*Vielen, vielen Dank an unsere Reviewer Elanor8 und Niennay (Wir haben ein paar Probleme mit dem Bild - aber es kommt noch, versprochen). Und hier ist ein weiteres Kapitel aus der ähem .... Tastatur der wunderbaren Jenna. Wie es aussieht, habe ich persönlich meine Berufung als ab-und-zu-mal-1-Satz-Einfügerin und A/N-Schreiberin gefunden. Bin eine miese Co-Autorin ;oP Wie dem auch sei; seid gespannt auf weitere spannende, blutrünstige, nervenzerfetzende Abenteuer unserer Mittelerdlinge ;o)*

Kapitel 15

Das Lachen des kleinen Mädchens war hell und fröhlich, während es hinter einem der Stallburschen des Schlosses her jagte. Ihr langes Haar flatterte wie ein golden Fahne hinter ihr im Wind, während ihre blauen Augen vor Übermut funkelten. Sie sah ihrer Mutter so ähnlich und sie strahlte denselben Kampfgeist und dasselbe Temperament aus, wie die Königin von Gondor. Ein Lächeln erschien auf Aragorns Gesicht, während der Anblick seiner kleinen Tochter Wärme durch seinen ganzen Körper strömen ließ. Selbst wenn er nur schönen Erinnerungen nachhing, so vermochten sie es doch, ihn für einen kurzen Augenblick all seine Sorgen vergessen zu lassen, obwohl es ihn gleichzeitig so sehr schmerzte, seine Familie so lange missen zu müssen. Doch gerade für die, die er so liebte und die in Frieden weiterleben sollten, musste er kämpfen – und er war bereit für sie alles zu geben, alles zu versuchen, auch wenn es noch so unmöglich schien.

    „Aragorn", ertönte eine sanfte Stimme, als er Éowyn vor seinem inneren Auge sah und ihr Lächeln eine leichte Gänsehaut seinen Rücken hinablaufen ließ. Er wandte sich ein wenig um und sah in die tiefblauen, schönen Augen Haldirs. „Ich glaube wir sollten nicht versuchen einen anderen Übergang über das Gebirge zu finden."

  Aragorn sah ihn stirnrunzelnd an und blieb stehen. Der Naron-Pass, den sie am vorherigen Abend erreicht hatten, war durch eine Lawine verschüttet worden und ihnen war kostbare Zeit verloren gegangen, die sie nur schwerlich wieder einholen konnten. Die Suche nach ihren Freunden wurde immer mehr zu einer nicht endenden von Hindernissen gespickten Irrfahrt und Aragorn fragte sich tatsächlich langsam, ob sich die Natur gegen sie verschworen hatte oder ob nicht doch andere finstere Mächte ihre Hände im Spiel hatten.

   „Was schlägst du dann vor?" fragte er irritiert. „Wenn es eine andere schnellere Möglichkeit gibt, das Gebirge zu überwinden, will ich sie gern hören."

  Haldir lächelte und wies den sanften Hang hinunter, den sie gerade beschritten hatten und der zu dem Lauf eines kleinen Flusses führte. „Ich denke, ich habe etwas entdeckt, das uns helfen könnte."

  Aragorn ließ seinen Blick über die Ufer des Flusses gleiten, bis er schließlich an einem kargen Gestrüpp hängen blieb. Seine Augen weiteten sich. Dort zwischen den verdorrten Zweigen des Busches schimmerten die Umrisse zweier Kanus hindurch.

  „Was zum Teufel..." murmelte er ungläubig und Haldir nickte zustimmend.

  „Das habe ich mich auch gefragt", meinte der Elb. „Und es bestätigt meine Vermutung, dass wir zwar auf dem richtigen Weg sind, aber unsere Freunde hier gewiss nicht vorbeigekommen sind."

  „Boote?" erkundigte sich Boromir, der ebenfalls zu ihnen getreten war, erstaunt. „Aber wieso?"

  „Sie wollten vermutlich auf diese Weise schneller entkommen", schloss Èomer und machte sich auf den Weg den Hang hinab.

