*Uuund die spezielle Dankesrunde geht diesmal an .... tamtatataaa: MINK (zumindest Lc277 ist auch nicht der größte Elbenfan, man kann's schließlich auch übertreiben – AUA!! Hör gefälligst, mich zu schlagen, Jenna! Au! Vergiß es, ich nehme das nicht zurück! ;o) ), TASSAYA (wir bemühen uns, wir bemühen uns! Und Du darfst das Lob gerne immer wieder wiederholen, lol) und ELANOR8 (speziell letzteres hoffen wir auch!)! Meine Güte, wir werden noch mal reviewsüchtig, wenn Ihr so großartig weitermacht. Halt, das war keine Beschwerde, ganz im Gegenteil; es ist einfach super, so großartiges Feedback zu bekommen! D.A.N.K.E.!*

8. Kapitel

Zuerst war es nur eine Ahnung – die dunkle Ahnung einer Bedrohung, die sich langsam an sie heranschlich. Legolas kannte die Zeichen genau und er nahm sie jetzt noch schneller wahr als früher. Die Zeit, in der Sauron ihrer aller Leben bedroht hatte, hatte ihre Spuren in seinem Inneren hinterlassen. Es war wahr, was man sich unter den Elben erzählte: Nicht die Geschicklichkeit oder Kraft im Kampf machte einen Mann zum Krieger, noch nicht einmal die Erfahrung, die man in Kämpfen sammeln konnte – es waren die Entbehrungen, die Verluste, der innere Schmerz, der einen zu Höchstleistungen trieb; weil man ihn nie wieder erleben, nie wieder fühlen wollte. Die Angst um die Menschen, die man brauchte, sie schärfte die Sinne – Sinne, die bei einem Elben wie ihm so und so schon außergewöhnlich waren.

  Da war so eine Spannung in der Luft, eine leichte Erschütterung in dem harmonischen Zusammenspiel der Elemente. Auch wenn Mordor ein karges, tristes Land war, so besaß doch alles in ihm einen bestimmten Rhythmus, eine eingespielte Vertrautheit – einen Energiefluss, wie das Blut, das durch die Adern eines Menschen pumpt, kaum spürbar für die meisten. Doch Legolas hatte es fühlen können, sobald sie das Land betreten hatten. So war es immer. Der Puls der Natur veränderte sich innerhalb der Grenzen der verschiedenen Länder - und er veränderte sich mit den Wesen, die sich in ihnen bewegten, mit den Gedanken und Absichten, die diese Wesen mit sich trugen. Die Veränderung war zuerst nur undeutlich zu spüren gewesen, aber sie wurde immer stärker, die Absichten der Kreaturen, die sie verursachten, immer deutlicher. Und sie waren nicht sehr freundlicher Natur.

  Die scharfen Augen des Elben sahen sich aufmerksam um. Sie waren schon stundenlang in Mordor unterwegs und folgten dem Morgul – Pass bergab. Bald schon würden sie die Ád' Nurn – Ebene erreicht haben und am Rande des Schattengebirges Richtung Süden weiterziehen. Legolas war schon seit einer Weile klar, welchen Plan ihre beiden Entführer verfolgten und er musste zugeben, dass sie nicht so dumm waren, wie er erst angenommen hatte. Diesen Weg zu nehmen sprach von einer gewissen Intelligenz, wenn nicht ein anderer diesen Fluchtweg im Voraus geplant hatte. Hier war eigentlich nicht mit Orks zu rechnen gewesen, da dieses Stück Land selbst für diese Wesen zu karg und unwirtlich war, um hier für längere Zeit zu verweilen. Sie zogen Gegenden mit etwas mehr Pflanzen und Tieren und wenigstens einem dreckigen Tümpel als Lebensraum vor, auch wenn diese in Mordor selten waren.

