Kapitel 15

Hermine war ziemlich erledigt, als sie sich an dem Abend nach dem Ausflug endlich in ihrem Wohnzimmer aufs Sofa fallen ließ und die Füße hochlegte.

Ihr kleiner Mitbewohner, der den Tag bei William dem Hausmeister verbracht hatte und überglücklich war, seine Herrin wiederzuhaben, hatte sich neben ihr niedergelassen und seinen Kopf auf ihren Bauch gelegt.

„Na du – wie war´s bei deinem Kumpel Ernie?", fragte Hermine und streichelte ihm über das weiche Fell wofür er sich revanchierte, indem er ihr ausgiebig die Hand ableckte. „Wenigstens du bist nett zu mir", murmelte Hermine, „ganz im Gegensatz zu deinem großen, bösen Namensvetter."

Snape hatte sich gleich nach ihrer Ankunft in Hogwarts in seinen Kerker verzogen, und war auch zum Abendessen nicht erschienen.

Obwohl Hermine nichts anderes erwartet hatte, ärgerte sie sich darüber, das er ihr schon wieder aus dem Weg ging, anstatt mit ihr die brisante Unterhaltung weiterzuführen, das sie heute in der Buchhandlung begonnen hatten. Das musste ihn doch genauso beschäftigen wie sie.

Hermine rief sich die Situation noch einmal in allen Einzelheiten in Erinnerung.

Das sie sich in diesem Moment so zu ihm hingezogen gefühlt hatte, verblüffte sie irgendwie immer noch.

Nach dem Gespräch, das sie vorgestern Abend mit ihm in seinem Büro geführt hatte, und das so fürchterlich eskaliert war, hatte sie die halbe Nacht darüber nachgedacht, was dort eigentlich passiert war, jedoch ohne ihre eigenen Gefühle auch nur annähernd einordnen zu können. Irgendwann im Morgengrauen hatte sie halbherzig beschlossen, die Geborgenheit, die sie bei seiner Umarmung empfunden hatte, dem Umstand zuzuschreiben, dass sie aufgrund ihres heftigen emotionalen Absturzes einfach den starken Wunsch verspürt hatte, festgehalten zu werden – wie ein Kind, das nach Schutz und Wärme sucht.

Aber das Bedürfnis, das sie heute zwischen den Bücherregalen in seine Arme getrieben hatte, war eindeutig nicht kindlicher Natur gewesen.

Dieses unbeschreibliche Gefühl, das sie empfunden hatte, in dem Augenblick, als er seinen Widerstand gegen sie für einen kurzen Moment aufgegeben hatte, war eine deutliche Antwort auf all die Fragen der durchwachten Nacht. Es hatte sich so richtig angefühlt. Es war genau das, wonach sie sich sehnte. So unglaublich es ihr auch vorkam – sie hatte in diesem Augenblick eindeutig sehr viel mehr für ihren ehemaligen Erzfeind empfunden als nur Sympathie, und dass er sie gleich darauf wieder zurückgewiesen hatte, tat ihr immer noch weh.

Sie stellte sich vor, wie Severus in seinem Wohnzimmer saß und vermutlich gerade über die selben Dinge grübelte wie sie.

Vielleicht dachte er aber auch gar nicht darüber nach, weil er absolut nicht das selbe für sie empfand, wie sie für ihn.

Je mehr sie sich ins Gedächtnis rief, was sie eigentlich über ihn wusste, wobei natürlich auch die Erfahrungen ihrer siebenjährigen Schulzeit mit einflossen, desto mehr kam sie zu der Erkenntnis, dass es sehr viel wahrscheinlicher war, dass er keinen einzigen Gedanken an sie verschwendete – und wenn doch, dann lachte er vermutlich nur, über ihre Dummheit.

Seine Worte vom Tag nach ihrer Ankunft, als er ihr vorgehalten hatte, das es für ihn immer ein Leichtes gewesen war, sie zu erniedrigen, und ihr angedroht hatte, dass er es mit Vergnügen wieder tun würde, waren ihr noch deutlich im Gedächtnis.

Was sollte sie tun, wenn das Ganze von seiner Seite nur eine neue Variante war, sie zu quälen.