  „Aber... aber wieso haben sie die Boote nicht genommen?" vernahm Aragorn nun auch Merrys aufgeregte Stimme hinter sich, als er seinem Freund zum Fluss folgte. „Ihnen ist doch nichts geschehen, oder?"

  „Nein, sie haben nur ihre Pläne geändert", versicherte Aragorn ihm. „Die Frage ist nur warum und wann?"

  „Und vor allen Dingen wie", setzte Boromir hinzu. „Ich meine, welchen schnellen Weg aus Mordor heraus nach Haradwaith gibt es noch? Und wenn das hier wirklich ihre Route war, wieso sind wir nie auf Spuren von ihnen gestoßen? Und warum hätten sie ihren Plan ändern sollen, wenn sie nicht wussten, dass wir sie verfolgen?"  Er wandte sich zu Salia um, die nachdenklich auf ihrer Unterlippe kaute. „Gibt es denn noch einen anderen Weg?"

  Die junge Frau zuckte hilflos die Schultern. „Nicht dass ich wüsste. Das ist mir alles auch ein Rätsel - wirklich. Ich meine, das macht alles keinen Sinn."

  „Vielleicht nicht im ersten Moment", wandte Haldir ein und seine Augen streiften Salia mit einem Ausdruck größter Verachtung, bis sie schließlich wieder Aragorn ernst ansahen. „Wir werden das Geheimnis gewiss noch lüften können, aber jetzt sollten wir versuchen, einen Nutzen aus der Planänderung der Südländer zu ziehen." Er warf einen Blick auf Éomer, der eines der Kanus vorsichtig aus dem Gebüsch zog und es eingehend betrachtete. „Ich denke, Éomer ist derselben Meinung."

  Aragorn nickte. „Vielleicht können wir so einen Teil der Zeit wieder einholen, die uns verlorengegangen ist. Weißt du wohin dieser Fluss führt?" wandte er sich an Salia.

  „Ich glaube, er ist ein Nebenarm des Tenath und wird sich irgendwann mit diesem vereinen", meinte sie.

  „Dass heißt er führt uns nach Haradwaith und zwar wesentlich schneller, als wir zu Fuß sind", schloss Aragorn zufrieden

  Sie nickte zuversichtlich. „So könnten wir sie vielleicht wieder einholen."

  „Sehr gut." Aragorn gesellte sich schnell zu Éomer und ging wie er vor dem Boot in die Knie, um es genauer zu betrachten.

  „Solide Arbeit", murmelte der König von Rohan. „Keine Lecks und sie können bestimmt an die vier Mann tragen. Da war jemand ziemlich gut vorbereitet."

  Aragorn sah zu Boromir hinüber, der sich daran gemacht hatte, das zweite Boot aus dem Busch zu ziehen und zu Wasser zu lassen. „Das ist auch in Ordnung!" rief er ihm mit einem Grinsen zu.

  Aragorn nahm eine weitere Bewegung neben sich wahr und sah in die fragenden Augen Merrys. „Heißt das, wir werden jetzt mit Booten weiterfahren?" Dem Hobbit war anzusehen, dass er von dieser Idee mehr als begeistert war. Für ein Wesen seiner Größe war ein Marsch im Gebirge wahrscheinlich doppelt so anstrengend wie für einen Menschen und ihm war sehr wohl bewusst, was für eine Erholung mit einer Kanufahrt einherging.

  Aragorn lächelte und zerwuschelte ihm aufmunternd das Haar, als er sich wieder aufrichtete. „Ja, das heißt es", sagte er und sah nun auch seine anderen Freunde an. „Salia und Éomer fahren mit mir. Boromir und Haldir mit Merry. Wir sollten uns beeilen. Wir können vielleicht viel Zeit einholen."

  Mehr brauchte er nicht zu sagen, denn seine Freunde setzten sich augenblicklich in Bewegung und begannen ihre Sachen in die Boote zu laden. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis sie alle in den Kanus saßen und den Fluss hinab paddelten.

