Er hatte die Nachricht Dumbledores erwartet, trotzdem ging er mit einiger Nervosität zum Direktor. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass es keine guten Nachrichten waren, die er ihm mitzuteilen hatte und er glaubte zu wissen, was Dumbledore von ihm erwartete.

„Mein lieber Severus, schön, dass Sie kommen konnten! Bitte hier...", sagte der alte Zauberer zur Begrüßung und wies Severus an, auf dem freien Stuhl ihm gegenüber Platz zu nehmen. Nachdem sich Snape gesetzt hatte, räusperte er sich vielsagend, wie er es meistens tat, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hatte. „Nun, Sie fragen sich bestimmt warum ich Sie so dringend sprechen wollte. Wie Sie vermutlich schon unlängst wissen, wird die Situation dort draußen in der gesamten Zauberwelt immer ernster und es ist nur noch eine Frage der Zeit bis uns die Todesser hier auch in Hogwarts überrennen!" Dumbledore legte eine kleine Pause ein und sein Gesicht verriet tiefe Besorgnis. Severus nickte, um zu zeigen, dass er den Ernst der Lage verstanden hatte. „Und deshalb", fuhr der Direktor fort, „habe ich darüber nachgedacht, wer uns im Kampf gegen Lord Voldemort noch unterstützen könnte...Und dabei..." Er machte eine bedeutungsvolle Pause. „...ist mir der Name ihres ehemaligen Freundes Albico in den Kopf gekommen." Snape wollte etwas entgegnen, aber der alte Mann hob die Hand. „Ich weiß das Albico seit 17 Jahren, seit dem Sturz von Lord Voldemort, verschwunden ist, aber er ist nicht unauffindbar. Ich glaube dass Sie, Severus, der einzige sind der ihn aufspüren kann, wenn die Zeit reif ist!" Snape sah ihn verständnislos an. „Ja, er spielt in meinem Plan erst später eine Rolle. Zunächst ist da jemand anderes...Sie, Severus. Sie werden als Spion auf die andere Seite zurückkehren müssen um die Pläne von Lord Voldemort auszuspionieren." Wieder hielt er inne und sagte dann leise und mit bittendem Ton: „Man kann ein Übel nur von innen heraus bekämpfen Severus. Es tut mir leid, Sie darum bitten zu müssen!" Dumbledore blickte ernst in Snapes Augen doch dessen Gesichtsausdruck verriet keinerlei Gefühlsregung. Nach langem Schweigen endlich durchbrach der Angesprochene die Stille: „Und wie sieht Ihr Plan aus, Albus?"

Seit Stunden irrte er vollkommen orientierungslos durch diese unwirtliche Gegend. Es war eiskalt und der Weg führte ihn über Geröllhänge und steile Felsen, viele Meter über dem Meer, das an den steilen Klippen unter ihm toste.

Die Suche war nicht im Mindesten so einfach, wie er sich am Anfang versucht hatte einzureden. Seit er auf der Flucht war, vor dem Zaubereiministerium und sämtlichen Auroren, war es wesentlich schwieriger ungesehen und unbemerkt umherzuwandern.

Wenn er es sich recht überlegte so war es doch eher wahrscheinlich dass er, Severus Snape, eher vom Ministerium geschnappt werden würde als „Erfolg" bei seiner Suche zu haben. Wahrscheinlich war ihm sowieso schon irgendein Auror auf den Fersen, denn er war jetzt wohl einer der meistgesuchten Zauberer unter der gesamten Zaubererschaft...

Ja, er hatte Schlimmes getan! Er hatte dem berühmten Albus Dumbledore den „Avada Kedavra" auf den Hals gehetzt und säße jetzt eigentlich eingekerkert hinter den Mauern von Askaban, wenn er nicht so unverschämtes Glück gehabt hätte und seinem Schicksal entkommen war, vorläufig. Bald würde man ihn höchstwahrscheinlich sowieso aufspüren und wenn die Auroren ihn nicht fanden, dann würde er früher oder später nicht mehr die Kraft aufbringen gegen die Legilimentikkünste des dunklen Lords anzukämpfen und sich selbst verraten. Er wusste nicht welche Folgen schlimmer waren.

