Kapitel 14

Am nächsten Morgen waren die Schüler der Zaubertränkeabschlussklasse schon früh auf den Beinen. Sie saßen beim Frühstück in der noch mäßig besuchten Halle alle an einem Tisch zusammen, und nicht wie sonst, getrennt nach ihren Häusern. Auch Hermine hatte sich zu ihnen gesetzt, um noch die letzten Details der anstehenden Exkursion zu besprechen.

„Und lasst euch um Himmelswillen nicht von Professor Snape provozieren – immer schön cool bleiben!", sagte sie gerade abschließend, und sah dabei Felicia Marlow und Penelope Lawrence etwas intensiver an, als die anderen.

Nach dem Frühstück gingen sie gesammelt nach draußen, vor das Schloss.

Es war ein recht windiger aber sonniger Morgen und das heitere Wetter sowie die Vorfreude auf den Ausflug sorgte trotz der Tatsache, dass Snape sie begleiten würde, für gute Laune bei den jungen Leuten, die in Grüppchen zusammenstanden und sich angeregt unterhielten.

Sowohl die Schüler, als auch Hermine selbst, hatten sich auf den Umstand eingestellt, dass sie beabsichtigten, auch einen Abstecher in die Muggelwelt zu unternehmen, und trugen daher alle legere Muggel-Freizeitkleidung.

Bei ihrer kurzen Inspektion diesbezüglich, hatte Hermine an niemandem etwas auszusetzen, was sicher hauptsächlich darauf zurückzuführen war, dass sie sich am Ende der letzten Unterrichtsstunde ausführlich über das Thema angemessene Kleidung ausgelassen hatte. Lediglich im Bezug auf Snape, der sich bisher noch nicht hatte blicken lassen, hegte sie deswegen gewisse Zweifel.

Hermine überlegte gerade, ob sie erleichtert oder doch eher enttäuscht sein würde, wenn er eventuell doch nicht auftauchen würde, als sie bemerkte, dass rundum einige der lebhaften Gespräche erstarben und viele der Schüler gebannt und völlig ungläubig zum Schlosstor schauten. Da von der Gruppe, die vor ihr stand, die meisten größer waren, als Hermine selbst, konnte sie nicht erkennen, was ihre Aufmerksamkeit so fesselte.

„Lasst mich mal durch", sagte sie und schob einige der jungen Leute sanft zur Seite.

Als sie endlich freie Sicht auf das Tor hatte sah Hermine, dass Dumbledore herausgekommen war und sich gerade mit einem dunkelhaarigen Mann in Muggelkleidung unterhielt, der neben ihm stand.

Eine Sekunde später fiel Hermine die Kinnlade herunter – der Mann, der jetzt zusammen mit dem Direktor auf sie zukam, war eindeutig Snape und schien doch zugleich jemand völlig anderes zu sein.

Er trug eine leicht verwaschene Jeans, ein dunkles Jackett und - was wie Hermine fand, am ungewöhnlichsten an ihm wirkte – darunter ein weißes T-Shirt. Der Kontrast, zu seiner üblichen, schwarzen, im viktorianischen Stiel gehaltenen Kleidung, hätte kaum größer sein können. Außerdem hatte er dem windigen Wetter Rechnung getragen und seine langen Haare im Nacken zusammengebunden, was das Gesicht schmäler wirken ließ und sein markantes Profil betonte. Aber wenn auch sein äußeres Erscheinungsbild heute ein völlig anderes war, wirkte er doch unverändert bedrohlich.

Inzwischen waren die beiden Professoren bei der Gruppe angelangt.

„Guten Morgen, meine lieben Kinder", sagte Dumbledore fröhlich. „Ich wollte euch nur schnell einen wunderschönen Ausflug wünschen. Lasst es euch gut gehen! Und jetzt gehe ich wieder hinein, bevor es mich wegbläst. Auf Wiedersehen!"

Er winkte noch während er sich umdrehte und zum Schlosseingang zurück marschierte.

Die meisten Schüler, aber vor allem die Mädchen, starrten Snape unverhohlen an und vergaßen dabei völlig, dass es nicht besonders ratsam war, ihn anzustarren.

„Wenn sie damit fertig sind, mich anzuglotzen, sagen sie Bescheid – dann könnten wir vielleicht aufbrechen", sagte er unwirsch.

„Ach sie sind es, Severus - ich habe sie vorhin gar nicht erkannt", sagte Hermine ironisch, „aber ihre charmante Art ist natürlich unverwechselbar.

„Wollen sie nun nach Edinburgh", schnarrte Snape, „oder wollen sie noch länger hier herumstehen und quatschen – in dem Fall gehe ich dann solange noch einen Kaffee trinken."

„Ich wollte ihnen nur ein Kompliment über ihr Aussehen machen", sagte Hermine. „Auch wenn sie ein bisschen wie ein gefährlicher Drogendealer, oder so was in der Art, aussehen", fügte sie flüsternd hinzu.

„Sind sie jetzt fertig?", fauchte Snape.

„Ihre Laune hat sich seit gestern morgen nicht wesentlich gebessert, oder?", seufzte Hermine.

„Sie haben es erkannt!", sagte Snape bissig.

„Das kann ja heiter werden", murmelte Hermine.

Sie zog eine leere Zwei-Liter-Weinflasche aus ihrer Umhängetasche und drückte sie Snape wortlos in die Hand.

