alle küssten und umarmten sie Hermine, die in der Menschenmenge fast nicht mehr zu sehen war. Snape fand dieses Geknutsche derart übertrieben, dass er schon überlegte, wie er es bewerkstelligen konnte, die Halle doch noch unauffällig zu verlassen. Andererseits war unter den Besuchern, die Hermine umwuselten eine Person, die er eigentlich gerne begrüßen wollte, und so beschloss er letztendlich, sich ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, wie die anderen Lehrer auch unters Volk zu mischen.

Die Weasley-Geschwister, die zuerst auf ihn aufmerksam wurden, begrüßten ihn steif und es war ihnen deutlich anzusehen, dass sie auf eine Begegnung mit diesem speziellen ehemaligen Lehrer gern verzichtet hätten.

Während er sich langsam zu Hermine vorarbeitete, der er wahrscheinlich als einziger unter den Anwesenden noch nicht gratuliert hatte, nickte er Lupin zu, der sich gerade mit Dumbledore unterhielt und erschreckte im Vorübergehen Longbottom allein durch seinen Anblick halb zu Tode.

Hermine, die sich gerade mit Potter und seiner Begleiterin unterhielt, sah Snape auf sich zukommen, lächelte ihm zu und winkte, was ihr einen verblüfften Seitenblick von Harry einbrachte.

„Severus – wie schön, das sie gekommen sind", sagte sie ehrlich erfreut.

„Ich gratuliere zum Geburtstag, Hermine", sagte Snape förmlich und reichte ihr die Hand, wobei er auf gebührenden Abstand achtete, damit sie nicht etwa auf die Idee kam, ihm vor allen Leuten um den Hals zu fallen, wie den meisten anderen Gratulanten vor ihm.

Anschließend wandte er sich an seinen ehemaligen Schüler und derzeitigen Quidditch-Star.

„Potter! Du hast es also immer noch nicht geschafft, vom Besen zu fallen und dir das Genick zu brechen?", fragte er in einem Tonfall, der vermuten ließ, dass ihm das eventuell gar nicht so unrecht gewesen wäre.

„Snape! Du hast dich also immer noch nicht selbst vergiftet?", antwortete Potter.

„Nein, aber vielleicht kannst du diesbezüglich mit deiner alten Freundin hier verhandeln. Das Vergiften fällt neuerdings in ihr Ressort", sagte Snape.

Hermine war nicht darauf gefasst gewesen, dass die beiden Männer, die sich ihres Wissens immer wie die Pest gehasst hatten, so locker miteinander umgingen. Der Kampf gegen Voldemort musste sie auf irgendeine Weise miteinander versöhnt haben.

„Wenn du auch nur eine Spur von Anstand besitzen würdest, hättest du das mit dem Vergiften noch vor deinem Stellenwechsel erledigt", sagte Potter und grinste schief. „Claire, darf ich dir Professor Snape vorstellen, meinen ehemaligen Zaubertränke-Lehrer." Er legte den Arm um die Schultern seiner Begleiterin. „Claire Wilder, meine Verlobte."

„Professor Snape", sagte Potters Begleiterin, deren rauchige Stimme perfekt zu ihrem Aussehen passte, „ich habe schon viel von ihnen gehört."

„Das kann ich mir lebhaft vorstellen, Miss Wilder", entgegnete Snape.

Potters Verlobte war eine eindrucksvolle Erscheinung. Die langen, weizenblonden Haare, die ihr fast bis zur Taille reichten, umspielten eine äußerst wohlproportionierte Figur, mit endlosen Beinen, die von einem für Hogwarts-Verhältnisse skandalös kurzen Minirock betont wurden und noch dazu in hochhackigen Pumps steckten.

Auf den ersten Blick hatte Snape sie für eines der typischen Quidditch-Groupies gehalten, doch die intelligenten eisblauen Augen, die ihm aus ihrem ebenmäßigen Gesicht aufmerksam entgegenschauten, belehrten ihn eines Besseren.

Die meisten der Gäste trugen am heutigen Abend Muggel-Kleidung, einige aber auch ihre Zauberer-Umhänge. Sowohl die Einen wie auch die Anderen waren jedoch festlich gekleidet, die Damen fast alle in langen Kleidern – bis auf zwei Ausnahmen. Claire Wilder fiel vor allem dadurch auf, dass sie mit Abstand am wenigsten anhatte – das Bisschen, das sie am Leib trug, war aber durchaus als äußerst chic einzustufen.