Zur Zeit befand er sich jedoch hier, irgendwo an der Küste Norwegens auf der Suche, die äußerst mühselig und seiner Meinung nach vollkommen sinnlos war, aber er konnte jetzt nicht mehr zurück. Er hätte gleich am Anfang aus der Sache aussteigen müssen. Jetzt war es für eine Umkehr zu spät. Er hatte sein Versprechen gegeben, das Einzige, was ihm geblieben war und er würde es halten, komme was wolle.

Es kam ihm vor als wenn es nun schon eine Ewigkeit her war, dass er mit Dumbledore den Plan besprochen hatte, weswegen er jetzt letztendlich auf der Flucht war. Nun kam es darauf an, dass er Albico fand. Nur so konnte der Plan von Dumbledore aufgehen.

Albico war, als Voldemort die Zaubererschaft in Angst und Schrecken versetzt hatte, ein Söldner und Auftragsmörder gewesen, der weder für die eine, noch für die andere Seite gearbeitet hatte. Gelegentlich führte er gegen Bezahlung Morde an Muggeln und auch an Zauberern aus, im Namen von Voldemort natürlich. Snape lernte Albico zu dieser Zeit kennen, denn er hatte damals noch auf Lord Voldemorts Seite gestanden.

Anfangs hatte er an die Vorstellungen des dunklen Lords geglaubt und war voller Stolz in seine Reihen der Todesser eingetreten. Er hatte Schlimmes getan und keine Reue verspürt, bis zu jenem Erlebnis, dass ihn in eine tiefe Krise stürzen sollte. Eine Krise, aus der ihn ausgerechnet Dumbledore, den er bis dahin gehasst hatte, der ärgste Feind seines Meisters, geholt hatte. Er hatte ihm neuen Lebensmut gegeben und durch Geduld und unbarmherziges Vertrauen hatte er ihn dazu gebracht, sich von seiner Vergangenheit abzuwenden, seine Verbitterung nicht in Aggressionen gegen Unschuldige zu richten, seinen Ehrgeiz auf positive Ziele zu lenken. Es war ein harter Weg für beide gewesen und Severus hatte bis heute noch immer einen Teil jenes alten Hasses in sich, der ab und an sein Blut vor Zorn kochen ließ, aber er hatte gelernt sich einigermaßen zusammenzureißen.

Im Nachhinein war er Dumbledore dankbar, dass er ihn vom Einfluss des dunklen Lords befreit hatte, und das nicht nur, weil dieser besiegt wurde, von einem kleinen Jungen, dessen Vater ein Grund für den Jähzorn Severus' war. Damals hatte er gedacht, dass alles vorbei war und dass er jetzt ein relativ ruhiges Leben als Zaubertrankmeister in Hogwarts führen konnte.

Aber wer hatte damals, vor 17 Jahren, schon geglaubt, dass Voldemort wieder zurückkehren würde? Die Zeiten hatten sich geändert und waren dunkler als je zuvor. Er musste unbedingt seinen letzten Auftrag von Dumbledore erfüllen. Er musste Albico finden!

Nachdem er schon in verschiedene Länder gereist war auf seiner Suche, führte ihn nun sein Weg direkt nach Norwegen. In einer heruntergekommenen Schenke in irgendeinem kleinen Dorf hörte er von den Gerüchten, dass es nicht weit entfernt eine verwunschene Hölle gab. Seltsame Lichter seien dort zu sehen, aber jeder der sich dem Ort mehr als 200 Meter näherte, wurde von einer lähmenden Angst befallen und machte schnellstens wieder kehrt. Das klang alles eindeutig nach Magie und er war nun auf dem Weg zu prüfen ob sich dort vielleicht Albico aufhielt...

Sein Umhang und seine Kleidung waren von den mühsamen Kletterungen zerrissen, und seine Haut hatte tiefe Schürfwunden erlitten. Wenn er eine geeignete Unterkunft gefunden hatte dann würde er sich darum kümmern, doch jetzt war keine Zeit dafür. Denn soeben schien er besagte Höhle entdeckt zu haben.