  Dennoch wurde Legolas das Gefühl nicht los, dass sie bald von eben diesen Geschöpfen Besuch zu erwarten hatten, und er fühlte sich nicht gerade wohl bei diesem Gedanken. Es war nicht so, dass er Angst hatte - es benötigte weit mehr als ein paar Orks um ihn so etwas wie Furcht verspüren zu lassen – er machte sich vielmehr Sorgen um Pippin. Den jungen Hobbit hatte der lange Fußmarsch ziemlich mitgenommen; außerdem schien ihn die Trennung von seinem Freund Merry und die Angst vor der ungewissen Zukunft mehr zu belasten, als er zugab. Er wollte unbedingt tapfer sein. Dabei stand er wohl sowohl seelisch als auch körperlich eher am Rande eines Zusammenbruchs. Ihm fehlte die nötige Weitsicht, um zu erkennen, dass ihre Entführer früher oder später einen Fehler begehen würden, der sie das Leben kostete und ihnen die Freiheit schenken würde. Auch wenn die beiden Südländer bemüht waren gefährlich und überlegen zu wirken, sie konnten ihre Schwächen vor den Sinnen eines Elben nicht verbergen.

  Irgendwo in den Felsen weit vor ihnen konnte Legolas plötzlich eine Bewegung ausmachen. Es war eindeutig eine Gestalt, die sich mit merkwürdig ungelenken Bewegungen und krummem Rücken durch die unebene Landschaft bewegte und schließlich wieder hinter einem Felsen verschwand. Und da waren noch weitere drei, vier Mann, die ihre Positionen einnahmen – Positionen für einen Überfall. Sie rechneten wohl nicht damit schon aus dieser Entfernung bemerkt zu werden, und sie konnten auch nicht sehen, was hier geschah. Sie mussten aus irgendeinem Grund wissen, dass bald jemand über diesen Pfad nach Mordor kommen würde. Die Frage war bloß: Woher wussten sie das?

  Legolas blieb ruckartig stehen, sodass der Südländer, der sie führte, hart gestoppt wurde. Verärgert wandte er sich um und ließ einen Schwall von Beschimpfungen auf den Elben hernieder regnen, ohne zu wissen, dass Legolas einiges davon verstand.

  „Was ist, Kiato?" erkundigte sich der andere in seiner Sprache bei seinem Freund. Er war ein Stück weitergelaufen, da er erst ihren Halt bemerkt hatte, als sein Kamerad zu fluchen begonnen hatte, und kam nun mit erstauntem Ausdruck in den Augen zurück.

  „Er weigert sich weiterzugehen", brummte Kiato verstimmt.

  „Vielleicht ist unserer Königssohn gewöhnt auf einer Bahre getragen zu werden", erwiderte der andere höhnisch und seine Augen funkelten spöttisch, als er zu Legolas hinüber sah. „Wir werden später eine Rast einlegen", brachte er fließend in der Sprache Mittelerdes hervor.    „Jetzt ist keine Zeit dafür!"

  „Wieso?" fragte Legolas ungerührt. „Gilt es eine wichtige Verabredung einzuhalten?"

  Der Haradrim sah ihn verblüfft an, fing sich aber sofort wieder. „Mit wem sollten wir uns hier schon verabreden?" konterte er. „Mit Geröllbrocken?"

  „Nein. Aber vielleicht mit ein paar Trollen oder... Orks." Legolas lächelte ihn freundlich an. „Manch einer scheint die Gesellschaft derartige Kreaturen geradezu zu suchen."

  Der Südländer wusste darauf nichts zu antworten. Ihm schien die Vorahnung des Elben unheimlich zu sein.

  „Was hat er gesagt?" wollte Kiato ungeduldig wissen, während auch Pippin erstaunt zu Legolas aufsah.

  „Was meinst du damit?" fragte der Hobbit mit Unbehagen.

  „Dass wir uns auf eine üble Überraschung einstellen können, wenn wir uns nicht vorsehen", erklärte Legolas und sah dabei bewusst den Südländer an, der auch seinem Freund eine kurze Erklärung abgegeben hatte.

  „Woher weißt du das?" fragte der prompt. „Hattest du eine Vision?"

  „Nein, ich habe nur weitaus bessere Augen als ihr", gab Legolas ruhig zurück. „Ich sehe eine Gruppe Orks, die ein paar Kilometer von hier einen Hinterhalt für uns legen."

  Der Haradrim wandte sich verdutzt um und hob eine Hand an die Stirn, um seine Augen vor der Sonne abzuschirmen. „Ich sehe nichts", stellte er verärgert fest.

  „Das würde mich auch wundern", murmelte Legolas und fuhr dann lauter fort: „Ich vermute, dass ihr eine Abmachung mit dieser Gruppe hattet. Wahrscheinlich sollen sie vermeintliche Verfolger beseitigen und ein sicheres Geleit durch Mordor garantieren. Wie habt ihr sie bezahlt? Mit Gold?"

