Als Hermine erwachte, drang das trübe Licht der Morgendämmerung durch das Fenster. Sie schlug die Augen auf und starrte für den Bruchteil einer Sekunde orientierungslos auf den dunkelgrünen Betthimmel über ihr.
Dann überflutete sie schlagartig die Erinnerung an die vergangene Nacht. Langsam drehte sie sich auf die Seite, um den neben ihr liegenden Mann nicht zu wecken, der noch tief und fest zu schlafen schien.
Im Schlaf wirkten seine Gesichtszüge entspannt und auf seltsame Weise verjüngt.
Hermine betrachtete ihn eine Weile liebevoll und lauschte seinen ruhigen, regelmäßigen Atemzügen.
Sie war gestern Nacht, nachdem sie sich das zweite mal leidenschaftlich geliebt hatten – er hatte nach Hermines furiosem Auftakt, kurz vor dem Point-of-no-return, doch wieder die Führung an sich gerissen, was sie ihm aber nicht wirklich übel genommen hatte – erschöpft aber glücklich in seinen Armen eingeschlafen, und hatte nur noch mitbekommen, dass irgendwann fürsorglich eine Decke über sie gelegt wurde.
Sie war sehr gerührt, dass er sie nicht aufgefordert hatte, in ihre eigenen Räume zurückzukehren.
Die Tatsache, dass sie hier neben ihm geschlafen hatte, verstärkte noch das Gefühl der Intimität, das sie aufgrund der vergangenen Liebesnacht mit ihm empfand.
Vorsichtig rutsche sie bis zur Bettkante, und schlich leise aus dem Schlafzimmer.
Auf dem Sofa im Wohnraum lagen einträchtig aneinandergekuschelt Hermine, die Katze, und Sevi, der Hund, und blinzelten Hermine beim Betreten des Zimmers verschlafen an.
„Guten Morgen, ihr beiden – und danke, wegen gestern", flüsterte Hermine. „Ihr müsst zwei verzauberte Engel sein."
Als sie das Badezimmer betrat, befiel Hermine ein kurzer Anflug von schlechtem Gewissen, da sie ohne Severus´ Wissen, in einen sehr privaten Bereich von ihm eindrang, aber schließlich hatte sie gewisse unaufschiebbare Bedürfnisse und auch der Wunsch nach einer warmen Dusche wurde langsam übermächtig.
Kurze Zeit später trat sie tropfend und zufrieden aus der dampfenden Duschkabine und wickelte sich in ein großes, weißes Badetuch, das sie vorgefunden hatte.
Neugierig sah sie sich um, und inspizierte die spärlichen Utensilien, die hier und da herumstanden. Lächelnd, und mit einiger Genugtuung bemerkte sie, dass auch einige der Sachen darunter waren, die sie ihm vor einigen Wochen zur Überprüfung mitgegeben hatte.
Nachdem sie ihre Haare notdürftig trockengerubbelt hatte, und auch mit ihrer sonstigen Pflege fertig war – sie hatte sich die dazu nötigen Dinge rasch herbeigezaubert – kehrte sie, immer noch in das Handtuch gewickelt, ins Schlafzimmer zurück.
Snape lag auf dem Bauch, und hatte das Gesicht im Kissen vergraben. Als sie sich vorsichtig auf der Bettkante niederließ, drehte er den Kopf und blinzelte sie verschlafen an.
„Guten Morgen, Severus!", sagte Hermine strahlend.
Er sah sie ausdruckslos an. Erst mit einer erheblichen Verzögerung, gab er ein Geräusch von sich, dass entfernt an das Wort Morgen erinnerte und schloss die Augen wieder.
„Hast du gut geschlafen, fuhr Hermine munter fort. „Nachdem ich vor dir aufgewacht bin, habe ich mir gedacht, ich geh schon mal duschen – ich hoffe das war in Ordnung, dass ich dein Bad benutzt habe."
Erneut öffnete er die Augen, und einen kurzen Moment lang meinte Hermine darin einen verzweifelten Ausdruck zu erkennen, kam aber dann zu dem Schluss, dass sie sich getäuscht haben musste.
„Unsere Haustiere vertragen sich immer noch", fuhr sie gut gelaunt mit ihrem Bericht fort. „Die liegen da draußen auf dem Sofa, als könnten sie kein Wässerchen trüben – kaum zu glauben, oder?"
Snape gab ein dumpfes Brummen von sich, und vergrub den Kopf wieder im Kissen.
Hermine verspürte einen starken Drang, ihn zu berühren, aber die Befürchtung, dass er das zu diesem Zeitpunkt nicht willkommen heißen würde, hielt sie davon ab.
„Soll ich uns vielleicht Kaffee machen?", fragte sie unschlüssig. „Ich weiß natürlich nicht, ob es dir recht ist, wenn ich in deiner Küche herumwurstle..."