Und wirklich, ein sonderbares Licht strahlte in die neblige Dunkelheit, wie von einem Feuer, was eigentlich nicht sein konnte, denn die Höhle lag etwa 20 Yards unter ihm, an einer steilen Klippe. Unerreichbar ohne Kletterhilfen, es sei denn, man verwendete Magie. „Escendo", murmelte er und hielt seinen Zauberstab über sich. Mit einem leichten Ruck wurde er daran hinaufgezogen und schwebte nach unten zum Eingang der Höhle. Sofort nachdem er wieder festen Boden unter sich spürte richtete er den Zauberstab nach vorn, um für einen Angriff gewappnet zu sein. Rasch, aber lautlos betrat er den schmalen Gang, der sich in das Innere der Höhle wand und der von einigen Fackeln erhellt war, die an den Wänden entlang schwebten. Das hier war eindeutig Magie. Er bog um eine Ecke und blieb verblüfft stehen. Vor ihm verbreiterte sich die Höhle, wurde zu einem großen Raum. Dieser war von vielen Kerzen erhellt und mit einigen Möbeln ausgestattet. In einem Kamin zu seiner Linken glimmten die Reste eines Feuers. Ein Sessel stand davor, etwas seitlich davon eine zerschlissene Couch. Das Kernstück der Einrichtung war ein kolossaler Tisch, der in der Mitte des Raumes stand und voll der unterschiedlichsten Gerätschaften und Bücher war. Mit erhobenen Zauberstab ging er vorsichtig darauf zu und überflog die Titel der Bücher. Ausnahmslos sehr exquisite Literatur, zumeist über ebenso exquisite Magie. Einige Pergamente erregten seine Aufmerksamkeit. Er ließ den Zauberstab sinken und entfaltete sie. Sie waren leer, aber als er mit der Hand über das Papier fuhr, spürte er kleine Unebenheiten. Konzentriert ließ er seine Finger über die Blätter fahren, bis...

„STUPOR!"

Und Snape erstarrte mitten in seiner Bewegung. Er konnte sich nicht mehr rühren.

LOCOMOTER MORTIS!"

Und nun waren auch noch Snapes Beine gefesselt.

„Was zum Teufel..." begann Snape aber da sah er auch schon, dass er richtig gelegen hatte mit seiner Vermutung .Vor ihm stand Albico, blonde Haare und rotschimmernde Augen, immer noch gut aussehend, trotz dass er Albino war. Er musterten den wehrlosen Snape belustigt.

"Sieh an, welch hoher Besuch in meinem bescheidenen Heim", sagte er mit leiser, spöttischer Stimme, "das letzte Mal, als wir uns sahen, hingst du noch an Voldemorts Rockzipfel, Severus. Eine Eigenart, zu der du vor Kurzem zurückgefunden hast, wie mir scheint."
"Du müsstest doch wissen, wie nützlich es sein kann, unterzutauchen. Ich hatte, ehrlich gesagt, nicht gedacht, dass du dich versteckst, wenn es brenzliger wird", erwiderte Snape ebenfalls sarkastisch, ohne sich um seine missliche Lage zu kümmern.
"Ich habe lediglich beschlossen, mich aus dem Geschäft zurückzuziehen."
"Ganz zurückgezogen lebst du nicht. Ich sehe, du bist bestens informiert."
Albico lächelte leicht: "Eine Angewohnheit"
Er beschloss dem Austausch der „Nettigkeiten" ein Ende zu bereiten und sagte in ernstem Ton: "Du weißt es also auch zweifellos?"
"Dass du Dumbledore umgebracht hast um dich bei Voldemort wieder lieb Kind zu machen?"

„Da irrst du dich gewaltig! Aber ja, mit einem hast du recht, ich bin zu Voldemort zurückgekehrt. Vielleicht nicht aus den Gründen die du dahinter vermutest."

Snape ließ seine Antwort einen kurzen Moment lang wirken, ehe er hinzusetze: „Du hast bisher noch nicht gefragt warum ich dich überhaupt aufgesucht habe."

Albico zog eine Augenbraue nach oben. "Du wirst es mir sicher gleich sagen, Severus."