„VERDAMMTER SCHEIßKERL!", schrie sie plötzlich, und der Hund sprang erschrocken winselnd vom Sofa.

„Nicht du – der da unten!", sagte sie und streichelte ihm beruhigend über den Kopf, „Ich weiß einfach nicht, woran ich mit ihm bin – aber ich schwöre dir, ich werde es herausfinden."

Mit der Annahme, das Snape nicht über die Szene in der Buchhandlung nachdachte lag Hermine gründlich falsch.

Er hatte zwar, seit er sich in seine Privaträume zurückgezogen hatte, immer wieder versucht, sich abzulenken, indem er Aufsätze korrigierte, gab dieses Unterfangen aber schnell wieder auf, nachdem er sich absolut nicht auf das Geschreibsel seiner Schüler konzentrieren konnte.

Das ihm das nicht gelang, brachte ihn wiederum so sehr auf die Palme, dass er begann, wütend in seinem Wohnzimmer auf und abzulaufen – aufmerksam beobachtet von seiner Katze.

Es konnte doch wohl nicht wahr sein, dass allein der Gedanke an Hermine ihn so sehr beeinflusste, dass er nicht einmal mehr seine Arbeit ordentlich erledigen konnte.

Es war doch nicht normal, sich nach über zwanzig Jahren Erfahrung als Lehrer, wie ein Idiot von dem vermutlich hormonell bedingten Annäherungsversuch einer jungen Kollegin, derartig außer Gefecht setzen zu lassen.

So hatte er Hermines Verhalten nämlich vorerst eingestuft – als momentane Anwandlung auf Grund körperlicher Bedürfnisse, die von ihr selbst aber vermutlich für etwas anderes gehalten wurden.

Was sonst hätte sie zu einem zwanzig Jahre älteren Mann hinziehen sollen, vor dem sie sich als Schülerin gefürchtet hatte und der ihr auch jetzt wieder das Leben schwer machte.

Allerdings hatte sie neulich Abend, in seinem Büro gesagt, dass sie ihm mochte – aber das war sicherlich nur auf ihren emotional aufgewühlten Zustand zurückzuführen. Und selbst wenn es den Tatsachen entsprach, war es sicherlich kein Grund, sich ihm so an den Hals zu schmeißen.

Wesentlich schwerer fiel es dem unruhig auf und ab laufenden Zauberer, seine eigenen Beweggründe näher zu bezeichnen.

Das Einzige, was er sich bisher eingestanden hatte war, dass er Hermine unzweifelhaft begehrte – das allein war jedoch absolut kein Grund für ihn, weitere Schritte zu unternehmen, vor allem, wenn sämtliche anderen Faktoren gegen ein solches Unterfangen sprachen.

Wenn er ehrlich war, musste er sich jedoch eingestehen, dass es nicht nur der erotische Aspekt war, der ihn zu ihr hinzog. Irgendetwas hatte diese Frau an sich, das ihn faszinierte.

Dass er sich in ihrer Nähe ausgesprochen wohl fühlte, war nicht nur so dahingesagt gewesen, wenn er es auch selber immer noch kaum glauben konnte.

In den letzten sieben Jahren hatte er hier in Hogwarts nie mit jemandem näheren Kontakt gesucht, auch wenn es nach dem Ende seiner Spionagetätigkeit nun möglich und wahrscheinlich auch normal gewesen wäre.

Mit Ausnahme von Albus, zu dem er von Anfang an ein besonderes Verhältnis gehabt hatte, pflegte er mit den restlichen erwachsenen Bewohnern von Hogwarts einen rein kollegialen Umgang, was seit Ende des letzten Krieges allerdings im Gegensatz zu früher merklich entspannter ablief, zumindest mit den Kollegen, die ihm nicht grundsätzlich auf die Nerven gingen.

Aber es war bis vor kurzem auf jeden Fall so gewesen, dass er sich am wohlsten fühlte, wenn er alleine war.

Seit Hermine hier aufgekreuzt war, sah die Sache allerdings anders aus. Er konnte nicht verleugnen, dass er ihre Nähe suchte.

Es wäre ihm ansonsten nie eingefallen, eine zweite Lehrkraft in seinen eigenen Unterricht zu holen, oder in seiner Freizeit freiwillig eine Schulklasse auf einen Ausflug zu begleiten, an einen Ort, den er ohne weiteres zu einem anderen Zeitpunkt alleine hätte aufsuchen können.