Snape gab kein Lebenszeichen von sich.
„Severus...?", sagte Hermine unsicher.
„Hermine", drang eine gedämpfte Stimme aus dem Kissen, „bitte tu mir einen Gefallen..."
„Gerne", sagte sie, „welchen?"
Snape hob den Kopf und sah sie gequält an. „Halt die Klappe!", krächzte er, und versank wieder in seinem Kissen.
Hermine sah ihn entgeistert an, und wartete darauf, dass er das eben gesagte relativierte - sie vielleicht anlächeln würde, um ihr zu zeigen, dass er es nicht ernst gemeint hatte. Aber nichts dergleichen geschah.
Wie gelähmt saß sie noch eine Weile da, und starrte auf den bewegungslos vor ihr liegenden Mann. Das Hochgefühl, dass sie beim Aufwachen empfunden hatte, schien auf einmal sehr weit weg zu sein.
Sie fühlte sich wie betäubt, und musste sich schließlich zwingen, aufzustehen und ihre Kleidung einzusammeln, die noch um das Bett herum verstreut lag.
Ihre Habseeligkeiten an die Brust gerafft, flüchtete sie in das angrenzende Wohnzimmer und zog sich dort an.
Sie rief ihren Hund zu sich, der sich offensichtlich widerstrebend von seiner neuen Freundin trennte und ging zur Eingangstüre.
Als sie schon die Klinke in der Hand hatte, hörte sie, wie hinter ihr die Schlafzimmertüre aufgerissen wurde.
„Hermine...?", rief Snape, „Warte!"
Sie blieb ruhig stehen, drehte sich aber nicht um, und ließ auch ihre Hand weiter auf der Türklinke liegen.
„Ich hab's nicht so gemeint!", sagte Snape und kam auf sie zu.
„Doch hast du!", sagte Hermine tonlos, während sie ihm weiterhin den Rücken zudrehte.
„Okay – ich habe es so gemeint", gab er zu, „aber ich hätte es etwas netter formulieren sollen."
Als Hermine daraufhin keine Reaktion zeigte, trat er hinter sie und legte sanft seine Arme um ihre Schultern.
„Es tut mir leid", sagte er leise. „Ich bin es einfach nicht gewohnt, dass jemand da ist, wenn ich aufwache – und noch dazu jemand, der mit mir spricht."
„Es tut mir auch leid", flüsterte Hermine erstickt, „dass ich so eine Zumutung für dich bin."
„Das bist du nicht!", sagte Snape beschwichtigend, und drehte sie zu sich herum. „Du bist einfach gut drauf, am Morgen, und ich nicht – das ist alles."
„Das ist die Untertreibung des Jahres – nicht gut drauf", murmelte Hermine und lehnte sich etwas steif gegen seine Brust.
„Ich mache dir einen Vorschlag", sagte Snape und schloss sie zärtlich in die Arme, „während ich dusche, machst du Kaffee und danach gehen wir beide zurück ins Schlafzimmer und beginnen den Tag noch einmal von vorne. Was hältst du davon?"
„Klingt gut!", sagte Hermine knapp.
Sie sah ihm nach, wie er im Badezimmer verschwand. Er hatte trotz der Eile Zeit gefunden, eine Pyjamahose überzuziehen - die ihm, wie Hermine fand in äußerst dekorativer Weise um die Hüften hing.
Als er aus der Dusche kam, warteten im Schlafzimmer schon zwei, mit dampfendem, aromatisch duftendem Kaffee gefüllten Tassen darauf, ausgetrunken zu werden.
Hermine stand am Fenster und sah hinaus auf die nebelverhangenen Ländereien.
„Kommst du?", sagte Snape, der sich bequem an das Kopfende gelehnt, wieder im Bett niedergelassen hatte, und hob einladend die Bettdecke an.
Hermine drehte sich um und sah ihn einen Moment lang unschlüssig an. Als er fragend die Augenbrauen hochzog, stieg sie rasch aus ihren Schuhen, und schlüpfte unter die Decke.
Schweigend saßen sie nebeneinander und tranken ihren Kaffee.
„Sollte ich es tatsächlich geschafft haben, Miss Granger - die hartnäckigste, verwegenste und charmanteste Plaudertasche die ich kenne - mundtot zu machen?", fragte Snape plötzlich in die Stille hinein.
Hermine sah ihn lange und abschätzend an.
„Bitte sag was!", seufzte Snape.
„Soll das heißen..., ich habe tatsächlich Redeerlaubnis?", sagte Hermine schnippisch.
„Hermine!", sagte Snape vorwurfsvoll.
„Ich frage ja nur – zur Sicherheit", sagte Hermine kühl.
„Nun hör mal wieder auf zu schmollen", sagte Snape etwas ungehalten.