„Ja das werde ich, aber erst solltest du ein wenig gastfreundlicher zu mir sein und mich von den Fesseln hier...", Snape deutete auf seine immer noch gefesselten Beine, „..befreien!"

Ich würde nicht mehr leben, wenn ich die Gastfreundschaft an den Tag gelegt hätte, die du jetzt erwartest, Severus", antwortete Albico mit süffisanten Lächeln, "ich fürchte, du musst dich mit dieser unbequemen Haltung abfinden."

Snape warf Albico böse Blicke zu: „Es wird dich vielleicht freuen zu hören, dass es Dumbledores letzter Wille war, dass ich dich aufsuche.", zischte er eisig, „Und nun mach mich los oder du bereust es vielleicht noch!" Das hämische Lächeln auf Albicos Gesicht wurde eine Spur breiter, bevor er scheinbar entsetzt fragte: "Du willst mir doch nicht drohen? Ich hätte ehrlich gedacht, dass du klüger bist, Severus." Er hielt kurz inne. "Was Dumbledore betrifft. Nicht alle lassen sich allein, durch Nennung seines Namens beeindrucken. Was willst du, Severus?", schloss er schließlich kalt und fordernd.

Es ärgerte ihn insgeheim, dass Albico so reagiert hatte, aber er musste einsehen, dass es im Moment wenig Sinn machte, Albico zu drohen, also erzählte Snape, warum er gekommen war:
"Der letzte Auftrag, den ich von Dumbledore vor seinem Tod erhalten hatte, war, dich ausfindig zu machen, um seinen riskanten Plan in die Tat umzusetzen. Ich bin zu Voldemort zurückgekehrt, weil Dumbledore mich darum bat, also keineswegs als sein "Schosshündchen", wie du angenommen hast! Die ganze Zeit über habe ich Voldemort in dem Glauben gelassen, dass ich voller Reue zu ihm zurückgekommen sei, dabei habe ich ihn und seine Anhänger auf Befehl ausspioniert. Ich habe in Erfahrung bringen können, dass Voldemort Dumbledores Tod geplant hatte und als ich ihm davon berichtete, muss ihm eine Idee gekommen sein. Tatsächlich wollte er das ich ihn "im Namen Voldemorts" töte!"

„Was dir ja auch gelungen ist", unterbrach in Albico und signalisierte damit, dass sein Interesse geweckt war.

„Das war aber nur ein Teil des Plans. Es gibt noch viel zu tun, was nicht weniger schwer sein wird und ich brauche Hilfe", fuhr Severus unbeirrt fort; „ich will das Vigesco-Ritual durchführen."

Albico verlor für einen winzigen Moment die Kontrolle über sein Gesicht und starrte ihn ungläubig an, aber dann hatte er sich wieder in der Gewalt und erwiderte mit jenem sarkastischem Unterton: „Und du hoffst jetzt, dass ich dir dabei helfe?"

Severus sah ihn herausfordernd an und sagte dann hämisch: „Ich hoffe, du bist nicht zu bequem geworden, in all den Jahren. Die Bezahlung ist nicht übel und es ist nicht unbedingt gefährlich, sondern nur schwierig. Das Risiko liegt allein bei mir."

Albico überlegte einen Moment, dann schnippte er mit den Fingern. Die Fesseln um Snapes Beine lösten sich in Rauch auf. Schnell rappelte er sich auf. „Ich denke, wir könnten ins Geschäft kommen", versetzte der Albino.

Severus spürte ein Gefühl des Triumphs in sich aufsteigen. „Ich wusste, dass man vernünftig mit dir reden kann."

Die Katze hockte schläfrig im Schatten einer Säule auf dem alten verwitterten Steinboden, der den Hof des Schlosses bedeckte. Die Augen waren nur halb geöffnet, den Schwanz hatte sie in einem edlen Bogen um ihren Körper gelegt. Sie schien das einzige Lebewesen auf dem weitläufigen Gelände zu sein, das still und unbeweglich in der brütenden Mittaghitze lag.

Plötzlich rührte sich das Tier. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Sie setzte sich kerzengrade auf und fixierte mit ihren glühenden Augen die Gestalt, die soeben den sonnenbeschienen Hof betreten hatte und ihn durchquerte. Trotz der Hitze trug der Fremde eine weite, lange Robe, deren Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hatte.