  „Ich hoffe nur, dass dieser Fluss auch die ganze Zeit überirdisch verläuft", murmelte Éomer, während er das Paddel in demselben Rhythmus wie Aragorn ins Wasser tauchte und sie in einem recht schnellen Tempo mit der Strömung des Flusses trieben.

  „Wenn die Südländer ihren Fluchtweg mit Bedacht geplant haben, wird das wohl der Fall sein", erwiderte Aragorn und stolperte über den verärgerten Blick Salias. „Was ist?" fragte er irritiert.

  „Nichts. Ich finde es nur immer wieder erstaunlich, wie wenig Verstand ihr den Haradrim zutraut, während ihr euren eigenen so hochschätzt."

  „So war das nicht gemeint", räumte Aragorn schnell ein. „Wir sind auf unserer Reise nur so vielen Hindernissen begegnet, dass wir kaum glauben können, dass es uns einmal besser ergehen soll."

  Salia schüttelte mit einem verärgerten Lächeln den Kopf. „Ich weiß, wie die Menschen in Gondor und Rohan über mein Volk denken. Sie halten uns für Barbaren, für Wilde, die keine Kultur und keinen Anstand kennen, die wahllos morden und sich kaum zivilisiert benehmen können. Aber so sind wir nicht. Wir sind nicht die Haradrim, die vor fünf Jahren mit Sauron zogen, um euch zu vernichten. Das war ein Teil meines Volkes -  nur ein Teil, der wohl kaum repräsentativ für den Rest der Bevölkerung ist. Ihr kennt uns gar nicht. Ihr kennt nur das, was ihr kennen wollt."

  „Das ist nicht wahr Salia", entgegnete Aragorn traurig. „Ich weiß, dass sehr viele so denken, aber ich tu es nicht und auch Éomer teilt nicht die Auffassung dieser Leute."

  „Dann seid ihr Ausnahmen", gab Salia zurück. „Sogar in dieser Gemeinschaft seid ihr Ausnahmen."

  „Wenn du damit auf Haldir und Boromir anspielst, irrst du dich", gab Aragorn ruhig zurück. „Boromir denkt manchmal nicht sehr viel darüber nach, was er so von sich gibt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn ihm etwas oder jemand nicht passt. Ich hatte am Anfang auch Schwierigkeiten mit ihm – aber er hat das Herz auf dem rechten Fleck. Und er hält zu denen, die ihm einmal bewiesen haben, dass sie sein Vertrauen  verdienen."

  Salia warf einen stirnrunzelnden Blick auf das Boot hinter ihnen und sah ihn dann wieder an.

  „Und was Haldir angeht", fuhr Aragorn mit einem kleinen Seufzer fort. „Die Elben sind weise genug, um nicht von einer Schlacht, an der Haradrim beteiligt waren, auf die ganze Bevölkerung des Südens zu schließen. Sie schätzen ihre eigene Art sehr hoch, aber dass heißt nicht, dass sie andere Völker verachten, weil sie anders sind. Haldir ist manchmal ein wenig arrogant anderen Menschen gegenüber, aber das hat nichts mit deiner Abstammung zu tun, sondern ganz einfach damit, dass er nur sehr wenigen Menschen vertraut und sie erst nach einer gewissen Zeit zu schätzen lernt."

  Eine Augenbraue Salias wanderte skeptisch nach oben. „Ich glaube nicht, dass ich es nötig habe, von ihm geschätzt zu werden. Wir werden gewiss nie Freunde werden und ich hoffe wirklich, ich bin ihn bald wieder los."

  „Ihr solltet auf jeden Fall versuchen miteinander klarzukommen, solange wir zusammen unterwegs sind." Aragorn sah sie eindringlich an. „Ich habe genügend andere Probleme und kann es wirklich nicht gebrauchen, dass ihr auch noch aufeinander losgeht."

  „Ich habe mich im Griff", meinte Salia. „Aber ich werde nicht schweigen, wenn er mich wieder angreift. Und das wird er, schließlich hält er mich für eine Verräterin. Und wer weiß, wer das noch alles glaubt..." Sie bedachte Aragorn mit einem eigenartigen Blick und es fiel ihm tatsächlich schwer diesem standzuhalten. Er fragte sich, ob sie ihm wohl ansehen konnte, dass sein Vertrauen zu ihr durch Haldirs Misstrauen zu bröckeln begann.

