Hermine dachte immer noch über das Gespräch vom Vorabend nach, als sie am nächsten Morgen auf dem Weg in die große Halle war.
Bei genauerer Betrachtung konnte sie mit dem, was sie dabei herausgeholt hatte zufrieden sein, denn immerhin war Severus auf ihren Vorschlag eingegangen – und das war eigentlich schon mehr, als sie unter den gegebenen Umständen hatte erhoffen können.
Sie hegte nur die Befürchtung, dass sie sich mit ihrer Aufforderung, er könne ihr nun zwei Wochen lang beweisen, was für ein ungenießbarer Mensch er sei, keinen großen Gefallen getan hatte.
Aber sei´s drum! Man musste das als Herausforderung sehen – und Hermine liebte Herausforderungen.
Als sie das Parterre erreicht hatte, erblickte sie Snape, der gerade die Treppe aus dem Kerker heraufkam.
Er sah heute morgen noch verbiesterter als üblich aus. Es war, als würde ihn eine fast greifbare, graue Wolke aus schlechter Laune umgeben.
Als er Hermine bemerkte, die am Ende der Treppe auf ihn wartete, machte er ein Gesicht, als hätte er plötzlich Zahnschmerzen bekommen.
„Guten Morgen, Severus", sagte Hermine lächelnd, „wie schön, das sie sich nun doch entschlossen haben mit mir zu frühstücken, bevor wir aufbrechen. Wunderschönes Wetter heute – genau richtig, für einen Waldspaziergang – nicht war?"
„Texten sie mich am frühen Morgen nicht so zu - das kann ich nicht ausstehen", knurrte Snape, und ging ohne stehen zu bleiben, an ihr vorbei.
„Oh – verzeihen sie bitte mein ungebührliches Verhalten, gnädiger Herr. Ist es gestattet, neben ihnen zu gehen, oder soll ich drei Schritte Abstand halten?", flötete Hermine und versuchte, mit ihm Schritt zu halten, was gar nicht so leicht war, da er es auf einmal ziemlich eilig zu haben schien.
„Mindestens drei Schritte!", brummte Snape, während er auf seinen Stammplatz am Ende des Tisches zusteuerte, wo Pamela Peephole, ihrem Strahlen nach zu urteilen, schon sehnsüchtig auf ihn gewartet hatte.
Ihr gegenüber saß William Wishmope, der eindeutig nicht strahlte, als Snape sich, seinen üblichen unverständlichen Morgengruß murmelnd, neben der Wildhüterin niederließ, die ihm sofort Kaffee aus der Kanne einschenkte, die sie vorsorglich schon bereitgestellt hatte.
Erst als Hermine sich seufzend auf den Stuhl neben ihm setzte, überzog ein seliges Lächeln das Gesicht des Hausmeisters.
„Sie sind wirklich schnell unterwegs heute morgen, Severus", seufzte Hermine, „Ich hoffe, sie wollen später im Wald nicht auch so rennen. Guten Morgen William, guten Morgen Pamela - ist für mich auch noch Kaffee da?"
Peephole schenkte auch ihr eine Tasse Kaffee ein, wenn auch mit einem deutlich weniger begeisterten Gesichtsausdruck als bei Snape.
„Sie wollen in den verbotenen Wald gehen?", fragte sie misstrauisch.
„Mit ihm allein?", flüsterte Wishmope Hermine zu und machte eine Kopfbewegung zu Snape.
„Ja – denken sie, das ist gefährlich?", sagte Hermine.
„Ja, das ist gefährlich", blaffte Snape sie an, „man kann sich dort sehr leicht verirren, und wenn sie nicht aufhören, mir auf die Nerven zu fallen, setze ich sie mitten drin aus."
Wishmope sah ihn entrüstet an.
„Dann werde ich mich wohl bemühen müssen, ihre überaus empfindlichen Nerven zu schonen, Severus", sagte Hermine schmunzelnd.
„Was wollen sie denn im Wald tun, Professor Snape?", fragte Peephole.
„Ach, wir suchen uns nur ein schönes Plätzchen zum Picknicken", sagte Hermine grinsend.
Snape warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
„Unsere frischgebackene Professorin für Zaubertränke beliebte einen Scherz zu machen", sagte er gereizt, nachdem Peephole und Wishmope Hermine ungläubig anstarrten. „Sie bat mich, ihr eine bestimmte Stelle im Wald zu zeigen, weil dort eine Pflanze wächst, die sie für ihren Unterricht benötigt."
„Aber anschließend könnten wir doch eigentlich Picknicken", kicherte Hermine, „meinen sie nicht?"
„Der verbotene Wald ist nicht unbedingt der ideale Ort für so was", sagte Wishmope besorgt, „es ist nicht gerade ungefährlich, sich dort aufzuhalten."