Die Augen der Katze folgten jeder seiner Bewegungen. Da trat hinter ihr eine Gestalt aus dem Schatten der Säulen.

„Was hast du aufgespürt, Mrs. Norris?"; fragte der Mann mit dem schütteren grauen Haaren und den eingefallenen Wangen und folgte dem Blick der Katze. Seine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen und er starrte einen Moment feindselig auf den Ankömmling, der nun das Tor erreicht hatte.

„Lass ihn nicht aus den Augen!", zischte er schließlich und verschwand wieder im Schatten der Schlossmauer.

Die Katze heftete ihre Augen noch fester auf den Unbekannten, der gerade den eisernen Türklopfer ergriff und ihn mit drei kräftigen Schlägen gegen das Holz schlug. Das wummernde Geräusch hallte durch die schläfrige Stille, aber hinter dem Tor rührte sich nichts. Erneut klopfte er.

Plötzlich öffnete sich in Augenhöhe eine winzige Klappe im Tor und zwei misstrauische Augen spähten nach draußen.

Bevor der Fremde etwas sagen konnte, keifte eine dumpfe Stimme hinter dem Tor: „Es gibt hier keine Führungen durchs Schloss oder Interviews. Verschwinden Sie!" Die Augen versuchten den Schatten zu durchbohren, welchen die Kapuze auf das Gesicht des Fremden warf, aber es blieb verborgen.

„Ich muss mit Professor McGonagall sprechen", erwiderte der Unbekannte ruhig.

„Haben Sie nicht verstanden?", zischte der Mann hinter dem Tor, „keine Interviews!"

„Was hier passiert ist, interessiert mich nicht im Geringsten", entgegnete der Fremde mit kühlen, spöttischem Ton, „ich habe einen Termin mit Professor McGonagall und ich würde es bedauern, ihn zu verpassen."

„Glauben Sie allen Ernstes, Professor McGonagall hätte mir nicht gesagt, dass..."

„Myotis", unterbrach der Besucher.

„Was?"

„Mein Name. Können Sie jetzt bitte Professor McGonagall von meiner Ankunft unterrichten!"

Die Augen hinter dem Sehschlitz funkelten zornig. Schließlich lösten sie sich jedoch von dem Spalt, der kurz darauf mit einem Knall zugeschlagen wurde. Schlurfende Schritte entfernten sich vom Tor.

Der Mann vor der Tür wendete sich um und schien das Gelände zu betrachten. Nach einer Weile lief er im Schatten des Torbogens auf und ab, immer scharf beobachtet von der Katze, die immer noch stocksteif und lauernd dasaß.

Schließlich näherten sich wieder Schritte und das Klirren von Schlüsseln war zu hören. Eine kleine Tür, die in das Tor eingelassen war, schwang auf. Ein hagerer Mann in einem angegrauten, langen Kittel trat heraus und musterte den Fremden misstrauisch. Schließlich sagte er in feindseligem Ton: „Professor McGonagall wünscht Sie zu sprechen, Mr. Myotis."

Der Besucher unterdrückte einen spöttischen Kommentar und folgte dem Hausmeister, der ihn ins Innere des Schlosses führte.

Schweigend liefen sie durch die Gänge, wobei Filch den Unbekannten scharf von der Seite betrachtete. Dieser hatte jedoch immer noch die Kapuze über dem Kopf, weshalb sein Gesicht im Schatten lag. Er bemerkte die Blicke wohl, aber er tat so, als würde er interessiert die Bilder betrachten, die an den Wänden des ehrwürdigen Gemäuers hingen. Die meisten von ihnen schliefen. Nur wenige würdigten die beiden eines flüchtigen Blickes.

Schließlich erreichten sie einen Wasserspeier vor dem eine ältere Hexe in einem smaragdgrüne Umhang ungeduldig wartete. Ihr graues Haar hatte sie in einen strengen Dutt gesteckt und um ihren Mund lag ein forscher Zug. Ernst blickte sie den beiden Männern entgegen.