„Die ist leer", sagte Snape verständnislos, „und das ist auch besser so", fügte er nach einem angewiderten Blick auf das Etikett hinzu.

„Sehr scharfsinnig bemerkt", sagte Hermine, „das ist übrigens der Portschlüssel der sie und die Hälfte der Klasse nach Edinburgh befördern wird. Ich dachte mir, dass so eine Fusel-Flasche auf dem Gelände der Uni nicht besonders auffallen dürfte, nachdem dort Freitag- und Samstagnacht oft wilde Studentenpartys stattfinden. Wir können unsere zwei Portschlüssel bedenkenlos bis zum Rücktransport liegen lassen – aufgeräumt wird immer erst am Sonntag Abend.

„Interessant", sagte Snape, „haben sie als Studentin auch an solchen wilden Orgien teilgenommen?"

„Ständig, Severus", sagte Hermine genervt, „können wir jetzt los?"

„Aber ja doch, Hermine! Sie können mir auch noch später genaueres darüber erzählen", sagte Snape.

„Alle mal herhören", rief Hermine, „Ihr teilt euch jetzt in zwei Gruppen, und zwar - damit niemand das Problem hat, sich für eine Seite entscheiden zu müssen - in die selben zwei Gruppen, wie neulich beim Duellieren. Die Schüler, die letztes mal bei mir waren, gehen zu Professor Snape, die anderen kommen zu mir.

„Blöd gelaufen, Cromwell", sagte Snape achselzuckend zu Gregory Cromwell, der gerade mit deutlich wenig Begeisterung zu ihm herübertrottete.

„So – jetzt alle eine Hand auf den Portschlüssel legen und bitte nicht loslassen, bevor ihr wieder festen Boden unter den Füßen habt", kommandierte Hermine.

Sekunden später, standen beide Gruppen vollzählig auf dem Gelände der Universität für Zauberei und Hexerei von Edinburgh.

Tatsächlich waren rundherum vereinzelt Spuren von den nächtlichen Studentengelagen zu sehen. Snape sah sich mit einem amüsierten Grinsen um.

„Kein Wort mehr über Orgien", zischte Hermine.

„Wenn sie mir versprechen, mir darüber einmal mehr zu erzählen - unter vier Augen", sagte Snape.

Kurz nach ihrer Ankunft kam Frank O´Neill über den Rasen auf sie zu.

„Hallo miteinander! Schön, das ihr da seid", rief er fröhlich.

Er begrüßte Hermine mit dem unvermeidlichen Küsschen links und rechts auf die Wange und schüttelte dann begeistert Snapes Hand.

„Sie sind also wirklich mitgekommen, Professor Snape", sagte er erfreut, „Es ist mir eine große Ehre, eine Kapazität wie sie hier begrüßen zu dürfen."

Die Schüler sahen ihn zweifelnd an, als ob sie jemanden, der sich freute Snape zu sehen, von vornherein für verdächtig hielten.

Bei der anschließenden Besichtigung des Zaubertrankslabors hielt sich Snape zu Hermines großer Erleichterung gewaltig zurück, mit bissigen Bemerkungen gegenüber den jungen Leuten. Er sprach hauptsächlich mit O´Neill, wies Hermine hin und wieder auf Besonderheiten hin, die ihm aufgefallen waren und brachte es sogar fertig einige Male Fragen die von Seiten der Schüler aufgetaucht waren, ergänzend zu O´Neills Ausführungen, abschließend zu beantworten, ohne diejenigen, die gefragt hatten dabei fertig zu machen.

Insgesamt lief die Besichtigung des Labors, trotz seiner Anwesenheit, wesentlich friedlicher ab, als Hermine zu hoffen gewagt hatte.

Als sie schließlich nach drei sehr informativen Stunden den Speisesaal der Universität aufsuchten, um ein Mittagessen zu sich zu nehmen, waren alle zufrieden, wenn auch froh, sich nach der äußerst interessanten, aber auch anstrengenden Führung wieder hinsetzen zu können.

Frank O´Neill hatte sie in die Mensa begleitet und war sichtlich begeistert, von dem großen Interesse das sie alle dem Forschungsprojekt, an dem er mitarbeitete, entgegengebracht hatten – vor allem aber schien er sich über Snapes Anerkennung zu freuen.

„So Hermine", sagte O´Neill aufgeräumt, nachdem er seine Mahlzeit beendet hatte, „und was habt ihr jetzt noch schönes vor? Ein bisschen Bummeln gehen?"

Hermine grinste, während sie sich ausmalte, wie es wohl wäre, mit Snape bummeln zu gehen, zumal dieser bei der Frage merklich das Gesicht verzog.

„Wir werden uns noch ein wenig die Stadt ansehen, bevor wir bei Paolo einen Kaffee trinken gehen", sagte sie lächelnd. „Willst du nicht noch mitkommen?"

„Würde ich gerne", sagte Frank bedauernd, „aber ich habe noch jede Menge im Labor zu tun – aber Gina hat vor, nachher bei Paolo vorbeizuschauen, um euch zu treffen. Sie ist mit Claire beim Shopping." Er verdrehte vielsagend die Augen. „Sie erinnern sich an Gina, meine Frau?", sagte er zu Snape.

„Natürlich!", sagte Snape.

„Und an ihre beste Freundin, Claire Wilder, Harry Potters Verlobte?", fuhr O´Neill fragend fort.