„Ich habe doch den Meister der Verteidigung dabei", sagte Hermine, „er wird mich schon beschützen."
„Vielleicht wäre es besser, wenn ich sie begleite", sagte Peephole.
„Ich könnte auch mitkommen", sagte Wishmope eifrig.
„Aber sonst geht's ihnen gut?", fragte Snape und sah die beiden an, als wären sie übergeschnappt. „Was glauben sie, was das wird – ein Wandertag?"
Er warf Wishmope einen einschüchternden Blick zu.
„Wenn ich nicht sicher wäre, Professor Granger auch wieder aus dem Wald herauszubringen, meinen sie ernsthaft, ich würde sie mit hineinnehmen?", sagte er grimmig.
„Und wenn ich Wert darauf legen würde, da drin auf zwei Frauen aufzupassen, anstatt auf eine, dann hätte ich es sie wissen lassen", sagte er an Peephole gewandt, die ihn noch immer hoffnungsvoll ansah.
„Aber sie müssten auf mich doch nicht aufpassen - ich bin doch Wildhüterin", sagte sie treuherzig.
„Was Dumbledore sich dabei gedacht hat, habe ich bis heute nicht verstanden", grummelte Snape.
Peephole machte ein beleidigtes Gesicht, entgegnete aber nichts.
„Sie sind hier Wildhüterin, seit Hagrid nach Frankreich gegangen ist, nicht war?", fragte Hermine.
„Ja, seit drei Jahren", bestätigte Peephole, und warf einen schmollenden Seitenblick auf Snape.
„Und was haben sie vorher gemacht?", fragte Hermine neugierig.
„Ähm – ich war in der Unterhaltungsbranche tätig, im Dienstleistungsbereich sozusagen ...", sagte Peephole zögerlich.
Hermine machte große Augen und sah Snape ungläubig und fragend an.
„Was heißt denn das?", fragte Wishmope verunsichert. "Doch nicht etwa, dass..." Er senkte verlegen den Kopf.
„Das heißt, es war sicher auch ganz schön wild, und ebenfalls nicht ungefährlich", sagte Snape grinsend. „Und diese Erfahrung qualifiziert sie selbstverständlich ausreichend für ihren jetzigen Job – zumindest nach Dumbledores Auffassung", fügte er hinzu und verdrehte die Augen.
„Die du natürlich nicht teilst, Severus", sagte Dumbledore, der unbemerkt von den anderen hinter Snape aufgetaucht war, und sich nun, nachdem er einmal freundlich in die Runde gezwinkert hatte, auf seinem Platz an der Stirnseite des Tisches niederließ.
„In diesem Punkt sicher nicht, Albus", sagte Snape ungerührt.
„Pamela wird das schon hinkriegen – nicht war, meine Liebe?", sagte Dumbledore und lächelte Peephole aufmunternd zu.
„Natürlich, Professor Dumbledore!", sagte diese und schaute Snape triumphierend an, der resignierend den Kopf schüttelte.
„Habe ich ihnen eigentlich erzählt, dass Severus auch etwas dagegen hatte, dass ich sie einstelle, Hermine?", fragte Dumbledore.
„Nein – erzählt haben sie es mir noch nicht", seufzte Hermine, „aber ich kann es mir trotzdem lebhaft vorstellen. Er will mich ja immer noch loswerden."
„Er will sie im Wald aussetzen", platzte Wishmope heraus, was ihm abermals einen ziemlich üblen Blick von Snape einbrachte.
„Das dürfen sie nicht so ernst nehmen, William", beruhigte Dumbledore den jungen Mann, „Professor Snape hat einen etwas skurrilen Sinn für Humor. Nicht war, Severus?"
„Aber sicher doch!", sagte Snape. „Hermine würde viel zu schnell wieder herausfinden, aus dem verbotenen Wald – nach ein, zwei Tagen würde sie bereits wieder auf der Matte stehen – ich muss mir wirklich etwas Besseres ausdenken, um sie loszuwerden."
„Sehr nett, Severus – danke für die Blumen!", sagte Hermine giftig.
„Was wollt ihr denn im Wald?", fragte Dumbledore neugierig.
„Picknicken!", rief Hermine schnell.
„Das ist aber mal eine hübsche Idee", sagte Dumbledore glucksend.
„Dein geniales neues Zaubertrankgenie braucht ein wenig Nachhilfe beim Auffinden von bestimmten Pflanzen, die unter anderem in unserem Wald wachsen", sagte Snape vorwurfsvoll.
Hermine sah ihn genervt an.