Der einzige Grund für ihn, mit nach Edinburgh zu kommen, war der gewesen, einen Tag in Hermines Gesellschaft zu verbringen, ohne deswegen irgendwelche Erklärungen abgeben zu müssen.

Allerdings war er dem Irrtum erlegen, dabei selbst die Distanz, die für ihn angenehm war bestimmen zu können. Mit ihrem Überfall in dem Buchladen hatte sie ihn völlig kalt erwischt.

Die Umarmung in seinem Büro hätte man noch als Verkettung unglücklicher Umstände durchgehen lassen können, aber mit seiner heutigen Reaktion auf ihre Avancen hatte er sich in eine Lage manövriert, die auf jeden Fall einer besseren Erklärung bedurfte.

Die vielversprechendste Taktik war vermutlich, ihr solange aus dem Weg zu gehen, bis er eine solche Erklärung parat hatte.

An diesem Punkt seiner Überlegungen angekommen, beschloss Snape, zur Entspannung erst ein mal ein heißes Bad zu nehmen, und bei seiner Erklärungs-Findung ein Glas Rotwein als Hilfsmittel einzusetzen. Fünf Minuten später lag er in der Wanne und seine Gedanken waren zwar durchaus bei Hermine gingen aber dummerweise in eine etwas andere Richtung als ursprünglich geplant.

Drei Etagen höher lief nun auch Hermine in ihrer Wohnung auf und ab. Je mehr sie über das frustrierende Ergebnis ihrer Grübelei nachdachte, desto zorniger wurde sie. Als sich schließlich auch noch die Erkenntnis bei ihr breit machte, dass sie vermutlich wieder nicht würde schlafen können, blieb sie abrupt stehen, wodurch der Hund auf sie auflief, der sie bei ihrem wütenden Marsch durch das Zimmer schwanzwedelnd begleitet hatte.

„Das lasse ich mir nicht bieten", fauchte sie und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich werde jetzt gleich hinuntergehen und ihn zur Rede stellen."

Also machte sie sich über die magische Verbindungstreppe zu ihrem Büro, auf den Weg in den Kerker, allerdings erst zehn Minuten später – denn sie wäre keine Frau gewesen, wenn sie nicht vorher ihr äußeres Erscheinungsbild daraufhin kontrolliert hätte, ob es für diesen Kampfeinsatz tauglich war, und hier und da noch eine kleine Verbesserung vorgenommen hätte, und sie wäre nicht Hermine Granger gewesen, wenn sie nicht vorsichtshalber einen guten Vorwand, zu ihm zu gehen, vorbereitet hätte, falls sich in letzter Sekunde doch noch herausstellen sollte, dass der Zeitpunkt für ihr eigentliches Anliegen doch falsch gewählt war, aus welchem Grund auch immer.

Plan B sah vor, ihn nach einer Pflanze zu fragen, die sie tatsächlich demnächst dringend als Zutat für einen Zaubertrank, in ihrem Unterricht benötigte, und bisher nirgends hatte auftreiben können.

Als sie vor Snapes Wohnung stand, war sie jedoch trotz der zeitlichen Verzögerung immer noch wütend genug, wesentlich heftiger als nötig an die Türe zu klopfen, auch wenn sie inzwischen leichte Zweifel, an ihrem Vorhaben, befallen hatten.

Diese machten aber sofort dem nun wieder gewaltig hochkochenden Zorn Platz, als die Türe auch nachdem sie einige Minuten gewartet hatte, nicht geöffnet wurde und Hermine das umgehend als weiteren Affront wertete.

„MACHEN SIE AUF, VERDAMMT NOCH MAL! ICH WEIß, DASS SIE DA SIND!", schrie Sie aufgebracht, und trommelte mit beiden Fäusten kräftig gegen das Holz.

Sekunden später wurde die Tür aufgerissen und Snape stand vor ihr – klatschnass, in einen schwarzen Bademantel gehüllt, und eindeutig wütend.

„Ich hoffe für sie, dass es wirklich wichtig ist", knurrte er und starrte sie finster an.

„Ähm..., ich wollte sie fragen...", begann Hermine unsicher.