„Welcher Mann würde wohl Miss Wilder vergessen?", sagte Snape und registrierte amüsiert, dass Hermine kritisch die Stirn runzelte.

„Können sie sich vorstellen, welche Unmengen von Tüten die Beiden herumschleppen, wenn sie zusammen shoppen gehen?", sagte O´Neill grinsend und deutete mit beiden Händen die voraussichtlichen Ausmaße der gesammelten Tüten an.

Nach dem Mittagessen, als sie sich alle von Frank O´Neill verabschiedet und ihm für die Labor-Führung gedankt hatten, verließen sie die Universität durch das Haupttor und fanden sich urplötzlich auf einem heruntergekommenen, verlassenen Fabrikgelände wieder.

„Gute Tarnung", meinte Snape anerkennend.

„Stimmt", sagte Hermine, „und das Beste ist, dass die ganze Uni trotzdem so zentral gelegen ist."

Tatsächlich waren sie bereits nach einigen Minuten, in denen Hermine sie zielstrebig durch Nebenstrassen und zum Teil recht enge Gassen lotste, im Zentrum der Altstadt angekommen.

Die nachfolgende Stadtbesichtigung, während der Hermine kurze Informationen über verschiedene historisch bedeutungsvolle Bauwerke gab verlief noch in relativ geordneten Bahnen, obwohl Snape begann, diejenigen, die seiner Meinung nach den Ausführungen ihrer Lehrerin nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit lauschten, einschüchternd anzustarren – als sie jedoch in eine, mit den verschiedensten Geschäften ausgestattete Einkaufsmeile abbogen, war es mit dem Frieden entgültig vorbei.

Snape, der absolut nicht einsah, warum er warten sollte, während die anderen, vor allem die Mädchen, in den Läden begeistert auf Schnäppchenjagd gingen, fing an vor den jeweiligen Geschäften ungeduldig und mit einer äußerst abschreckenden Miene auf und abzumarschieren und die herauskommenden Schüler mit launischen Bemerkungen zu traktieren.

Kurz bevor die Stimmung völlig umzukippen drohte, schaffte es Hermine, ihn in eine gut sortierte Buchhandlung abzuschieben, wo er ohne weiter zu maulen zwischen den Regalen verschwand und sich dann tatsächlich über eine Stunde lang beschäftigte, während die anderen ungestört ihre Einkäufe erledigen konnten.

Hermine, die mit ihnen den Buchladen als Treffpunkt vereinbart hatte, traf zehn Minuten vor der vereinbarten Uhrzeit dort ein.

Sie entdeckte Snape in einem der Gänge zwischen den Bücherregalen und da er mit dem Rücken zu ihr stand, beschloss sie, in einem Anfall von Übermut, sich einen kleinen Spaß zu machen, und schlich sich unauffällig von hinten an ihn heran.

Diese Idee bereute sie jedoch fast im selben Moment, als sie ihm, direkt hinter ihm stehen auf die Schulter tippte.

Snape fuhr auf der Stelle angriffsbereit herum, eine Hand am hinteren Hosenbund, wo er offenbar seinen Zauberstab untergebracht hatte. Als er erkannte, wer sich da an ihn herangepirscht hatte, ließ er den Zauberstab allerdings stecken und packte Hermine mit beiden Händen an den Schultern.

„Habe ich ihnen nicht schon vor ein paar Wochen gesagt, sie sollen mich nicht erschrecken", fauchte er und schüttelte sie ein paar mal, um seinen Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen.

„Habe ich ihnen nicht schon vor Wochen zu verstehen gegeben, dass es blaue Flecken gibt, wenn sie mich so grob anfassen", zischte Hermine, nun ebenfalls in Angriffsstimmung.

Snape lockerte seinen Griff etwas, ließ sie aber nicht los und fixierte sie mit einem äußerst zornigen Blick, dem Hermine mit wütend zusammengekniffenen Augen standhielt.

Snape setzte gerade an, ihr eine Antwort zu geben, als ein Geräusch hinter Hermines Rücken in abrupt aufschauen ließ.

„Machen sie die Fliege, Miss Lawrence", knurrte er über ihren Kopf hinweg.

Hermine wurde erst jetzt bewusst, wie nah sie und Snape beieinander standen und dass die Art, wie er sie festhielt jemandem, der den Auslöser hierfür nicht kannte, sicher einen ganz anderen Eindruck vermittelte. Aus irgend einem, ihr selbst nicht ganz nachvollziehbaren Grund, brachte sie dieser Gedanke zum Lachen.

„Ist sie weg?", fragte sie glucksend.

„Ja!", sagte Snape und sah sie strafend an.

„Sieht so aus, als wären wir aufgeflogen, Severus", sagte Hermine amüsiert und lächelte ihn frech an. „Penelope erzählt sicher gerade den anderen, dass sie mich hier stürmisch umarmen und mir dabei feurig in die Augen schauen.

„Und das finden sie lustig? Sind sie krank, Hermine?", sagte Snape fassungslos.

„Was soll daran krank sein, wenn es mich nicht im mindesten stört, dass jemand glaubt, ein zwar leicht reizbarer, aber sehr attraktiver Mann hätte mich leidenschaftlich umarmt? Das wertet mich doch höchstens auf, oder?", sagte Hermine mit einschmeichelnder Stimme.

„Sie sind ja verrückt!", sagte Snape kopfschüttelnd, der offenbar trotz allem noch nicht daran dachte sie loszulassen.