„Mr. Myotis", sagte sie, als sie schließlich die Statue erreicht hatten und streckte dem Fremden ihre Hand entgegen. Dieser erfasste sie und setzte mit der anderen Hand seine Kapuze ab. Filch starrte ihn entgeistert an. Auch Minerva McGonagall war überrascht über das seltsame Aussehen des Gastes, hatte sich jedoch gleich wieder unter Kontrolle.

„Ich danke Ihnen, Mr. Filch", sagte sie und warf einen kurzen, befehlenden Blick zu de Hausmeister, der sich schließlich aus seiner Erstarrung löste und sich trollte.

Sie sah den Besucher für einen Moment scharf an, bevor sie höflich „Bitte kommen Sie" sagte und mit ihrem Zauberstab sanft auf die Kralle des Wasserspeiers tippte, worauf dieser sich nach oben schob und eine schmale Wendeltreppe freigab, deren Stufen sich nach oben bewegten. Sie betrat die Treppe, gefolgt von Albico.

Oben angekommen betraten sie ein rundes Zimmer, dessen eine Wand mit großen, bis an die Decke reichenden Regalen gefühlt war, in denen vor allem Bücher standen, aber auch ein Glaskasten mit einigen blankgeputzten, silbernen Geräten. Gegenüber der Schrankwand hingen große, gerahmte Bilder, einige waren verlassen, in den anderen waren Profile von Zauberern, die sämtlich zu schlafen schienen. Nur ein Portrait war hellwach, ein Zauberer mit einem silbernen Bart und freundlichen Augen, die hinter einer halbmondförmigen, goldgefassten Brille interessiert auf den Besucher hinabblickten.

Die Mitte des Raumes nahm ein großer, dunkler Schreibtisch ein, hinter dem ein hoher Lehnsessel mit roten, staubigen Polstern stand. Minerva setzte sich hinein.

„Setzten Sie sich", forderte sie Albico auf und ein Polsterstuhl erschien plötzlich vor dem Tisch, auf welchem er sich langsam niedersinken ließ.

„Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich ohne Umschweife zur Sache komme?"

Er deutete ein Kopfschütteln an.

„Sie wissen sicher Bescheid über die jüngsten Ereignisse?" Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr sie fort: „Es ist natürlich klar, dass dieser Vorfall Panik verursacht hat. Noch nie hatten wir so viele Abmeldungen in Hogwarts. Um ehrlich zu sein, wurde erwartet, dass ich die Schule schließe, aber ich habe gekämpft und musste eine Menge Kompromisse eingehen und Sicherheitsmaßnahmen durchführen, damit in Hogwarts weiterhin unterrichtet werden darf"

Sie machte eine bedeutungsvolle Pause.

„Es geht mittlerweile nicht mehr nur um die Kompetenz der Lehrer, sondern vor allem auch darum, ob sie vertrauenswürdig und loyal gegenüber den Werten sind, die hier an der Schule vertreten werden."

Sie rückte den Sessel ein Stück nach vorn und sagte leise: „Ich werde nicht zulassen, dass ein derartiger Verrat noch einmal hier passiert."

Sie starrte einen Moment ins Leere, hob dann ihre Augen und sah ihm forschend ins Gesicht.

Er erwiderte ihren Blick ernst und selbstbewusst.

Schließlich löste sie sich von ihm und zog eine lederne Mappe aus einer Schublade. Sie schlug sie auf, einige Pergamente, mit enger Schrift, kamen zum Vorschein.

Sie durchblätterte sie und sagte, ohne den Blick von den Blättern abzuwenden: „Sie haben wirklich ausgezeichnete Zeugnisse vorzuweisen."

In ihrer Stimme schwang leichte Bewunderung. Albico lächelte leicht.

„In der Tat...", versetzte sie und überflog sein Zertifikat der Zaubertrankbrauerei, „aber...das hatte Severus Snape auch."

„Wollen Sie jetzt jeden Bewerber ablehnen, der ähnliche Zeugnisse, wie Professor Snape hatte?", fragte der Albino belustigt.

