Hallo, Ihr Lieben!

In diesem Kapitel wird's mal ein klitzekleines Bisschen dramatischer, aber auch eine Winzigkeit romantischer – ich hoffe, Ihr mögt es!

Und hier noch eine Nachricht an „Anonym1" – leider hast Du bei Deinem Review Deine E-mail-Adresse nicht angegeben, darum antworte ich Dir hier:

Lockhart hat Snape umgehauen? Und darum findest Du es unrealistisch, dass Hermine keine Chance gegen Snape hat? Hast Du eventuell einen anderen Harry Potter, Band 2, gelesen als ich? In dem, den ich kenne, hat Snape Lockhart beim Duell weggepustet. Aber schön, dass Du es trotzdem ganz nett findest!

Kapitel 12

Hermine war spät dran, als sie sich auf den Weg in den Kerker machte, zum Zaubertränke-Unterricht der sechsten Jahrgangsstufe der Ravenclaws und Hufflepuffs. Nach dem Frühstück war sie im Flur noch aufgehalten worden - einmal von einer Schülerin, die ihr eine Frage zu den gestrigen Hausaufgaben gestellt hatte, welche leider nicht in einem Satz zu beantworten gewesen war und dann nochmals, von William, der versuchte sie zu einem Rendezvous in Hogsmeade zu überreden.

Als sie schließlich leicht abgehetzt vor ihrem Unterrichtsraum ankam, hörte sie durch die geschlossene Tür gedämpft, aber dennoch unverwechselbar, Snapes Stimme.

„Miss Carpenter – haben sie ihren Kopf eigentlich nur um Haare darauf wachsen zu lassen?", hörte sie ihn zetern, als sie die Tür vorsichtig einen spaltbreit öffnete.

Aber irgendetwas stimmte nicht, denn Alexandra Carpenter kicherte als Antwort auf diesen Verbalangriff.

Hermine schlüpfte leise durch die geöffnete Tür, die sie vorsichtig wieder hinter sich schloss, und sah Tim Caracciola, einen großen dunkelhaarigen Hufflepuff, in typischer Snape-Pose neben dem Lehrerpult stehen. Er war, wie es schien, nicht nur ein begabter Schauspieler, sondern auch ein guter Beobachter, denn außer der Haltung, der Stimme und der Sprechweise, imitierte er auch Snapes Gesichtsausdruck, von den hochgezogenen Augenbrauen bis zu dem boshaften Grinsen, äußerst eindrucksvoll.

„Was suchen sie denn da so eifrig, Pompkins?", sagte er gerade zu einem Schüler in der ersten Reihe, der in seiner Tasche wühlte, „Ihren Verstand? ...Ach so - ihr Lehrbuch!"

Steward Pompkins grinste über das ganze Gesicht.

„Miss Theodore – auch wenn das Denken nicht zu ihren leichtesten Übungen gehört – denken sie, dass es klug ist, sich während meines Unterrichts die Nase zu pudern", sagte Tim und ging drohend auf eine Schülerin in der dritten Reihe zu.

„Ich will nicht nachsitzen – bitte nicht!", winselte Iris Theodore und packte dann grinsend ihre Puderdose weg.

„Das haben nicht sie zu entscheiden", fauchte Tim. „20 Punkte Abzug für vorlautes Geschwätz!"

„Harris, Youngsmith, unterhalten sie sich ruhig weiter über Mode – sie können sich dann nächstes Jahr, nachdem sie durchgefallen sind, als lebende Schaufensterpuppen in der Winkelgasse bewerben", schrie Tim nach rechts hinten. „Ebenfalls 20 Punkte Abzug – für jede von ihnen!"

Kathleen Harris und Patricia Youngsmith kicherten affektiert.

„White, worüber haben wir in der letzten Unterrichtsstunde gesprochen? Eine kurze Zusammenfassung, wenn ich bitten darf", sagte Tim zu einem seiner Mitschüler in der zweiten Reihe.

Benjamin White zuckte entschuldigend mit den Schultern.

„Wo haben sie denn heute ihr Gehirn gelassen, White?", bellte Tim, legte aber dann nachdenklich die Stirn in Falten. „Obwohl – war da bisher überhaupt eines?"

Die Klasse amüsierte sich prächtig bei Tims äußerst treffender Darstellung des allseits gefürchteten Professors.

Keiner der Schüler bemerkt Hermines Anwesenheit bis sie sich räusperte, um auf sich aufmerksam zu machen.

„Wie nett, dass sie mich einstweilen vertreten haben, Professor Snape. Vielen Dank!", sagte sie lächelnd, während sie durch die Bankreihen nach vorne ging.

Caracciola, der einen Moment lang ziemlich betreten ausgesehen hatte, stellte sich umgehend auf ihre Anspielung ein.

„Wird auch langsam Zeit, dass sie erscheinen, Professor Granger! Ich habe schließlich besseres zu tun, als das Kindermädchen für diesen undisziplinierten Haufen hier zu spielen", scharrte er mit drohend zusammengekniffenen Augen.

„Verzeihen sie bitte die Verspätung, Herr Kollege, ich wurde aufgehalten", sagte Hermine und schaute schuldbewusst drein.

„Tatsächlich?", fragte Tim und zog seine Augenbrauen in die Höhe. „Mussten sie vielleicht wieder ein paar Pfützen von ihrem Köter beseitigen? Sie haben die Töle doch sicher immer noch nicht stubenrein."

„Ich arbeite daran", sagte Hermine schmunzelnd.

Snape hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, dass er an Hermines Klassenzimmer vorbeikommend, jedes Mal kurz verweilte, wenn sie dort gerade unterrichtete, um mit einem kleinen Zauberspruch den drinnen gesprochenen Ton magisch nach draußen, auf den Korridor zu übertragen.

Einerseits tat er das, um sie - den Neuling - zu überwachen, ob sie sich an den Lehrplan hielt, womit er sich selbst einen Grund für sein Tun gab, wenn auch einen reichlich fadenscheinigen – andererseits tat er es, weil die ruhige, gut strukturierte Art, wie sie den Stoff vortrug ihn beeindruckte, was er jedoch nicht so ohne Weiteres zugegeben hätte, und nicht zuletzt, weil er einfach gerne ihre Stimme hörte, was er natürlich nie im Leben zugegeben hätte.