Tonks, die Aurorin, die sich jetzt der Gruppe um Hermine näherte, fiel allerdings aus völlig anderem Grund aus dem Rahmen: Sie trug eine enge, verwaschene Jeans, die von einigen dekorativen Rissen durchsetzt war, schwarze Cowboystiefel und eine abgewetzte, schwarze Lederjacke über einem nicht ganz bis oben zugeknöpften, tief ausgeschnittenen, giftgrünen Oberteil. Ihre feuerroten Haare waren von einigen, ebenfalls giftgrünen Strähnen durchsetzt und ihre Frisur sah aus wie eine Mischung aus Igel und Stachelschwein.

„SNAPE – ALTES HAUS! Lange nicht gesehen!", grölte sie und haute dem Professor für Verteidigung kräftig von hinten mir der Hand auf die Schulter.

Hermine schwante Böses – und nicht nur ihr, wie sie den Blicken der Anderen entnehmen konnte. Aber zu ihrem absoluten Erstaunen, drehte Snape sich lächelnd um, legte der punkigen Lady die Hand auf den Rücken und zog sie zu allem Überfluss auch noch an sich.

„Tonks!", sagte er, offenbar ebenso erfreut, wie die Aurorin, „Wie geht´s dir?"

„Saugut, im Moment!", sagte sie und lachte Snape, der sie immer noch im Arm hielt, strahlend an.

Hermine versuchte den leichten Stich, den ihr dieser Anblick unerklärlicherweise versetzte zu ignorieren.

Tonks war wie Harry und Severus beim letzten Kampf gegen Voldemort dabei gewesen, und diese Verbindung schien tatsächliche eine besondere zu sein, was auch die nächste Aktion der Aurorin erklärte.

„Uuuiii", quiekte sie entzückt und sauste auf Direktor Dumbledore zu, der sich gerade der Gruppe näherte.

„Tonks!", rief Dumbledore lachend und breitete die Arme aus.

„Dumbledore – alter Haudegen! Wie schön dich zu sehen!", rief Tonks und fiel dem alten Zauberer um den Hals, der sie beherzt um die Taille fasste und ein paar mal im Kreis herum schwenkte.

„Tolle Frisur!", meinte er anerkennend, als er sie wieder auf die Beine stellte.

„Toller Hut!", sagte Tonks grinsend mit einem Blick auf seine lila, mit silbernen Sternen und Monden besetzte Kopfbedeckung. „Hast du Lust, mit mir das Buffet zu plündern?"

Dumbledore stimmte begeistert zu, hakte sie unter und zog mit ihr in Richtung Essen davon.

„Sie ist schon ´ne Marke, unsere Tonks!", sagte Harry und schaute den beiden lächelnd hinterher.

„Das kannst du laut sagen", bestätigte Hermine grinsend.

„Wer ist ´ne Marke? Deine Verlobte?", fragte Ron, der sich gerade zu ihnen gesellt hatte.

„Nö! Tonks!", sagte Harry. „ Wie kommst du auf Claire?", fügte er stirnrunzelnd hinzu.

„Deine Claire steht da drüben und amüsiert sich prächtig mit der fiesen Hakennase", sagte Ron, sah hinüber zu einem der Tische und zeigte anklagend mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Snape und Harrys Verlobte die, beide ein Glas Sekt in der Hand, in ein angeregtes Gespräch vertieft waren.

„RON!", fauchte Hermine, „werd´ verdammt noch mal endlich erwachsen!"

Damit lies sie Ron und Harry stehen, den ersteren verdutzt, den zweiten recht nachdenklich und ging zu Ginny, die sich ein paar Meter weiter mit Rons Freundin Rosie und mit Neville unterhielt.

„Hey - was ist denn mit dir los Hermine?", wurde sie von Ginny begrüßt.

„Dein Bruder nervt wieder mal", stöhnte Hermine. „Tschuldigung, Rosie!"

„Oh, ich weiß, wie der nerven kann", kicherte Rosie.

„Was hat er denn verbrochen?", fragte Ginny neugierig.

„Er hat Harry blöd angemacht, weil Claire sich ausgerechnet mit Snape unterhält", sagte Hermine. „Er benimmt sich, als ob er immer noch ein Schuljunge wäre, und Snape ihm gerade einen Haufen Punkte abgezogen hätte."