Hermine wandte den Kopf ab und verschränkte wütend die Arme vor der Brust.
„Was, zum Teufel, muss ich denn tun, damit du dich wieder einkriegst?", sagte Snape und blickte sie finster an.
Hermine blieb stumm und blickte weiter starr geradeaus, aber Kinn begann verdächtig zu zittern.
„Ich habe bereits gesagt, dass es mir leid tut", knurrte Snape. „Was willst du noch? Soll ich auf die Knie fallen, und dir die Füße küssen?"
„Du bist so was von gemein!", keuchte Hermine und drehte sich noch weiter um, so dass sie ihm den Rücken zuwandte. Sie kauerte sich am hohen Kopfende des Bettes zusammen, und vergrub ihren Kopf in den Armen.
Snape fühlte sich unangenehm an die Horrorszenen bei ihrer Auseinandersetzung in seinem Büro erinnert, und versuchte es zähneknirschend noch einmal mit Schadensbegrenzung, um eine derartige Eskalation diesmal zu vermeiden.
„Jetzt komm schon, Hermine!", sagte er so freundlich, wie er es fertig brachte. „Bitte - verzeih mir! Können wir das Ganze nicht einfach vergessen?"
„Das ist offensichtlich deine bevorzugte Methode, mit unbequemen Gefühlen umzugehen - einfach vergessen", zischte Hermine unter der Flut ihrer verstrubbelten Haare heraus.
„Was erwartest du eigentlich von mir?", fragte Snape, in dessen Stimme sich jetzt langsam der kalte, bedrohliche Unterton einschlich, den sie aus ihrer Schulzeit kannte.
„Auf jeden Fall nicht, dass du mich so mies behandelst, nachdem wir..., letzte Nacht...", schluchzte Hermine.
„Ich habe dir ja gesagt, dass du es bereuen wirst - vielleicht hättest du doch mit einem netteren Mann ins Bett gehen sollen, Miss Neunmalklug", sagte Snape gehässig.
Wütend fuhr Hermine herum.
„Du bist wirklich das Letzte!", fauchte sie, und starrte ihn unverwandt an, während ihr eine einzelne Träne die Wange herunterlief.
Snape erwiderte ihren Blick ebenso intensiv. „Schön, dass du das endlich begriffen hast", sagte er eisig.
„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?", fragte Hermine fassungslos.
„Ich glaube, es wäre besser, wenn du jetzt gehst", sagte Snape.
„Du wirfst mich raus?", sagte Hermine tonlos.
„Nein...", sagte Snape und atmete einmal tief durch, „...ich bitte dich, zu gehen. Das wäre sicherlich das Beste, nachdem wir im Moment wie es scheint nicht wirklich harmonieren. Stimmst du mir da vielleicht ausnahmsweise einmal zu?"
„Und das war's dann – nicht war?", flüsterte Hermine verzweifelt.
„Wenn du darauf bestehst können wir heute Abend weiterreden – das heißt, wenn du bis dahin immer noch nicht zu den Schluss gelangt bist, dass ich ein völlig ungeeignetes Objekt für deine ...Ambitionen bin", seufzte Snape resignierend.
Hermine schob die Beine über die Bettkante und stand langsam auf.
„Wie du meinst, Severus – dann gehe ich", sagte sie leise und traurig. Ohne ihn noch einmal anzusehen, ging sie um das Bett herum zur Türe.
Snape saß, seine leere Kaffeetasse erwürgend, in seinem Bett und kämpfte mit sich.
Ein Teil von ihm wollte aufspringen, Hermine in die Arme nehmen, ihre Tränen wegküssen, und sie so lange halten und trösten, bis ihre Traurigkeit sich in Luft auflöste.
Sein anderes ich verbat ihm jedoch nachdrücklich, auch nur die geringste Anteilnahme, und damit Schwäche zu zeigen, um auf keinen Fall auch nur eine Spur der eigenen Emotionen preisgeben zu müssen.
Er war noch völlig in seine widerstreitenden Gefühle verstrickt, als Hermine plötzlich wieder kehrt machte und auf ihn zukam.
In ihren braunen Augen glitzerten zwar immer noch die Tränen, aber ihre Züge hatten eindeutig einen kämpferischen Ausdruck angenommen, als sie unmittelbar vor ihm stehen blieb.
„Ich will dir nur noch eines sagen...", begann sie in leicht zittrigem Ton.
Snape sah abwartend zu ihr hoch und wappnete sich innerlich gegen eine neuerliche Flut von Vorwürfen.
„Egal was du sagst oder tust, egal wie gemein du auch zu mir bist", sagte Hermine, und ihre Stimme klang nun hart und klar, „du wirst mich niemals dazu bringen, die letzte Nacht zu bereuen!"
