Es tut mir wirklich schrecklich leid, dass es mit dem nächsten Kapitel so lange gedauert hat, aber ich bin im Moment im Examen und habe wirklich nur sehr wenig Zeit. Daher müsst ihr euch leider darauf einstellen, dass die nächsten Updates auch eine ganze Zeit dauern. Aber ich denke ab spätestens Mai wird es wieder etwas besser werden. Und ich werde diese Geschichte natürlich nicht aufgeben – da steckt schon viel zu viel Arbeit drin und ich hab' schon so viel im Kopf, wie es weiter gehen soll. Ob LC irgendwann wieder einsteigen wird, weiß ich allerdings nicht. Aber ich mach auch ohne sie weiter. Versprochen;0)

Kapitel 18

Es war eine klare, kühle Nacht. Nur vereinzelt zogen Wolken über den sternenübersähten Himmel und dämpften ab und zu das Licht des hell strahlenden Mondes. Aragorn sah den kleinen Rauchwolken, die aus seiner Pfeife stiegen, zu, wie sie sich langsam in den Himmel schlängelten, bis sie sich in Nichts auflösten. Das Licht der Sterne und des Mondes glitzerte im langsam dahinfließenden Wasser des Tenath und der Wind wehte einen eigenartigen Geruch von Fremde über das Ufer. Alles war so friedlich und still und doch lag da etwas Bedrohliches in der Luft, eine eigenartige Stimmung, so als würde der Atem des Todes ihnen entgegenwehen, ihnen drohen und zurufen: „Ja, ruht euch noch, solange ihr könnt, denn bald werdet ihr mir entgegentreten müssen."

Aragorn schauderte und erhob sich von dem Stein, auf den er sich für eine Weile niedergelassen hatte. Es war nicht so, dass er Angst hatte, aber es gab mittlerweile so viel in seinem Leben für das es sich zu leben lohnte, dass er sich solcher Herausforderung nicht mehr allzu gerne stellte. Und seine Entscheidungen betrafen nicht mehr nur ihn, sondern ganz Gondor, wenn nicht sogar ganz Mittelerde. Die Völker Mittelerdes waren so eng miteinander verbunden, wie schon lange nicht mehr. Ein Krieg mit Haradwaith bedeutete das Ende des Friedens überall. Er war gezwungen so lange nach einem anderen, friedlichen Weg zu suchen, bis es keine andere Möglichkeiten mehr gab. Und noch war nichts verloren, auch wenn die Probleme immer größer zu werden schienen, je näher sie ihnen kamen.

„Bist du sicher, dass du nicht mit nach Hanur gehen willst?" ertönte eine Stimme hinter ihm, während sein Blick noch immer in die dunkle Ferne gerückt war. Die Elben konnten ihn nicht mehr erschrecken. Er konnte sie zwar nicht unbedingt immer hören, wenn sie sich ihm näherten, aber er konnte ihre Nähe fühlen. Zu lange war er in ihrer Gesellschaft gewesen.

Aragorn nickte, ohne sich zu Haldir umzuwenden und zog noch einmal an seiner Pfeife. „Éomer ist zwar jung, aber er ist ein weiser König. Er wird die richtigen Entscheidungen treffen. Meine Bestimmung ist es weiter zu reisen."

Haldir trat direkt neben ihn und sah nun auch hinaus in die Dunkelheit. „Dort ist etwas", sagte er leise, „etwas wartet dort auf uns. Die Frage ist nur, ob es richtig ist seinem Ruf zu folgen. Bedenke, was Elrond gesagt hat. Es ist möglich, dass wir alles nur noch schlimmer machen."

Aragorn atmete tief durch. „Ja. Aber nichts zu tun ist auf jeden Fall das Falsche. In Haradwaith brodelt es. Diese Angriffe auf die Grenzstädte sind erst der Anfang. Und ich wusste schon vor dem Attentat in Minas Tirith, dass hier bald irgendetwas geschehen wird. Ich habe schon viel zu lange gezögert. Ich denke, die einzige Möglichkeit, die uns nun noch bleibt, um die Gefahr abzuwenden, ist ihr entgegenzugehen. Wenn ich ihr ins Antlitz sehe, weiß ich wenigsten, gegen wen ich kämpfe. Und den Grund für all diese Unruhen finden wir nicht hier im Niemandsland, sondern im Inneren des Süderlandes." Er sah den Elben nun doch an und war nicht überrascht ihn nicken zu sehen. „Ich weiß, dass ich dort draußen mehr ausrichten kann als in Gondor oder in einer der Grenzstädte. Ich muss wissen, was in Haradwaith vor sich geht!" Er sah wieder hinaus in die Ferne und setzte leiser hinzu: „Und man führt unsere Freunde direkt in das Herz dieser Unruhen. Wir dürfen sie nicht allein lassen."