An diesem Morgen hatte er in der ersten Stunde keinen Unterricht, da Professor Sprout ihn gebeten hatte, seine Stunde in der dritten Klasse an sie abzutreten, damit sie die ihrige dranhängen und eine etwas zeitraubendere Umtopfaktion mit den Schülern vornehmen konnte.

Er war gerade auf dem Weg zu einem verspäteten Frühstück in der großen Halle, als er Hermine in ihren Unterrichtsraum schlüpfen sah, recht spät, wie er stirnrunzelnd feststellte. Als er am Zaubertränke-Klassenzimmer vorbeikam, murmelte er seinen üblichen Zauberspruch.

...denken sie, dass es klug ist, sich während meines Unterrichts die Nase zu pudern...", hörte er eine Stimme sagen, die eindeutig nicht Hermines war.

Im nächsten Moment wurde ihm klar, wessen Stimme das war und auch, wessen Stimme es darstellen sollte.

Dass Timothy Caracciola, ein vorlauter, eingebildeter Hufflepuff, eine große Begabung hatte, andere Leute zu imitieren und auch, dass dieser Bengel besonders gerne ihn, Snape, nachmachte war ihm durchaus nicht neu. (In der Hoffnung, dass die Anderen bestraft würden, trugen die Slytherins ihrem Hauslehrer Verunglimpfungen der anderen Häuser, die über das übliche Maß hinausgingen, relativ verlässlich zu.)

Was ihn an dieser Sache jedoch maßlos erboste war, dass Hermine, die mit im Raum war, Caracciola nicht in die Schranken wies – nein - sie spielte sogar noch bei dieser Vorstellung mit.

Er lehnte sich an die Wand und lauschte, und mit jedem weiteren Satz, den er hörte wuchs die Wut auf seine verräterische Kollegin.

„Das waren übrigens fast nur Original-Zitate, die ich da von mir gegeben habe", sagte Tim Caracciola. „Sie werden mich doch nicht verraten, Professor Granger?", fügte er hoffnungsvoll hinzu, als Hermine schließlich vor die Klasse getreten war, und er auf seinen Platz zurück ging.

„Nein, natürlich nicht, Tim!", sagte Hermine.

In diesem Moment flog die schwere Eichentüre krachend auf.

„Das wird auch gar nicht nötig sein!", sagte Professor Snape kalt.

Die ganze Klasse, einschließlich ihrer Lehrerin, sah ihn verstört an. Caracciola war so weit in seinem Stuhl nach unten gerutscht, dass er schon fast unter dem Tisch saß.

„Severus, wie konnten sie...", begann Hermine zögernd.

„Das klären wir später", unterbrach Snape sie barsch. „Caracciola, sie melden sich heute nachmittag um fünf in meinem Büro, zur Strafarbeit."

Snape war zu dem Platz des Schülers gegangen und sah von oben auf ihn herab, mit einem Blick, mit dem man normalerweise eher ein ekliges Insekt betrachten würde. Tim rutschte noch ein bisschen tiefer unter den Tisch und wagte es nicht seinem wütenden Lehrer in die Augen zu sehen.

„Haben sie mich verstanden, Caracciola?", sagte Snape drohend.

„Ja...", murmelte Tim.

„WIE WAR DAS?", donnerte Snape.

„JA, PROFESSOR!", rief Tim erschrocken.

„Außerdem ziehe ich ihrem Haus 50 Punkte für die Verunglimpfung eines Lehrers ab", sagte Snape mit unverhohlenem Genuss, „und dann ziehe ich ihnen auch noch Punkte für ihr anmaßendes Verhalten ab – wie viel waren das vorher, bei ihren Mitschülerinnen? Drei mal 20, wenn ich mich nicht verhört habe – also noch mal 60. Aber die anderen Hufflepuffs werden sicher Verständnis haben, für ihre witzige kleine Eskapade."

Seinem bestürzten Gesichtsausdruck nach zu schließen, schien sich da Tim Caracciola nicht so sicher zu sein.

„Severus, meinen sie nicht, dass das ein bisschen übertrieben ist", sagte Hermine vorsichtig. „Das war noch nur ein kleiner Spaß. Eine Entschuldigung würde doch..."

„SIE melden sich heute abend um acht in meinem Büro, Professor Granger, dann erkläre ich ihnen, was meiner Meinung nach übertrieben ist", fuhr Snape sie an.

Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er ihr den Rücken zu und rauschte hinaus.

Beim Abendessen erzählte Hermine McGonagall von dem Vorfall und fragte sie um Rat, ob sie Snapes Aufforderung wirklich nachkommen sollte.

„Weißt du, was mich am meisten ärgert ist, dass er mich wie eine Schülerin in sein Büro bestellt", beklagte sie sich bei der ältern Freundin, „und ich denke, ich werde einfach nicht hingehen."

„Da wäre ich an deiner Stelle vorsichtig", sagte McGonagall und rümpfte die Nase. „Nachdem du erst seit so kurzer Zeit Lehrerin bei uns bist, und er der langjährige Vorgänger in deinem Fach war, ist er in gewisser Weise schon befugt, dich zu sich zu bestellen, wenn er es für nötig hält. Albus hat ihn regelrecht dazu verdonnert, sich in der Hinsicht um dich zu kümmern. Jeder Lehrer, der hier neu anfängt, bekommt so eine Art Mentor – und ich fürchte, Severus ist deiner."

„Danke, Minerva, du baust mich wirklich auf", sagte Hermine sarkastisch. „Kannst du mir wenigstens darin beipflichten, dass er aus einer Mücke einen Elefanten macht?"

„Nein, tut mir leid, Hermine, das kann ich nicht", sagte McGonagall ernst. „Weißt du, ich bin die Erste, die dabei ist wenn es darum geht, über unseren Kerker-Kollegen herzuziehen, aber niemals würde ich das in Anwesenheit von Schülern tun. Du musst dir darüber klar werden, auf welcher Seite du stehst – und ein Mindestmaß an Solidarität hat sogar Severus verdient."

„Aber Minerva! Das war doch nur ein ganz harmloser kleiner Spaß...", sagte Hermine entrüstet.

„Den du sofort hättest unterbinden müssen", sagte McGonagall streng.

„Na schön! Ich geb´s auf!", sagte Hermine genervt. „Irgendwelche guten Vorschläge, betreffend der Schadensbegrenzung?"

„Es könnte sicher nicht schaden, wenn du auf allen Vieren zu ihm reinkriechst", sagte McGonagall boshaft grinsend.

So machte sich Hermine, mittlerweile mit mehr als einem Hauch von schlechtem Gewissen, kurz vor acht auf den Weg zu Snapes Büro.