  „Niemand glaubt, dass du eine Verräterin bist", schaltete sich Éomer zu seiner Rettung ein. „Wir alle sind nur besorgt und erregt, weil alles schief zu gehen scheint. „Sie kennen dich nicht so gut, deswegen bist du diejenige, gegen die sich ihr Gram als erstes richtet. Du wirst sehen, der nächste, der ihre Wut abbekommt ist Aragorn. Wenn sie faule Tomaten dabei hätten, würden sie die nach ihm werfen, weil er alles falsch geplant hat."

So sehr sie sich auch auf die Zunge biss, konnte Salia ein Glucksen doch nicht unterdrücken.

  Aragorn stieß ebenfalls ein kleines Lachen aus, das ihm im nächsten Moment im Halse stecken blieb. Die Strömung des Flusses hatte an Geschwindigkeit zugelegt, so dass sie kaum noch paddeln mussten und riss die beiden Boote mit sich, direkt auf eine zerklüftete Felswand zu.

  „Oh, mein Gott!" stieß Éomer voller Entsetzen aus und versuchte ihre Geschwindigkeit mit einem Paddel zu verringern. Doch das brachte sie nur ins Trudeln.

  „Lass das!" schrie Aragorn und brachte das Boot mit seinem Paddel schnell wieder in die richtige Lage. „Nicht in Panik geraten!" rief er seinen Freunden über die Schulter zu, deren Boot nun ebenfalls abenteuerliche Umdrehungen machte und beängstigend schwankte. „Es wird einen Tunnel geben!" Aragorn glaubte selber noch nicht wirklich daran, aber er konnte sich auch nicht vorstellen, dass ihre Fahrt nach nur so kurzer Zeit enden sollte. Das machte einfach keinen Sinn. Er wandte sich noch einmal um und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass Boromir und Haldir ihr Boot wieder unter Kontrolle hatten. Und der verärgerte Blick, mit dem Haldir den großen Krieger bedachte, verriet, wer von den beiden wohl in Panik geraten war.

  Das Rauschen des Flusses ging nun langsam zu einem Gurgeln und Gluckern über und Aragorn musste mit Entsetzen feststellen, dass sie die Felswand fast erreicht hatten. Und da war er, der Tunnel in den sich die Wassermassen hinabstürzten – groß genug, um die beiden Boote in sich aufzunehmen, aber zu niedrig um Menschen darin aufrecht sitzen zu lassen.

  „Duckt euch!" schrie Aragorn gegen das Gurgeln des Wassers an, doch Éomer und Salia kauerten schon am Boden des Bootes, bevor er zu Ende gesprochen hatte. Aragorn hatte nicht mehr die Zeit sich nach seinen anderen Freunden umzusehen, sondern duckte sich schnell so weit wie möglich nach unten, denn schon schoss das Boot hinab in den dunkeln Tunnel. Aragorn betete innerlich, dass es im Inneren des Tunnels keine aus dem Wasser ragende Steine gab, denn die Decke des Tunnels war so dicht über ihnen, dass er es nicht einmal wagen konnte, den Kopf etwas zu heben und über den Rand des Bootes zu sehen. Die eigentümlichsten Gesteinsformen rasten im Dunkeln an ihnen vorbei, während sie durch die Strömung des Flusses hin und her geschüttelt wurden. Ein, zwei Mal schrammten sie seitlich an einer Felswand vorbei und Holzsplitter flogen ihnen um die Ohren, aber die Boote waren stabiler als sie aussahen und nahmen keinen wirklichen Schaden. Und schließlich wurde es im Tunnel wieder heller und sie schossen erleichtert hinaus ins Freie.

  Aragorn richtete sich langsam auf und sah sich besorgt um. Es dauerte nur einen kurzen Moment und der Tunnel gab auch das zweite Boot wieder frei, mit einem sichtlich schockierten Merry, einem etwas echauffierten Haldir und einem lachenden Boromir.