„Und was stört dich daran so?", bohrte Ginny weiter.

„Professor Snape ist für mich jetzt ein Kollege und nicht mehr der böse Zaubertränkelehrer", erklärte Hermine etwas ungehalten, „und ich finde nach sieben Jahren könnte auch Ron mal aufhören sich wie ein nachtragender Idiot zu benehmen."

Die Schwester und die Freundin des Beschimpften sahen sie beleidigt an.

„Kommst du gut mit ihm aus, mit... du weißt schon, ...mit Sn... Snape", fragte Neville leise, nachdem er sich nervös umgesehen hatte.

„Na ja, wir haben schon sehr verschiedene Anschauungen und daher auch jede Menge Auseinandersetzungen - und bei den Schülern ist er nach wie vor gefürchtet", sagte Hermine, „aber wenigstens ist es mit ihm nie langweilig", fügte sie hinzu.

Es war ihr schon vor einiger Zeit bewusst geworden, wie sehr sie die Dispute mit Snape genoss und dass sie jedes mal enttäuscht war, wenn er zu den Mahlzeiten in der großen Halle nicht erschien.

„Hört sich nicht an, als hätte er sich groß geändert", sagte Ginny spitz.

„Ron findet, dass Snape ein richtig fieser Schweinehund ist", sagte Rosie aufgebracht.

„Das stimmt nicht", verteidigte Hermine ihren Kollegen. „Gut – er hat schon einen ausgeprägten Hang zum Sarkasmus, aber ansonsten ist er gar nicht SO schlimm."

„Du spinnst doch, Hermine", sagte Ron, der mit Harry von hinten an sie herangetreten war.

Hermine fuhr herum und starrte Ron wütend an. „Ich spinne nicht! Severus kann sogar sehr nett sein, ... manchmal, ... na gut, ...eher selten, ... aber immerhin!", fauchte sie.

„Klaaaar", sagte Ron gedehnt. „Für dich ist die Fledermaus ja jetzt Seeeverus."

„Du bist so ein Knallkopf, Ron", sagte Hermine genervt und sah hilfesuchend zu Harry, von dem sie, aufgrund seiner veränderten Einstellung gegenüber seinem alten Feind, Unterstützung erwartete.

„Verräterin!", knurrte Harry im Brustton der Überzeugung, grinste sie aber gleich darauf an, nahm sie in die Arme und klopfte ihr beruhigend auf den Rücken. „Ist schon gut, Hermine", sagte er, „du darfst den bösen, schwarzen Mann ja mögen – Hauptsache du lädst uns zur Hochzeit ein."

„Du Blödmann!", rief Hermine, deren Gesichtsfarbe wieder einmal eine hübsche Rotschattierung angenommen hatte und schubste ihn weg.

„Du kommst doch inzwischen auch ganz gut mit Severus klar", sagte Hermine zu Harry als das Gekicher um sie herum allmählich weniger wurde.

„Ich akzeptiere ihn als Person und die Tatsache, dass es auch solche Menschen wie ihn geben muss", sagte Harry, „das ist nicht ganz dasselbe wie gut klarkommen."

„Aber immerhin ein Anfang", sagte Hermine und schaute Ron scharf an.

„Da kommt Claire", sagte Ron, in einem Ton der vermuten ließ, dass er Harrys Gefährtin, die Entgleisung bei der Wahl ihres Gesprächspartners noch nicht verziehen hatte.

„Und...?", sagte er herausfordernd, kaum dass die junge Frau zu ihnen gestoßen war, „Hast du dich gut unterhalten, Claire?"

„Durchaus!", sagte Claire. „Interessanter Mann, dieser Snape!"

Sie lächelte ihren Verlobten spitzbübisch an und Harry, der Rons Einstellung zu ihrem Plausch mit Snape scheinbar nicht teilte, lächelte amüsiert zurück.

Ron warf seinem alten Freund einen ungläubigen Blick zu und wandte sich dann wieder an die Missetäterin selbst.

„INTERESSANT? Hey, Claire – das ist SNAPE – der finsterste, sadistische Zaubertränkelehrer, Schrecken unserer Schulzeit", sagte Ron entrüstet. „Harry muss dir doch von ihm erzählt haben. Wenn nicht dann frag Neville hier – er kann ein Lied davon singen, was für ein mieses Schwein dieser Kerl ist."