„Was wäre denn so schlimm daran, wenn jemand das denkt", fragte Hermine herausfordernd, „und was wäre denn so schlimm daran, wenn es wahr wäre", fügte sie leise hinzu.

„Sie haben ja gar keine Ahnung, was sie sich da einhandeln würden", raunte Snape, zog sie jedoch trotz der abwehrenden Worte ein wenig näher an sich heran.

„Was, wenn ich das herausfinden möchte?", flüsterte Hermine und legte ihren Kopf an seine Halsbeuge.

Zuerst machte er sich etwas steif, aufgrund dieser unerwartet intimen Berührung, legte dann aber die Arme um sie und streichelte unerwartet zärtlich über ihre Haare, bevor er erneut erstarrte.

„Wir haben schon wieder Zuschauer", zischte er gereizt.

Hermine drehte den Kopf und sah aus dem Augenwinkel Felicia Marlow, die vermutlich von ihrer besten Freundin allarmiert worden war, neugierig um die Ecke spähen.

„Wir werden ihnen wohl doch einen Gedächtniszauber verpassen müssen, wenn wir nicht spätestens morgen Früh ganz Hogwarts die Sache erklären wollen", seufzte Hermine und kuschelte sich noch einmal genüsslich in seine Arme. Aber der Zauber des Augenblicks war verflogen und Snape war jetzt scheinbar nicht mehr gewillt, ihren Annäherungsversuch zu erwidern. Er schob sie energisch von sich.

„Wenn sie nicht sofort verschwinden, Marlow, dann passiert was", bellte er.

Als Hermine und Snape kurz darauf, mit gebührendem Abstand voneinander, aus dem Gang traten warteten ein Stück weiter, einschließlich Penelope und Felicia bereits sechs Schülerinnen auf sie, die aufgeregt und kichernd die Köpfe zusammen steckten, und erst verstummten als ihre Lehrer vor ihnen standen.

„Raus hier! Was haben hirnlose Geschöpfe wie sie in einem Buchladen verloren?", fauchte Snape die verdutzten Mädchen an. „Und wenn sie während der nächsten halben Stunde noch einmal kichern, wird es ihnen leid tun."

Die Schülerinnen hatten es plötzlich sehr eilig aus dem Laden zu kommen und stolperten hektisch vor Hermine und Snape Richtung Ausgang.

Snape versicherte sich kurz, dass er nicht von den anderen Kunden des Ladens beobachtet wurde, zog unauffällig seinen Zauberstab, richtete ihn auf die sechs Mädchen vor ihnen und murmelte etwas. Dann wandte er sich, immer noch den Zauberstab einsatzbereit in der Hand, zu Hermine, die sofort richtig deutete, was ihm gerade durch den Kopf ging.

„Denken sie nicht mal daran!", zischte sie. „Wagen sie es ja nicht, mein Gedächtnis manipulieren zu wollen."

„Das wäre aber mit ziemlicher Sicherheit besser für sie", sagte Snape, verärgert, dass sie ihn durchschaut hatte.

„Ich entscheide selber, was gut für mich ist, Severus", sagte Hermine mit Nachdruck.

Als sie vor dem Eingang auf den Rest der Klasse trafen, war den Mädchen, die gerade aus dem Buchladen getreten waren absolut nichts mehr davon anzumerken, dass sie ihre Lieblingsprofessorin gerade mit dem verhassten Verteidigungslehrer in flagranti erwischt hatten.

Zwanzig Minuten später saßen sie bei Paolo, Hermines früherem Stammcafé, um ein paar zusammengestellte Tisch herum und studierten die Speisekarte.

Die Schüler hatten es geschafft, sich möglichst nah zusammen zu drängen, und auf beiden Seiten von Snape, möglichst viel Platz freizulassen – ein Umstand, der Hermine praktisch zwang, eine dieser Lücken auszufüllen und sich neben ihn zu setzen.

Er wirkte ziemlich verschlossen, seit dem Vorfall in der Buchhandlung und sie wusste nicht recht, wie sie es anstellen sollte, ihn wieder etwas aus der Reserve zu locken, ohne dass es den Schülern übermäßig auffallen würde.

„Sie lieben doch Kaffee, Severus! Sie müssen sie unbedingt den Cappuccino hier probieren – der ist wirklich unvergleichlich", sagte sie versuchsweise. „Haben sie überhaupt schon einmal Cappuccino getrunken?"

„Vermutlich schon bevor sie auf der Welt waren", raunzte er und widmete sich wieder der Karte.

„Das Eis kann ich euch auch empfehlen", sagte Hermine etwas frustriert und nun an die Schüler gewandt.

„Ihnen könnte etwas Abkühlung auch nicht schaden", sagte Snape so leise, dass nur sie ihn verstehen konnte.

„Hören sie auf mich zu ärgern, sonst trinke ich Prosecco – und der macht mich immer völlig hemmungslos", flüsterte Hermine zurück.

„Kommt jetzt doch noch der Bericht von den Studenten-Orgien", fragte Snape und zog die Augenbrauen hoch.

Nach einer Weile, als jeder seine Bestellung vor sich stehen hatte – Snape hatte tatsächlich eine große Tasse Cappuccino geordert, und Hermine zu Snapes Erleichterung keinen Prosecco, sondern ebenfalls Kaffee – und die Mehrzahl der Schüler begonnen hatte, sich gigantische Eisbecher einzuverleiben, betraten Gina O´Neill und Claire Wilder das Café.