Um ihren Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, starrte sie noch einen Moment lang beharrlich in seine unergründliche schwarze Augen, um ihm genau in dem Moment, als er ansetzte ihr zu antworten, den Rücken zu kehren, und den Raum erhobenen Hauptes zu verlassen.
Völlig verblüfft sah er ihr nach.
Als er schon daran dachte, ihr ins Wohnzimmer zu folgen, drang ihre Stimme aus dem Wohnzimmer herüber. „Ich sehe dich beim Frühstück, Severus!", rief sie laut, und knallte anschließend die Eingangstüre mit Karacho ins Schloss.
Snape, der ihr so viel Unverfrorenheit in dieser Situation niemals zugetraut hätte, schüttelte verwundert den Kopf, und kämpfte den aufkeimenden Ansatz von Bewunderung nieder, den er plötzlich für sie empfand.
Hatte dieses durchtriebene Weib ihn doch schon wieder in die Verlegenheit gebracht, zum Frühstück erscheinen zu müssen – seine Abwesenheit hätte sie schließlich als Feigheit auslegen können, und darauf legte er, vor allem nach ihrem rauschenden Abgang von eben, absolut keinen Wert.
Er blieb noch eine Weile sitzen und versuchte, sich ein wenig zu sammeln. Nach kurzer Zeit sprang die Katze zu ihm aufs Bett, die sich auch von einem sehr strafenden Blick ihres Herrn, und einem gemurmelten „eigentlich bist du an allem Schuld" nicht vertreiben ließ.
Wie der Zufall es wollte, trafen sich eine halbe Stunde später, Hermine und Snape, bereits vor dem Eingang der großen Halle, inmitten verschlafener und hungriger Schüler wieder, die auf dem Weg zum Frühstück waren.
„Nach ihnen!", sagte Snape mit unbeweglicher Miene und hielt Hermine die Türe auf, als sie unmittelbar nebeneinander dort ankamen.
Sie warf ihm daraufhin einen so mörderischen Blick zu, dass er sich beherrschen musste, nicht unwillkürlich zurückzuweichen.
„Severus...", murmelte sie mit zusammengepressten Zähnen, während sie nebeneinander an den Haustischen vorübergingen, „wenn du es auch noch nur ein einziges mal wagen solltest mich zu siezen, passiert etwas Schlimmes – das schwöre ich dir!"
„Willst du vielleicht, dass alle sich das Maul zerreißen, weil wir uns auf einmal duzen?", zischte Snape leise und wütend zurück.
„Sag noch einmal sie zu mir, und ich hänge es ans schwarze Brett", flüsterte Hermine, „und zwar in der Eingangshalle, in allen vier Gemeinschaftsräumen und im Lehrerzimmer – dann braucht sich niemand mehr den Kopf zu zerbrechen. Klar?"
„Das würdest du nicht tun!", meinte Snape skeptisch.
„Willst du wetten?", sagte Hermine rebellisch.
Am Tisch angekommen, der heute morgen relativ gut belegt war, nahmen sie nebeneinander Platz.
Snape blieb eine ganze Weile lang schweigsam – was niemandem weiter auffiel – Hermine beteiligte sich nur beiläufig an den üblichen Tischgesprächen.
Erst als sich eine kleine Pause ergab, und gerade niemand redete, nutzte Hermine die Gelegenheit.
„Severus – wärst du bitte so nett, mir die Kaffeekanne herüberzureichen?", sagte sie mit heller glasklarer Stimme, und einem unverbindlich freundlichen Lächeln.
Augenblicklich schnellten alle Köpfe hoch und die Blicke wanderten von Hermine zu Snape.
Die Verärgerung war ihm nur an der kleinen zornigen Falte zwischen den Augenbrauen anzumerken.
„Aber gerne!", sagte er samtig, und gab ihr die Kanne, die nur wenige Zentimeter näher beim ihm, als in Hermines Reichweite gestanden hatte.
„Ich danke dir!", sagte Hermine und nickte ihm höflich zu.
Danach breitete sich Schweigen aus, da keiner der anderen sprach, um auch ja nichts von der scheinbar recht interessanten Konversation, die sich zwischen Hermine und Snape anbahnte, zu verpassen.
„Und...", fuhr Hermine nach einer Weile ungerührt fort, „...hast du schon Pläne, auf welche Weise du heute deine Schüler ärgern wirst – oder willst du improvisieren?"
„Ich werde improvisieren – wie gewöhnlich", sagte Snape ungehalten, dessen Zornfalte sich deutlich vertiefte.
„Die Ärmsten!", sagte Hermine seufzend. „Deine Schüler haben mein volles Mitgefühl. Wenn ich daran denke, wie übel du mir früher immer mitgespielt hast..."
„Jeder, wie er's verdient, Hermine!", sagte Snape gehässig.