  Der Südländer antwortete nicht, sondern starrte ihn nur grimmig an.

  „Das wird nicht genügen", fuhr Legolas unbeirrt fort. „Sie werden mehr wollen, mehr als ihr bezahlen könnt. Es gibt nämlich eines, was sie noch mehr lieben als glitzerndes Gold: das Töten. Und sie werden schon lange nicht mehr getötet haben. Glaubt mir, sie freuen sich darauf, euch zu treffen, so können sie drei Gelüste auf einmal stillen. Sie können töten, sich an dem Gold bereichern und sich die Bäuche mit unseren Kadavern vollschlagen."

Der Südländer sah Legolas immer noch schweigend an, aber sein Blick flackerte. Er schien ihm glücklicherweise zu glauben.

  „Was erzählt er da, Akimo?" erkundigte sich Kiato aufgebracht, doch dieses Mal reagierte sein Freund nicht auf ihn.

  „Was schlägst du also vor?" fragte er stattdessen Legolas.

  „Wir sollten uns an sie heranschleichen und ihren Anführer und ein paar andere von ihnen töten", riet ihm der Elb. „Dann wird der Rest wahrscheinlich die Flucht ergreifen. Die Orks sind sehr feige geworden, seit Sauron vernichtet worden ist. Am Klügsten wäre es sie aus sicherer Distanz zu töten, so wissen sie nicht, wer sie angreift – das wird sie das Fürchten lehren."

  Der Haradrim nickte nur und wandte sich nun doch an seinen Freund, um sich mit ihm ein Stück von ihnen entfernt zu beraten.

  „Ist das alles wirklich wahr?" erkundigte sich Pippin leise. Er sah etwas verängstigt aus, hielt sich aber sonst ganz wacker.

  Legolas nickte. „Aber wenn sie sich an das halten, was ich ihnen sage, werden wir auch das gesund überstehen. Und wer weiß, vielleicht sind wir am Ende sogar frei."

  Pippins Augen wurden gleich größer. „Du meinst, du kannst sie dabei vielleicht überlisten?" raunte er ihm zu.

  „Sie brauchen einen sehr guten Bogenschützen, wenn sie die Orks bezwingen wollen", erwiderte der Elb. „Das werden sie bald einsehen; und dann sind sie gezwungen mir die Fesseln abzunehmen."  Pippin strahlte, senkte aber seinen Blick sogleich schnell zu Boden, da die Südländer wieder an sie herantraten.

  „Wir werden vorsichtig weitergehen, bis auch wir sie sehen und uns überzeugen können, dass du die Wahrheit sprichst", verkündete Akimo.

  „Dann sollten wir aber nicht mehr lange auf diesem Weg bleiben", mahnte Legolas ihn.

  „Das hatten wir auch nicht vor", knurrte der Haradrim. „Wir werden das Packpferd hier lassen, bis wir es später wieder abholen, und uns zwischen den Felsen den Orks nähern. Aber glaube nicht, dass du uns hereinlegen kannst. Wir werden dich uns das Kind im Auge behalten. Du kommst mit mir und der Junge geht mit Kiato." Er nickte seinem Kameraden zu und der Südländer ging zu Pippin hinüber, um ihn von Legolas loszubinden. Der Hobbit sah etwas verängstigt zu seinem Freund hoch und der gab ihm mit einem beruhigenden Blick zu verstehen, dass er sich keine Sorgen machen sollte. Die Formulierung des Haradrim hatte den Elben etwas stutzig gemacht, doch er ließ es sich nicht anmerken und hoffte, dass Pippin wirklich darüber hinweg gehört hatte und nicht irgendwelche gefährlichen Fragen stellte.

  Akimo hatte in der Zwischenzeit einen Teil des Gepäcks, hauptsächlich Waffen und Lebensmittel, vom Rücken des Pferdes geschnallt und verteilte es nun an sich und seinen Freund. Dann führte er das Tier zwischen zwei größere Felsen und band es dort an. Als er zurückkam hatte sich seine Miene erheblich verfinstert. Die zusätzliche Last des Gepäcks schien ihn schon jetzt zu stören.