Schritte näherten sich und Aragorn wandte sich um. Éomer kam auf sie zu und Aragorn bemerkte, dass die Männer des Trupps in ihrem kleinen Lager begannen sich für den Aufbruch vorzubereiten.

„Es dämmert bald", erklärte Éomer und sah Aragorn fragend an. „Bist du sicher, dass du mich entbehren kannst?"

Aragorn nickte. „Es ist wichtig, dass wenigstens einer von uns nach Hanur reitet und dort und in den anderen Grenzstädten für Ordnung sorgt. Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, dass es zu weiteren kriegerischen Handlungen kommt. Das Volk von Haradwaith ist aufgebracht genug, wir dürfen es nicht weiter provozieren. Und alles, was du an Nachforschungen betreibst, muss im Geheimen ablaufen."

Dieses Mal war es an Éomer zu nicken. „Vertrau' mir, ich werde gewiss nicht unbedacht handeln. Der Frieden hat unseren Ländern bisher sehr gut getan. Ich werde ihn nicht leichtfertig riskieren."

„Das weiß ich", erwiderte Aragorn lächelnd und legte eine Hand auf die Schulter seines Freundes. „Und ich werde versuchen, dich nicht allzu lange im Ungewissen zu lassen. Wir werden Legolas und Pippin bald eingeholt haben. Dann wissen wir hoffentlich mehr."

„Beregund wird euch eine Hilfe sein", sagte Éomer zuversichtlich, mit einem Blick auf den Hauptmann, der seinen Männern noch letzte Anweisungen gab. „Er kennt sich hier im Grenzbereich sehr gut aus und kann euch so gut führen. Wann werdet ihr aufbrechen?"

Aragorn sah kurz Haldir an und beide waren sich einig. „In den frühen Morgenstunden, sobald auch Merry sich genug erholt hat."

Éomer lächelte und warf einen Blick auf das kleine Bündel in der Nähe der Feuerstelle, aus dem leise Schnarchgeräusche ertönten. „War das eins von Haldirs Wundermitteln?"

Aragorn grinste. „Nun, unser junger Freund braucht die Erholung und da er nicht fähig ist, sie sich selbst zu gestatten, mussten wir ein wenig nachhelfen. Er hat uns alle mit seiner Nervosität fast angesteckt und musste irgendwie zum Schweigen gebracht werden. Aber es ist zu seinem Besten und wir sind allesamt schneller, wenn Merry bei Kräften ist."

Èomer lachte leise, klopfte Aragorn zum Abschied noch einmal wortlos auf die Schulter und begab sich dann zu seinen Männern. Irgendwo am Rand des Lagers bewegte sich ein anderes, größeres Bündel. Salia richtete sich etwas auf und streckte sich, herzhaft gähnend. Sie sah kurz zu ihnen hinüber, befreite sich dann aus ihrer Decke und begann ebenfalls ihre Sachen zu packen.

„Sie hat nicht geschlafen", hörte Aragorn Haldir neben sich sagen. „Sie hat so getan, als ob sie schliefe, aber sie war wach, die ganze Nacht."

„Es ist viel passiert", erwiderte Aragorn gelassen und klopfte seine Pfeife an einem Stein aus. „Und es ist schließlich ihr Volk, mit dem all diese merkwürdigen Dinge geschehen. Auch sie hat ein Recht beunruhigt zu sein."

„Gerade das ist es ja, was mich so misstrauisch macht", meinte der Elb. „Aus welchem Grund sollte sie uns weiterhin helfen? Es sind ihre eigenen Landsleute, die sie damit verrät."

„Sie wird ihre Gründe haben", gab Aragorn zurück. „Bisher konnte ich ihr immer vertrauen."

„Bisher wart ihr auch nie in ihrem Heimatland. Sie kehrt nun zu ihren Wurzeln zurück. Das kann einen Menschen verändern."

