* Dank an Elanor für dein Review. Wir geben uns alle Mühe so schnell wie möglich weiterzuschreiben, haben aber im Moment viel zu tun. Aber das fünfte Kapitel haben wir wenigstens schon fertig und das sechste zur Hälfte. Das erscheint also auch demnächst; also schön die Augen aufhalten! *

5.Kapitel

„Ich wünschte, du müsstest nicht gehen", seufzte Éowyn und hielt ihren Mann fest umschlungen. „Weil ich wünschte, dass es den Anlass dazu nicht gäbe."

  Aragorn strich ihr zärtlich durchs Haar. „Ich weiß, dass du sofort mitkommen würdest, wenn die Kinder nicht wären." Er lächelte sanft. „Wir werden bald zurückkehren. Alle!" Er stand leise auf und schlich zu dem großen Bett, in dem seine beiden Mädchen, nachdem sich die Aufruhr ein wenig gelegt hatte, erschöpft eingeschlafen waren. Er küsste sie auf die Stirn und zog automatisch die Bettdecke ein Stück höher, bevor er sich zum Gehen wandte, gefolgt von Éowyn.

Es war nicht nötig, die Freunde erst einzeln zu wecken. Keiner von ihnen hatte ein Auge zugetan und bereits nach der ersten Stunde fanden sich alle wieder im Audienzzimmer ein. Sie erfuhren bald dort, dass die Suche der Trupps ergebnislos geblieben war und die Fliehenden jetzt einen großen Vorsprung haben mussten. Schnelles Handeln war nun erforderlich und allen war bald klar, dass eine Reise anstand, die wohl länger als ein paar Tage dauern würde und große Gefahren mit sich brachte.

  „Ich werde den Suchtrupp leiten", sagte Aragorn bereitwillig. Er hatte es im Gefühl gehabt, dass es so weit kommen würde. „Aber ich werde als der Waldläufer Streicher reisen – nicht als König Elessar. Wer mir in dieser ernsten Angelegenheit folgen will, möge nun die Hand heben!"

  Er blickte ein wenig irritiert in die Runde, als niemand seiner Aufforderung nachkam, er aber seinerseits seltsam gemustert wurde.

  „Ich fürchte, du bist schon etwas zu lange König", bemerkte Merry und klopfte ihm auf die Schulter, wozu er sich allerdings auf die Zehenspitzen stellen musste. „Du liebst dieses Anordnungs- und Entscheidungsding ziemlich, was?"

  Aragorn musste schmunzeln und legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. „König zu sein kann manchmal auch ganz angenehm sein", gab er augenzwinkernd zu. „Und dieses Anordnungs- und Entscheidungsding hat etwas für sich."

  Ein leises Räuspern lenkte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf Gandalf, der sich bisher ziemlich zurückgehalten hatte. Er schien sehr nachdenklich, ja fast besorgt. „Der Gedanke, dass du unseren Freunden nachreisen willst, gefällt mir nicht, Elessar", gab der Zauberer offen zu. „Du solltest bei dieser Sache, ganz gleich wie besorgniserregend sie ist, nicht vergessen, dass der Anschlag eigentlich dir galt. Man wollte dich höchstwahrscheinlich entführen."

  „Ich weiß", erwiderte der König ruhig, „aber ich kann nicht hier bleiben und seelenruhig abwarten, was als nächstes passiert. Ich bin es meinen Freunden schuldig, ihnen zu helfen. Sie haben gestern Abend nicht zum ersten Mal ihr Leben riskiert um mich zu beschützen."

  Gandalf sah ihn sehr ernst an. „Die Lage ist kritisch, Elessar. Es wird Unruhen in deinem Land geben. Jeder hier weiß, wie der größte Teil der Südländer im Moment zu uns steht. Die Menschen haben Angst vor einem Krieg. Saurons Fall ist noch nicht lange genug her, um schon vergessen zu sein, und es wird die Menschen Gondors sehr erregen, dass Südländer einen Anschlag auf ihren König verübt haben. Der Hass gegen die ehemaligen Verbündeten Saurons schwelt immer noch. Gondor braucht seinen König jetzt mehr denn je."