„Ach weißt du", sagte Claire gelassen, noch bevor Hermine, die ihren alten Freund zornig anfunkelte, etwas sagen konnte, „für kleine Schulmädchen mag der Mann wohl erschreckend sein – und für kleine Jungs natürlich auch, Ronnylein", sie zog eine Schnute und kraulte den verdutzten Ron unterm Kinn, „aber für eine erwachsene, halbwegs intelligente Frau ist er schlichtweg INTERESSANT."

Sie drehte sich lächelnd zu der neben ihr stehenden Hermine herum.

„Und außerdem hat er diese Wahnsinns-Gänsehaut-Stimme...", flüsterte sie Hermine ins Ohr.

Hermine grinste und hoffte, dass sie nicht schon wieder rot anlief.

„Da hast du vollkommen recht, Claire", sagte sie, „aber für sehr sensible Menschen ist Snape wirklich schwer zu ertragen – das ist bei ihm hier schon pathologisch ", fügte sie leise mit einem kurzen Blick auf Neville hinzu, der sich schon wieder hektisch nach allen Seiten umsah.

Kurze Zeit später nahm sie Neville zur Seite und bat ihn, sie zu einem Tisch zu begleiten, der ein wenig abseits stand, nachdem sie sich zuvor versichert hatte, dass Snape weit genug davon entfernt war.

„Neville, das ist die Gelegenheit, dein Problem zu lösen!", sagte Hermine forsch, die entschlossen war, eine Idee, die ihr vor einiger Zeit gekommen war, heute noch in die Tat umzusetzen.

„Wie meinst du das?", fragte Neville und sah sie ängstlich an.

„Weißt du es ist so", sagte Hermine, „wenn man vor etwas oder auch jemandem große Angst hat, ist die beste Methode diese Angst zu besiegen, die direkte Konfrontation mit dem auslösenden Objekt. Verstehst du Neville? Menschen, die Höhenangst haben gehen auf Hochhäuser, Menschen mit Spinnenphobie berühren Spinnen, Menschen mit Klaustrophobie fahren Aufzug oder setzten sich in Besenkammern – wenn man der Angst direkt ins Auge sieht und es übersteht, macht einen das stark und man kann die Angst besiegen. Du schaffst das auch Neville, glaub mir!"

„Aber wie...", sagte Neville.

„Du musst mit Professor Snape reden!", sagte Hermine.

Neville, der während ihrem kleinen Vortrag schon merklich blass geworden war, stand jetzt die Panik ins Gesicht geschrieben.

„Nein..., ich kann das nicht...", flüsterte er kaum hörbar.

„Neville! Es ist das Einzige, was wirklich hilft, glaub mir", redete Hermine ihm zu, „Ich werde auch die ganze Zeit dabei bleiben. Vertrau mir!"

Neville sah Hermine verzweifelt an und schüttelte immer wieder den Kopf.

„So eine Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder. Bitte, Neville, versuch es doch wenigstens", sagte Hermine beschwörend und drückte seine Hand.

Er starrte sie an, als hätte sie eben sein Todesurteil ausgesprochen, aber immerhin hörte er auf den Kopf zu schütteln. Hermine schaute ihm fest in die Augen und nach einer Weile sah sie, dass er sich in sein Schicksal ergab.

„O.k.", sagte er tonlos, nickte einmal und blieb dann wie ein Häufchen Elend zusammengesunken auf der Bank sitzen.

„Warte hier", sagte Hermine, „ich hole ihn her."

Snape wurde gerade von Miss Peephole belagert, als Hermine ihn ansprach, und schien absolut nicht traurig über die Unterbrechung zu sein.

„Kann ich sie bitte mal kurz sprechen, Severus", sagte Hermine, „ich brauche ihre Hilfe."

„Selbstverständlich", antwortete Snape. „Miss Peephole, sie entschuldigen mich?", sagte er zu der blonden Wildhüterin, die genau das eindeutig nicht tat, sondern Hermine einen beleidigten Blick zuwarf.

Hermine und Snape gingen ein paar Schritte auf die Seite, bevor Hermine ihm erklärte, was sie vorhatte.

„Sie wollen Longbottom von seiner Angst befreien, indem sie ihn zwingen, mit mir zu sprechen?", fragte Snape ungläubig.