„Hermine!", rief Gina begeistert und stürzte auf ihre Freundin zu um sie wie üblich abzuküssen. „Hallo ihr alle! Professor Snape – wie schön, dass sie mitgekommen sind."

„Mrs. O´Neill", sagte Snape, nickte ihr freundlich zu. „Wo haben sie die ganzen Tüten?"

Gina sah ihn fragend an.

„Ihr Mann hat vorhin angedeutet, dass sie nach einer Einkaufstour mit ihrer Freundin, die ein oder andere Tüte mit sich führen würden", sagte Snape und deutete mit den Händen den von Frank O´Neill vorausgesagten Umfang an.

„Oh ja! Damit hatte er natürlich recht", sagte Gina lachend, während sie sich einen Stuhl heran zog um sich zwischen Snape und Hermine zu setzen, „wir haben die Dinger vorhin schon unauffällig geschrumpft – sonst hätte Claire vermutlich gar nicht durch die Tür gepasst."

Mittlerweile war auch Claire herbeigestöckelt, deren Aufzug wie üblich ziemlich aufsehenerregend war. Sie hatte zwar heute keinen Minirock an, aber der schwarze, schmal geschnittene, Strickmantel, der einen guten Kontrast zu ihren blonden Haaren bildete, und ihr fast bis zu den Knöcheln reichte, betonte ihren langen, schlanken Beine ebenso vorteilhaft, wie die enge Jeans und die hohen schwarzen Pumps, die sie trug.

Sie küsste Hermine zur Begrüßung ebenfalls auf die Wangen, aber lägst nicht so vehement, wie gerade noch Gina. Den Schülern nickte sie nur beiläufig zu um dann ihre volle Aufmerksamkeit Snape zuzuwenden.

„Severus – wie schön, sie wieder zu sehen", sagte sie mit ihrer rauchigen Stimme und streckte ihm ihre Hand entgegen.

Hermine verschluckte sich prompt an ihrem Kaffee, als sie hörte, dass Claire ihn beim Vornamen nannte.

Snape stand auf und nahm ihre Hand. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Claire", sagte er samtig und lächelte sie an.

Dann geschah das eigentlich Unfassbare – Claire machte noch einen Schritt auf ihn zu, streckte sich etwas, und küsste ihn, als wäre es die selbstverständlichste Sache auf der Welt, links und rechts auf die Wange, wobei sie ihre linke Hand in einer vertraulichen Geste auf seinen Arm legte. Und Snape reagierte zur absoluten Verwunderung der meisten Anwesenden nicht abweisend – ja, nicht einmal ansatzweise gereizt und eigentlich auch nicht überrascht – sondern erwiderte ihre Begrüßung auch noch auf die gleiche Weise.

Hermine fiel vor Schreck der Löffel in die Kaffeetasse und ein Blick auf ihre Klasse genügte, um ihr einen Eindruck von der Fassungslosigkeit zu vermitteln, die sich unter ihren Schülern breit gemacht hatte.

„Es ist warm hier drin", bemerkte Claire und machte Anstalten, ihren Mantel abzulegen, was Snape umgehend dazu veranlasste, ihr behilflich zu sein.

Was unter dem Mantel zum Vorschein kam, ließ Hermine noch einmal erstarren – die enge Jeans und das, mit orientalisch anmutenden Mustern in verschiedenen Farben verzierte T-Shirt lagen so eng an Claires makellosem Körper, dass es fast wirkte, als wäre sie nackt und die Kleidung nur aufgemalt.

Der kurze anerkennende Blick, den Snape auf diese, schamlos in Szene gesetzten weiblichen Reize warf, als er Claire den Stuhl neben dem seinen zurechtrückte, gab Hermine endgültig den Rest. Heftig rührte sie mit dem Löffel in ihrer Kaffeetasse. Das Geräusch, das sie dabei verursachte, veranlasste Gina, ihr einen verwunderten Blick zuzuwerfen.

„Was ist denn los?", fragte sie leise.

„Er ist die Pest! Ich hätte ihn nicht mitnehmen sollen", zischte Hermine und schaute böse in Snapes Richtung.

„Aber warum denn?", sagte Gina verständnislos. „Er scheint doch ganz gut drauf zu sein."

Sie drehte sich um und beobachtete Snape einen kurzen Moment. Er hatte sich zu Claire hinübergebeugt, die ihm gerade irgendetwas in der Karte zeigte, worüber beide sich köstlich zu amüsieren schienen.

Als Gina ihren Kopf wieder herumdrehte, lag ein wissender Ausdruck auf ihrem Gesicht, der Hermine überhaupt nicht gefallen wollte.

„Mach dir nichts draus", sagte Gina verständnisvoll, „du weißt doch wie Claire auf Männer wirkt – das liegt bestimmt nur daran, das ihre Urgroßmutter eine Veela war."

„Wie kommst du denn darauf, dass es das ist, was mich stört", sagte Hermine leicht panisch.

„Dein Gesicht spricht Bände, Schätzchen", sagte Gina trocken und streichelte Hermine liebevoll über den Arm.

„Da kann ich wohl nur noch hoffen, das nicht jeder so gut darin lesen kann wie du", sagte Hermine tonlos.

„Wie verhält er sich denn dir gegenüber?", fragte Gina interessiert.

„Mal so – mal so! Ganz, wie es dem Herrn gerade passt!", sagte Hermine gereizt und fing wieder an, wild in ihrem Kaffee herumzurühren.