Aragorn sah seinen Freund erneut an und sah ehrliche Sorge in seinen Augen stehen. Er wünschte sich, dass er diese Sorge einfach zerstreuen konnte, aber das konnte er nicht. Auch wenn er bemüht war, Salia weiterhin zu vertrauen, er war nicht blind für die Veränderungen, die ganz langsam in ihr vorgingen und die auch sie nicht mehr in der Lage war vor ihnen zu verbergen. Die Welt änderte sich. Die Frage war nur in welche Richtung sie sich von nun an drehte.


„Wie konnte ich nur schlafen! Nach all dem, was passiert ist, all der Aufregung! Hat Aragorn etwa geschlafen? Nein! Und Haldir? Nein! Und du, hast du geschlafen, Boromir? Sag's ehrlich!"

Merry sah den großen Krieger neben sich drängend an und stolperte dabei über seine eigenen Füße, sodass Boromir ihn schnell am Arm packte, um ihn vor einem Sturz zu bewahren.

„Ich hab schon ein kleines Nickerchen gemacht", grinste Boromir, „doch, doch."

„Ja, ein kleines Nickerchen! Ein Klitzekleines!" rief Merry aufgebracht. „Aber ich... ich hab' so fest geschlafen, dass mich nur mein eigenes lautes Schnarchen wecken konnte. Und ihr wart da alle schon auf den Beinen und Éomer war sogar schon mit seinem ganzen Trupp und den Pferden, die wie Olifanten stampfen, auf und davon! Und ich hab' weitergeschlafen! Solche Sorgen mache ich mir also um Pippin und Gondor und überhaupt!"

„Merry", versuchte es Boromir in einer beruhigenden Tonlage. „Du warst einfach erschöpft. Niemand macht dir einen Vorwurf."

„Das solltet ihr aber!" gab Merry wütend zurück. „Ihr solltet sagen: Merry, wie hast du nur schlafen können, wo wir vielleicht bald in einen neuen Krieg verstrickt werden – und dein bester Freund ist mitten drin!"

„Merry," mischte sich jetzt auch Aragorn ein, „es ist nicht gesagt, dass es zu einem wirklichen, großen Krieg kommt. Bisher sind es nur etwas größere Unruhen. Und ich werde alles daran setzten einen Krieg zu verhindern."

Merry seufzte tief und schwer. „Aber du bist nur ein einziger winziger Mensch gegen... gegen ... ich weiß nicht wie viele." Der Hobbit sah fragend zu Salia hinüber, die ganz in seiner Nähe lief und versuchte so unauffällig wie möglich das Gespräch zu belauschen. Sie versuchte nicht ertappt auszusehen und zuckte hilflos die Schultern. „Keine Ahnung, wie viel Menschen hier in Haradwaith leben. Wir hatten schon lange keine Volkszählung mehr und die Stämme sind weit verstreut. Außerdem sind euch ja nicht alle gleich feindlich gesinnt."

„Aber doch zumindest ein großer Teil", erwiderte Boromir knurrig.

Salia versuchte sich nicht über diese Bemerkung zu ärgern und sah ihn statt wütend nur mahnend an. „Die meisten Menschen versuchen nur zu überleben. Sie haben gar keine Zeit irgendjemanden zu hassen. Wenn ihr nach Schuldigen sucht, dann tut das in den Kreisen der Wohlhabenden oder bei euren angeblich Verbündeten. Wer Macht hat, dem muss es auch gut gehen, denn das erfordert Kraft – eine Kraft, die die meisten Menschen in Haradwaith nicht besitzen."

„Glaubst du, dass die Ranaij wirklich wiederauferstanden sind", erkundigte sich Aragorn nachdenklich. „Ich habe viel über sie gelesen. Sie waren sehr gefährlich."

Salia atmete tief durch und sah hinaus in die grasbewachsene Ebene, die sich schon seit geraumer Zeit vor ihren Augen aufgetan hatte. „Das waren sie", sagte sie leise. „Jeder hat sie gefürchtet. Es war dumm dies nicht zu tun. Aber man hat sie auch bewundert. Es soll nie bessere und tödlichere Krieger gegeben haben als sie. Man hielt sie für Halbdämonen und es rankten sich unzählige Legenden um sie – bis heute. Aber ich glaube nicht, dass sie in Hanur waren."

„Warum nicht?" fragte Boromir eindringlich.

Sie sah ihn gelassen an. „Weil sie tot sind. Alle. Man hat sie in einen Hinterhalt gelockt und niedergemetzelt. Es gab keine Überlebenden. Vielleicht versucht man sie jetzt nachzuahmen –aber niemand wird es jemals wieder schaffen, es mit ihnen aufzunehmen. Niemals."