  Die dunklen Augen Akimos sahen Legolas böse an, bevor er den Strick ergriff und ihn hinter sich her führte, vorerst noch den Weg entlang. Legolas behielt sowohl die Orks als auch die beiden Südländer wachsam im Auge und versuchte gleichzeitig einen Plan zu schmieden, wie sie ihnen entkommen konnten. Es war nicht gut, dass die Fremden so misstrauisch geworden waren. Das erschwerte die ganze Angelegenheit. Er musste vorsichtig sein, wenn er nicht riskieren wollte, dass Pippin oder er selbst verletzt wurde. Die Krummsäbel waren gefährliche Waffen und Legolas hatte noch nie einen Haradrim gesehen, der seine Waffe nicht perfekt beherrschte.

  „Wir sollten jetzt besser den Weg verlassen", meinte er nach einer Weile leise. „Es ist zwar unwahrscheinlich, dass sie uns hier schon entdecken können, aber wir sollten besser kein Risiko eingehen."

  Akimo sah ihn misstrauisch an, nickte dann aber seinem Freund zu, der darauf den entsetzten Pippin am Arm packte und von Weg zog. Kiato sah sich kurz um. „Akimo", brummte er seinem Freund zu, „sag ihm, wenn er nur eine falsche Bewegung macht, schneide ich dem Jungen hier die Kehle durch."

  „Sei still", zischte der Angesprochene und wandte sich dann an Legolas, der froh war, dass Pippin die Sprache des Südens nicht beherrschte. „Du wirst vorgehen!" bestimmte er und schob den Elben voran. „Du scheinst die Augen eines Adlers zu haben – du wirst eine Gefahr schneller ausmachen als wir. Aber denke daran, alle Fehler die du begehst, wird der Kleine zu spüren bekommen."

  Legolas nickte stumm und warf noch einen kurzen Blick auf den verängstigten Pippin. Dann setzte er sich in Bewegung. Trotz seiner gebundenen Hände und dem langen Seil, das nun auf dem Boden schleifte, fiel es ihm leicht kleinere Felsen geduckt zu überwinden und größere behände zu umgehen, sodass er bald ein Tempo voranlegte, dass die Südländer nicht nur überraschte, sondern schlichtweg überforderte. Er musste sich selbst mehrmals ermahnen langsamer zu werden, um die Fremden nicht noch weiter zu verstimmen oder gar den Eindruck zu vermitteln, er wolle fliehen.

  Nach einer geraumen Weile hielt der Elb vor einem breiten und ziemlich hohen Felsen inne und schob sich vorsichtig an ihm hinauf. Er konnte hören, wie auch der Rest ihrer kleinen Truppe schnaufend zu ihm stieß, während seine Augen ihr Ziel fixierten.

  Die Orks schienen entspannt. Während zwei von ihnen einen Wachposten bezogen hatten und den Weg beobachteten, hatten sich die anderen in eine Mulde zwischen ein paar Felsen zurückgezogen, um dort etwas zu essen und ihre Waffen zu schärfen. Es war eindeutig, dass sie sich auf einen Kampf vorbereiteten.

  Ein schurrendes Geräusch ertönte hinter Legolas und bald schon schob sich Akimo neben ihn. „Und? Was siehst du?" stieß er angespannt hervor.

  „Es sind insgesamt zehn", erklärte Legolas. „Acht sitzen dort zwischen den Felsen", er wies mit dem Finger in die Richtung, „und zwei haben sich dort links und rechts in den Felsen auf die Lauer gelegt und beobachten den Weg."

  Der Südländer kniff die Augen zusammen und starrte eine Weile in die angegebene Richtung. Schließlich wanderte eine seiner dunklen, feingeschwungenen Brauen in die Höhe. „Tatsächlich", murmelte er. „Jetzt kann ich sie auch sehen. Aber sie sind noch recht weit weg. Wir sollten noch näher an sie heran."

  Legolas schüttelte vehement den Kopf. „Das wird zu gefährlich. Wir brauchen diesen Abstand, falls unser erster Angriff fehlschlägt. Zwei von ihnen besitzen Armbrüste. Sie können uns treffen, wenn wir uns ihnen noch weiter nähern."

  Akimo sah ihn stirnrunzelnd an. „Das kannst du von hier aus sehen?"  Legolas nickte nur. „Besitzen alles Krieger von Rohan solche Fähigkeiten?" hakte der Südländer weiter nach. „Oder liegt das nur daran, dass du ein Königssohn bist?"