Hermine wollte ihm gerade noch einmal ihre Theorie darlegen als er sie unterbrach.

„Ich habe sie schon verstanden, Frau Psychologin – ich glaube nur nicht, dass das funktionieren wird", sagte er.

„Aber ein Versuch kann doch nicht schaden!", sagte Hermine flehend.

„Weiß man´s?", sagte Snape ungehalten. „Was ist, wenn er tot umfällt, vor Schreck?"

„Das wird er nicht!", sagte Hermine genervt.

„Warum nicht?", fragte Snape.

„Weil sie nett zu ihm sein werden", sagte Hermine.

„Nein! Werde ich nicht", sagte Snape.

„Warum nicht? Nur dieses eine Mal", bettelte Hermine.

„Haben sie etwa unsere Wette gewonnen und ich weiß nichts davon?", fragte Snape.

„Nein", sagte Hermine verzweifelt, „ich dachte, sie könnten mir einfach einen kleinen Gefallen tun. Sie hätten dann auch was gut bei mir. Bitte!"

„Na, wenn das kein Angebot ist", sagte Snape erfreut. „Ich brauche für die nächste Unterrichtsstunde der Abschluss-Chaoten einen Duellpartner mit etwas Erfahrung."

Hermine schluckte. „In Ordnung – ich mach´s!", sagte sie resignierend.

„Die Sache mit Longbottom ist ihnen sehr wichtig, hm?", sagte Snape, der sie aufmerksam beobachtete.

„Ja! Er leidet wirklich sehr unter diesen Alpträumen", sagte Hermine leise.

„Wenn ich ihre Theorie richtig verstanden habe, würde es nichts bringen, wenn ich nett zu ihm wäre", sagte Snape, „da er ja mit dem Bösewicht aus seinen Träumen konfrontiert werden muss."

„Das stimmt wahrscheinlich", sagte Hermine, „aber könnten wir uns vielleicht darauf einigen, dass sie nicht ganz so bösartig sind wie sonst?"

„Mal sehen", sagte Snape nachdenklich, „es besteht nicht die Gefahr, dass ich ihn je wieder unterrichten muss, er kann im Moment auch keinen Kessel in die Luft sprengen – ja, gemäßigte Bösartigkeit läge durchaus im Bereich des Machbaren."

„Danke!", sagte Hermine aufrichtig und lächelte ihn an.

Als Neville Hermine und Snape auf sich zukommen sah wurde er weiß, wie die Wand und sprang auf. Er ging rückwärts ein paar Schritte in den freien Raum hinein, als wollte er sich die Möglichkeit zur Flucht offen halten.

Ein paar Sekunden später stand der Schrecken seiner Alpträume leibhaftig vor ihm. Neville starrte ihn an und machte den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus.

„BUH!", machte Snape. Neville sprang gut eineinhalb Meter rückwärts und starrte ihn völlig verängstigt an.

„Severus!", rief Hermine entrüstet. „Benehmen sie sich!"

„Schon gut! Ich wollte nur mal sehen, ob das noch funktioniert", sagte Snape.

„Neville, beruhige dich bitte! Professor Snape wird dir nichts tun!", sagte Hermine beschwichtigend.

„Na, wie geht's ihnen so, Longbottom?", sagte Snape gelangweilt.

Neville starrte ihn weiter an wie das Kaninchen die Schlange und schwieg.

„Haben sie mich gehört, Longbottom? Antworten sie mir!", sagte Snape in einem etwas schärferen Ton.

„Du brauchst keine Angst zu haben, Neville", sagte Hermine. „Es kann dir nichts passieren."

„Jetzt sagen sie schon irgendwas", schnarrte Snape, „zum Beispiel: Hallo Professor, danke der Nachfrage – es geht mir echt beschissen, seit sie in meinen Träumen rumhängen."

Neville sah ihn erstaunt an.

„Übrigens wäre es mit sehr angenehm, wenn sie mich aus diesen Träumen raushalten würden – ich habe schließlich noch was anderes zu tun, als sie mitten in der Nacht heimzusuchen", sagte Snape genervt.

Neville schien über diesen Text so verblüfft zu seine, dass er für ein paar Sekunden vergaß Angst zu haben.