Bei den wenigen unter den Schülern, die zunächst nicht gewusst hatten, dass die schöne junge Frau neben Snape Harry Potters Verlobte war, hatte sich diese Tatsache mittlerweile herumgesprochen.

„Miss Wilder", sagte Felicia Marlow, die neben Hermine saß, hoffnungsvoll, „sie haben nicht zufällig eine Autogrammkarte von Harry Potter dabei?"

„So ein Pech - gerade heute habe ich keine mit!", sagte Claire sarkastisch. „Sonst trage ich immer einen ganzen Sack davon mit mir rum – vor allem wenn ich auch mein T-Shirt mit dem Ich-werde-vermutlich-Harry-Potter-heitaten-wenn-nichts-dazwischenkommt-Aufdruck anhabe."

Snape grinste und sah sie anerkennend an.

„Diese arrogante Tussi würde wirklich vorzüglich zu Snape passen", hörte Hermine Felicia ihrer Freundin Penelope zuflüstern.

„Wie geht's Harry denn so?", fragte Hermine.

„Ich schätze er leckt gerade seine Wunden, nachdem sein Team heute Nachmittag ausnahmsweise einmal verloren hat", sagte Claire lächelnd.

„Oh...", sagte Hermine nur, während ihr Blick deutlich „Was – und da bist du nicht bei ihm?" sagte.

„Dabei kann ich ihm nun wirklich nicht helfen", sagte Claire, die Hermines unausgesprochene Frage sehr wohl verstanden hatte. „Mit ein bisschen Glück ist sein Ego bis heute Abend wieder soweit hergestellt, dass er einigermaßen genießbar ist."

„Na so was", sagte Hermine spitz, „und ich dachte immer das zu einer guten Beziehung auch die Bereitschaft gehört, für den anderen da zu sein, wenn´s ihm schlecht geht – die Methode: shoppen gehen, bis sich alles von selber einrenkt, war mir neu."

„Hermine!", sagte Claire tadelnd. „Deinem Freund Harry fehlt schon nichts – der kommt am besten klar, wenn man ihn jetzt in Ruhe lässt. Du weißt doch, wie empfindlich die Männer da sind – alles Einzelkämpfer", fügte sie verschwörerisch hinzu. „Ist doch so - nicht war, Severus?"

Sie grinste Snape schelmisch an, der sich bequem in seinem Stuhl zurückgelehnt, und den Disput der beiden Frauen aufmerksam verfolgt hatte.

„Im Prinzip ja", sagte Snape, „aber ich meine da, einen leisen Hauch von Ironie bei ihnen wahrgenommen zu haben."

„Nicht möglich!", sagte Claire und sah ihn treuherzig an.

„Wenn das so ist", sagte Hermine süffisant, „dann hat Harry ja Glück gehabt, dass er eine Frau gefunden hat, die sich so vorzüglich mit Männern auskennt."

„Liegt das eigentlich an dieser Zaubertrankstelle, das sie in letzter Zeit so biestig ist?", sagte Claire eine Spur gereizt und sah Snape fragend an.

„Das kann nicht sein", sagte Hermine schneidend, „denn dann hätte ER aufhören müssen, biestig zu sein, und ich kann dir versichern, dass das absolut nicht der Fall ist. Wenn du mir nicht glauben solltest – hier sitzen zwanzig Zeugen, die das bestätigen können."

„Ts ts ts - ist das war?", sagte Claire kopfschüttelnd und in tadelndem Tonfall zu Snape.

„Kommt auf den Standpunkt an", sagte Snape, und sah Felicia, die gerade im Begriff stand, einen Kommentar zu Hermines Aussage abzugeben, drohend an, „Miss Marlow - denken sie lieber noch einmal nach, bevor sie den Mund aufmachen. Und - Cromwell – sie können jetzt aufhören, so eifrig zu nicken."

„Da hörst du es", sagte Hermine und verdrehte die Augen.

„Wie geht es eigentlich deinem niedlichen kleinen Geburtstagshund?", fragte Gina, offenbar um die Situation durch einen Themenwechsel etwas zu entschärfen, nicht ahnend, dass sie damit den nächsten Sturm auslöste.

Hermine biss sich auf die Unterlippe um sich das Grinsen zu verkneifen und auch bei den Schülern löste Ginas Frage umgehend einen Heiterkeitsausbruch aus, den sie aber mit allen Mitteln versuchten im Zaum zu halten, da auf Snapes Gesicht bedrohliche Gewitterwolken aufgezogen waren.

„Ach dem geht's gut", sagte Hermine, und vermied es tunlichst, Snape anzusehen, „er ist nur noch nicht so ganz stubenrein."

Diese Antwort half den Schülern nun absolut nicht, ihren übermächtigen, weil unterdrückten, Lachreiz in den Griff zu bekommen.

Penelope Lawrence, die bereits einen hochroten Kopf aufhatte, begann mit zusammengepresstem Mund, leise verzweifelte Laute von sich zu geben. Das gab ihrer Freundin Felicia, die neben ihr saß, den Rest. Sie schaffte es gerade noch, die Hand auf den Mund zu pressen, und ihre glucksenden Lachgeräusche damit weitgehend zu ersticken.

„Aha..", sagte Gina etwas irritiert. „Wie hast du den Kleinen denn genannt?"

„Frag mich das nicht!", keuchte Hermine gepresst und legte, nach einem letzten verzweifelten Blick auf Snape, hilflos kichernd die Stirn auf ihre, auf dem Tisch verschränkten Hände.