„Oh ja, Severus, dessen kannst du sicher sein!", erwiderte Hermine kühl.
Dumbledores kluge blaue Augen wanderten während dieses Geplänkels aufmerksam zwischen den beiden hin und her.
Auch McGonagall beobachtete sie kritisch, enthielt sich jedoch ausnahmsweise jeglichen Kommentars.
Erst als alle sich nach und nach erhoben, um ihre Unterrichtsräume aufzusuchen, steckten der Schulleiter und seine Vertreterin vertraulich die Köpfe zusammen.
„Bist du jetzt zufrieden?", zischte Snape, der unmittelbar hinter Hermine ging, ihr leise ins Ohr.
„Für's erste – ja!", sagte Hermine gelassen. „Auf Dauer – noch lange nicht!"
„Was soll das sein – etwa eine Kampfansage?", fragte Snape herablassend.
„Ach weißt du – mit Ansagen halte ich mich vorerst lieber zurück", sagte Hermine süßlich, „ich will dich doch nicht verbal überfordern – schließlich ist es immer noch sehr früh am Tag."
„Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass du dich zu einem richtigen Miststück entwickelt hast?", sagte Snape mit drohend zusammengekniffenen Augen.
„Nein – aber für ein so nettes Kompliment aus deinem Munde bin ich natürlich immer zu haben", sagte Hermine scheinbar erfreut. „Ich hoffe, du lässt deinen Zorn auf mich nicht gleich an deinen Schülern aus", fügte sie fragend hinzu.
„Doch, natürlich – was hast du denn gedacht", entgegnete Snape pampig.
Hermine gab ein verächtliches Schnauben von sich. „Es macht dir wahrscheinlich auch viel mehr Spaß, jemanden niederzumachen, der sich nicht traut, sich zu wehren", sagte sie anklagend.
„Meinst du wirklich, dass du mich mit so plumpen Methoden beeinflussen kannst?", sagte Snape gelangweilt. „Ich werde der Sechsten, die ich gleich das Vergnügen habe, zu unterrichten, schon zu Beginn der Stunde deutlich mitteilen, dass mit mir heute nicht zu spaßen ist, weil du mich so geärgert hast. Ich schätze spätestens am Ende der Doppelstunde werden sie dich verfluchen."
Ein gehässiges Lächeln machte sich nach diesem Vortrag auf seinem Gesicht breit.
„Das ist wirklich morbid", sagte Hermine, und sah ihn entgeistert an.
„Ach ja?", sagte Snape herablassend. „Na ja – du mit deiner Psycho-Erfahrung musst das natürlich wissen, Doktor Granger."
„Die Sechste – Hufflepuff und Ravenclaw, nicht war?", sagte Hermine nachdenklich, ohne auf seine Provokation einzugehen. „Das heißt, du wirst Tim Caracciola heute besonders zusetzen, wegen neulich Nacht."
„Er freut sich bestimmt schon auf das Wiedersehen", meine Snape boshaft. „Ich habe mir noch gar nicht überlegt, was ich mit ihm anstelle."
„Severus – machst du dir eigentlich jemals Gedanken darüber, dass die Menschen, die du so fertig machst, auch fühlende Wesen sind", sagte Hermine zweifelnd, „fragst du dich jemals, was sie wohl empfinden?"
„Nein – aber du wirst es mir sicher trotzdem sagen", sagte Snape barsch.
Sie waren inzwischen bei der Treppe angelangt, wo sich ihre Wege trennten.
„Das werde ich nicht", sagte Hermine, und ging ohne ihn noch einmal anzusehen die ersten Stufen hinunter, „du würdest es ohnehin nicht verstehen."
Mit verbissener Miene stieg Snape die Treppen hinauf, wobei das, was ihn am meisten verärgerte die Tatsache war, dass Hermines letzten Satz ihn tatsächlich getroffen hatte.
Den Rest des Tages bekam er jedoch keine Gelegenheit, ihr darauf eine passende Antwort zu geben, den sie erschien, ganz gegen ihre Gewohnheit, weder Mittags noch Abends zum Essen in der großen Halle.
Dumbledore, der einen halbherzigen Versuch wagte, Snape ein wenig zum Thema Hermine auszufragen, holte sich eine so harsche Abfuhr, dass von den anderen Kollegen erst gar niemand das Bedürfnis verspürte, ihn ebenfalls anzusprechen.
Sofort nach dem Abendessen zog sich Snape in seinen Kerker zurück. Er versuchte sich einzureden, dass er sich auf den ruhigen Abend freute – auf die Gelegenheit, zu tun, was immer er auch wollte, ohne dass ihn jemand belästigen würde.
Als er jedoch bereits eine halbe Stunde in eines seiner Bücher gestarrt hatte, ohne auch nur einmal eine Seite umzublättern, musste er sich eingestehen, dass er insgeheim darauf hoffte, von einer ganz bestimmten Person gestört zu werden.