„Machen sie sich überhaupt einen Begriff davon, was für eine Arbeit das ist, tagtäglich zu hunderten von Schülern gemein zu sein", fuhr Snape fort. „Sie waren während ihrer gesamten Schulzeit dran, jetzt sind definitiv die anderen an der Reihe. Glauben sie bloß nicht, sie können nach sieben Jahren hier antanzen und immer noch Angst vor mir haben – so geht das nicht, Longbottom!"

Neville sagte immer noch nichts, aber er schien nicht mehr ganz so verängstigt zu sein wie vorher.

„Sie stehen schon lange nicht mehr auf der Liste, der potentiellen Kandidaten, die ich gerne in eine Kröte verwandeln würde", sagte Snape. „Haben sie das verstanden?"

Neville nickte vorsichtig.

„Können sie mir jetzt vielleicht sagen, wie es ihnen geht?", fragte Snape.

„Besser", krächzte Neville.

„Na, wenn das kein Anfang ist", sagte Snape. „Dann amüsieren sie sich endlich und hören sie auf, sich ständig so gehetzt umzusehen – ich werde es mir bestimmt nicht anders überlegen."

Er nickte Hermine zu, drehte sich um und rauschte davon.

Später am Abend ließ Dumbledore es sich nicht nehmen mit Hermine als Erster das Tanzbein zu schwingen. Als das magisch verstärkte Muggel-Gerät die ersten Töne von sich gab, begann zog er sie unter dem Beifall der Anderen auf die Tanzfläche und schwenkte sie im Takt der flotten Musik heftig im Kreis herum.

Nach kurzer Zeit schlossen sich weitere Tanzpaare an – Harry Potter mit Claire Wilder, Professor Shrimp, der Lehrer für Pflege magischer Geschöpfe, mit Tonks, Frank und Gina O´Neill, Studienkollegen von Hermine, die seit kurzem auch ein Ehepaar waren und die ziemlich aufgekratzte Madame Pomfrey mit William, dem Hausmeister, der dabei nicht allzu glücklich wirkte und sich obendrein ständig den Kopf nach Hermine verdrehte.

Nachdem das Lied zu Ende war und Dumbledore, wie er Hermine zu verstehen gegeben hatte, eigentlich eine Verschnaufpause einlegen wollte, wurde er bereits von McGonagall in Beschlag genommen und wieder auf die Tanzfläche bugsiert.

Hermine machte sich auf die Suche nach Snape, da sie sich noch einmal für die Sache mit Neville bedanken wollte.

Als sie ihn schließlich etwas weiter entfernt von der Tanzfläche fand, war er gerade dabei, Miss Peephole die Idee auszureden, mit ihm tanzen zu wollen.

„Fragen sie Lupin", sagte er barsch zu der hartnäckigen Wildhüterin, „der gehört als Wehrwolf ohnehin zu den Tierchen, die sie hüten sollen."

Hermine grinste vor sich hin. Ausgerechnet in diesem Moment drehte sich Peephole um und den Blick, den sie Hermine daraufhin zuwarf, als sie an ihr vorbeirauschte, war alles andere als freundlich.

„Verzeihen sie, dass ich sie schon wieder bei einem tet a´ tet mit der reizenden Pamela gestört habe", sagte Hermine zu Snape.

„Sie haben wirklich ein Gespür für den richtigen Moment", sagte er und sah sie streng an. „Da kann ich nur sagen – ...DANKE!"

„Sie können sich bedanken, indem sie mit mir tanzen, Severus", sagte sie lächelnd.

„Ich tanze nicht – das habe ich der Dame, die sie so erfolgreich verscheucht haben, eben versucht zu erklären", sagte Snape.

„Dann erklären sie es jetzt mir", sagte Hermine und verschränkte die Arme, „und ich sage ihnen gleich – ich lasse mich nicht so leicht abwimmeln."

„Ich muss schließlich darauf achten, mein mühevoll, in jahrelanger Schwerstarbeit erworbenes Image nicht zu zerstören", sagte Snape.

„Schüler sind keine da, die Kollegen nehmen ihnen das mit dem Image eh nicht mehr so recht ab und beim Rest kann es ihnen egal sein", widerlegte Hermine sein Argument, „da könnten sie doch ruhig mal so richtig die Sau rauslassen."

„Hat ihnen noch nie jemand verraten, das echte Männer nicht tanzen?", knurrte Snape.

„Blödsinn!", sagte Hermine. „Sie trauen sich doch nur nicht, Severus!"