  Dieses Mal fiel es Legolas wirklich schwer, seine Verblüffung nicht zu zeigen. Es war wie eine Ohrfeige, die die Klarheit so plötzlich brachte, dass es ihn fast umwarf. Es war alles eine Verwechslung. Die Südländer glaubten König Éomer entführt zu haben – ein strategisch kluger Schachzug, nachdem der Anschlag auf Aragorn so misslungen war. Ihnen war gar nicht klar, dass sie einen Elben vor sich hatte; wahrscheinlich hatten sie noch nie zuvor in ihrem Leben einen gesehen, geschweige denn von ihnen gehört.

  „Nein, das ist eine einmalige, angeborene Fähigkeit", antwortete er noch schnell genug, um den Mann nicht stutzig zu machen. „Sie hat mir schon viel Nutzen eingebracht."

  Akimo nickte nachdenklich, zog sich dann ein Stück zurück und winkte seinen Kameraden zu sich herauf. Er erklärte Kiato mit wenigen Worten die Lage und nun schirmte auch der mit einer Hand seine Augen von der Sonne ab, um besser sehen zu können. Nach einer Weile ließ er sie mit einem genervten Seufzer wieder sinken. „Wir sind viel zu weit weg. Die treffen wir von hier aus nie!"

  „Wir können aber nicht näher heran", gab Akimo zurück. „Die Orks haben scharfe Augen – sie könnten uns sonst sehen."

  „Aber das kann uns nicht gelingen!" knurrte Kiato und warf einen kurzen, missbilligenden auf Legolas.

  „Vielleicht dir nicht", meinte Akimo mit einem arroganten Gesichtsausdruck. „Aber ich bin ein weitaus besserer Bogenschütze."

  „Du?!" wiederholte Kiato aufgebracht. „Meinst du nicht, du bringst in der ganzen Aufregung etwas durcheinander? Ich bin ein meisterhafter Bogenschütze!" Der Haradrim rutschte kopfschüttelnd vom Felsen und zog einen Langbogen und einen Pfeilköcher aus dem Gepäck, das er bei Pippin zurückgelassen hatte. Dann kletterte er wieder zurück an seinen Platz neben ihnen, brachte den Bogen in die richtige Position und legte einen Pfeil ein.

  „Er muss zuerst auf den Anführer schießen!" wandte sich Legolas drängend an Akimo. „Sonst funktioniert es nicht. Es ist der größte von den Orks, der mit dem Kettenhemd und dem eigenartigen Schwert."

Akimo nickte und übersetzte es an Kiato weiter. Der bedachte den Elben erneut mit einem Blick, der deutlich zeigte, wie wenig er von seinen Vorschlägen hielt, rutschte dann ein Stück nach vorne, kniff die Augen zusammen und spannte den Bogen. Legolas beobachtete das Ganze mit Unbehagen. Für ihn war es sofort ersichtlich, dass er den Ork so nicht treffen würde und er hoffte, dass der Südländer klug genug war, um das zu erkennen, sonst würden sie sehr bald in großen Schwierigkeiten stecken. Eine qualvolle Minute lang verharrte der Südländer noch in seiner Schussposition, dann schüttelte er plötzlich den Kopf und zog sich zurück. „Das ist unmöglich", raunte er Akimo zu. „Aus dieser Entfernung kann man ihn einfach nicht treffen. Er könnte so groß sein wie ein Mumakil und man würde ihn dennoch verfehlen."

  „Du übertreibst", gab Akimo gelassen zurück. „Lass es mich einmal versuchen."

  „Das schaffst du nicht", brummte Kiato und nahm den Bogen aus seiner Reichweite.

  Akimos Brauen zogen sich verärgert zusammen. „Gib mir den Bogen!" forderte er eindringlich und streckte die Hand auffordernd aus.

  „Das kann niemand schaffen", erwiderte Kiato und rutschte noch ein Stück von ihm fort. „Glaube mir! Dieser Rohirrim will uns hereinlegen! Er will, dass die Orks auf uns aufmerksam werden. Er erhofft sich, dass er dabei fliehen kann."

  „Er hat uns vor ihnen gewarnt", hielt Akimo dagegen.

  „Er hat uns gegen sie aufgehetzt", verbesserte Kiato. „Wir hatten einen Vertrag mit ihnen. Wenn wir sie angreifen, werden sie natürlich mit uns kämpfen; aber vielleicht hätten sie das von sich aus gar nicht getan!"