„Woher willst du wissen, dass wirklich niemand von ihnen überlebt hat?" hakte Boromir nach. „Du wirst damals wohl kaum dabei gewesen sein."

„Nein, aber mein Vater", gab sie kalt zurück. „Er war einer der Männer, die sie töteten, Hauptmann der königlichen Garde. Und er hat es mir erzählt."

„Dann... dann könnte er uns wohl am besten über diese Ranaij aufklären – wenn er dabei war, könnte er..."

Salia blieb ruckartig stehen und sah Boromir nun doch wütend an. „Er ist tot", sagte sie knapp. „Er starb, bevor ich nach Gondor ging. Niemand wird euch Genaues, wirklich Wahres über die Ranaij berichten können, weil alle, die damals dabei waren schon lange tot sind. Ihr müsst mir nicht glauben, aber es gibt die Ranaij nicht mehr. Jemand anderes muss hinter diesen Überfällen stecken. Er ist nur zu feige, sich dazu zu bekennen und versucht stattdessen alte Märchen aufzuwärmen und Verwirrung zu stiften. Ihr müsst in einer anderen Richtung suchen!" Salia seufzte genervt und lief kopfschüttelnd weiter. Wie konnte man nur so einfältig sein und so blind auf eine falsche Spur reinfallen? Die Ranaij hatten nie sinnlos angegriffen. Ihre Beweggründe waren immer für alle offen gewesen. Jeder hatte gewusst, warum dieser oder jener Anschlag geschehen, wer wirklich gemeint war und warum er diese grausame Strafe verdiente. Sie waren provokant gewesen, die Ranaij, und sie hatten es nicht nötig gehabt ihre Absichten zu verstecken oder ihre politische Gesinnung zu verbergen. Ja, grausam waren sie gewesen, kalt und brutal – aber gerecht. Der Angriff auf Hanur entbehrte jeder Logik. Und er traf die Falschen, nicht die, die es verdienten. Und es fehlte die für die Ranaij typische Botschaft, die in ihren Angriffen früher zu finden war. Die Ranaij gab es nicht mehr und sie waren auch nicht wieder auferstanden.

„Meinst du jemand versucht Gondor und Rohan gegen die Rebellen aufzubringen, indem er so tut, als ob sie alle zu einer gefährlichen Meuchelmörderbande gehören?" riss Aragorn sie aus ihren Gedanken.

„Lassen Gondor und Rohan sich denn durch so etwas gegen die Rebellen von Haradwaith aufbringen?" fragte Salia sogleich zurück und sah ihn herausfordernd an.

„Ich kann nicht für alle anderen Länder und Völker Mittelerdes sprechen, aber Gondor wird ruhig bleiben solange es mir vertraut", erwiderte Aragorn mit einem eigenartigen Lächeln. „Und solange es weiß, dass ich am Leben bin", setzte er hinzu.

Salia sah ihm fest in die Augen. „Solange ich bei dir bin, werde ich für dein Wohl sorgen, selbst wenn ich dafür sterben muss."

„Dann wird auch dein Volk von Gondor nichts zu befürchten haben", gab Aragorn leise zurück.

„Aragorn!" fuhr Haldir plötzlich dazwischen und beide fuhren zu ihm herum. Der Elb war voraus auf einen seichten Hügelkamm geeilt und starrte wie gebannt in die Ferne. Mit raschen Schritten war der Rest des kleinen Trupps bei ihnen.

Raben kreisten in einiger Entfernung über einer sanften Senke in der über eine weite Strecke verstreut Körper verschiedener Wesen lagen. So sah es jedenfalls aus. Salia kniff mit klopfendem Herzen die Augen zusammen, um mehr erkennen zu können, doch das war auf diese Entfernung nicht möglich. Sie war schließlich kein Elb.

„Sind da Menschen dabei?",stieß sie angespannt hervor und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme leicht zitterte.

„So weit ich sehe fünf", erklärte der Elb mehr an Aragorn gewandt als an sie, „aber es sind nur Südländer."

Etwas in Salias Innerem zog sich schmerzhaft zusammen und sie konnte sich nur mit Mühe davon abhalten auf den Elben loszugehen.

„Was ist passiert?" fragte Aragorn besorgt.

„Sie sind von Wargen angegriffen worden und es sieht so aus, als ob sie sie unter hohen Verlusten töten konnten."