„Soll ich mir dieses Wissen etwa aus den Fingern saugen?", sagte sie bissig, „Nachdem in keinem Buch darüber etwas zu finden war, musste ich schließlich sie fragen.
„Vielleicht hätten sie ja früher in meinem Unterricht besser aufpassen sollen", gab Snape zurück.
„Also, das ist doch wohl das Letzte!", sagte Hermine entrüstet.
„Für eine Streberin ist das wirklich eine schlimme Beleidigung, oder?", sagte Snape mit boshaftem Grinsen.
„Streitet euch nicht – ihr habt nachher sicher noch genügend Zeit, dieses Thema zu erörtern", sagte Dumbledore beschwichtigend. „Es ist nett von dir, dass du Hermine die richtige Stelle im Wald zeigst, Severus."
„Habe ich denn eine Wahl?", fauchte Snape.
„Nein!", sagte Dumbledore und blinzelte Hermine vergnügt zu. „Ich wüsste da übrigens eine geradezu ideale Stelle zum Picknicken", fügte er mit nachdenklich gerunzelter Stirn hinzu.
„Albus!", sagte Snape drohend.
„Schon gut!", sagte Dumbledore grinsend, „ihr werdet schon selbst wissen, was gut für euch ist."
„Was soll denn das nun schon wieder heißen?", brauste Snape auf.
„Ach – nichts bestimmtes! Ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst", sagte Dumbledore lächelnd, und musterte Snape aufmerksam, wobei er, wie so oft, mehr zu sehen schien, als dem Beobachteten lieb war, denn Snape wandte den Blick auffällig schnell ab.
„Es wird Zeit, dass wir gehen", sagte er zu Hermine. „Wir haben ein ganz schönes Stück zu laufen."
„Ich wünsche euch viel Spaß", sagte Dumbledore.
Peephole und Wishmope sahen den beiden zweifelnd nach, als diese gemeinsam die Halle verließen, nicht ahnend, dass die Bedenken des jeweils anderen ziemlich ähnlich gelagert waren, wie die eigenen.
„Muss ich eigentlich immer noch hinter ihnen herlaufen, oder darf ich nun neben ihnen gehen?", fragte Hermine, als sie durch das Schlossportal traten.
„Das kommt ganz darauf an, wie viel sie reden", entgegnete Snape.
„Okay, Severus, wäre es ihnen recht, wenn ich gar nichts mehr sage?", seufzte Hermine genervt.
„Im Augenblick wäre mir das äußerst angenehm", sagte Snape.
Schweigend überquerten sie nebeneinander das Schulgelände und marschierten auf den Wald zu. Die Sonne brannte ziemlich heiß an diesem herrlichen Spätsommertag, zumal auch der frische Wind vom Vortag sich gelegt hatte.
Als sie ein gutes Stück weit vom Schloss entfernt waren, blieb Hermine stehen und legte ihren Umhang ab, um in auf Minimalgröße zu schrumpfen, und in der Hosentasche ihrer Jeans zu verstauen, die sie heute zweckmäßigerweise, zusammen mit einem weißen T-Shirt und ein Paar Turnschuhen, ihrer üblichen Arbeitskleidung vorgezogen hatte.
Snape hatte es ihr gleich getan, und seinen Umhang ebenfalls verschwinden lassen. Zum Vorschein kamen erstaunlicherweise, genau wie bei ihr, Jeans und T-Shirt, allerdings – seiner Stimmung entsprechend – beides in schwarz.
Hermine starrte ihn neugierig an. Sie hatte sich trotz des gestrigen Tages noch immer nicht an den Anblick von Snape in normaler Kleidung gewöhnt – zumal das T-Shirt im Gegensatz zu seiner sonstigen, von oben bis unten zugeknöpften Montur, viel Haut freiließ. Auf seinem linken Unterarm konnte sie die feinen weißen Narben erkennen, die das Mal Voldemorts dort hinterlassen hatte.
„WAS?", knurrte Snape ungehalten, dem ihr interessierter Blick sichtlich unangenehm war.
„Es tut mir leid, Severus", sagte Hermine ehrlich, „ich bin es nur nicht gewohnt, sie in dieser Kleidung zu sehen – das ist einfach etwas ... verwirrend."
„Meinen sie, dass sie trotzdem weitergehen könnten", fragte Snape giftig.
„Ich denke, das kriege ich hin", seufzte Hermine.
Kurze Zeit später waren sie am Rande des verbotenen Waldes angekommen, der dunkel und bedrohlich vor ihnen lag.
Snape lief unbeirrt weiter, zwischen den Bäumen hindurch, auf etwas, das bei genauerem Hinsehen entfernte Ähnlichkeit mit einem Pfad hatte.