  „Wow!" konnte Aragorn ihn rufen hören. „Das war wirklich eindrucksvoll!"

  Aragorn musste grinsen und wandte sich wieder seinen Mitinsassen zu. Éomer war etwas bleich um die Nase, stieß aber ein kleines erleichtertes Lachen aus, während sich auf Salias Gesicht große Verärgerung zeigte.

  „Ich nehme zurück, was ich vorher gesagt habe", brummte sie. „Diese Fluchtroute hat ein Idiot geplant. Wir hätten auch an den Wänden zerschmettern können!"

  Éomer nickte einvernehmlich. „Die Boote sind stabiler, als sie aussehen, aber sie sind bestimmt nicht unzerstörbar. Ich hoffe wir müssen nicht noch mehr solche Tunnel über uns ergehen lassen."

  Aragorn blickte nach vorn. Die Schlucht die sie umgab, ließ nicht allzu viel von dem Weg erkennen, der noch vor ihnen lag. Aber sie befanden sich mitten im Gebirge, da war es durchaus möglich, dass sich ihnen noch weitere Berge in den Weg stellten.

  „Da wär' ich mir nicht so sicher", hörte er Salia brummen, die es sich wieder einigermaßen bequem im Boot gemacht hatte. „Auch wenn wir jetzt schneller sind, wir müssen noch für ein Weilchen auf dem Fluss bleiben. Es gibt bestimmt noch ein paar Überraschungen, die auf uns warten. Das hab' ich im Gefühl."

  Aragorn seufzte innerlich. Das hatte er irgendwie auch im Gefühl.

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Es war eine wunderschöner Nachmittag. Die Vögel zwitscherten und flogen in abenteuerlichen Drehungen hinein in den wolkenlosen, tiefblauen Himmel, die Sonne lachte und ein warmer Wind blies die frische Luft über die hügelige Ebene hinein in den grünen, blühenden Wald, der sich in nicht allzu großer Entfernung über ein großes Gebiet erstreckte. Das saftig grüne Gras kitzelte unter Pippins müden Füßen, so als fordere es ihn heraus, etwas freudiger durch die Gegend zu hüpfen. Doch Pippin war nicht gewillt dieser Aufforderung nachzukommen. Es war nicht so, dass er keine Kraft mehr dazu gehabt hätte - er war längst an die täglichen, stundenlangen Märsche gewöhnt und in der freien Natur waren sie doch um ein erhebliches angenehmer – vielmehr bedrückte ihn ein schreckliches Heimweh, das kaum noch zu ertragen war. Nach der ersten Freude über das wiedergewonnene Tageslicht, die Wärme der Sonne und die frische Luft, hatte die Erkenntnis, dass sie die Grenze zwischen Haradwaith und Gondor erreicht hatten, ihn zurück in die schreckliche Realität geholt: Sie waren immer noch Gefangene, die ins Feindesland verschleppt wurden.

  Nun war er traurig und maulig geworden. Selbst Legolas hatte er, nachdem sie die Grenze endgültig überschritten hatten, ein paar Mal angebrummt, so als wäre es seine Schuld, dass sie in dieser Lage waren. Dabei fühlte sich der Elb wahrscheinlich nicht viel besser. Er wollte gewiss auch zurück in die heimatlichen Gefilde, zu seiner Familie und seinen Freunden. Aber in letzter Zeit gab es kaum noch Möglichkeiten zur Flucht. Seit sie Haradwaith betreten hatten, eigentlich schon seit diese eigenartige Südländerin vor ein paar Tagen aufgetaucht war, verhielten sich ihre Bewacher anders. Sie waren viel aufmerksamer und wachsamer und stets darauf bedacht, dass ihre Gefangenen kaum mehr ein Wort miteinander wechseln konnten – mit Ausnahme ihrer Wanderung durch den Tunnel. Da war es wohl auch für sie ganz angenehm gewesen, einfach nur menschliche Stimmen zu vernehmen. Aber nun...