  Akimo sah seinen Freund schweigend an. Legolas konnte sein Gesicht nicht sehen, aber er spürte, dass in dem Südländer Zweifel aufkamen.

  „Vielleicht ist mir zu wenig", sagte er schließlich. „Und dies ist nicht der Ort und der Zeitpunkt, an dem wir uns mit ihnen treffen wollten. Das spricht gegen sie. Sie sind keine besonders vertrauenswürdigen Wesen. Ashran hatte uns gewarnt. – Also, gib mir den Bogen!"

  Kiato zögerte noch einen Moment, dann schob er Bogen und Pfeilköcher widerwillig hinüber. „Das werden wir noch bereuen", murmelte er missgestimmt und beobachtete kopfschüttelnd, wie sein Freund einen Pfeil einlegte und den Bogen spannte. Auch Legolas packte das dringende Bedürfnis den Südländer wegzustoßen und Pfeil und Bogen an sich zu reißen – zu entschlossen war sein Blick, zu schlecht seine Zielgenauigkeit – aber er riss sich zusammen. Noch war nicht der richtige Zeitpunkt.

  Wieder dauerte es eine furchtbar lange Minute, bis Akimo zu dem Entschluss kam kopfschüttelnd aufzugeben. „Du hast recht, das ist unmöglich", sagte er zu Kiato und sah dann Legolas böse an. „Wir müssen näher ran! So funktioniert das nicht. Niemand kann die Orks aus solch einer Entfernung treffen!"

  „Ich kann es", gab Legolas zurück, ohne ihn anzusehen. Sein Blick war weiterhin auf die Orks gerichtet.

  Der Südländer stieß ein abfälliges Lachen aus. „Ja, natürlich. Dazu müsste ich dir nur die Fesseln abnehmen, oder?"

  „Ja", erwiderte der Elb ruhig und sah ihn nun doch an, „ich denke, das müsstest du."

  Wieder lachte Akimo, doch nun klang es schon ein wenig wütender als zuvor. „Hältst du uns für dumm?"

  „Nein, deswegen mache ich euch ja diesen Vorschlag", erklärte Legolas, „weil ich weiß, dass euch klar ist, wie überlegen ihr mir seid. Ihr besitzt Schwerter und Dolche, während ein Langbogen im Nahkampf sehr uneffektiv ist. Ich stelle so keine Gefahr für euch dar. Und auch eine Flucht ist wohl eher auszuschließen, da ich ganz bestimmt nicht ohne... den Jungen fliehen würde."

  Akimo runzelte nachdenklich die Stirn. Die Argumente des Elben schienen ihm einzuleuchten. „Aber wie kommst du auf die Idee, dass du besser mit Pfeil und Bogen umgehen kannst als wir?"

  „Nun, ich kenne eure Fähigkeiten nicht – aber ich kenne meine", erklärte Legolas. „Und ich weiß, dass ich das kann."

  „Aber es ist unmöglich!" entgegnete Akimo ungläubig. „Das kann niemand!"

  „Ich konnte die Orks schon sehen, als ihr noch gar nicht geahnt habt, dass sie hier sind", erinnerte ihn der Elb und sah ihn eindringlich an. „Ich besitze ein paar Gaben, die viele nur schwer begreifen können. Mit dem Bogenschießen verhält es sich genauso. Wenn ich etwas sehen kann, dann kann ich es auch treffen, egal wie weit es entfernt ist."

  Der Haradrim starrte ihn eine Weile nachdenklich an. Seine Wangenmuskeln zuckten vor Anspannung sichtbar unter dem Mundtuch. Dann griff er plötzlich entschlossen nach Legolas Handgelenken, zog einen Dolch hervor und durchtrennte die Fesseln.

  „Akimo!" rief Kiato entsetzt und packte seinen Freund an den Schultern, so als wolle er ihn wachrütteln.

  „Ich weiß, was ich tu!" zischte der ihn an. „Zieh dein Schwert, dann kann er uns nichts anhaben."