Hier unten im Kerker wirkte er auf einmal wesentlich einschüchternder, als noch vor kurzem im Tageslicht, und die Tatsache, dass er nur einen Bademantel trug, verwirrte sie zusätzlich.

„Ich wollte sie um Rat fragen, wegen einer Pflanze, die ich für den Zaubertrankunterricht brauche", sagte sie schließlich, in letzter Sekunde doch noch auf Plan B umschwenkend, „ich meine natürlich, nur wenn sie Zeit haben... aber sie haben gerade... etwas anders vor.. glaube ich...", fügte sie zögernd hinzu, und betrachtete die Wasserlacke, die sich um ihn herum mittlerweile gebildet hatte.

„Scharf kombiniert, Frau Professor - ich hatte ursprünglich vor weiterzubaden", sagte Snape giftig. „Aber nachdem sie mich mit ihrem unnötigen Geplärr ohnehin schon aus der Wanne geholt haben, können sie genauso gut hereinkommen, und mir ihre, offensichtlich unaufschiebbare Fachfrage stellen – sonst heißt es hinterher womöglich, ich würde ihnen schon wieder nicht genug Aufmerksamkeit schenken."

Er öffnete die Türe vollständig, trat einen Schritt zurück, und forderte sie mit einer genervten Handbewegung auf einzutreten, wobei sie vorsichtig über die Pfütze am Boden hinweg steigen musste.

„Ich hoffe, sie und ihre Frage können wenigstens so lange warten, bis ich mich abgetrocknet habe", sagte er, nachdem er die Tür hinter ihr in Schloss geworfen hatte, und ging quer durchs Zimmer, zu einem angrenzenden Raum. „Sie können sich einstweilen die Zeit vertreiben, indem sie die Überschwemmung beseitigen, für die ja immerhin auch sie verantwortlich sind – darin haben sie doch neuerdings sowieso Übung."

Er verschwand im Badezimmer und knallte auch diese Tür schwungvoll zu.

Hermine setzte sich, nachdem sie den Boden trocken gezaubert hatte, in einen der Sessel und wartete. Ihre Wut hatte sich weitgehend in Unsicherheit verwandelt und sie zweifelte nun stark daran, ob es eine gute Idee gewesen war, hierher zu kommen.

Kurz darauf marschierte Snape, immer noch im Bademantel, aber deutlich trockener, und ohne Hermine eines Blickes zu würdigen, aus dem Bad heraus und in sein Schlafzimmer hinein, wobei er auch diese Tür hinter sich zudonnerte.

Einige Minuten später krachte es nochmals, und als Hermine hochsah, stand er vor ihr, diesmal mit einer schwarzen Hose und einem ebensolchen Pullover bekleidet.

„Sie müssen stabile Türen haben", murmelte Hermine.

„Sie sind sicher nicht hier, um mit mir über meine Türen zu reden", sagte Snape ungeduldig.

„Nein, sicher nicht", sagte Hermine.

„Und diese Pflanze, von der sie sprachen – die brauchen sie jetzt sofort?", fragte Snape zweifelnd.

„Nein nicht sofort", sagte Hermine und senkte den Kopf. „Das war nur ein Vorwand", fügte sie leise hinzu.

„Na wunderbar!", stöhnte Snape, lief nochmals in sein Badezimmer, und kam zu Hermines Verwunderung mit einer Flasche Rotwein und einem Glas zurück, nicht ohne auf ein nochmaliges Zuknallen der Tür zu verzichten. Danach stellte er ebenso heftig die Flasche auf den Tisch, das Glas etwas vorsichtiger daneben und setzte sich Hermine gegenüber.

„Kein Wort, über die Stabilität, meines Tisches, verstanden?", sagte er drohend und schenkte sich ein.

Hermine, die darauf wartete, dass er auch ihr etwas zu trinken anbot, sah ihn verwundert an.

„Würde es ihre Gastfreundschaft überstrapazieren, mir auch ein Glas Wein anzubieten?", fragte sie spitz, nachdem er nicht von allein auf den Gedanken zu kommen schien.

„Gastfreundschaft? Ich kann mich nicht erinnern, sie eingeladen zu haben", sagte Snape. „Außerdem haben sie nachmittags bereits mindestens eine halbe Flasche von diesem Prosecco getrunken – das dürfte für heute reichen."