  Pippin hatte verstanden, warum Legolas die Fluchtgedanken eine Zeit lang beiseite geschoben hatte, aber mittlerweile war er sicher, dass der Elb kaum noch an etwas anderes dachte. Selbst Pippin hatte begriffen, dass sich mit dem Auftauchen der Südländerin ihre Lage dramatisch verschlechtert hatte. Jedes weitere Verweilen in Gefangenschaft hieß, dass sie tiefer in das Gebiet des Feindes geführt wurden und machte das Auftauchen anderer Südländer wahrscheinlicher. Und dann gab es kein Entrinnen mehr und sie waren schuld, wenn man Aragorn erpresste und zu Entscheidungen zwang, die er sonst nicht fällen würde. Pippin seufzte tief und spürte sofort einen energischen Ruck an dem Seil, mit dem seine Hände gebunden waren.

  „Was?!" brummte er und sah Kiato herausfordernd an. „Darf man jetzt noch nicht einmal mehr seufzen?!"

  Der Südländer sah ihn nur verächtlich an und wandte sich dann wieder von ihm ab. Pippin schüttelte verärgert den Kopf und warf einen Blick auf Legolas. Der Elb schmunzelte vor sich hin, vermied es aber zu ihm hinüberzusehen, weil man ihnen sogar verboten hatte, sich während des Marsches anzusehen. Pippin wollte sich schon wieder von ihm abwenden, als er plötzlich stutzig wurde. Legolas vollführte merkwürdige, unauffällige Bewegungen mit den Handgelenken und Fingern und Pippin glaubte zu erkennen, dass sich seine Fesseln lockerten. Sein Herz begann automatisch schneller zu schlagen. Es war tatsächlich ein guter Moment für eine Flucht. Der Wald war sehr nah und bot eine perfekte Möglichkeit Verfolger anzuschütteln. Nur durften die Südländer nichts merken, bevor sie dem Waldrand wirklich nahe waren.

  „Wann machen wir denn endlich wieder eine Pause?" wandte sich Pippin schnell an Akimo.

  Der Südländer sah ihn irritiert an. „Die hatten wir doch erst vor einer Stunde!"

  „Ich fühl' mich aber nicht so gut", maulte Pippin weiter. „Und ich finde der Wald dort drüben sieht so schön schattig und... kuschelig aus!" Er sah Akimo mit dem unschuldigsten Augenaufschlag an, den er fertig bringen konnte, doch die Aufmerksamkeit des Südländers hatte sich schon längst auf etwas außerhalb ihres näheren Umfeldes gerichtet. Pippin folgte seinem Blick und erschrak. In der Nähe des Waldes, am Fuße eines sanften Hügels hatte sich ein Gruppe von Menschen niedergelassen – Südländer.

  Eine kalte Klaue griff nach Pippins Herzen und presste es zusammen. Er fühlte sich auf einmal so erbärmlich ausgeliefert. Jegliche Hoffnung auf eine Flucht, war mit einem Male ausgelöscht, denn soweit Pippin erkennen konnte, waren dies eine ganze Menge Leute, bestimmt mehr als sechs. Zwei von ihnen hatten sich wohl müde im Gras ausgestreckt, während die anderen erwartungsvoll nach jemanden Ausschau hielten. Als sie sie entdeckten, begannen sie aufgeregt zu winken. Akimo rief ihnen erfreut etwas zu und steigerte sofort das Tempo ihrer kleinen Truppe.

  Pippin ließ sich resigniert mitziehen, konnte es sich aber nicht verkneifen Legolas anzusehen. Der Elb wirkte äußerst angespannt und hoch konzentriert und sein Blick war zu Pippins Überraschung nicht auf die Verstärkungstruppe der Südländer gerichtet, sondern suchte nervös die Umgebung ab. Irgendetwas schien wieder einmal nicht in Ordnung zu sein und das beunruhigte den Hobbit zusehends. Er fühlte ein merkwürdiges Prickeln im Nacken, während er beobachtete, wie sich einer der Männer aus der Gruppe löste und auf sie zu eilte und es verstärkte sich, als Pippin das Entsetzen im Blick des Mannes erfasste. Als der Südländer sie erreicht hatte, begann er fast panisch auf Akimo einzureden und auch dessen Gesichtsausdruck wurde bald von Panik ergriffen. Er stellte ein paar kurze Fragen und folgte dann schnell seinem Freund. Auch Kiato schien sehr beunruhigt und zog Pippin und das Packpferd grob mit sich.