Auf der Treppe zum zweiten Stock kam ihr Tim entgegen, der ziemlich mitgenommen aussah.

„Was hat er mit ihnen angestellt?", fragte Hermine besorgt.

„Hat mich den Boden in seinem Büro schrubben lassen, bis kein einzigstes Dreckpartikelchen mehr zu sehen war, anschließend einwachsen und dann noch auf Hochglanz polieren. Hat behauptet, dass müsse man hin und wieder per Hand erledigen, anstatt mit Zauberei, weil das dem Holz gut täte", erzählte Tim müde.

„Das kann ja so schlimm nicht gewesen sein", meinte Hermine erleichtert.

„Zwischendrin hat er mir immer mal wieder den ein oder anderen Fluch auf den Hals gehetzt. Hat behauptet, ich müsse das üben, mich in ungewöhnlichen Situationen gegen unerwartete Angriffe zu verteidigen", leierte Tim weiter. „Bin ganz schön oft im Putzwasser gelandet. Hat mich einmal eine Viertelstunde da liegen lassen. Hat behauptet, er hätte vergessen, den Fluch aufzuheben. Ich geh jetzt ins Bett. Nacht, Professor!"

Mit diesen Worten ließ er sie stehen und trottete langsam mit hängenden Schultern die Treppe hinunter.

Als sie an Snapes Bürotür klopfte war es zwei Minuten nach acht.

„HEREIN!", kam es sofort von drinnen und er schaffte es, sogar dieses einzelne Wort ungeduldig klingen zu lassen.

„Sie haben es heute nicht so, mit der Pünktlichkeit, nicht war?", schnauzte er sie an, kaum dass sie den Raum betreten hatte. Er saß hinter seinem Schreibtisch und sah sie mit seinen schwarzen Augen unheilvoll an. Hermine fühlte sich schlagartig wieder in ihre Schulzeit zurückversetzt.

„Es sind doch nur zwei Minuten...", begann sie gereizt, besann sich dann aber eines Besseren. „Okay, ich bin zu spät – entschuldigen sie bitte", sagte sie übertrieben zerknirscht. „Soll ich noch einen kleinen hübschen Knicks machen, dass es gilt?"

„Ich denke, sie sollten weitere Unverschämtheiten vorerst lieber stecken lassen", sagte Snape drohend.

„Danke, für den guten Rat! Ich bin übrigens zu spät, weil ich ihr voriges Opfer getroffen habe", sagte Hermine pampig. „Soll ich hier eigentlich auch was putzen – oder wie haben sie sich das vorgestellt?"

„Wollen sie sich tatsächlich auf die selbe Stufe stellen wie einen Schüler aus der sechsten Klasse?", fragte Snape angewidert.

„Sie stellen mich doch auf diese Stufe, indem sie mich hierher befehlen", fauchte Hermine.

„Hätte ich sie etwa auf ein gemütliches Plauderstündchen bei einem Glas Wein einladen sollen, nachdem was sie sich heute geleistet haben", zischte er zurück.

„Sie könnten mir zumindest einen Stuhl anbieten", sagte Hermine, „oder wäre das auch schon zu viel verlangt?"

„Setzen sie sich!", sagte Snape gereizt.

„Was habe ich denn ihrer Meinung nach so schlimmes getan?", sagte Hermine, nachdem sie in dem Sessel vor seinem Schreibtisch Platz genommen hatte.

„Wissen sie, mir war schon bekannt, dass Caracciola ein begnadeter Schauspieler ist, und meine Rolle eine seiner Favoriten – um so mehr freut es mich, dass ich ihn endlich mal erwischt habe", sagte Snape, „aber was mich wirklich wütend macht ist ihr Verhalten in dieser Angelegenheit. Sie, eine Lehrerin, kommen zu einer Situation hinzu in der einer ihrer Kollegen in aller Öffentlichkeit lächerlich gemacht wird, und was tun sie – sie spielen das Spielchen mit, als wären sie selber noch ein Schulmädchen."

„Aber der Junge hat sie doch gar nicht lächerlich gemacht", warf Hermine ein, „er war einfach, wenn ich das so sagen darf, ziemlich nahe dran, am Original, und das war das Lustige daran. Versuchen sie doch auch mal über sich selbst zu lachen, Severus, das kann ungeheuer befreiend sein."

„Jetzt machen sie mal halblang, sie kleine Klugscheißerin", knurrte Snape.

Hermine, die sich diesen Ton auf gar keinen Fall bieten lassen wollte, zog ein beleidigtes Gesicht und stand auf, in der festen Absicht, dieses Büro so schnell wie möglich zu verlassen.

Snape sprang auf und donnerte beide Hände auf die Tischplatte. „SETZEN SIE SICH HIN!", brüllte er über den halben Tisch gebeugt.

Hermine wurde von der unerwarteten Heftigkeit dieser Attacke regelrecht in ihren Sessel zurückgeworfen.

„Wenn sie noch einmal den Versuch machen sollten, den Raum zu verlassen, bevor ich dieses Gespräch für beendet erkläre, dann binde ich sie am Stuhl fest", sagte Snape bedrohlich, und ein Blick in seine Augen ließ Hermine glauben, dass er es ernst meinte.

„Severus, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, dass Caracciola sie lächerlich macht, hätte ich das Ganze natürlich schnellstens unterbunden", sagte Hermine vorsichtshalber einlenkend, aber mit trotzigem Unterton, nachdem er sie einige Sekunden nur böse angestarrt hatte.

„Das glauben sie doch selber nicht, Hermine", sagte Snape abfällig, „Sie hätten doch viel zu viel Angst gehabt, dass ihre Schüler sie dann nicht mehr ganz so gern mögen.

„Das ist eine ganz gemeine Unterstellung", brauste Hermine auf.

„Ach was – das ist doch genau das, was sie praktizieren – diese Ich-bin-eure-beste-Freundin-Methode", schnaubte Snape.

„Das sagen sie nur, weil SIE keiner der Schüler mag", sagte Hermine wütend.

„Jaaa..., ich bin ein tragischer Fall und keiner liebt mich", sagte Snape sarkastisch und legte mit einer theatralischen Geste eine Hand auf die Brust, „aber immerhin herrscht in meinem Unterricht Disziplin – aber das wissen sie ja aus eigener Erfahrung."

„Soll das etwa heißen in meinem nicht?", keifte Hermine.