Seine Gedanken kehrten immer wieder, ohne dass er es verhindern konnte, zu Hermine zurück – und damit auch zur gestrigen Nacht und zu dem Desaster, das heute Morgen seinen Anfang genommen hatte.
Er legte sein Buch weg und begann unruhig in seinem Wohnzimmer auf und ab zu laufen.
War er zu grob gewesen?
Nein!
Sie war einfach zu zimperlich – schließlich hätte sie eine gewisse Ahnung haben können, worauf sie sich da einließ.
Und hatte er sie etwa nicht eindringlich gewarnt?
Aber Miss ich-bin-sowiso-schlauer hatte natürlich wieder einmal nicht auf ihn gehört – typisch!
Sie musste ja unbedingt ihren Sturschädel durchsetzen.
Von wegen - ohne Risiko kein Spaß – jetzt hatte sie den Salat, und er lief wie ein Vollidiot in seiner Wohnung herum, und wartete darauf, dass sie zu ihm kam, um ihren Disput fortzusetzen.
War er eigentlich komplett verblödet, nur weil diese kleine, raffinierte Hexe ihm den Kopf verdreht hatte?
Wütend und abrupt blieb Snape stehen. Er konnte sich gerade noch zurückhalten, zornig mit dem Fuß aufzustampfen.
Nach einer Weile nahm er seinen Marsch durch das Zimmer wieder auf.
Warum kam sie nicht.
Vielleicht, weil sie in ihrer Wohnung saß und sich die Augen ausheulte?
Wohl eher, weil sie deine Gesellschaft nicht mehr erträgt – du Idiot, sagte eine boshafte Stimme in seinem Hinterkopf.Ob er vorsichtshalber mal nach ihr sehen sollte?
NEIN!
Den Teufel würde er tun!
Dieses kleine durchtriebene Biest würde ihn nicht dazu bringen, sich vollends lächerlich zu machen.
Sicher hatte sie mittlerweile eingesehen, dass sie einen großen Fehler gemacht hatte.
Sie bereute es bestimmt bitterlich, sich überhaupt mit einem so miesen Typen eingelassen zu haben.
Snape setzte sich wieder in seinen Sessel und zwang sich mit aller Gewalt, seinen Geist von diesen Gedanken frei zu machen, und weiter in dem Buch zu lesen.
Trotz jahrelanger Übung in solchen Dingen, schaffte er nur drei Seiten, ehe er das Buch entnervt zur Seite warf und erneut anfing, unruhig hin und her zu laufen.
Hermine lag seit über einer Stunde in der Badewanne und konnte sich, trotzdem sie merkte, dass ihre Fingerkuppen schon ganz verrunzelt waren, nicht entscheiden, das tröstende warme Wasser zu verlassen.
Sie hatte den ganzen Tag überlegt, ob es klug wäre, am Abend noch einmal zu versuchen, mit Severus zu reden – schließlich hatte er es selber angeboten, wenn auch relativ unwillig.
Aber ihr Stolz hatte ihr schließlich geboten, diese Option fallen zu lassen – so schwer es ihr auch fiel.
Und dass Severus nicht im Traum daran dachte, von sich aus eine Fortsetzung ihrer Diskussion anzustreben, lag auf der Hand.
Es war eine verteufelt verfahrene Situation – dabei war sie gestern noch sicher gewesen, dass sich alles verändert hatte, und sie ihm auch emotional einen großen Schritt näher gekommen war. Heute schienen jedoch die Fronten mehr verhärtet zu sein, als je zuvor.
Frustriert seufzend erhob sich Hermine schließlich doch aus der Wanne.
Einige Minuten später saß sie, in einen langen, flauschigen Bademantel gekuschelt vor dem Kamin, in dem ein behaglich prasselndes Feuer brannte, und tröstete sich mit einer großen Tasse heißer Schokolade.
Völlig in ihre Gedanken versunken starrte sie in die Flammen.
Beinahe hätte sie vor Schreck die Tasse fallen lassen, als ein kräftiges Klopfen an der Tür sie zusammenzucken ließ.
Zögernd stand sie auf, mit der stillen Befürchtung, dass wahrscheinlich Minerva da draußen stand, und sie gleich wegen ihrem seltsamen Verhalten heute morgen, und ihrem Fernbleiben Mittags und Abends ausquetschen würde.
Einen kurzen Moment war sie versucht, gar nicht erst zu öffnen, aber nachdem ihr bewusst war, dass sie damit der Gerüchteküche vermutlich noch mehr Nahrung geben würde, öffnete sie widerstrebend die Tür.
Als sie sah, wer ihr später Besucher war, blieb ihr erst einmal die Luft weg.