Nun war Felicia nicht mehr die einzige, die die Hand auf den Mund presste. Einige versuchten auch durch konzentriertes An-die-Decke-Starren ihrer übermächtigen Heiterkeit Herr zu werden, andere taten so, als müssten sie sich die Schuhbänder binden, was jedoch wenig erfolgreich war, da sich ihre Blicke unter dem Tisch trafen, was eher noch dazu beitrug, ihren Zustand noch zu verschlimmern.

Snape begann äußerst gereizt mit den Fingern auf die Tischplatte zu trommeln.

Gina und Claire beobachteten mit ratlosen Gesichtern das seltsame Gebaren ihrer Freundin und derer Schüler.

„Was ist denn mit denen los, Professor Snape?", sagte Gina ratlos.

„Diese unreifen Möchtegernmagier kichern deshalb so debil vor sich hin, weil sie es lustig finden, dass ihre Zaubertrankprofessorin nicht in der Lage ist, ihren ach so süßen kleinen Hund daran zu hindern, die Etage auf der ich wohne unter Wasser zu setzten", sagte Snape eisig. „Als noch erheiternder bewerten sie den Umstand, dass die Töle vor einiger Zeit eine dieser Hinterlassenschaften direkt vor meiner Tür abgelassen hat, und ich hineingestiegen bin – und zwar OHNE Schuhe! Aber der absolut spaßigste Aspekt an dieser ganzen Geschichte ist, das diese Frau", er sah anklagend zu Hermine hinüber, „die so tut, als wäre sie eine erwachsene, verantwortungsbewusste und seriöse Lehrerin, der putzigen Flohquaste einen absolut unpassenden Namen gegeben hat – nämlich MEINEN!"

Claire und Gina fingen nun ebenfalls an zu lachen und Snape starrte mit zusammengekniffenen Augen zu Hermine, die ihn, die wieder aus der Versenkung aufgetaucht war und ihn vergnügt anfunkelte, während sie versuchte, ihre durcheinandergeratenen Haare wieder in die richtige Position zu bringen.

„Tut mir wirklich leid, Severus", seufzte sie und wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augenwinkeln.

„Wer´s glaubt!", schnaubte Snape.

„Ich lade euch auf ein Gläschen Prosecco ein", sagte Claire fröhlich, als sich der allgemeine Heiterkeitsausbruch weitgehend gelegt hatte, und ehe irgend jemand Einspruch erheben konnte, kamen schon zwei Ober mit einem Tablett voller Gläser und mehreren Flaschen an den Tisch.

„Das ging aber schnell", sagte Hermine anerkennend.

„Wozu ist man Hexe?", antwortete Claire und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

„Sie sollten derartige Dinge in einer Umgebung wie dieser besser bleiben lassen", sagte Snape kühl, während er mit gerunzelter Stirn beobachtete, wie die Ober die Gläser an alle verteilten.

„Sein sie nicht so streng mit mir, Severus!", sagte Claire leichthin. „Und sie werden ihre Schäfchen sicher auch alle gut in den Stall zurück bringen, wenn sie ein so winziges Gläschen Prosecco intus haben."

„Ich mache mir eigentlich weniger um die Schäfchen Sorgen", knurrte Snape, mit einem misstrauischen Blick auf Hermine, „als um das ...Mutterschaf."

„Ach was", versuchte Gina ihn zu besänftigen, „Hermine ist immer total gut drauf, wenn sie Sekt trinkt – nicht war, Hermine?"

„Ich glaube, genau das beunruhigt meinen lieben Kollegen", erwiderte Hermine amüsiert. „Keine Sorge, Severus, das erste Glas ist noch ungefährlich – erst ab dem zweiten setzt die Wirkung ein, die ich ihnen vorhin beschrieben habe."

„Stellen sie den Rest bitte zu der Dame", sagte Claire zu dem Ober, der nachdem alle Gläser gefüllt waren, noch eine halbvolle Flasche übrig hatte, während sie mit dem Finger auf Hermine zeigte, was ihr einen äußerst missbilligenden Seitenblick von ihrem Tischnachbarn einbrachte.

„Oh – schauen sie mich doch bitte nicht so böse an, Severus", flötete sie, „sonst bekomme ich noch richtig Angst."

„Da merkt man wieder, dass du nicht in Hogwarts auf die Schule gegangen bist – sonst hättest du jetzt schon welche", sagte Hermine schmunzelnd.

„Auf welcher Schule waren sie denn?", fragte David Stevenson neugierig.

„Wir sind beide in Amerika aufgewachsen und zur Schule gegangen", antwortete Gina an Claires Stelle, „genauer gesagt in der Nähe von San Francisco. Eigentlich kamen wir nur zum studieren nach Schottland, aber irgendwie sind wir dann beide hier hängen geblieben."

„Und gab es auf ihrer Schule keine so richtig gemeinen Lehrer?", platzte Felicia unbedacht heraus.

„Sie reden sich um Kopf und Kragen, Marlow", sagte Snape drohend, „das ist ihnen doch hoffentlich klar."

„Keine, mit denen wir nicht fertig geworden wären", beantwortete Claire Felicias Frage und grinste Snape dabei provozierend an.

„Sie sollten sich mal nach San Francisco bewerben, Severus", sagte Hermine mit wissendem Lächeln, trank ihr Glas aus und griff unter Snapes beunruhigtem Blick zu der Flasche, um sich nachzuschenken.