Hermine ging nahe hinter, oder wenn der Weg es zuließ, neben ihm. Sie fühlte sich in seiner Begleitung sehr sicher, und beobachtete interessiert die Umgebung – wobei sie das unbestimmte Gefühl hatte, dass auch sie von allen Seiten beobachtet wurde.
Als sie fast schon eine Stunde schweigend durch das unheimliche Gehölz gewandert waren, blieb Snape plötzlich stehen und zog sie hinter einen dicken Baum. Er machte ihr ein Zeichen, leise zu sein und deutete dann in die Richtung, in die sie ursprünglich weitergegangen wären.
Hermine beugte sich vorsichtig hinter dem Stamm hervor und entdeckte etwa zwanzig Meter weiter, auf einer kleinen Lichtung, die von vereinzelten Sonnenstrahlen in ein warmes Licht getaucht wurde, ein einzelnes Einhorn, das völlig ruhig dastand – den eleganten Kopf mit den ausdrucksvollen Augen hoch erhoben.
„Wie wunderschön!", hauchte sie und betrachtete mit einem glücklichen Lächeln das zauberhafte schimmernde Wesen.
„Ja, wirklich wunderschön!", murmelte Snape, aber es entging Hermines Aufmerksamkeit, dass er nicht das Einhorn beobachtete.
Die junge Frau neben ihm war erhitzt von dem anstrengenden Marsch in der Mittagshitze. Auf ihrer Oberlippe und über ihren Augenbrauen hatten sich winzige Schweißperlen gebildet, die glitzerten, wenn einer der Sonnenstrahlen auf sie traf, die sich hier und da durch das Dickicht des Waldes gekämpft hatten. Eine gelockte Strähne hatte sich aus ihren, im Nacken zusammengebundenen Haaren gelöst, und fiel ihr ausgesprochen dekorativ ins Gesicht.
„Am meisten faszinieren mich diese Augen", flüsterte Hermine, und drehte sich zu ihm um.
„Ja...", sagte Snape belegt und versank für einen kurzen Moment in ihren bernsteinfarbenen Augen, bevor er sich abwandte um wieder das Einhorn anzusehen.
Nun hatte Hermine Gelegenheit, das aristokratisch anmutende Profil ihres Begleiters zu betrachten, ehe sie sich nach wenigen Sekunden wieder dem Einhorn zuwandte, um ihn nicht wieder durch ihre Neugierde zu verärgern.
Der kurze Moment genügte jedoch, um ihr wieder einmal ins Gedächtnis zu rufen, dass er, wenn man seine ständig miese Laune und seine schroffe, abweisende Art außer acht ließ, eine geradezu gefährliche Attraktivität ausstrahlte.
Als sie das Einhorn noch einige Zeit beobachtet hatten, gingen sie schließlich auf ihrem ursprünglichen Weg weiter, woraufhin das magische Geschöpf sie zunächst mit schräg gelegtem Kopf musterte um gleich darauf mit eleganten Galoppsprüngen zwischen den Bäumen zu verschwinden.
Nachdem sie wieder eine Weile nebeneinander hergegangen waren, ohne zu sprechen, war es Snape, der als erster das Schweigen brach.
„Ich hätte nicht gedacht, dass sie es tatsächlich so lange aushalten, ohne zu reden", sagte er anerkennend, während er sein Tempo etwas verlangsamte.
„Das würde man bei Streberinnen, wie mir, gar nicht vermuten, nehme ich an", sagte Hermine spitz.
„Allerdings – sie stecken voller Überraschungen, Hermine", sagte Snape grinsend.
„Was sollte das eigentlich vorhin heißen, ich hätte in ihrem Unterricht besser aufpassen sollen", sagte Hermine aufgebracht. „Sie wissen doch, dass ich immer aufgepasst habe – ich habe fast jedes Wort von ihnen mitgeschrieben."
„Wahrscheinlich ist ihnen doch ab und zu was durch die Lappen gegangen", sagte Snape schulterzuckend, „zum Beispiel, wenn sie mal wieder mit Potter und Weasley die Köpfe zusammenstecken mussten, oder während sie Longbottom zum x-ten Mal davor bewart haben, sich in die Luft zu sprengen."
„Vielleicht haben aber auch SIE einfach vergessen, uns mitzuteilen, wo man das Trollkraut findet", giftete Hermine.