  Kiato holte tief Luft, um etwas zu erwidern, brach dann aber ab und tat, was sein Freund von ihm verlangte, während Akimo Legolas Pfeil und Bogen überreichte. Der Elb sah aus dem Augenwinkel wie sich Pippin, der sich vorher auf einem Stein ausgeruht und das ganze Geschehen sorgenvoll von dort aus beobachtet hatte, langsam erhob. Er rechnete wohl mit einem baldigen Fluchtversuch – aber Legolas würde ihn enttäuschen müssen. In dem Moment als er erfahren hatte, mit wem man ihn verwechselte, hatte er alle Fluchtpläne über Bord geworfen. Er musste einfach herausfinden, was das alles bedeutete, und es gab wohl momentan keine bessere Informationsquelle als diese beiden Südländer.

  Legolas wog kurz den Bogen in der Hand, spannte die Sehne ein paar Mal und betrachtete dann auch die Pfeile eingehender. Die Waffe war zwar nicht mit elbischen Arbeiten zu vergleichen, aber doch ein ganz brauchbares, stabiles Werk. Legolas brauchte nicht lange, um sich daran zu gewöhnen, legte schließlich entschlossen einen Pfeil ein und spannte den Bogen. Er benötigte nur wenige Sekunden, um das Ziel zu erfassen.

  „Das funktioniert nicht", hörte er Kiato seinen Freund mahnen. „Das ist Wahnsinn!"

  Legolas verfolgte konzentriert die Bewegungen des Orks und in dem Augenblick, als dieser seinen Körper in seine Richtung wandte, ließ er den Pfeil von der Bogensehne schnellen. Er wartete gar nicht erst ab, ob der Pfeil sein Ziel traf, sondern legte sogleich einen neuen ein. Er visierte schon einen der Wachposten an, als der Orkanführer mit einem gurgelnden Laut nach dem Pfeil in seiner Brust griff und hinten überfiel. Als die anderen Orks mit lautem Gekreische registrierten, was geschehen war, war es auch für den Wachtposten schon zu spät. Er stürzte mit einem Pfeil im Auge und mit zuckenden Gliedmaßen von seinem Aussichtsfelsen. Auch der andere Ork kam mit seinem verzweifelten Fluchtversuch zurück in den Schutz der Gruppe nicht weit. Das nächste Geschoss drang in seinen Rücken und direkt in sein Herz, sodass er mitten zwischen seine panischen Kameraden stürzte.

  Als schließlich der vierte Ork getroffen zu Boden ging, gab es für die restlichen Überlebenden kein Halten mehr – sie stürmten Hals über Kopf in heller Panik den Pass hinunter.

  „Die sehen wir nie wieder", bemerkte Legolas zufrieden und schob Pfeil und Bogen zu Akimo hinüber. Der starrte ihn mit einem Ausdruck völliger Entgeisterung sprachlos an. Auch Kiato schien vollständig zu Stein erstarrt zu sein. Seine Augen waren ungewöhnlich geweitet und ein Hauch von Angst sprach aus seinem Blick. Akimo fing sich als erster wieder und nahm Pfeile und Bogen rasch an sich. Dann ergriff er das übrig gebliebene Seil, dass ihm vorher als Fessel gedient hatte und band erneut Legolas' Hände zusammen. Dieses Mal noch fester als zuvor.

  „Komm mit", sagte er knapp und stieg mit ihm zusammen vom Felsen.

  Kiato bleib noch einen Moment fassungslos liegen, gesellte sich dann aber auch kopfschüttelnd zu ihnen. Akimo band Legolas und Pippin wieder zusammen und wandte sich dann an seinen Freund. „Hol das Pferd", befahl er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „ Wir treffen uns bei den Leichen der Orks."

  Kiato nickte zögernd, lief dann aber sofort los. Akimo steckte den Bogen zurück ins Gepäck und kramte stattdessen eine Armbrust hervor, die er sofort lud.

  „Ihr geht vor", sagte er und machte eine ungeduldige Handbewegung in Richtung seiner Gefangenen, während er den Rest des Gepäcks an sich nahm. Die beiden fügten sich seinem Befehl sofort und Legolas fühlte wie Pippin ihn von der Seite ansah. Der Elb erwiderte seinen Blick, schüttelte aber ganz leicht den Kopf und Pippin verstand sofort. Legolas war klar, dass die Enttäuschung für den Hobbit sehr groß sein musste, aber er war sich auch sicher, dass Pippin mit seiner Haltung einverstanden sein würde, wenn er begriff, worum es ging. Und die Möglichkeiten zu einer Flucht waren durch diese Entscheidung nicht verschenkt, obwohl es jetzt gewiss nicht mehr ganz so einfach werden würde.