„Diese Sache heute morgen war ja wohl ein deutliches Beispiel für das Fehlen jeglicher Disziplin", sagte Snape ungehalten.

„Man kann Schülern auch etwas beibringen, ohne sie einzuschüchtern und zu verängstigen", sagte Hermine herausfordernd.

„Und sie meinen, auf die Weise, wie sie sich anbiedern, bringen sie die kleinen Teufel dazu, sie zu respektieren und ihr Fach ernst zu nehmen?", fragte Snape ungläubig.

„Ich biedere mich nicht an!", zischte Hermine. „Ich bin nur freundlich – das ist eine ganz normale menschliche Verhaltensweise, falls das noch nicht bis zu ihnen vorgedrungen sein sollte."

„Die locker-flockige Atmosphäre in ihrem Unterricht, die ihre Schüler so überschwänglich loben, hat einen entscheidenden Nachteil", sagte Snape ohne auf ihre Provokation einzugehen. „Sie schafft nicht die nötigen Grundvoraussetzungen für das Erlernen der Zaubertrankherstellung!"

„Als da wären?", fragte Hermine genervt.

„Disziplin, Konzentration und Präzision sind unumgänglich, wenn man mit hochgiftigen Zutaten hantiert. Das müsste ihnen doch eigentlich klar sein", sagte Snape vorwurfsvoll. „Die Gefahr, jemanden beispielsweise durch eine falsche Dosierung zu vergiften, anstatt zu heilen, liegt immer um die nächste Ecke.

„Ich gebe ihnen vollkommen recht, was die Konzentration und Präzision betrifft", sagte Hermine seufzend, „aber ich glaube nicht, dass das Verbreiten von Angst diese Fähigkeiten erheblich fördert. Und das ist ja wohl ihre bevorzugte Methode."

„In meinem Zaubertränke-Unterricht haben diejenigen, die es drauf hatten, gelernt, auch unter starkem Druck präzise zu arbeiten", erklärte Snape, „und diejenigen, die dem Druck nicht gewachsen waren, ließen das Fach Zaubertränke spätestens im siebten Jahr sausen, was für die Allgemeinheit durchaus einen relativ hohen Sicherheitsfaktor darstellte. Es liegt schließlich im Interesse aller, dass nicht irgendwelche Dilettanten in den Zaubertranklabors herumpfuschen."

„Sie behaupten also tatsächlich, sie quälen ihre Schüler zum Wohle der Allgemeinheit, und nicht zum eigenen Vergnügen?", fragte Hermine skeptisch. „Das würde mein Weltbild aber wirklich gründlich erschüttern."

„Manchmal lässt sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden", sagte Snape mit einem genervten Seufzer, „ist ihr Weltbild damit gerettet?"

„Aber die Schüler so zu verängstigen, wie sie es tun, kann doch nicht der einzige Weg sein, Druck zu erzeugen", sagte Hermine.

„Mag sein, aber ein äußerst effektiver. Härtet sie ab, die kleinen Hosenscheißer", sagte Snape provokativ. „Sie wissen doch – was einen nicht umbringt, macht einen hart."

„Und wozu bitte soll das gut sein?", fragte Hermine aufgebracht.

„Nun - ihr Freund Potter war ziemlich abgehärtet, als er dem dunklen Lord gegenübertrat, und er hat überlebt. Ist das vielleicht nichts?", sagte Snape und zog fragend die Augenbrauen hoch.

„Aber... , na schön, ich geb´s zu – das ist schon was!", seufzte Hermine, die endlich zu der Erkenntnis gelangt war, dass sie mit ihren Argumenten bei ihm absolut nichts ausrichten konnte.

„Tonks hat mir übrigens erzählt, dass Harry es ohne ihre und Dumbledores Hilfe wohl nicht geschafft hätte, Voldemort zu besiegen", sagte sie nach einer Weile, als Snape nicht weitersprach. Sie hegte ein klein wenig Hoffnung, auch ihm vielleicht ein paar Einzelheiten über den Kampf entlocken zu können.

„Tonks hat bei dem Fest mit ihnen über Voldemort gesprochen?", sagte Snape erstaunt. „Nicht gerade ein geeignetes Party-Thema!"

„Nein – sie hat es mir am nächsten Tag beim Frühstück erzählt", sagte Hermine, bevor sie sich selber daran hindern konnte. (Scheiße!)

„Sie haben am nächsten Tag mit ihr gefrühstückt?", sagte Snape ungläubig.

Hermine nickte, vermied es jedoch ihm direkt in die Augen zu sehen. „Ja – in meiner Wohnung", sagte sie beiläufig, während sie krampfhaft überlegte, wie sie sich nach diesem Patzer noch retten konnte.

„Was hat sie denn sonst noch so erzählt", sagte Snape misstrauisch und starrte sie mit zusammengekniffenen Augen fast hypnotisierend an.

Dies war entschieden einer dieser Momente, in dem Hermine den Umstand tausendmal verfluchte, dass sie, sobald ihr eine Situation peinlich war, nichts dagegen tun konnte, dass sie umgehend die Farbe reifer Tomaten annahm, und für andere Menschen daher so leicht zu durchschauen war, wie eine frisch geputzte Fensterscheibe. Dazu kam, das der Mann, der ihr gegenübersaß und sie mit seinem Röntgenblick festnagelte, alles andere als ein Anfänger im Durchschauen von Menschen war, und das, ohne Legilimentik anwenden zu müssen.

„Na toll!", sagte Snape tonlos. (Verdammter Mist!)

Hermine fiel beim besten Willen nichts ein, was sie darauf hätte sagen können.

„Die gute Nymphadora ist einfach eine Plaudertasche – vor allem früh am Morgen, zu meinem Leidwesen", sagte Snape belegt. (Was, zum Teufel, rede ich da nur?)

„Eigentlich kann sie gar nichts dafür", sprudelte Hermine heraus. „Sie hätte sicher überhaupt nichts gesagt, wenn ich sie nicht halbangezogen aus ihren Privaträumen hätte kommen sehen."

„Oh – das wird ja immer besser", sagte Snape, atmete einmal tief durch, lehnte sich in seinem Sessel zurück und sah Hermine abwartend an.

„Sie hat mir eh nicht viel erzählt", sagte Hermine hastig, „nur dass sie Beide gute Freunde sind und dass sie damals, nach dem Sieg über Voldemort..., na ja,... und dass ja nichts dabei wäre, denn sie wären ja schließlich erwachsene Menschen..., und dass ich das doch verstehen müsste..."