  „Und ich kann meinem Volk besser dienen, wenn ich gehe und mir mit eigenen Augen ein Bild von der Situation in Haradwaith mache", setzte Aragorn ihm fest entschlossen entgegen. „Volksstimmungen lassen sich schwer übermitteln. Legolas und Pippin sind nicht der einzige Grund, warum ich gehen muss. Ich habe heute Nacht lange darüber nachgedacht. Ich verlasse weder mein Volk noch meine Familie gern – aber es muss sein, wenn die politische Situation nicht eskalieren soll. Wenn wir unsere Freunde befreit haben, werde ich Zin'Raschad aufsuchen und mit ihm alles Nötige in die Wege leiten, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Ich kann dieses Problem nicht von meinem Thron aus lösen."

  Seinen Worten folgte eine lange Stille, in der jeder seinen eigenen Gedanken nachhing, doch schließlich ergriff Aragorn wieder das Wort. „Ich glaube kaum, dass man mich als Waldläufer erkennen wird", fuhr er fort, um Gandalf zu beruhigen. „Ich habe mich bisher so immer frei bewegen können, ohne dass man auch nur aufmerksam auf mich wurde – sogar in Minas Tirith und die Leute hier glauben mich zu kennen. Faramir wird mich in der Zwischenzeit würdig vertreten und ich werde ihm Tereos an die Seite stellen. Einen hervorragenderen Doppelgänger als ihn gibt es nicht. Niemand wird mein Verschwinden bemerken."

  „Wenn du meinst, dass dies der richtige Weg ist – dann beschreite ihn", erwiderte Gandalf ruhig und lächelte sogar ein wenig. „Auch ich werde Faramir in deiner Abwesenheit mit Rat und Tat zur Seite stehen, das verspreche ich dir!"

  „Ich danke dir", sagte Aragorn und ließ seinen Blick über die Gesichter der anderen schweifen; an Elrond blieb er schließlich haften. Der Elb sah gar nicht gut aus. Tiefe Sorgen sprachen aus seinen Augen und hinterließen deutlich sichtbare Spuren auf seinem weisen Gesicht.

  „Auch ich habe meine Bedenken bezüglich dieser Reise", ergriff er mit unheilschwerer Stimme das Wort, „wenngleich auch aus ganz anderen Gründen." Er machte eine kurze Pause, in der sich sein Blick merkwürdig nach Innen kehrte. „Die Herrin Galadriel sandte mir in der Nacht eine Botschaft, die mich so schwer erschütterte, dass ich überlegte, meine anstehende Reise zu den Anfurten zu verschieben." Wieder machte er eine Pause und eine tiefe Sorgenfalte bildete sich auf seiner Stirn. „Etwas geht vor sich, dort in Haradwaith, etwas, das viel gefährlicher ist, als unsere menschlichen Feinde dort. Es gibt dort eine Kraft, die langsam wächst; eine Kraft, nicht unähnlich der, die Sauron einst in sich barg, doch weitaus gefährlicher, hat sie sich erst voll entfaltet. Noch ist es ungewiss, ob sie dem Bösen oder Guten zugehört, denn noch ist sie unentschieden, schwankend, beeinflussbar. Leicht kann sie zu unserem Feind werden, sehen wir uns nicht vor. Und die Stimmung in Haradwaith spricht gegen uns."

  „Dann ist es unsere Aufgabe das zu ändern, bevor es zu spät ist", warf Aragorn ein. „Dann müssen wir viel dringender dorthin, um das Böse von uns abzuwenden."

  „Oft schon haben solche Bemühungen das Gegenteil hervorgerufen", erwiderte Elrond. „Das ist es, was wir befürchten. Herrin Galadriel sah einen dunklen Schatten auf uns zukommen, dessen wir uns kaum erwehren können. Noch ist unser Schicksal ungewiss, also wählt eure Schritte mit Bedacht, denn eure Kinder werden eines Tages die Konsequenzen tragen müssen. Handelt nicht leichtfertig, denn eure Entscheidungen werden die Zukunft Mittelerdes bestimmen."

  Aragorn sah den Elben lange und sehr nachdenklich an. Die Worte des weisen Mannes hatten ihn sichtlich beeindruckt. Doch dann straffte er entschlossen die Schultern.

  „Wir werden in einer Stunde losreiten. Wer mich begleiten will, soll sich im Hof beim weißen Baum einfinden." Damit wandte er sich um und verließ das Zimmer.

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„Kommt gesund zurück!" sagte Éowyn und schloss ihren Mann ein letztes Mal in die Arme. „Alle!"