„Nein, habe ich nicht", erwiderte Snape ruhig. „Ich habe das in jeder siebten Klasse erzählt, und zwar genau an dieser Stelle des Lehrplans, wo sie jetzt sind, bei diesem speziellen Trank, den sie demnächst mit ihrer Klasse herstellen wollen – weil man diese Pflanze ansonsten fast nicht verwenden kann, und sie dadurch nahezu bedeutungslos für die Zaubertrankbrauerei ist. Das erklärt übrigens auch, warum sie in keinem der Bücher etwas darüber gefunden haben. Das Kraut war früher so verbreitet, dass es nahezu an jedem Bach zu finden war – und es ist auch heute nicht schwer, wenn man weiß, wo man suchen muss – daher hat es scheinbar nie jemand für nötig befunden, diese Information niederzuschreiben. Aufgrund dessen ist eine mündliche Überlieferung gebräuchlich geworden, von Zaubertrankmeister zu Zaubertrankmeister, und es ist auch üblich, die Frischlinge unter den Meistern mit ihrem Unwissen aufzuziehen."
„Das ist sehr interessant – wirklich – aber ich hätte es aufgeschrieben, wenn sie im Unterricht etwas darüber erzählt hätten – da bin ich sicher", sagte Hermine hartnäckig.
„Nun – vielleicht waren sie ja gerade auf der Toilette, und ihre hirnlosen Kumpels haben nicht mitgeschrieben, weil die sich ja immer auf ihre Streberfreundin verlassen haben, bei ihren schriftlichen Arbeiten", sagte Snape gereizt, „oder sie waren auf der Krankenstation, weil ihnen jemand lange Zähne gezaubert hatte..."
„Sie haben damals behauptet, sie sähen keinen Unterschied, als dieses Ekel Malfoy mir die Zähne verpasst hat", sagte Hermine erbost.
„Tja – da habe ich wohl ein bisschen geschwindelt", sagte Snape grinsend. „Vielleicht waren sie aber auch gerade in meinem Büro um Zutaten zu klauen", fügte er ernster hinzu und sah sie scharf an.
„Sie wissen davon?", sagte Hermine überrascht.
„Ich weiß vieles", sagte Snape geheimnisvoll. „Ich weiß auch, dass diese hormongesteuerten wandelnden Zeitbomben, auch Schülerinnen genannt, ab einem gewissen Alter mit ihren Gedanken meist nicht bei der Sache sind, sondern sich des öfteren, versonnen Herzchen malend, in irgendwelchen aufregenden Phantasien über das andere Geschlecht verlieren. Sie waren zwar nicht gerade eine typische Vertreterin dieser weit verbreiteten Spezies, aber ich glaube, mich erinnern zu können, vereinzelt auch bei ihnen diesen weggetretenen Gesichtsausdruck bemerkt zu haben."
„Das war gestern, Severus, und nicht während meiner Schulzeit", erwiderte Hermine trocken.
„Ach was! Sie waren doch hinter Weasley her, wie der Teufel hinter der armen Seele", brummte Snape.
„Das ist nicht war", sagte Hermine aufgebracht.
Snape zog als Antwort nur die Augenbrauen hoch.
„Es war mehr so, das er hinter mir her war", gab Hermine zu.
„Das erklärt ja immerhin seine Leistungen im Unterricht", sagte Snape. „Und?"
„Was und?", sagte Hermine unwirsch.
„Haben sie sich ... erwischen lassen?", fragte Snape belustigt.
„Sein sie nicht so neugierig", sagte Hermine und ärgerte sich sehr, das sie bei dieser Gelegenheit wieder einmal rot anlief.
„Heißt dieser Farbton jetzt ja?", sagte Snape amüsiert.
„Macht es ihnen Spaß, mich in Verlegenheit zu bringen?", zischte Hermine.
„Ja, sehr!", raunte Snape und zeigte sein Wolfslächeln.
„Sind wir eigentlich bald da?", versuchte Hermine abzulenken.
„Es ist nicht mehr weit", sagte Snape. „Brauchen sie eine Pause?"
„Nein, ich habe eigentlich nur Durst", sagte Hermine.
„Kein Wunder, bei der Hitze und dem heißen Thema", sagte Snape grinsend.
„Wie lange wollen sie darauf noch herumreiten?", fauchte Hermine.
„Bis ich eine Antwort kriege, vielleicht?", sagte Snape.
„Das geht sie gar nichts an – reicht das als Antwort?", sagte Hermine und stemmte wütend die Hände in die Hüften. „Was ist nun mit einer Trinkpause?"
„Wir sind in wenigen Minuten da. Das Trollkraut wächst an einem Bach, dessen Wasser man sehr gut trinken kann", sagte Snape. „Können sie solange noch warten?"
„Ich kann warten, Severus!", sagte Hermine bestimmt, und Snape hatte das ungute Gefühl, dass sie nicht nur vom Wasser sprach.
Wie er angekündigt hatte, kamen sie kurze Zeit später an besagter Stelle an. Hermine hörte den Bach zwar plätschern, konnte ihn aber nicht sehen. Um dorthin zu gelangen mussten sie sich schließlich mühsam durch das dichte Unterholz kämpfen, auf einem Pfad, der nahezu vollständig zugewachsen war.