„Ich würde es verstehen!", sagte Snape ruhig und blickte ihr unverwandt in die Augen.
Hermine sah ihn verwirrt an, bis ihr dämmerte, dass er sich auf ihren Vorwurf von heute Morgen bezog.
Sie hatte das Gefühl, von seinen schwarzen Augen regelrecht hypnotisiert zu werden.
„Möchtest du... rein kommen", wisperte sie, machte aber keine Anstalten, die Wohnungstür weiter zu öffnen.
„Wenn du mich lässt", sagte Snape und zog amüsiert die Augenbrauen hoch.
„Oh – entschuldige...", murmelte Hermine leicht verlegen und trat einen Schritt zurück. „ich wollte nicht unhöflich sein – ich bin nur sehr erstaunt, dass du gekommen bist.
„Ist es dir lieber, wenn ich wieder gehe?", sagte Snape sofort misstrauisch.
„Nein! Nein – wirklich nicht!", sagte Hermine bestürzt. „Ich habe damit gemeint – ich bin positiv überrascht. Ich bin sehr froh, dass du da bist, Severus", fügte sie leise hinzu.
„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, nachdem du dich den ganzen Tag versteckt hast", sagte Snape.
„Mir war einfach nicht nach Gesellschaft zumute", entgegnete Hermine, „das müsstest doch gerade du verstehen."
„Ja, allerdings! Und wie geht es dir jetzt?", fragte Snape, und sah sie durchdringend an.
Hermine, die gerade den Umstand verfluchte, dass sie sich nicht schnell angezogen hatte, bevor sie an die Tür gegangen war, fühlte sich unter seinem Blick seltsam nackt und verletzlich.
Unwillkürlich schob sie den Bademantel über der Brust etwas zusammen.
Snape zog daraus scheinbar seine eigenen Schlüsse, denn er trat sofort einen Schritt zurück und verschränkte die Arme.
„Du wolltest mir heute morgen etwas erzählen - über die Gefühle derer, die unter mir zu leiden haben", sagte er und sah sie abwartend an.
„Wollen wir uns nicht zuerst setzen", sagte Hermine und machte eine einladende Handbewegung.
„Sag mir, was du heute mit Timothy angestellt hast, und ich sage dir, wie er sich dabei vermutlich gefühlt hat", bot sie schließlich an, als sie sich vor dem Kamin, in den großen bequemen Ohrensesseln gegenüber saßen.
„Ich rede nicht von Caracciola", sagte Snape unwirsch.
„Wenn du möchtest, dass ich über meine eigenen Gefühle spreche, wirst du dir etwas mehr Mühe beim Fragen geben müssen", sagte Hermine mit etwas zittriger Stimme, reckte aber kämpferisch das Kinn nach oben. „Und was du mit Tim gemacht hast, will ich trotzdem wissen", fügte sie trotzig hinzu.
„Scheint dich ja sehr zu interessieren, der junge Mann", sagte Snape süffisant.
„Mach dich nicht lächerlich!", schnaubte Hermine. „Also, spuck's schon aus – was hast du ihm angetan?"
„Ich habe nur ein wenig seinen Ruf angekratzt, indem ich seine Schandtaten vor der ganzen Klasse ausgebreitet habe", sagte Snape bissig, „und ich befürchte, die Mädels sind jetzt gar nicht mehr so gut zu sprechen auf den schönen Tim – was für ein Pech aber auch!"
„Und...?", sagte Hermine vorwurfsvoll. „War es schön für dich?"
„Aber ja – du weißt doch, dass ich ein mieses, sadistisches Schwein bin", sagte Snape und sah sie herausfordernd an.
Hermine sah ihn nur kopfschüttelnd an. Sie hatte nicht vor, sich so leicht provozieren zu lassen.
„So – nachdem wir nun dieses wahnsinnig interessante Thema abgehandelt haben", sagte Snape ungehalten, „könntest du dich vielleicht dazu durchringen, mir zu sagen, was ich wissen will?"
„Und das wäre?", sagte Hermine knapp.
„Wie es dir geht...", knurrte Snape gereizt, „...emotional gesehen!"
„Als ich sagte, du musst dir mehr Mühe beim Fragen geben, habe ich das etwas anders gemeint", sagte Hermine, und verschränkte mit sturer Miene ihre Arme.
„Hermine – mach mich nicht wahnsinnig", sagte Snape und massierte mit einer genervten Geste seine Schläfen. „Wie – um alles in der Welt – soll ich dich denn fragen?"
„Etwas sensibler vielleicht?", sagte Hermine süßlich.
Snape schloss die Augen und atmete tief durch.
„Ich würde gerne wissen, was du nach diesem ganzen Desaster empfindest", sagte er äußerlich ruhig, während seine Augen Funken sprühten, „wärst du eventuell bereit, mir das mitzuteilen – bitte?"