„Ich bin erwachsen, Severus!", sagte Hermine genervt. „Wie wär´s, wenn sie mir selbst die Entscheidung überlassen, was ich mir zumuten kann?"

„Ich glaube, dass sie damit manchmal verflucht daneben liegen – und das nicht nur im Bezug auf Alkohol", murmelte er, schaffte aber trotzdem per Aufrufezauber ein zweites Weinglas herbei, und füllte es.

Hermine ging vorsichtshalber in Deckung, als er das Glas vor ihr abstellte.

„Ich dachte nur, jetzt ist der Tisch wieder dran", sagte sie entschuldigend, als er sie befremdet ansah.

„Übertreiben sie es nicht – ich bin gerade nicht in Stimmung für solche Späße", knurrte Snape.

„Oh – das tut mir leid", sagte Hermine bedauernd. „Es steht mir selbstverständlich nicht zu, etwas mit ihnen zu tun, wofür sie nicht in Stimmung sind, Severus."

Daraufhin sah er sie eine Weile schweigend und mit unergründlicher Miene an.

„Wo, zum Teufel, haben sie gelernt, so sarkastisch zu sein?", sagte er schließlich mit der Andeutung eines Lächelns, aber Hermine glaubte, auch eine Spur Verlegenheit aus seiner Stimme herauszuhören.

„Ich hatte einen guten Lehrer", gab sie zurück.

Wieder breitete sich ein unangenehmes Schweigen aus, als ob beide versuchten ihr Gegenüber zu taxieren, um mit den nächsten Worten an der richtigen Stelle ansetzen zu können.

„Wegen heute Nachmittag...", begannen schließlich beide gleichzeitig.

„Bitte - sie zuerst!", sagte Snape.

„Nein! Bitte reden sie zuerst", sagte Hermine, „deshalb bin ich ja eigentlich hier - um zu hören, was sie wegen der Sache heute Nachmittag, zu sagen haben."

„Na schön – wenn sie schon extra deswegen hier sind", sagte er resignierend, lehnte sich zurück und massierte einen Moment lang mit den Fingerspitzen seine Schläfen, als müsse er sich auf das, was er nun zu sagen gedachte, äußerst angestrengt konzentrieren, um es richtig zu formulieren.

„Ich bin der Meinung, wir sollten das, was da in der Buchhandlung passiert ist, beide am Besten schnellstens wieder vergessen", sagte er schließlich. „Und wenn sie mich nicht daran gehindert hätten, den Oblivate-Zauber auch bei ihnen anzuwenden, wäre das schon geschehen, und sie bräuchten nicht hier sitzen, und sich mit solchen unnützen Gedanken befassen."

„WAS? Das ist alles, was sie dazu zu sagen haben?", sagte Hermine bestürzt. „Vergessen wir es – und Ende?"

„Richtig!", sagte er knapp.

„Sie machen es sich verdammt leicht, Severus", sagte Hermine mit bebender Stimme. „Wie lange haben sie denn nachgedacht, um zu diesem genialen Ergebnis zu kommen – drei Sekunden?"

„Eher drei Stunden", sagte Snape.

„Und nachdem sie drei Stunden überlegt haben, kommt nichts besseres heraus als das?", fragte Hermine ungläubig.

„Alles andere wäre ein Fehler – bitte glauben sie mir das, Hermine", sagte Snape ohne sie anzusehen.

„Das glaube ich ganz und gar nicht!", schnaubte Hermine.

„Ich denke, sie interpretieren in diesen Vorfall in dem Laden mehr hinein, als da tatsächlich war", sagte Snape.

„Nein, das tue ich nicht!", sagte Hermine mit Nachdruck. „Mir ist bewusst, dass ICH diese Situation herbeigeführt habe und nicht sie, wenn auch zunächst ohne es zu wollen. Und mir ist klar, dass ICH es dann darauf angelegt habe, dass daraus mehr wird, und nicht sie – aber SIE haben mein Spiel mitgespielt. Auch wenn es nur für einen kurzen Moment war - sie haben mir deutlich signalisiert, dass ich willkommen bin. Wagen sie es ja nicht das abzustreiten.