„Und die Spuren unserer Freunde führen genau dorthin", setzte Aragorn leise hinzu. Salia hörte ihn neben sich tief durchatmen, während sie kaum noch fähig war still dazustehen. Aber sie durfte sich auf keinen Fall verraten. Selbst wenn alles schief gegangen und Akimo gar tot war, durfte sie nicht zeigen, wie sehr sie darunter litt. Dann hing alles nur noch von ihr ab.

„Was... was ist mit Pippin?" hörte sie Merrys zitternde Stimme hinter sich. „Kannst du irgendwo eine Spur von ihm sehen?"

Haldir wandte sich halbwegs zu ihm um und lächelte tröstend. „Nein. Aber das ist ein gutes Zeichen. Vielleicht haben sie den Angriff zur Flucht genutzt."

„Lasst uns gehen", sagte Aragorn entschlossen und setzte sich sofort in Bewegung. Die anderen folgten ihm schweigend und je näher sie dem Unglücksort kamen, desto bedrückender wurde die Stille zwischen ihnen, desto trostloser und dunkler schien die Gegend um sie herum plötzlich zu werden. Der Geruch von Tod und Verwesung wehte ihnen entgegen und die Krähen flatterten kreischend in den bewölkten Himmel, als der kleine Trupp sich ihnen näherte. Es klang gar nicht wie Kreischen, fand Salia. Nein, es klang eher wie Lachen. Diese Unglücksboten lachten über sie, die gemeint hatte, alles wieder in den zu Griff bekommen, dem Schicksal einen Streich gespielt zu haben. Aber das Schicksal ließ sich nicht einfach so überlisten. Sie waren von ihm verdammt zu scheitern.

Haldir löste sich aus der Truppe, als sie bis auf wenige Meter heran waren und lief mitten in das blutige Schlachtfeld, den Blick gesenkt, die Spuren auf dem aufgewühlten Boden lesend und Aragorn tat es ihm nach, während Boromir, Beregund und Merry sich nur fassungslos umsahen.

„Ich... ich denke, es ist wirklich ein gutes Zeichen, dass Haldir keine Spur von Pippin sehen konnte", hörte Salia Merry sagen, während auch sie sich eingehend umsah. Ihr wurde leichter ums Herz, als sie weder Akimo noch Kiato unter den Toten entdecken konnte. Das Packpferd lag blutüberströmt ganz in ihrer Nähe, aber es waren keine Waffen mehr unter dem Gepäck. Nicht weit davon entfernt schien Haldir etwas gefunden zu haben, denn er rief sogleich Aragorn zu sich heran. Auch Salia näherte sich ihnen vorsichtig. Aragorn wandte sich zu den anderen um. „Sie sind frei!" rief er ihnen mit einem halben Lachen zu und wieder zog sich Salias Inneres zusammen. Akimo und Kiato waren zwar nicht tot, aber das war fast genauso schlimm.

Merry eilte zu seinen Freunden hinüber und Aragorn hielt ihm einen zerschnittenen Strick entgegen. „Sie.. sie sind frei?" fragte Merry fassunglos. „Wirklich?"

Auch Haldir nickte und Aragorn ging in die Hocke, um die Spuren vor ihm genauer zu untersuchen. „Legolas hat sich befreien können..." Er lief geduckt ein paar Schritte weiter und die anderen folgten ihm. Er starrte einen Moment wieder auf die Spuren, dann wanderte sein Blick hinüber zu einem der Warge, der etwas abseits von dem Kampfgetümmel lag.

„Er hat versucht ihn zu retten", hörte Salia Haldir zu Aragorn hinüberraunen. Der nickte nur und lief im Eilschritt zu dem Warg hinüber, wieder gefolgt von dem Rest ihrer Gruppe. Aragorn wandte ihnen bewusst den Rücken zu, als er sich mit Haldir zusammen über den Warg beugte, dass konnte Salia spüren, und sie sah auch die besorgten Blicke, die die beiden austauschten und dass Aragorn einen Stofffetzen aus den Fängen des Raubtieres zog und unauffällig verschwinden ließ. Dann wanderten ihre Blicke fast gleichzeitig hinüber zu dem dichten Wald, der sich nicht weit von ihnen auftat.

„Was ist denn nun?" rief Merry ungeduldig. „Wo sind sie hin? Warum sind sie nicht hier? Warum sind sie uns nicht entgegen gekommen?"

„Die Spuren zeigen, dass sie nicht die einzigen waren, die den Kampf überlebt haben", erwiderte Aragorn. „Die überlebenden Südländer haben wieder die Verfolgung aufgenommen. Sie sind deswegen in den Wald geflohen."