Hermine verstummte und unterzog die Maserung ihrer linken Armlehne einer eingehenden Betrachtung.

„Und...?", sagte Snape.

„Was und?", sagte Hermine gequält.

„Verstehen sie es, oder bringt das wieder ihr Weltbild zum Wackeln", sagte Snape leise, und sie meinte einen ironischen Unterton aus seiner Stimme herauszuhören.

„Ich finde die Sache mit Tonks lässt sie irgendwie männlicher erscheinen... MENSCHLICHER! ..., ich meine natürlich menschlicher!", stammelte Hermine mit weit aufgerissenen Augen, deren Gesichtsfarbe jetzt vom vorherigen intensiv roten Ton in eine ungesund anmutende Blässe umgeschlagen war. (SCHEIßE! SCHEIßE! SCHEIßE!)

Snape gab leise, ungewöhnliche Laute von sich. Hermine brauchte ein paar Sekunden, um zu erkennen, dass er lachte.

„Manchmal sind sie wirklich rührend, Hermine", sagte er grinsend, nachdem sein Heiterkeitsausbruch sich einigermaßen gelegt hatte.

Hermines Gesichtsfarbe hatte wieder zu der roten Variante gewechselt und sie schenkte der rechten Armlehne ihres Sessels nun die selbe Aufmerksamkeit wie vorher schon deren linker Schwester.

„Menschlicher – das ist doch mal was Nettes", sagte Snape vergnügt. „Ich werte das, ihr Einverständnis vorausgesetzt, als Kompliment – inklusive des kleinen freud´schen Versprechers."

Hermines Kopf schoss in die Höhe. „Was wissen sie von Freud?", fragte sie erschüttert.

„Ich habe ein paar seiner Werke gelesen - ja, zuweilen lese ich auch Bücher, die von Muggeln geschrieben wurden", sagte Snape, „obwohl ich zugeben muss, dass ich Freud für einen ziemlichen Dummschwätzer halte – aber das ist ja wohl mehr ihr Fachgebiet, Frau Psychologin."

„Das war kein freud´scher Versprecher", sagte Hermine etwas schrill.

„Wenn sie das sagen...", meinte Snape amüsiert lächelnd.

„Sind sie noch sauer auf mich", fragte sie nach einer Weile und sah ihn vorsichtig zwischen einigen Haarsträhnen hindurch an, die ihr bei der intensiven Stuhlinspektion vors Gesicht gefallen waren.

„Nein – eigentlich nicht mehr", sagte Snape nachdenklich, „und offengesagt ist es mir ein Rätsel, wie sie das immer wieder so schnell hinkriegen."

„Ich schätze, das liegt entweder an meinem todsicheren Gespür für Fettnäpfchen, oder an meiner beindruckenden Fähigkeit, mich ständig bis auf die Knochen zu blamieren", sagte Hermine und verdrehte die Augen.

„Das wäre durchaus möglich", sagte Snape lächelnd. „Ich tendiere allerdings eher zu der Ansicht, dass es an ihrer entwaffnenden Ehrlichkeit liegt."

Nun war offensichtlich die Tischplatte an der Reihe, einer gründlichen Untersuchung durch Hermine unterzogen zu werden.

„Es tut mir wirklich leid, wegen der Sache heute Morgen", sagte Hermine schließlich zerknirscht. „Sie haben Recht – ich habe mich falsch verhalten. Aber eines muss ich trotzdem noch mal sagen – Tim war wirklich gut."

„Ich weiß, wie gut er ist", sagte Snape gelassen. „Als er vorhin meinem Imperius-Fluch unterworfen war, ließ ich ihn sämtliche Professor Granger-Nummern zu Besten geben, die er auf Lager hatte.

„SIE HABEN WAS?", rief Hermine entsetzt.

„War nur ein Scherz!", sagte er grinsend und hob beschwichtigend die Hände. „Ich würde natürlich nie jemandem diesen Fluch aufbrummen, ohne dass Zeugen dabei anwesend sind."

„Nicht einmal Pamela Peephole", fragte Hermine spitz.

„Ich denke, in diesem speziellen Fall würde der Imperius als Notwehr durchgehen", meinte Snape.

„Sie verzeihen mit also meinen Ausrutscher, auch ganz ohne Knicks?", fragte Hermine noch mal auf das ursprüngliche Thema zurückkommend.

„Ja, aber ich bin ihnen noch eine Antwort schuldig, Hermine", sagte Snape jetzt wieder ernst.

„Auf welche Frage?", sagte Hermine stirnrunzelnd. Im nächsten Moment fiel es ihr ein.

„Richtig! Wie konnten sie wissen, was in meinem Klassenzimmer ablief – sie scheinen ja den genauen Wortlaut von Tims Darbietung mitgekriegt zu haben. Doch nicht etwa durch Legilimentik?

„Nicht nur seine Worte, sondern auch ihre, und selbstverständlich nicht durch Legilimentik", gab Snape zu Antwort.

„Wie dann?", sagte Hermine.

„Ich habe... ihnen hin und wieder zugehört, wenn ich während ihrem Unterricht an ihrem Zimmer vorbei kam", sagte Snape.

„Zugehört?", fragte Hermine verständnislos.

„Mit einem ganz simplen Zauberspruch, der alle Geräusche aus dem Raum in den Korridor überträgt", erklärte Snape.

„SIE HABEN MICH AUSSPIONIERT?", rief Hermine.

„Ich würde nicht so weit gehen, es so zu bezeichnen", sagte Snape ruhig.

„Sie haben mich ohne mein Wissen überwacht", fauchte Hermine. „Wie, zum Teufel würden sie das nennen?"

„Rein fachliches Interesse", sagte Snape, „und bis heute morgen hatte ich an ihrem Unterricht auch noch nie etwas auszusetzen."

„Damit kommen sie nicht durch", sagte Hermine und funkelte ihn böse an. „Ich werde zu Dumbledore gehen!"

„Das werden sie schön bleiben lassen!", sagte Snape drohend. „Ansonsten werde ich nach Gründen suchen, die diese Art der Überwachung im Nachhinein notwendig erscheinen lassen – und glauben sie mir – wenn ich damit erst einmal angefangen habe, werde ich eine Menge davon finden"

„Was soll das heißen?", sagte Hermine gepresst.

„Das soll heißen – wenn sie damit zu Dumbledore gehen, zerlege ich sie", sagte Snape kalt.