„Na was haben sie denn erwartet", schnaubte Snape. „Sie sind eine begehrenswerte junge Frau und ich bin ein Mann. Natürlich waren sie mir willkommen – aber eben nur für einen Moment, nämlich genau so lange, wie mein Verstand gebraucht hat, um wieder das Kommando zu übernehmen, und mir mitzuteilen, das es keine gute Idee ist, ihnen so nahe zu kommen."

„Was soll an dieser Idee denn, verdammt noch mal, so schlecht sein", sagte Hermine aufgebracht.

„Jetzt stellen sie sich nicht so dumm an, Hermine", fauchte Snape. (Oh bitte nicht schon wieder dieser Blick!) „Sie wissen doch, wer ich bin – und dass man mit mir unmöglich auskommen kann, und wenn sie es nicht wissen, fragen sie meinetwegen sämtliche Bewohner dieses Schlosses, egal wen – jeder wird ihnen das bestätigen."

„Vielleicht hat das nur noch nie jemand wirklich versucht", sagte Hermine stur.

„Sein sie bitte nicht so naiv, Hermine", sagte Snape ungehalten.

„Ich bin nicht naiv – sein sie mal lieber nicht so arrogant!", fauchte Hermine. „Ich weiß sehr wohl, wer sie sind und was ich riskiere – und es ist mir egal. Aber sie - sie haben Angst über ihren eigenen Schatten zu springen."

Snape holte tief Luft, und einen Momentlang befürchtete sie, das er sie gleich anbrüllen würde, aber nichts dergleichen geschah.

„Das ist dieser verfluchte Gryffindor-Mut", sagte er schließlich. „Es ist wirklich typisch für sie, sich kopfüber in etwas hineinzustürzen, ohne darüber nachzudenken, wo es hinführt."

„Ohne Risiko – kein Spaß!", sagte Hermine knapp. „Haben sie eigentlich noch andere Argumente, außer dem, dass sie ungenießbar sind?"

„Einige!", sagte Snape. „Ich bin zwanzig Jahre älter als sie."

„Na und?", sagte Hermine. „Was noch?"

„Sie sind zwanzig Jahre jünger als ich", sagte Snape.

„Ja doch – ich hab´s kapiert!", sagte Hermine. „Tonks ist auch nicht wesentlich älter als ich, und das hat sie auch nicht davon abgehalten mit ihr ..., mit ihr ins Bett zu gehen", fügte sie hinzu und konnte wieder einmal nicht verhindern, dass sie sich rosa einfärbte, was Snape mit Genugtuung zu Kenntnis nahm.

„Wenn sie allein vom Aussprechen solcher Dinge schon rot werden, sollten sie sich lieber doch von mir fernhalten", sagte er süffisant. „Das mit Tonks ist etwas völlig anderes. Wir sind lediglich miteinander befreundet und haben zufällig die selbe Wellenlänge, auf dem Gebiet, dessen Erwähnung ihnen momentan zu einem so gesunden Teint verhilft. Und außerdem lebt sie nicht hier, in Hogwarts", fügte er hinzu.

„Was hat das damit zu tun?", fragte Hermine.

„Sehr viel!", sagte Snape. „Einmal angenommen, ich gehe auf ihre irrwitzige Idee ein, und es entwickelt sich etwas ..., etwas, was mehr ist, als eine freundschaftliche Beziehung, und angenommen, es geht schief – und das würde es mit absoluter Sicherheit – dann wäre es unmöglich einen Schlussstrich zu ziehen, weil wir beide hier in Hogwarts leben und arbeiten, und soweit ich weiß, auch beide in Zukunft vorhaben, das zu tun."

„Das ist zwar der erste halbwegs vernünftige Grund", sagte Hermine, „aber Hogwarts ist so groß, dass man sich durchaus aus dem Weg gehen kann, wenn man es darauf anlegt. Sie praktizieren das ja jetzt schon, wenn sie gerade keine Lust haben jemanden zu treffen – zum Beispiel mich. Haben sie noch weitere Argumente auf Lager?"

„Ja!", sagte Snape leise. „Ich will ihnen nicht weh tun, Hermine."

„Das tun sie aber bereits – und sie haben sieben Jahre lang nichts anderes getan, als ich hier zur Schule ging. Auf ein bisschen mehr kommt´s nun wirklich nicht mehr an", sagte Hermine.