  Aragorn nickte nur stumm uns küsste sie sanft. „Das werden wir", sagte er fest und strich zärtlich über ihre Wange. Dann ließ er sie los und ging in die Hocke, um seine beiden Kinder liebevoll in die Arme zu schließen. „Und ihr beide, passt mir gut auf eure Mami auf", sagte er ernst und drückte den beiden Mädchen jeweils einen dicken Kuss auf die Wange, mit dem Effekt, dass sie ihn lachend von sich schoben und sich mit übertriebenem Eifer die Wangen trocken rubbelten.

  „Natürlich!" grinste Demara, die ältere von den beiden. „Und Boromir hat versprochen, dass er auch auf dich aufpasst. Er hat gesagt, ohne ihn bist du auf der Welt ganz verloren und würdest dich noch verlaufen."

  „Hat er das, ja?" hakte Aragorn mit einem Grinsen nach und warf einen Blick auf den Hauptmann Gondors, der nur einen halben Meter von ihm entfernt neben seinem Pferd stand und sich Lederhandschuhe anzog. Er tat so, als hätte er ihnen gar nicht zugehört, aber eine verräterisches Schmunzeln lag auf seinen Lippen.

  „Ja", bestätigte Elora und nickte übereifrig, obwohl sie gewiss nicht so genau wusste, worum es ging. Sie war mit ihren drei Jahren noch zu klein, um ihrer Schwester eine wirkliche Hilfe zu sein.

  „Und er hat gesagt, manchmal muss er dir etwas vorsingen, damit du einschlafen kannst", fuhr diese fort, „sonst weinst du."

  „Aha", kommentierte Aragorn nur trocken.

  „Papa, es ist gar nicht schlimm, wenn man manchmal weint", versuchte Demara ihn zu trösten. „Dafür brauchst du dich nicht zu schämen!"

  Aragorn musste lachen. Noch einmal nahm er seine Kinder fest in die Arme, ergriff dann die Zügel seines Pferdes und schwang sich in den Sattel. Sein Blick glitt über die Gesichter seiner Freunde, die nun auch auf ihre Pferde stiegen – Boromir, Haldir, Éomer und Merry – um dann wieder auf dem schönen Gesicht seiner Frau ruhen zu bleiben. Sie sah besorgt aus, aber auch zuversichtlich. Sie vertraute ihm und sie liebte ihn. Das bewies sie ihm jeden Tag, mit jedem Blick, und das machte ihn stark. Mit ihrer Liebe in seinem Herzen würde ihm das Unmögliche gelingen. „Alles wird gut", sagte er zu ihr und schenkte ihr ein letztes Lächeln. Sie nickte ihm zu und mit ihrem Bild in seinem Gedächtnis ritt er voran, durch das Tor des Schlosses, gefolgt von seinen treuen Freunden. Es war noch dunkel und kaum ein Mensch auf den engen Gassen, die durch die Ringe der Stadt führten; und das war auch gut so. Niemand sollte erfahren, dass sie Minas Tirith verließen.

  Bald schon schloss Boromir zu ihm auf. „Ich frage mich, wie du das erträgst", sagte er leise, „deine Familie hinter dich lassen zu müssen und in ein solch ungewisses Schicksal zu reiten. Ich weiß schon, warum ich mir keine Familie angetan habe."

  Aragorn musste lachen. „Ich auch; weil es keine Frau gibt, die sich an dich heranwagt!"

  Auch Boromir stieß ein kleines Lachen aus. „Ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht", erwiderte er. „Obwohl ich zugeben muss, dass die Liebe und ich nicht allzu gute Freunde sind. Ich habe kein rechtes Vertrauen in sie. Sie hat schon zu vielen Männern ein schreckliches Schicksal offenbart. Natürlich muss ich zugeben, dass mich manchmal ein wenig Neid quält, wenn ich dein Glück miterlebe. Aber noch eine Frau wie Éowyn in dieser Welt zu finden wird sehr schwierig sein."

  „Vielleicht solltest du erst einmal anfangen nach ihr zu suchen", gab Aragorn mit einem Lächeln zurück.

  „Gott bewahre!" stieß Boromir schmunzelnd hervor. „Ich suche lieber das Abenteuer, den Kampf oder vielleicht einmal das kurze Glück in den Armen einer schönen Frau. In Fesseln legen lassen kann ich mich noch, wenn ich alt und krumm bin."

  „Ich verstehe euch nicht", ertönte hinter ihnen ein Stimme, „unsere Freunde sind in Not und ihr unterhaltet euch über Frauen."