„Ich glaube nicht, dass dich das wirklich interessiert", sagte Hermine abschätzig.
Wütend schoss Snape hoch, packte ihren Sessel bei den Armlehnen und drehte ihn mit einem Ruck zu sich um.
„Spiel, verdammt noch mal, keine Spielchen mit mir, Hermine!", sagte er leise und bedrohlich. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von dem Ihren entfernt.
Hermine, die bei seinem plötzlichen Ausbruch heftig erschrocken war, starrte ihn fassungslos an, während sie in ihrem Stuhl soweit wie möglich nach unten rutschte.
„Du willst wissen, was ich fühle?", flüsterte sie. „Im Moment habe ich Angst vor dir."
Er richtete sich auf und wich einen Schritt zurück.
„Soll ich gehen?", fragte er.
„Nein!", sagte Hermine.
Sie stand auf, legte ihre Arme um seine Taille und ließ ihren Kopf an seine Schulter sinken. „Bitte bleib da!", sagte sie flehend.
Zögernd, fast widerwillig, legte er seine Arme um sie.
„Es tut mir leid – wegen heute morgen", sagte Hermine leise.
„Mir auch", entgegnete Snape, „und das habe ich dir bereits cirka vier bis fünfmal versichert, gleich nach meinem ... Ausrutscher heute früh – aber ich hatte nicht den Eindruck, dass das besonders gut bei dir ankam."
„Dein Verhalten hat mich ziemlich verletzt und auch verunsichert", sagte Hermine, „deswegen war ich einfach noch nicht in der Lage, deine Entschuldigung sofort anzunehmen. Und dass du daraufhin so ungeduldig mit mir warst, und mich weiter verbal gedemütigt hast, hat meinen Zustand auch nicht gerade verbessert."
Sie machte eine kurze Pause, um ihm Gelegenheit zu einer Antwort zu geben, die sie aber nicht bekam.
„Es ist mir schon klar, dass ich ein wenig überreagiert habe", sagte sie, als er weiter schwieg.
„Ich bin kein sehr geduldiger Mensch, Hermine", sagte Snape schließlich nach einer Weile, „das müsstest du eigentlich wissen, und dass ich dazu neige, in meiner Wortwahl gelegentlich etwas heftiger als nötig zu werden, dürfte dir auch nicht neu sein.
„Da hast du recht", sagte Hermine, „aber ich dachte, dadurch dass wir ... uns so nahe gekommen sind, würden für mich vielleicht andere Konditionen gelten."
„Ach so...", sagte Snape amüsiert, „du dachtest also eine Nacht mit einer so netten Frau würde aus mir einen netten Mann machen."
„Mach dich nur lustig über mich!", grummelte Hermine.
„Redest du eigentlich immer so viel, am morgen?", fragte Snape.
„Nein, absolut nicht!", versicherte Hermine. „Es war nur ...ich war ziemlich überwältigt, von den Gefühlen die auf mich einströmten, als ich nach dieser wunderschönen Nacht neben dir aufgewacht bin, aber auch ein bisschen überfordert. Es hat sich so unwirklich angefühlt – ich wusste nicht genau, wie ich mich verhalten soll. Und wenn ich verunsichert bin, neige ich dazu, das mit Reden zu kompensieren", fügte sie verlegen hinzu, „dabei hätte ich viel lieber...". Hermine verstummte.
„Du hättest viel lieber was?", fragte Snape beharrlich.
„Dich berührt", sagte Hermine leise, „mich an dich gekuschelt – aber das habe ich mich nicht getraut, weil ich nicht wusste, wie du darauf reagieren würdest, nachdem du ja so ein Extremmorgenmuffel bist."
„Und da hast du spontan beschlossen, dass es ungefährlicher ist, mich vollzuquasseln?", sagte Snape ungläubig.
„Na ja - das ist eher einfach so passiert", sagte Hermine entschuldigend.
„Soll heißen – du kannst eigentlich gar nichts dafür, hm?", sagte er, umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht, und zwang sie mit sanftem Druck, zu ihm aufzusehen.
„Ja Herr Professor – ich bin völlig unschuldig, an diesem Missgeschick", hauchte Hermine.
„Können wir uns eventuell darauf einigen", sagte Snape schmunzelnd, „dass du – falls wir jemals wieder in diese Situation kommen sollten – zum Kuscheln kommst, aber dabei deinen kleinen vorlauten Schnabel hältst?"
„Ja, Sir!", sagte Hermine und stellte sich auf die Zehenspitzen.
„Habe ich dir eigentlich das letzte mal, als du hier warst, das Schlafzimmer gezeigt?", fragte sie nach einem langen, innigen Kuss etwas atemlos.
Fortsetzung folgt...
War's schön?