  Dem Hobbit wurde schlecht, als er feststellen musste, dass die südländischen Krieger, die sich seiner Meinung nach nur ausgeruht hatten, dies ganz gewiss nicht taten. Sie waren tot. Rotes Blut leuchtete ihnen entgegen, als sie sich dem vermeintlichen Lager näherten, und Pippin könnte ein Würgen nicht mehr unterdrücken, als sie direkt vor ihnen hielten und einen Blick auf die teilweise zerfetzten Körper werfen konnten.

  „Oh, Gott!" stieß er keuchend aus und hielt sich die gefesselten Hände vor den Mund, um das Schlimmste zu verhindern.

  „Warge", raunte Legolas ihm zu, der direkt neben ihm zum Halten gekommen war. Akimo und Kiato hatten sie beide losgelassen, um sich mit ihren Freunden zu beraten.

  Pippin schluckte schwer. Er konnte sich dunkel daran erinnern, dass man ihm einmal erzählt hatte, dass diese Raubtiere ursprünglich aus dem Süden kamen. „Sind sie weg?" flüsterte er zurück.

  „Sie sagen, es sei nur einer gewesen, den sie wohl irgendwie erwischt haben, sodass er sich verzogen hat", erklärte Legolas ihm leise, während er gleichzeitig zuhörte, was die aufgeregten Krieger berichteten. Er schüttelte den Kopf und sah sich erneut misstrauisch um. Pippin verstand seine Angst. Auch er wusste, dass diese Tiere meist nur in Rudeln umherzogen und als er das grollende Knurren vernahm, war er noch nicht einmal überrascht.

  Das Tier, das im nächsten Moment vom Hügelkamm in die Mitte der Männer sprang und sofort einen von ihnen unter seinen Pranken vergrub, war furchterregend. Sein riesiges mit scharfen, langen Zähnen gespicktes Maul öffnete sich und erneut entfuhr ihm dieses furchtbare Grollen, dass die schrillen Schreie des sterbenden Mannes unter ihm übertönte. Dann sprang es los.

  Pippin wurde von Legolas zu Boden geworfen und für einen Moment halb unter seinem Körper begraben. Er vernahm gellende Schmerzensschreie, laute Rufe und immer wieder dieses entsetzliche Brüllen. Als er wieder aufsah, waren schon zwei weitere dieser Monster ins Lager eingefallen und attackierten die restlichen mutigen Kämpfer, die zu ihren Waffen gegriffen hatten. Der Boden bebte unter ihren mächtigen Sprüngen und Pippin musste sich geistesgegenwärtig herumwerfen, um nicht unter den Tatzen eines der Tiere zermalmt zu werden. Er versuchte wenigstens auf die Knie zu kommen, um Legolas folgen zu können, der geduckt auf einen toten Krieger zu sprang, um sich mit dessen Dolch zu bewaffnen. Doch fast im selben Augenblick wurde Pippin bewusst, dass er den monströsen Tieren somit viel eher ins Auge stach. Er konnte seinen Gedanken nicht mehr zuende führen.

  Zuerst fühlte es sich wie ein heftiger Aufprall gegen seine Schulter an, doch nur Sekunden später wurde ihm bewusst, dass irgendetwas in sein Schulter drang, tief genug um ihn laut aufschreien zu lassen. Er wurde hochgerissen, in die Luft geschleudert, der Boden glitt plötzlich in unglaublicher Geschwindigkeit an ihm vorbei und er hörte dieses Keuchen, dieses gierige, tierische Keuchen – so nah. Dann setzte dieser unvorstellbare Schmerz ein und als die Dunkelheit der nahenden Ohnmacht ihn umfing, wusste er plötzlich, dass er sterben würde.