„Ich will nicht!", sagte er stur und verschränkt ebenfalls die Arme. "Das ist ein Unterschied!"

„Wollen sie nicht, oder – was viel wahrscheinlicher ist – können sie´s nicht?", sagte Hermine mitleidig lächelnd.

„Ich könnte, wenn ich wollte – aber wie gesagt – ich WILL nicht", sagte Snape giftig.

„Ich glaube, sie sind einfach nur feige", sagte Hermine und grinste ihn frech an.

„Böses Mädchen!", sagte Snape leise und schüttelte den Kopf.

„Feige...feige...", sang Hermine leise vor sich hin.

Regungslos starrte Snape sie mit seinen schwarzen Augen einen Moment lang drohend an. Als er dann plötzlich eine ruckartige Bewegung machte, zuckte Hermine erschrocken zusammen, aber er legte lediglich seinen Umhang ab und warf ihn über die nächste Stuhllehne.

„Sie haben es so gewollt", knurrte er, klemmte ihren Arm unter den seinen und zog sie zur Tanzfläche.

Der CD-Player wechselte gerade auf das nächste Musikstück, und die mitreißend rhythmischen Klänge einer spanischen Gitarre erfüllten den Raum. Hermine hatte gerade noch Zeit, im Vorübergehen einen kleinen Zauber über das Gerät zu legen, um die Auswahl des darauffolgenden Liedes zu beeinflussen als Snape sie schon schwungvoll umdrehte und in Tanzhaltung brachte.

Bereits nach wenigen Schritten war Hermine klar, dass sie sich getäuscht hatte. Er konnte tanzen – und das sogar ziemlich gut.

„Sie überraschen mich, Severus", sagte sie, „allerdings finde ich ihren Tanzstiel etwas dominant."

„Da müssen sie jetzt durch", knurrte er und wirbelte sie noch energischer umher.

Die anderen Paare, die sich noch auf der Tanzfläche befanden, schienen vorsichtshalber Abstand zu halten, damit sie Snape ja nicht in die Quere kamen. Hermine war sich der vielen Blicke bewusst, die ihnen durch den Saal folgten, aber es war ihr nicht unangenehm, auf diese Weise im Mittelpunkt zu stehen.

Als das Gitarrenstück zu Ende war, hielt Hermine Snape zurück, der augenscheinlich der Meinung war, genug getanzt zu haben.

„Warten sie", sagte sie und ließ ihre Hand auf seiner Schulter liegen.

„Noch mal?", fragte er ungläubig.

In dem Moment begann das nächste Lied – I will allways love you – sang Whitney Houston.

„Ich dachte, sie sollten das einmal im Original hören", sagte Hermine lächelnd.

„Schöne Stimme!", raunte Snape. „Aber ich wette, die Dame, die da singt, sieht dabei nicht halb so entzückend aus wie sie."

Er zog sie eng an sich und bei diesem Tanz folgten ihnen die vielen Augenpaare mit einem noch erstaunteren Ausdruck.

Im weiteren Verlauf des Abends tanzte Hermine mit jedem der männlichen Gäste, wobei sie am meisten von William Wishmope mit Beschlag belegt wurde, der ihr mit seinem beharrlichen Dackelblick langsam aber sicher begann lästig zu werden.

Sie hoffte insgeheim, das Snape sie von sich aus um einen weiteren Tanz bitten würde und, als ihr anhänglicher Verehrer, sich wieder einmal besonders hartnäckig an ihre Fersen heftete, warf sie ihrem Kollegen einen hilfesuchend-auffordernden Blick zu, den er amüsiert grinsend erwiderte.

Tatsächlich kam Snape daraufhin gemächlich herübergeschlendert und nahm den armen William ins Visier, der davon noch gar nichts bemerkt hatte, da er gerade versuchte Hermine zum Tanzen zu überreden.

„Könnte ich sie einmal kurz unter vier Augen sprechen, Hermine", sagte Snape und sah den jungen Mann neben ihr dabei an als wäre er eines von den widerlichen Geschöpfen, die er als Meister der Zaubertränke in Einmachgläsern aufzubewahren pflegte.

„Gerne, Severus", sagte Hermine und sah William auffordernd an, der jedoch keine Anstalten machte, das Feld zu räumen.