„Sie drohen mir schon wieder?", sagte Hermine heiser und starrte ihn mit wütend zusammengekniffenen Augen an.

„Sie hatten schon immer eine schnelle Auffassungsgabe", sagte Snape und erwiderte ihren Blick ungerührt.

„Wenn ICH einen Fehler mache muss ich also hier antanzen, und mich von ihnen abkanzeln lassen", sagte Hermine und wurde, während sie redete, immer lauter, „aber wenn SIE eine Sauerei veranstalten, die bei weitem schwerwiegender ist, dann kehren sie die Sache einfach unter den Teppich, UND VERSUCHEN AUCH NOCH MICH EINZUSCHÜCHTERN?"

„Ich rate ihnen dringend, ihre Impulsivität zu zügeln", sagte Snape leise und gefährlich.

„WAS SIND SIE NUR FÜR EIN MENSCH?", rief Hermine aufgelöst.

„ES REICHT JETZT!", sagte Snape scharf.

„Jedes Mal, wenn ich anfange Sie ein bisschen zu mögen, und jedes Mal, wenn ich anfange zu glauben, dass sie mich ein bisschen mögen, machen sie sofort alles wieder kaputt, indem sie mich wie den letzten Dreck behandeln", sagte Hermine und sah ihn verzweifelt an.

„So ist das Leben – unzuverlässig und grausam", sagte Snape sarkastisch.

„Kommen sie mir doch nicht mit so einer pseudo-philosophischen Scheiße!", fauchte Hermine.

„Dann hören sie endlich auf, sich so zickig aufzuführen", knurrte Snape.

„Was habe ich ihnen eigentlich getan?", sagte Hermine mit verdächtig zittriger Stimme.

Snape schwante Übles.

„WARUM HASSEN SIE MICH SO?", schrie Hermine, und wische wütend die ersten Tränen weg.

„Ich hasse sie nicht – und nun beruhigen sie sich bitte", versuchte Snape den Ausbruch noch einzudämmen.

„SIE HABEN MICH SCHON IMMER GEHASST!", schrie Hermine, und die Tränen kullerten nun unaufhaltsam über ihre Wangen.

„Blödsinn! Und jetzt hören sie bloß mit dieser Flennerei auf", sagte Snape barsch.

Hermine versuchte verzweifelt ihrer Tränen Herr zu werden aber hinter den beiden Ärmeln, mit denen sie sich immer wieder über das Gesicht wischte, drang weiter gedämpftes Schluchzen hervor.

„Das kann doch nicht wahr sein, dass sie so eine Mimose sind – schließlich waren sie sieben Jahre lang meine Schülerin!", sagte Snape gereizt. „Das Heulen hatten sie doch bereits im ersten Schuljahr aufgegeben, soweit ich mich erinnern kann."

„DAS ICH GELERNT HABE, MEINE GEFÜHLE ZU VERBERGEN HEIßT NICHT, DASS ICH KEINE HABE!", schrie Hermine völlig außer sich. „WENN SIE MEINE HEULEREI SO STÖRT, DANN LASSEN SIE MICH GEHEN, ODER SCHMEIßEN SIE MICH RAUS – DAS PASST NOCH BESSER ZU IHNEN – DENN WENN ICH ES WAGE, OHNE ERLAUBNIS AUFZUSTEHEN, BINDEN SIE MICH JA AM STUHL FEST."

Snape, der langsam einsah, dass ihm die Sache gewaltig aus dem Ruder lief, war beunruhigt. Wenn Hermine in diesem Zustand sein Büro verlassen würde, wäre die nächste Katastrophe praktisch vorprogrammiert.

Schnell überflog er die Möglichkeiten, die sich anboten, dies zu verhindern, verwarf den Imperius-Fluch sofort und die Option, ihre Erinnerung an die letzte halbe Stunde zu löschen, etwas zögerlicher und mit leisem Bedauern, erhob sich schließlich widerwillig und insgeheim vor sich hinfluchend von seinem Stuhl, und ging um den Schreibtisch herum, zu Hermine.

Sie hatte die Beine hochgezogen und umklammerte sie mit ihren Armen. Ihren Kopf hatte sie irgendwo dazwischen vergraben, so dass nur noch ihr zerzauster Haarschopf zu sehen war. Ihr ganzer Körper wurde in unregelmäßigem Rhythmus von erstickten Schluchzern geschüttelt.

Snape ging neben dem Sessel in die Hocke, atmete tief durch und legte vorsichtig eine Hand auf ihren bebenden Rücken. Als sie ihm daraufhin nicht an die Gurgel sprang begann er langsam, mit leicht kreisenden Bewegungen auf und ab zu streichen. Das Beben schien sich daraufhin geringfügig zu vermindern.

Davon ermutigt, versuchte er mit der anderen Hand vorsichtig ihre Haare zur Seite zu schieben, in der Hoffnung irgendwann zu ihrem Gesicht vorzudringen, was Hermine jedoch umgehend dazu veranlasste, ihren Kopf noch tiefer zu vergraben.

„Hermine – beruhigen sie sich doch", sagte er hilflos und strich ihr weiter über den Rücken.

„Würde es etwas helfen, wenn ich ihnen verspreche, sie nie mehr zu belauschen?", fragte er, als sie ihm ein kleines bisschen ruhiger vorkam.

Die Abstände zwischen den Schluchzern wurden deutlich länger.

„Ich würde sogar schwören, mir in Zukunft die Ohren zuzuhalten, wenn ich an ihrem Unterrichtsraum vorbeigehe", sagte Snape, „wenn sie dafür aufhören, zu weinen."

Das Schluchzen ging in Schniefen über.

„Und wenn es unbedingt sein müsste, würde ich ihnen sogar versprechen, nicht mehr ganz so fies zu ihnen zu sein", sagte Snape.

Ihre Hände verschwanden unter der Flut der Haare und das Schiefen ging in ein energisches Schnauben über. Snape dankte still dem Schicksal, dass er wenigstens nicht genötigt war, ihr ein Taschentuch besorgen zu müssen.

Als sie nach dieser Aktion jedoch immer noch nicht auftauchte, sondern stumm und zusammengekauert sitzen blieb, versuchte er nochmals zu ihr vorzudringen.

„Wo zum Teufel sind sie, Hermine", murmelte er, während er vorsichtig, Strähne für Strähne, ihre Locken umschichtete.

Als er endlich gefunden hatte, was er gesucht hatte, war er für einen kurzen Moment versucht, seine Aktion umgehend wieder rückgängig zu machen.