Das letzte Stück legten sie in gebückter Haltung zurück, um unter den, zum Teil unangenehm dornigen Gewächsen durchzutauchen. Als sie jedoch dieses Hindernis hinter sich gebracht hatten, lichtete sich das Unterholz plötzlich und sie standen auf einer lediglich mit Gras und Moos bewachsenen Fläche, über der die Bäume und das rundherum wachsende Gestrüpp eine grüne Kuppel bildeten, durch welche die Sonne nur vereinzelte Stahlen schickte, so dass das Ganze wie eine geheimnisvolle schummrige Höhle wirkte.
Ein alter verwitterter Baumstamm lag in Mitten dieser ungewöhnlichen Lichtung und streckte seine zwei verbliebenen Äste in die Luft, wie ein dunkles Mahnmal für die Vergänglichkeit allen Lebens.
Am anderen Ende schlängelte sich der Bach entlang, der aus einer Spalte in einem fast völlig von Moos und stachligen Ranken überwachsenen Felsen heraussprudelte und nach wenigen Metern im dichten Unterholz verschwand.
Hermine sah sich verwundert um.
„Wie kommt es, dass hier nicht alles zugewachsen ist?", fragte sie erstaunt. „Es wirkt fast so, als würde sich das Gestrüpp nicht über den Rand der freien Fläche hereinwagen."
„Da habe ich ein wenig nachgeholfen", antwortete Snape. „Als ich vor vielen Jahren diese Stelle gefunden habe, war sie sehr viel leichter zugänglich, aber mit der Zeit wurde es immer schwieriger. Um zu verhindern, dass hier alles komplett zuwächst habe ich nur den Boden mit einem Zauberspruch belegt, den Rest...", er sah nach oben, zu dem dichten Blätterdach, „... hat die Natur selbst kreiert."
„Es ist irgendwie schaurig, aber auch sehr schön", sagte Hermine lächelnd.
„Ihr Kraut wächst da drüben, gleich neben dem Felsen. Aber sie sollten zuerst etwas trinken", meinte Snape.
Gemeinsam gingen sie hinüber zu dem kleinen Bach.
Das kalte kristallklare Wasser war herrlich erfrischend.
Nachdem sie getrunken hatte, legte Hermine die Hände aneinander, ließ sie mit Wasser voll laufen und tauchte ihr Gesicht hinein. Als sie den Kopf wieder hob, seufzte sie wohlig und strich sich mit den noch feuchten Händen die Haare aus dem Gesicht.
„Besser?", fragte Snape, der sich ein Stück weiter ebenfalls am Wasser bedient hatte.
„Wesentlich!", sagte Hermine zufrieden.
„Gut – dann gehen wir mal Blumenpflücken", sagte Snape, und zeigte auf einen kleinen Teppich aus unscheinbaren Pflänzchen, die neben dem überwucherten Felsen aus dem Boden sprossen.
„Okay", sagte Hermine lächelnd.
Snape zog seinen Zauberstab. Sekunden später hatte Hermine einen ledernen Beutel in der Hand, den sie gemeinsam mit dem Kraut zu füllen begannen.
„Sie müssen ein bisschen vorsichtiger sein, damit sie die Wurzeln nicht mit herausreißen", sagte Snape tadelnd, „sonst wächst hier in ein paar Jahren nichts mehr davon, und sie können sich eine neue Stelle suchen."
„Jawohl, Herr Professor!", murmelte Hermine entnervt, nahm sich aber seinen Rat zu Herzen.
Snape hatte sich bereits wieder aus der Hocke erhoben und wartete an den alten Baumstamm gelehnt auf sie.
Als sie den Beutel gefüllt hatte, ging sie zu ihm und präsentierte stolz ihre Ernte.
„Sehr fleißig, Miss Granger!", sagte Snape spöttisch.
Sie sah schmunzelnd zu ihm hoch, und diesmal gestattete er sich einen längeren Blick in ihre braunen Augen, in denen goldene Funken zu tanzen schienen.
„Halten sie mal still - sie haben da einen halben Baum im Haar", sagte Hermine, zog einen kleinen Zweig seitlich aus seinen Haaren heraus und schnipste ihn weg.
Bevor sie den Arm wieder senken konnte, hielt Snape ihre Hand fest, und besah sich die Innenfläche, auf der eine lange blutige Schramme zu sehen war, die sich bis über das Handgelenk zog.
„Und sie haben da einen ganz schönen Kratzer", sagte Snape.