„Drei mal Zwei Augen macht sechs - das müssten sogar sie gerade noch ausrechnen können, Wishmope – und ich sagte vier", knurrte Snape drohend.

„Aber ich...", wagte der Hausmeister zu widersprechen.

„Sehen sie zu, dass sie Land gewinnen, und zwar sofort", zischte Snape.

Daraufhin beschloss Wishmope, dass es für seine Gesundheit wohl doch besser wäre, den Rückzug anzutreten und ging mit hängenden Schultern davon, wurde allerdings nach wenigen Metern von Madame Hooch gepackt und auf die Tanzfläche geschleift.

„Sie hätten mich auch einfach zum Tanzen auffordern können", sagte Hermine tadelnd zu Snape. „Es wäre nicht nötig gewesen, den armen William so fertig zu machen."

„Sie gönnen mir aber auch kein bisschen Spaß", sagte Snape vorwurfsvoll. „Sie sahen schließlich so aus, als wollten sie das anhängliche Kerlchen loswerden - und jetzt erzählen sie mir auch noch, ich soll schon wieder mit ihnen tanzen."

„Schon gut! Und vielen Dank!", sagte Hermine beleidigt und drehte sich um.

Snape hielt sie mit beiden Händen von hinten an den Schultern fest.

„Würden sie mir die unvergleichliche Freude machen, mir diesen Tanz zu schenken, schöne Frau", flüsterte er nah an ihrem Ohr, was Hermine umgehend die von Claire erwähnte Gänsehaut bescherte.

Später trauten sich noch einige andere mutige Damen den finsteren Verteidigungs-Professor aufzufordern, der seine anfänglichen Bedenken scheinbar abgelegt hatte.

Hermine sah ihn mit Claire, auffällig oft mit Tonks und schließlich sogar, allerdings deutlich angefressen, mit Pamela Peephole tanzen.

Das er ihren Rat, einmal richtig die Sau raus zu lassen, tatsächlich ernst zu nehmen schien, wurde ihr jedoch erst dann klar als Snape ausgerechnet mit Minerva McGonagall über die Tanzfläche fegte, die sich prächtig dabei amüsierte.

Hermine tanzte gerade mit Frank O´Neill, ihrem Freund von der Uni, als McGonagall in Snapes Armen vorüberschwebte.

„Ich habe mich mit deinem Kollegen Snape unterhalten. Der ist ja gar nicht so übel, wie immer behauptet wird", sagte Frank zu Hermine. „Übrigens habe ich ihn auch gefragt, ob er mitkommen möchte, wenn du demnächst mit deiner Abschlussklasse unser Labor besichtigst." Frank arbeitete seit seinem Abschluss in der experimentellen Forschungsstation für Zaubertränke an der Universität in Edinburgh.

„Oh..., und was hat er gesagt?", fragte Hermine besorgt.

„Er sagte, er würde gerne kommen und du würdest dich sicher freuen, wenn er dir hilft, auf deine Schäfchen aufzupassen", sagte Frank.

Hermine verdrehte die Augen. „Meine Schäfchen werden vor Schreck tot umfallen, wenn sie hören, dass er mitkommt", seufzte sie.

„Das verstehe ich nicht", sagte Frank, „der ist doch ganz gut drauf, wie es scheint."

„Ach ja? Wart´s ab!", sagte Hermine, die aus dem Augenwinkel beobachtete, wie Tonks die kurze Pause zwischen zwei Liedern ausnutzte um sich ihren, gerade frei gewordenen, alten Kampfgefährten noch einmal zu krallen.

„Geil, dass du mal unter die Leute gehst, Snape", sagte Tonks grinsend. „Das hat Hermine gut hingekriegt!"

„Wieso sollte Hermine damit etwas zu tun haben?", fragte Snape ungehalten. „Ich bin eigentlich nur wegen dir dageblieben."

„Quatsch keine Opern!", sagte Tonks. „Du magst sie!"

„Pfff..."

„Du magst sie sogar sehr – gib´s zu!", sagte Tonks.

„Halt die Klappe und tanz!", knurrte Snape.

„Und sie mag dich auch", flüsterte Tonks ihm ins Ohr.

„Du leidest ganz eindeutig an Halluzinationen, Nymphadora", flüsterte Snape zurück.

Er konnte gerade noch ausweichen, als sie versuchte, ihm einen kräftigen Tritt gegen das Schienbein zu verpassen.