Der Schmerz, den er in ihren Augen sah, bevor sie den Blick abwandte und sich aufrichtete, versetzte ihm einen Stich, der eine ganze Ladung Schuldgefühle im Gepäck hatte.

„Es tut mir leid...", sagte sie so leise, dass er sie kaum verstehen konnte.

Mit gesenktem Kopf saß sie da, die Arme immer noch um die hochgezogenen Beine geschlungen, als ob sie sich möglichst klein machen wollte.

„Sie können nichts dafür, Hermine", sagte Snape. „Es war meine Schuld."

Er hatte immer noch seine Hand auf ihrem Rücken liegen, und da er keine Idee hatte, wie er sie unauffällig von dort entfernern sollte, ließ er sie einfach liegen.

„Ich hätte mich nicht so gehen lassen dürfen", flüsterte sie heiser.

„Das ist schon in Ordnung", sagte er und begann aus purer Verlegenheit wieder ihren Rücken zu streicheln.

„Warum tun sie das?", fragte Hermine.

„Was?", fragte Snape und erstarrte.

„Warum machen sie mich zuerst total fertig und sind dann wieder so..., so..., ich weiß nicht..., ganz anders jedenfalls", sagte Hermine tonlos.

„Schlechte Angewohnheit – es tut mir leid", sagte Snape leise.

„Ich habe Angst!", sagte Hermine.

„Wovor?", fragte Snape und seine Hand fing wieder an, ganz langsam an ihrem Rücken auf und ab zu gleiten, als hätte sie einen eigenen Willen.

„Dass sie vielleicht gleich wieder gemein zu mir sein werden", flüsterte Hermine.

„Nein, heute nicht mehr", sagte er sanft. „Morgen ist auch noch ein Tag."

Endlich hob sie ihren Kopf und sah ihn an, und für einen kurzen Moment huschte die leise Andeutung eines Lächelns über ihr Gesicht.

„Sie können es einfach nicht lassen, oder?", fragte sie.

„Nein, ich glaube nicht", sagte Snape reumütig.

„Bald werden sie es aber müssen – und zwar einen ganzen Tag lang", sagte Hermine, „nämlich dann, wenn sie ihre Wette verloren haben."

„Sieht es denn so schlecht aus für mich?", fragte Snape.

„Das Öl ist fast fertig und die Mädchen haben bis jetzt keinen einzigen Fehler gemacht", sagte Hermine.

„Wie haben sie das nur hingekriegt, Hermine - ganz ohne schlimme Drohungen, ätzende Sprüche und angsteinflößende Blicke?", fragte Snape.

„Mit Motivation!", sagte Hermine und zeigte wieder den Ansatz eines Lächelns. „Ich habe den Beiden erzählt, das ich mit ihnen gewettet habe – das hat schon gereicht. Ich musste nicht mal den Wetteinsatz verraten – allein der Gedanke, ihnen eins auszuwischen, hat die zwei ausreichend beflügelt.

„Da sehen sie mal, wie motivierend ich wirken kann", sagte Snape.

„Sie werden sich wundern, wie motivierend sie erst wirken, wenn sie nett zu den Leuten sind", sagte Hermine.

„Die Einlösung meiner Wettschuld findet doch hoffentlich an einem Wochenende statt, damit ich nicht auch noch zu den halbwüchsigen Parasiten nett sein muss", sagte Snape misstrauisch.

„Nein - an einem Mittwoch," sagte Hermine, „weil ich da die Siebte direkt nach ihnen habe, und ich möchte mal sehen, wie die drauf sind, wenn sie von ihnen zwei Stunden lang freundlich behandelt wurden."

„Und sie behaupten, ich wäre grausam", sagte Snape und verzog angewidert das Gesicht.

Er stand auf und lehnte sich an den Schreibtisch.

„Ich glaube, sie sollten jetzt langsam gehen", sagte er, „sonst kommt noch jemand auf die Idee, ich hätte sie gefressen."

„Ich habe tatsächlich ihre Erlaubnis, diesen Stuhl zu verlassen – ist das wirklich wahr", sagte Hermine mit einem zaghaften Grinsen.

„Sie können es auch nicht lassen, hm?", sagte Snape schmunzelnd.

„Ich glaube nicht", sagte Hermine. „Darf ich ihnen noch eine Frage stellen, bevor ich gehe?"

„Nämlich?", sagte Snape.

„Wenn ich einmal davon ausgehe, dass es wahr ist, dass sie mich nicht hassen...", sagte Hermine.

„Ich hasse sie nicht!", unterbrach Snape sie mit Nachdruck.

„...und, sie mich auch nie gehasst haben", fuhr Hermine fort, „warum haben sie mich dann als Schülerin so schlecht behandelt. Gemocht haben sie mich auf jeden Fall nicht!"

„Ich mag keine Schüler – schon aus Prinzip nicht!", schnarrte Snape.

„Haben sie eigentlich eine Ahnung, wie sehr ich mich bemüht habe, ihren Ansprüchen zu genügen?", sagte Hermine anklagend. „Ich habe gelernt, wie eine Verrückte, habe mir die Finger wund geschrieben und ellenlange Aufsätze abgegeben, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Ich habe ihnen Löcher in den Bauch gefragt, sowie ich auch nur die kleinste Gelegenheit dazu hatte. Ihr Fach hat mich von Anfang an fasziniert – sie hätten mir so viel geben können, aber sie haben mich immer nur auflaufen lassen."

Da war er wieder, dieser waidwunde Blick, der Snape so zu schaffen machte, dass er es kaum fertig brachte ihr weiter in die Augen zu sehen.

„Sie waren als Schülerin der Traum eines jeden Lehrers, intelligent, wissbegierig, immer aufmerksam und gesegnet mit einem immensen Arbeitseifer", sagte er. „Die anderen Lehrer wurden nicht müde sie zu loben - ihre Leistungsbereitschaft, ihre effiziente Arbeitsweise, ihre gute Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, die richtigen Schlüsse aus diesen Beobachtungen zu ziehen. Und sie hatten vollkommen Recht damit."

„Aber wenn sie das auch so empfunden haben, warum haben sie mich dann die meiste Zeit ignoriert – wenn sie mich nicht gerade gequält haben?", fragte Hermine verstört.