  Aragorn und Boromir wandten sich um und sahen in das vorwurfsvolle Gesicht Merrys, der hinter ihnen auf seinem Pony ritt. „Vielleicht sollten wir lieber darüber nachdenken, wie wir sie finden können. Gondor ist groß und es gibt viele Möglichkeiten es unbemerkt zu verlassen." Es war selten, dass Merry seine Freunde derart kritisierte, aber weder Boromir noch Aragorn nahmen es ihm übel. Sie wussten, wie sehr er an seinem Freund  Pippin hing und er vor Sorge um ihn fast verrückt wurde. Er hatte seitdem Pippin verschwunden war, nichts mehr zu sich genommen und das war für Hobbits mehr als ungewöhnlich. Es musste ihm wirklich schlecht gehen.

  „Natürlich, Merry", gab Aragorn einlenkend zurück. „Aber selbst wenn es den Haradrim gelingt Gondor zu verlassen, bevor wir ihre Spur aufgenommen haben – wir werden ihnen folgen, ganz gleich, wohin sie gehen. Also, mach dir keine Sorgen. Wir werden sie gesund und munter wiederfinden. Und, wer weiß, vielleicht können sie sich ja alleine befreien und sie kommen uns bald entgegen. Pippin ist ein pfiffiges Kerlchen und Legolas ein besonnener und geschickter Krieger. Sie werden nichts Unüberlegtes riskieren, aber sie werden auch nicht dasitzen und Däumchen drehen. Alles wird gut werden."

  Merry nickte stumm. Die Worte Aragorns schienen ihn tatsächlich ein wenig beruhigt zu haben und es war sogar etwas Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt.

  „Wie willst du vorgehen?" wandte sich Haldir an Aragorn und schloss zu ihnen auf. Auch Éomer ritt näher an sie heran.

  „Ich dachte, wir halten uns nach Südosten", erklärte Aragorn. „Sie wollen das Land gewiss auf dem schnellsten Wege verlassen."

  „Und der führt nach Mordor", schloss Haldir und nickte verstehend, während sich auf den Gesichtern der anderen leichtes Entsetzen zeigte.

  „Mordor?!" hakte Merry ungläubig nach. „Die schleppen Pippin und Legolas nach Mordor? Zu all den Orks und Trollen und anderen furchtbaren Kreaturen?"

  „Sie werden nur die Randgebiete kreuzen", erwiderte Aragorn beschwichtigend, „um über das Nebelgebirge in den Süden zu gelangen. Außerdem ist es nur eine Vermutung."

  „Das macht Sinn", warf nun auch Éomer ein. „Mordor ist längst nicht mehr so gefährlich, wie es einmal war. Dennoch fürchten die meisten Menschen es zu betreten. Ich würde auch nach Mordor gehen, wenn ich jemanden abschütteln wollte."

  „Aber wenn sie angegriffen werden?!" entfuhr es Merry entsetzt. „Legolas und Pippin sind bestimmt gefesselt! Wie sollen sie sich wehren?"

  „Merry, die Südländer werden die beiden wohl kaum den ganzen Weg mit sich schleppen, um sie dann den Orks zum Fraß vorzuwerfen", meinte Boromir zuversichtlich. „Entweder brauchen sie sie nur zum Schutz, dann lassen sie ihre Gefangenen sicher an der Grenze zu Mordor zurück, oder unsere Freunde sind den Haradrim so wichtig, dass sie die beiden in den Süden verschleppen wollen – dann werden sie sie auch verteidigen."

  Merry wusste nichts darauf zu erwidern, dennoch war ihm anzumerken, dass ihm diese Erklärung nicht ausreichte.

  „Du planst also wirklich in den Süden zu gehen, wenn es nötig ist", ergriff Éomer wieder das Wort und sah Aragorn fragend an. Der nickte. „Selbst wenn wir unsere Freunde vorher finden, glaube ich, dass es nötig sein wird nach Kazrak zu gehen", erklärte er. „Ich muss mir ein Bild von der Situation dort machen."

  „Dann sollten wir vielleicht einen kleinen Stop in Cáleun einlegen", fuhr Éomer fort und lächelte. „Ich kenne jemanden der euch im Süden sehr nützlich sein könnte. Es gibt kaum jemanden in Gondor, der sich in Haradwaith besser auskennt und mit den Sitten und Gebräuchen so vertraut ist."

  „Das... das klingt gut", meinte Merry und sah Aragorn mit großen Augen an. Der nickte nachdenklich. „Wenn man ihm vertrauen kann..."

  „Das kann man", sagte Éomer überzeugt. „Das kann man."