„Das ist nicht das selbe", sagte Snape.

„Warum?", sagte Hermine. „Ist es moralisch verwerflicher, eine Frau zu quälen als ein Kind?"

„Welch umwerfende Logik!", seufzte Snape.

„Habe ich sie also überzeugt?", fragte Hermine.

„Absolut nicht!", sagte Snape.

„Okay – nachdem sie mich nicht überzeugen konnten, und ich sie nicht, möchte ich ihnen einen Deal vorschlagen", sagte Hermine.

„Da bin ich aber gespannt", sagte Snape ironisch, „dann lassen sie mal hören."

„Ich wäre bereit, dieses Thema für eine Zeit lang ruhen zu lassen – aber nur unter einer Bedingung", sagte Hermine.

„Aha – nur dass keine Missverständnisse aufkommen – wie lange ist eine Zeit lang?", fragte Snape.

„Ich würde sie die nächsten..., sagen wir mal..., zwei Wochen nicht mehr darauf ansprechen", sagte Hermine.

„Das ist aber nicht sehr lange", sagte Snape zweifelnd.

„Besser als gar nichts, oder?", sagte Hermine spitz.

„Schön – welche Bedingung?", seufzte Snape.

„Die Bedingung ist, dass sie mir in dieser Zeit nicht andauernd aus dem Weg gehen dürfen", sagte Hermine.

Dem genervten Blick nach zu schließen, den er ihr daraufhin zuwarf, hatte er genau dass vorgehabt.

„Das ist Erpressung", fauchte er.

„So würde ich das nicht bezeichnen", sagte Hermine ruhig. „Sie haben neulich in ihrem Büro behauptet, sie würden sich wohl fühlen, in meiner Gesellschaft. War das gelogen?"

„Nein – das war natürlich nicht gelogen", sagte Snape und verdrehte die Augen.

„Dann ist es doch auch nicht so tragisch, wenn sie ein wenig mehr Zeit mit mir verbringen", sagte Hermine.

„Das wird sich noch herausstellen", murmelte Snape.

„Sehen sie das doch mal von der positiven Seite, Severus", sagte Hermine lächelnd, „je öfter sie mit mir zusammen sind, desto mehr Gelegenheit haben sie, mir zu beweisen, wie unausstehlich sie doch sind – und ich habe ausreichend Zeit, meine angebliche Naivität abzulegen. Und wenn wir das hinter uns haben, steht dem Beginn einer wunderbaren, selbstverständlich rein platonischen Freundschaft zwischen uns nichts mehr im Wege. Das wäre doch ganz toll, oder?"

„Werden wir etwa schon wieder sarkastisch, Miss Granger?", sagte Snape mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Gefällt ihnen das nicht, Professor Snape?", sagte Hermine sanft. „Wie hätten sie mich denn gerne?"

„Im Moment hätte ich sie gerne aus meiner Wohnung raus", konterte Snape bissig.

„Ts ts ts – was sind sie nur für ein unausstehlicher Typ", sagte Hermine kopfschüttelnd. „Nehmen sie meinen Vorschlag nun eigentlich an?"

„Ja – wenn sie mir versprechen, dann zu gehen", sagte Snape.

„Keine Sorge", sagte Hermine, „ich werde sie gleich von meiner Anwesenheit befreien, aber vorher muss ich noch mal auf Plan B zurückkommen."

„Was für ein Plan B?", sagte Snape misstrauisch.

„Die Zaubertrank-Zutat, die ich vorher erwähnt habe – die brauche ich wirklich", erinnerte ihn Hermine.

Sie erklärte ihm, um welche Pflanze es sich handelte, und dass sie schon überall versucht hatte, etwas davon aufzutreiben.

„Wie ich sie kenne, sind sie deswegen sicher auch schon in die Bibliothek gerannt", sagte Snape.

„Ja, natürlich!", sagte Hermine leicht gereizt.

„Und?", fragte Snape.

„Nichts!", seufzte Hermine, „Das scheint sie zu freuen", fügte sie verärgert hinzu, als sie seine amüsierte Miene sah.