„Wie lange ist das her?" erkundigte sich Boromir besorgt.

„Vierzehn Stunden – vielleicht mehr."

„Das ist doch viel zu lang!" nörgelte Merry. „Dann haben die Südländer sie vielleicht schon längst wieder eingefangen!"

„In dem Wald?" meinte Haldir. „Niemals."

„Wieso nicht?" fragte Salia verärgert. „Wir sind Wälder gewohnt, auch wenn wir den größeren Teil unserer Zeit in Wüsten verbringen."

Haldir schenkte ihr einen seiner herablassendsten Blicke, die er anscheinend nur für sie reserviert hatte, und machte nicht den Eindruck, als wolle er ihr antworten. Das übernahm Aragorn. „Legolas ist ein Waldelb. Wälder sind sein Zuhause. Dort kann er sich besser bewegen als irgendwo anders. Und er ist wahrscheinlich bewaffnet. Es dürfte zumindest sehr schwer sein ihn wieder zu überwältigen. Nicht ohne hohe Verluste."

„Nun, soweit ich mich erinnern kann, haben diese Haradrim es schon einmal geschafft euren unbesiegbaren Krieger zu überwältigen", erwiderte Salia mit einem ebenso arroganten Blick wie Haldir in die Richtung des Elben. „Vielleicht ist er doch nicht ganz so perfekt, wie ihr alle glaubt."

„Auf welcher Seite stehst du eigentlich!" entfuhr es Boromir verärgert.

Salia sah nun ebenso verächtlich zu ihm hinüber. „Auf gar keiner, wenn du es genau wissen willst. Denn es scheint mir langsam so, dass es keine Seite gibt, für die es sich zu kämpfen lohnt!"

Aragorn hob beschwichtigend die Hände. „So kommen wir nicht weiter!" sagte er streng. „Wir müssen wenigstens einander vertrauen, wenn die Welt um uns herum schon verrückt spielt. Salia hat nichts getan, was unser Vertrauen in sie brechen könnte. Aber sie ist eine Südländerin und natürlich fühlt sie sich angegriffen, wenn wir ihrem Volk nicht mit dem nötigen Respekt begegnen."

„Demselben Respekt, den dieses Volk uns entgegenbringt, meinst du doch wohl", erwiderte Boromir bissig.

„Was verlangst du von einem Volk, das von euren Ländern jahrelang unterdrückt und geknechtet wurde!" gab Salia zornfunkelnd zurück. In ihr brodelte es zu stark, als dass sie noch fähig war, dies zu unterdrücken. Dabei wusste sie unterbewusst genau, dass sie zu weit ging – gefährlich weit. Einen Keil zwischen Freunde zu treiben, war nicht mehr ganz so einfach, wenn dieser zerbrach.

„Unterdrückt und geknechtet!" fuhr Boromir auf und trat einen bedrohlichen Schritt auf sie zu. Doch Aragorn stellte sich mutig zwischen sie und schüttelte den Kopf. „Wir haben keine Zeit für Streiterein!" sagte er eindringlich. „Hier gibt es keine Feinde. Nur Freunde!"

„Aragorn!" rief Haldir wieder und der Waldläufer fuhr alarmiert herum.

Es war in diesem Moment, dass der Boden wieder für alle spürbar zu beben begann und jeder von ihnen wusste, was das bedeutete.

Die Reiter kamen von Süden über einen Hügelkamm und dieses Mal waren es Südländer, Südländer in schwarzen Umhängen mit rot angemalten Gesichtern und sie kamen direkt auf sie zu. Salia hörte wie die Männer neben ihr gleichzeitig ihre Schwerter zogen, doch sie selbst war zu verblüfft um sofort zu reagieren. Diese Haradrim sahen wirklich aus wie Ranaij, sie waren so gekleidet und bemalt und selbst die Formation, in der sie ritten, einen Halbkreis bildend, war typisch für diese legendären Krieger.

„Oh, mein Gott, oh, mein Gott", hörte sie Merry ganz in ihrer Nähe keuchen und die Angst in seiner Stimme brachte sie wieder zu Sinnen. Sie zog ihr Schwert und brachte sich in Kampfposition, Rücken an Rücken mit den anderen aus ihrer Gruppe. Aragorn hatte recht. Jetzt gab es keine Feinde mehr, bis auf die, die sich ihnen in rasanter Geschwindigkeit näherten, auf sie zuflogen, wie schwarze Schatten.