Als sich Hermine und Snape mitsamt ihrer Klasse etwas später auf den Weg zurück zur Universität machten, nachdem sie sich von Gina und Claire vor dem Café verabschiedet hatten, waren sowohl die Schüler als auch ihre Zaubertränke-Professorin aufgekratzter, als es Snape lieb war.

„Benehmen sie sich, verdammt noch mal, etwas unauffälliger – ich will ihretwegen nicht morgen in der Zeitung stehen", motzte er die ausgelassen herumalbernden Schüler an.

Er wirkte ausgesprochen erleichtert, als schließlich am Ende der Straße, in die sie gerade eingebogen waren, das verlassene Fabrikgebäude in Sicht kam.

Die Schüler strömten schon zielstrebig auf das Eingangstor zu als Hermine plötzlich stehen blieb, und Snape zurückhielt, der zusammen mit ihr hinter der Gruppe gegangen war, um alle im Auge behalten zu können.

„Wenn man diese Straße weiter entlang geht", sagte sie und zeigte auf eine von ihrem Weg abzweigende Seitenstraße, „dann kommt man nach circa fünfzehn Minuten in eine Gegend, wo ganz viele nette Damen auf der Straße herumstehen, in genau der Art von Bekleidung, die ihnen an Frauen so gut gefällt, Severus. Wollen sie noch einen kleinen Abstecher dorthin machen?"

Snape sah sie erbost an.

„Sie reden wirres Zeug", sagte er giftig und wollte sie weiter in Richtung der Schüler schieben, die geschlossen vor dem Eingang der Fabrik auf sie warteten.

Hermine ließ sich jedoch nicht schieben sondern stemmte entschlossen die Fersen in den Boden, was dazu führte, das sie und Snape zum zweiten Mal an diesem Tag, näher beieinander standen, als es ihre offiziell rein kollegiale Beziehung zueinander eigentlich zuließ.

Sie drehte sich zu ihm um, ohne den Abstand zu vergrößern, und sah mit zur Seite geneigtem Kopf aufmüpfig von unten in seine wütend funkelnden Augen.

„Sie wollen doch nicht etwa abstreiten, dass ihnen Claires Aufmachung ausgesprochen gut gefallen hat?", bohrte sie nach.

„Das bilden sie sich nur ein", sagte Snape genervt.

„Sie können das ruhig zugeben – es war ihnen deutlich anzusehen", konterte Hermine. „Ich glaube ich werde den Mädchen aus der Abschlussklasse empfehlen, sich in nächster Zeit auch so aufreizend anzuziehen, vielleicht sind sie dann ja ein bisschen freundlicher zu ihnen. Man könnte das Ganze als eine Art Feldversuch betrachten."

„Haben sie jetzt völlig den Verstand verloren, Hermine?", sagte Snape fassungslos.

„Jetzt sein sie nicht so zimperlich, Severus", sagte Hermine.

„Ich bin nicht zimperlich!", fauchte Snape.

„Oooch – und jetzt sind sie auch noch beleidigt!", sagte Hermine und zog eine Schnute.

„ICH BIN NICHT BELEIDIGT!", knurrte Snape.

„Warum stehen sie den nicht dazu, das Claire ihnen gefällt?", stichelte Hermine.

„Ich habe nicht behauptet, dass sie mir nicht gefällt", fauchte Snape, „aber sie sprachen von ihrer Kleidung – und das ist nicht dasselbe."

„Und was genau soll das heißen?", fragte Hermine.

„Ich glaube nicht, dass ihr alkoholumnebeltes Gehirn im Moment in der richtigen Verfassung für irgendwelche Erklärungen ist", sagte Snape bissig.

„Das lassen sie mal meine Sorge sein", sagte Hermine.

„Na schön!", seufzte Snape. „Claire ist eine bemerkenswert selbstsichere junge Frau, und es ist mehr die Art wie sie diese Kleidung trägt, die an den meisten anderen Frauen aufdringlich oder sogar lächerlich wirken würde, die mir, unter anderem, an ihr imponiert. Als würde sie damit signalisieren: seht her - ich habe den Mut, mich so anzuziehen – weil ich weiß, wer ich bin! Sie wirkt damit stolz und selbstbewusst, und nicht billig. Claire hat einfach Stil, und ich denke sie ist genau die richtige Frau für Potter – sie wird ihn immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen, wenn er Starallüren bekommt, oder sich anderen größenwahnsinnigen Anwandlungen hingibt."

„Wow!", sagte Hermine beeindruckt.

„Heißt das nun, dass sie mich verstanden haben?", fragte Snape und verdrehte die Augen.

„Das heißt – wow, sie haben ja richtig tiefsinnige Gedankengänge, und ja – ich habe es verstanden."

„Wären sie dann eventuell damit einverstanden, dass wir endlich nach Hogwarts zurückkehren", stöhnte Snape entnervt.

„Aber klar doch!", sagte Hermine fröhlich, hakte sich bei ihm unter und zog ihn in Richtung der wartenden Schüler, die sie verwundert anstarrten.

„Sie sind wirklich ein ganz unmögliches Weib, Hermine", murmelte Snape als sie durch das Tor gingen, bevor er zum zweiten mal an diesem Tag, den Oblivate-Zauber sprach und die Erinnerung an die letzten zehn Minuten bei den Schülern auslöschte.