„Ja – ich bin vorhin an einem dieser stachligen Dinger hängen geblieben, als wir hier reingekrochen sind", sagte Hermine. „Sie können ja draufpusten, damit es schneller heilt", fügte sie grinsend hinzu.
„Draufpusten?", fragte Snape zweifelnd und sah sie verständnislos an.
„Das ist ein alter Muggelbrauch – wenn auch eher bei kleinen Kindern", sagte Hermine lächelnd.
Snape senkte den Kopf über ihre Hand, die er immer noch fest in der seinen hielt.
Hermine schnappte überrascht nach Luft, denn anstatt zu pusten küsste er die Innenseite ihres Handgelenks, genau an der Stelle, wo die Pulsadern am dichtesten unter der Haut lagen.
„Und das ist ein alter Magierbrauch", raunte er, und machte dasselbe noch mal.
Hermine stellte mit einigem Erstaunen fest, dass offenbar eine direkte Verbindung durch Nervenbahnen von ihrem Handgelenk zwischen ihre Beine bestand.
Bevor sie es verhindern konnte, entkam ihr ein tiefes kehliges Stöhnen, als sich ihr Schoß lustvoll zusammenzog.
Snape hob den Kopf und sah sie einen Moment lang ungläubig an, bevor er ihre Hand fallen ließ, als ob er sich daran verbrannt hätte.
„Alte Magierbräuche haben mich schon immer begeistert", sagte Hermine leise und versuchte zu lächeln, was ihr aber nicht ganz überzeugend gelang.
Snape starrte sie mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck an.
„Severus...", begann sie unsicher.
„Gehen wir!", unterbrach er sie barsch, drehte sich um und ging mit großen Schritten auf den niedrigen Durchgang zu, auf dem sie vorhin hereingekommen waren.
Hermine lief ihm eilig hinterher.
„Warten sie!", rief sie, doch er war schon im Unterholz verschwunden.
Auch als sie sich durch das dichte Gestrüpp nach draußen gekämpft hatte, und wieder aufrecht zwischen den hohen Bäumen stand, konnte sie ihn nirgends entdecken.
„SEVERUS?", rief sie mit einem Anflug von Panik in der Stimme.
„Ich bin hier", kam die Antwort aus nur ein paar Metern Entfernung, wo er im Schatten eines mächtigen Baumes auf sie wartete, in dem sie ihn, wohl aufgrund seiner dunklen Kleidung, nicht gleich hatte ausmachen können.
„Ich dachte schon, sie hätten ihre Drohung wahrgemacht, und mich ausgesetzt", sagte Hermine erleichtert.
„Sie würden mir das wirklich zutrauen?", sagte er ungehalten.
„Nein, natürlich nicht!", versicherte ihm Hermine, „Aber erschrocken bin ich trotzdem."
„Es war nicht meine Absicht, sie zu erschrecken", murmelte Snape ohne sie direkt anzusehen.
„Ich weiß!", sagte Hermine leise.
Die erste Hälfte des Rückwegs brachten sie wiederum schweigend hinter sich, nur das dieses Schweigen ein völlig anderes war, als das beim Hinweg.
Jeder von ihnen hing seinen Gedanken nach, und sowohl Hermine als auch Snape überlegten, wie sie von ihrer momentanen Situation wieder auf ein normales, unverfängliches Niveau zurückkommen konnten.
Als sie in einen Teil des Waldes gelangten, an dem die Bäume nicht ganz so dicht standen, und daher mehr Sonne zwischen den Blättern hindurchdringen konnte – was der Gegend eine wesentlich freundlichere Note verlieh – hielt Hermine den vor ihr gehenden Snape zurück und zeigte auf eine Stelle, ein paar Meter von ihrem Pfad entfernt.
„Das ist der ideale Platz!", sagte sie bestimmt.
„Wofür?", fragte Snape misstrauisch.
„Na - zum Picknicken!", sagte Hermine fröhlich und strahlte ihn an.
„Sie machen ja fast unserem Direktor Konkurrenz, mit ihrer Albernheit", stöhnte Snape und verdrehte die Augen, aber es war ihm anzumerken, wie froh er war, dass sie das Gespräch auf diesem vertrauten Terrain wieder aufgenommen hatte.
„Ich werde nicht mit ihnen picknicken!", sagte er streng, aber seine Mimik zeigte Hermine deutlich, dass er nicht wirklich verärgert war.
„Jetzt sein sie doch kein Spielverderber!", sagte sie mit schräg gelegtem Kopf, eine pseudobeleidigte Schnute ziehend.
Snape sah sie nur an und schüttelte seufzend den Kopf.
„Warten sie – bleiben sie einen Moment hier stehen", bettelte Hermine, „ganz kurz nur."