„Es gibt also tatsächlich etwas", sagte er grinsend, „über das sie, Miss Alleswisserin, nicht Bescheid wissen, oder es aus irgendeinem Buch herauslesen können. Das ist wirklich höchst erstaunlich!"

„Haha! Wirklich sehr witzig, Severus!", sagte Hermine genervt.

„Aber, aber - wer wird denn gleich so empfindlich sein", sagte Snape kopfschüttelnd.

„Professor Sprout sagte mir, dass das Kraut wohl irgendwo in der näheren Umgebung zu finden sei, sie wüsste aber nicht genau wo. Sie sagte, sie müssten das wissen – sie hätten sich das Zeug immer selber besorgt."

„Das ist richtig", sagte Snape.

„Und würden sie mir freundlicher Weise auch verraten wo", sagte Hermine ungeduldig.

„Das muss ich mir noch überlegen", sagte Snape und musterte sie abschätzend.

„Ich hoffe, sie genießen es, dass ich erstmals, seit ich die Stelle hier übernommen habe, auf ihre fachliche Hilfe angewiesen bin", sagte Hermine hitzig.

„Ohne Frage", sagte Snape, „ein Genuss ohne Reue."

„Ich kann auch Albus um Hilfe bitten", sagte Hermine erbost.

„Fällt ihnen eigentlich nichts anderes ein, als mich andauernd beim Chef verpetzen zu wollen?", fragte Snape gelangweilt.

„Sie lassen mir ja keine andere Wahl", sagte Hermine schulterzuckend.

„Aber selbstverständlich lasse ich ihnen eine andere Wahl", meinet Snape belehrend, „sogar eine sehr naheliegende - sie haben nur noch nicht daran gedacht."

„Nämlich?", seufzte Hermine.

„Sie könnten mich freundlich bitten, ihnen zu helfen", sagte Snape lächelnd.

„Aber das habe ich doch gerade getan", rief Hermine.

„Sie haben gefordert", sagte Snape, „das Wort bitte habe ich sie nicht sagen hören."

„Okay, okay – BITTE Severus, wären sie so freundlich, mir bei der Beschaffung dieses Krauts behilflich zu sein", sagte Hermine und verdrehte die Augen.

„Kein Problem - ich gehe morgen in den Wald und hole ihnen etwas davon", sagte Snape bereitwillig.

„Das ist sehr nett! Ich werde sie begleiten", sagte Hermine.

„WIE BITTE?", knurrte Snape.

„Ich muss als Professorin für Zaubertränke schließlich wissen, wo diese Pflanze wächst, sonst bin ich ja für alle Zeit von ihnen abhängig – und das wollen sie doch sicher nicht", sagte Hermine lächelnd. „Und außerdem hatten Sie eingewilligt, mehr Zeit mit mir zu verbringen – schon vergessen?"

„Ich habe aber nicht eingewilligt, mit ihnen allein in den Wald zu gehen", fauchte Snape.

„Ich hatte ihnen doch versprochen, das Thema, das ihnen so zu schaffen macht, vorerst nicht mehr weiterzuverfolgen", sagte Hermine grinsend, „und ich gebe ihnen mein Wort darauf – ich werde nicht über sie herfallen."

„Übertreiben sie es nicht, Hermine", sagte Snape drohend.

„Was spricht denn unter diesen Voraussetzungen dagegen, dass sie mit mir in den Wald gehen?", bohrte Hermine weiter, „Könnte es sein, dass sie sich selber nicht über den Weg trauen?"

„Ich versichere ihnen, da liegen sie vollkommen falsch", sagte er ungehalten.

„Dann kann ich ja mitkommen", sagte Hermine fröhlich.

„Also gut! Wenn sie unbedingt darauf bestehen – morgen Vormittag, zehn Uhr", stöhnte Snape.

„Schön – ich freue mich schon darauf", sagte Hermine und stand auf, um zu Tür zu gehen.

Snape blieb sitzen und sah ihr mit finsterer Miene hinterher.

An der Tür drehte sie sich noch einmal um.

„Was ist denn noch", fragte Snape gereizt.

„Sie drücken sich doch nicht vor dem Frühstück in der Halle?", fragte sie.

„Verschwinden sie!", knurrte Snape.

„Gute Nacht, Severus", sagte Hermine lächelnd, „und angenehme Träume!"