„Gerade dadurch, dass sie so eine Überfliegerin waren und den anderen so haushoch überlegen, haben sie streckenweise ganz schön die Bodenhaftung verloren", erklärte Snape. „Ich glaube auch nicht, dass ich der Einzige war, der sie je eine Besserwisserin genannt hat."

„Sie nannten mich eine unerträgliche Alleswisserin", berichtigte Hermine ihn.

„Hatte ich ihr gutes Gedächtnis erwähnt, als ich ihre Vorzüge aufzählte?", sagte Snape und verdrehte die Augen.

„Ich habe versucht, sie ein wenig einzubremsen, sie von ihrem hohen Ross runterzuholen – nicht immer mit fairen Mitteln – das gebe ich zu."

„Ich hatte doch nicht mal eine Chance - sie haben sich ja so gut wie nie angehört, was ich zu sagen hatte", sagte Hermine anklagend.

„Wenn ich sie jedes Mal, wenn sie sich meldeten - und das haben sie eigentlich fast ununterbrochen getan - drangenommen hätte, wäre der Rest der Klasse gar nicht mehr gefordert gewesen", sagte Snape, „und wenn ich ihnen erlaubt hätte, andauernd ihre Fragen zu stellen, deren Niveau die anderen bei weitem überfordert hätte, wären mir diese faulen Nichtsnutze womöglich noch eingeschlafen. Und ich war mir sicher, dass sie sich ihr Wissen auch auf anderem Weg holen würde – ich habe nie jemanden mehr Zeit in der Bibliothek verbringen sehen als sie. Ihre wirklich langen und wirklich exzellenten Aufsätze habe ich übrigens mit großem Interesse gelesen und in der Abschlussprüfung konnte ich gar nichts anderes tun als ihnen Bestnoten zu geben – ihre Leistung lag um Klassen über dem Standard der siebten Jahrgansstufe."

Hermine sah ihn immer noch zweifelnd und traurig an.

„Außerdem war ihre unstillbare Neugier durchaus ein Problem für mich", fuhr er fort. „Wenn ich ihre Fragen zugelassen hätte, hätten sie immer weitergefragt. Ich hatte die Befürchtung, dass sie mir dann irgendwann eine Frage stellen würden, die ich nicht mehr hätte beantworten können – und wie wäre ich dann dagestanden."

„Wenn ich außerhalb des Unterrichts zu ihnen gekommen wäre", sagte Hermine, „hätten sie dann meine Fragen beantwortet?"

Snape über legte einen Moment. „Ich denke schon", sagte er dann. „Warum sind sie nie gekommen?"

„Weil ich dachte sie hassen mich", sagte Hermine leise.

„Bitte hören sie auf, mich anzuschauen, wie ein angeschossenes Reh – das macht mich wirklich fertig," seufzte Snape. „Und - ich hasse sie nicht, Hermine, ich schwöre es!"

„Sondern?", fragte Hermine.

„Was sondern?", sagte Snape verzweifelt.

„Wenn sie mich nicht hassen, was dann?", bohrte Hermine nach.

Snape senkte seinen Kopf massierte mit den Fingerspitzen seine Schläfen, als ob ihm ihre Frage Kopfschmerzen bereiten würde.

„Also gut – wenn sie das unbedingt wissen müssen", sagte er, als Hermine die Hoffnung auf eine Antwort schon fast aufgegeben hatte, „Ich mag sie, Hermine! Ich mag sie wirklich gern, auch wenn sie des öfteren eine fürchterliche Nervensäge sind und ich fühle mich wohl in ihrer Gesellschaft. Reicht das fürs Erste?"

Hermine sah ihn mit großen Augen an, in denen es schon wieder verdächtig feucht schimmerte.

„Ich glaube es ist wirklich besser, wenn sie jetzt gehen", sagte Snape eilig und reichte ihr die Hand um ihr hoch zu helfen.

„Ja!", sagte Hermine, nahm seine Hand und stand schnell auf - zu schnell für ihren Kreislauf, wie sich herausstellte, denn sie begann bedrohlich zu schwanken.

Ehe sie sich versah, lag sie in seinen Armen und zu ihrer Verwunderung überkam sie gleichzeitig ein warmes Gefühl der Geborgenheit. Sie schloss die Augen und blieb eng an ihn gelehnt ganz ruhig stehen um den unvermeidlichen Moment der Trennung noch eine wenig hinauszuzögern.

Auch Snape rührte sich nicht. Die Situation kam ihm seltsam unwirklich vor. (Was tue ich hier eigentlich? - das ist Hermine Granger! - aber sie fühlt sich verdammt gut an!)

Wieder überkam ihn das Verlangen, mit seinen Händen in ihren Haaren zu wühlen, deren angenehmer Duft ihm in die Nase stieg.

Nachdem ihm klar wurde, dass wenn er sie noch länger im Arm halten würde, die Sache sich wahrscheinlich ziemlich rasant in eine bestimmte Richtung entwickeln würde, legte er die Hände an ihre Schultern und schob sie vorsichtig ein kleines Stückchen von sich weg.

„Gehen sie jetzt bitte, Hermine!", sagte er rau.

Sie sah ihn eine Weile schweigend an, als ob sie darauf warten würde, dass er es sich anders überlegte, drehte sich dann schließlich um und ging zur Türe.

Als sie die Klinke schon in der Hand hatte, sah sie über ihre Schulter noch einmal zu Snape, der immer noch an der selben Stelle stand, und sie nicht aus den Augen gelassen hatte.

„Ich mag sie ebenfalls sehr gern, Severus, auch wenn sie ein schrecklicher Tyrann sind", sagte sie lächelnd.

Das Schloss kam ihr seltsam kalt und leer vor, als sie auf den Flur getreten und die Tür hinter sich geschlossen hatte, und der Weg zu ihrer Wohnung länger als sonst.

Sie fühlte, wie sie eine bleierne Müdigkeit überkam, und als sie endlich in ihren Privaträumen angekommen war und den Hund, der sie stürmisch begrüßte, für eine kurze Gassi-Tour ins Freie und wieder herein gezaubert hatte, zog sie sich rasch aus und fiel in ihr Bett.

Doch als sie die Augen schloss, begannen ihre Gedanken um den Abend in Snapes Büro zu kreisen und sie meinte den Blick immer noch zu spüren, mit dem er sie angesehen hatte, kurz bevor sie gegangen war.

Was wohl passiert wäre, wenn sie geblieben wäre?

Hermine beschlich das unbestimmte Gefühl, dass sie wohl in dieser Nacht nicht besonders viel Schlaf finden würde.