Sie lief zu der Stelle, die sie als ideal bezeichnet hatte, zog ihren Zauberstab aus dem Hosenbund und begann, besagten Platz damit zu bearbeiten.
Nach wenigen Minuten war sie bereits fertig und drehte sie sich zu Snape um, der mit verschränkten Armen dastehend, skeptisch ihre Aktion beobachtet hatte.
„Sie können jetzt herkommen", rief Hermine lächelnd.
Das hohe Gras verbarg Hermines Arrangement, bis er fast direkt davor stand. Auf der Wiese lag nun eine große Wolldecke, und auf der Decke befand sich alles, was man zu einem richtigen Picknick brauchte, inklusive einer Flasche Wein.
„Voilá!", sagte Hermine, und machte eine einladende Handbewegung.
„Sie sind doch wirklich ein verrücktes Huhn", seufzte Snape, der immer noch zu zweifeln schien, ob er ihre Einladung annehmen sollte.
Hermine legte beide Hände hinter ihrem Rücken ineinander und sah ihn abwartend aber freundlich an und drehte den Oberkörper leicht hin und her, als müsse sie sich damit die Wartezeit vertreiben, bis er endlich eine Entscheidung traf.
„Also gut!", gab er schließlich genervt nach.
„Na dann - nehmen sie Platz!", sagte Hermine erfreut.
Die nächste Stunde verbrachten sie gelöst über alle möglichen unverfänglichen Themen plaudernd, während sie sich über die von Hermine herbeigezauberten Köstlichkeiten hermachten. Snape achtete allerdings genau darauf, dass sich die räumliche Distanz zwischen ihnen nicht verringerte.
Nachdem sie sich sattgegessen hatte, gähnte Hermine herzhaft, legte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lauschte Snapes, etwas zu ausführlicher Antwort auf eine von ihr gestellte Fachfrage. Seine sonore Stimme, die wenn er entspannt war, einen äußerst angenehmen Klang hatte und die zwei Gläser Wein, die sie getrunken hatte, entfalteten ihre beruhigende Wirkung und führten schließlich dazu, das sie ein paar Minuten später bereits eingeschlafen war.
Sie wurde davon wach, dass Snape leise ihren Namen rief und ihr dabei vorsichtig über die Schulter strich.
Verschlafen blinzelnd setzte sie sich auf und sah ihn fragend an.
„Wir sollten lieber aufbrechen, solange es noch hell ist", sagte Snape.
„Wie lange habe ich geschlafen?", fragte Hermine erstaunt.
„Lange!", sagte Snape lächelnd.
„Warum haben sie mich nicht geweckt?", sagte Hermine verlegen.
„Sie schienen den Schlaf sehr nötig zu haben", sagte Snape.
„Das stimmt allerdings", sagte Hermine, „weil ich Nachts wieder mal nicht viel geschlafen habe. Und daran sind - wie wir beide wissen – sie nicht ganz unschuldig."
Snapes Gesichtszüge verhärteten sich.
„Schon gut", seufzte Hermine, „Ich weiß - darüber darf ich erst in zwei Wochen wieder reden."
„Wir sollten jetzt wirklich gehen", sagte Snape, stand auf und reichte ihr den Arm, um ihr hoch zu helfen. „Und vielen Dank, für die Einladung", fügte er förmlich hinzu.
„Ich habe mich wirklich sehr gefreut, dass sie sich die Zeit genommen haben", sagte Hermine, zog sich hoch und hielt sich dabei ein wenig länger als nötig an seiner Hand fest.
Als sie am späten Nachmittag schließlich am Rande des Waldes angelangt waren, der sich auf dem letzten Stück des Weges tatsächlich schon merklich verdunkelt hatte, blieb Snape nochmals stehen und machte Hermine auf zwei Gestalten aufmerksam, die in Höhe der Wildhüterhütte auf und ab liefen.
„Unser Empfangskomitee!", knurrte er gereizt.
Beim Näherkommen stellt es sich heraus, dass es sich bei den beiden Gestalten um Pamela Peephole und William Wishmope handelte, die aufgeregt mit einander zu diskutieren schienen und dabei mit den Augen den Waldrand absuchten.
Als sie Hermine und Snape bemerkten, die auf sie zukamen, erstarb ihre Diskussion.
„Wo waren sie nur so lange ", sagte die Wildhüterin vorwurfsvoll, als die beiden bei ihnen angelangt waren.
„Was haben sie da drin denn die ganze Zeit gemacht?", fragte der Hausmeister aufgeregt.
„Na was schon – gepicknickt natürlich", fauchte Snape, und zog die kichernde Hermine zügig an den beiden vorbei.
Fortsetzung folgt...
Ich hoffe, Ihr hattet wieder viel Spaß!