„Natürlich nicht", erwiderte sie ärgerlich, „ich will nur sagen, dass ein ausgezeichnetes Zeugnis noch lange nicht eine ausgezeichnete Gesinnung bedeuten muss. Schließlich hat auch der dunkle Lord ein enormes Wissen, welches er allerdings sehr vernichtend einsetzt."

Sie hielt jetzt ein Pergament in den Händen, welches seine Handschrift enthielt, sein Lebenslauf.

„Ich habe einige Fragen hierzu", sagte sie, „Sie geben für die letzten 17 Jahre lediglich die dürftige Information „private Studien" an. Wie darf ich das verstehen?"

Er zögerte einen Moment, schließlich aber entgegnete er: „Ich habe ungefähr 15 Jahre die alten Magien der Urvölker in den asiatischen Gebieten und den Tropen untersucht, bis ich vor 3 Jahren zurück nach Europa kehrte, um das gesammelte Wissen zu testen und zu ordnen. Wenn Sie wünschen, kann ich Ihnen einen detaillierten Bericht nachreichen."

Sie schüttelte kurz den Kopf und versetzte dann: „Darf ich fragen, warum Sie diese Studien betrieben haben?"

Er zuckte mit den Schultern. „Es hat mich interessiert."

„Sie gehen 17 Jahre lang einem Interesse so intensiv nach? Ohne Finanzierung?"

„Ich konnte mich eines beträchtlichen Erbes meiner Eltern bedienen. So konnte ich meinen Forschungen nachgehen."

Misstrauisch sah sie ihn an. „Sie müssen zugeben, dass es ungewöhnlich ist, dass ein Mann von Ihren Kompetenzen nach seiner Ausbildung für 17 Jahre verschwindet und ein Einsiedlerleben führt."

„Es ist bedauerlich, dass Sie meine Erklärung nicht befriedigt, aber es ist die Einzige", gab er kühl zur Antwort.

„Mir drängt sich ein anderer Verdacht auf", sagte sie scharf, „vor 17 Jahren ist der dunkle Lord besiegt wurden. Vor 17 Jahren verschwanden Sie. Jetzt taucht er wieder auf, ebenso wie Sie."

„Haben Sie irgendwo Beweise gefunden, dass ich mit den dunklen Mächten paktiere?", fragte er mit einem spöttischen Lächeln, „ansonsten sind das wohl haltlose Beschuldigungen."

Sie stand auf und blickte streng auf ihn hinab. „Wenn Sie glauben, dass ich Ihnen die Stelle überlasse, nur weil Sie der einzige Bewerber sind, dann irren Sie sich, junger Mann. Eher stelle ich mich selber hin und braue Zaubertränke, anstatt dass ich es einem möglichen Todesser überlasse."

Das Lächeln auf seinem Gesicht verschwand. „Wenn Sie sich dazu im Stande sehen", sagte er kurz und erhob sich. „Ich werde nicht versuchen zu beweisen, dass ich kein Todesser bin, denn ihr Misstrauen findet wohl immer etwas, was gegen mich spricht."

Langsam ging er zur Tür, drehte sich jedoch nochmals um: „Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf. Hogwarts Untergang steht unmittelbar bevor. Wenn Sie keine geeigneten Lehrkräfte finden, dann wird die Schule geschlossen, selbst wenn ich der Meinung bin, dass ihre Fähigkeiten so hoch sind, dass Sie mehrere Fächer übernehmen könnten."

Er drehte sich um und ergriff die Türklinke.

„Warten Sie...!" Ein triumphierendes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, aber er setzte sofort eine ernste Miene auf und drehte sich scheinbar desinteressiert um.

„Sie haben Recht. Ich brauche Sie Mr. Myotis. Ich glaube, Sie sind genau der richtige Mann für die Stelle", versetzte McGonagall zögernd, „Sie müssen aber verstehen, dass ich nicht mehr vorbehaltlos vertrauen kann, nicht nach dem, was passiert ist, nicht nachdem Severus..." Sie brach ab. Einen Moment herrschte Schweigen.

Schließlich räusperte sie sich. „Ich werde Sie einstellen Mr. Myotis und hoffe, dass meine Zweifel verfliegen. Enttäuschen Sie mein Vertrauen nicht."