5. Teil

Nachdem Hermine in den ihr gänzlich unbekannten Raum gestoßen worden war, wirbelte sie wie von Sinnen herum und hieb mit Fäusten auf den Mann ein, der sie so sehr gedemütigt hatte.

Sie schlug und landete viele beachtliche Treffer, da er nicht einmal die Hände zu seinem Schutze hob. Es war ihr gleich, was er ihr dafür antun würde, schlimmer, als das was er bereits getan hatte, konnte es ohnehin nicht kommen.

Als sie schlussendlich mit einem Tritt in seinen Unterleib dem Ausmaß ihrer Wut Nachdruck verleihen wollte, stieß er sie mit einer harschen Bewegung von sich, worauf sie unsanft gegen die Wand stieß. Der Aufprall entlockte ihr einen atemlosen Schrei.

Er zupfte seinen Umhang zurecht und seine Augen wurden schmal.

"Seid Ihr nun fertig? Was glaubt Ihr, was dies bewirken soll? Ich will Euch diesen Fehltritt nachsehen, sonst müsste ich mir jetzt die Mühe machen, Euch Euren zarten Hals herumzudrehen."

Über die Ungerechtigkeit die ihr widerfahren war, und die Aussichtslosigkeit ihrer Gegenwehr, brach sie in Tränen aus, die sie nun unwirsch fortzuwischen suchte.

"Ihr seid ein solcher Satan. Was habe ich Euch nur getan, dass Ihr mein Leben zerstört? Macht es Euch solchen Spaß, mich zu Grunde zu richten?"

Ein Schnauben entwich seiner Nase und er machte einen Schritt auf sie zu, der sie zusammenzucken ließ, rechnete sie doch mit dem Schlimmsten.

"Beruhigt Euch jetzt wieder. Ihr habt nichts zu befürchten."

Ein hysterisches Lachen ließ ihren Körper erbeben.

"Ihr habt mich gerade nur durch Eure Worte meiner Jungfräulichkeit beraubt. Ihr habt Euch aufs schändlichste die Rechte auf meinen Körper gesichert. Dadurch, dass Ihr vorgabt mich bereits besessen zu haben, ist Euch der Weg dazu nun freigegeben - jedenfalls was den Direktor angeht. Welche Perversion in Euch steckt, habe ich bei Weitem unterschätzt. Doch lasst Euch eins gesagt sein - ich werde Euch niemals gehören. Wenn Ihr mich gegen meinen Willen nehmt, so tut Ihr es nur ein einziges mal!"

Seine Emotionen waren nicht zu ergründen, als er nun fragte: "Wollt Ihr mich in diesem Falle töten?"

Seine besonnene Art, bei diesem absolut widerwärtigen Gespräch, ließ Furcht in ihr erwachsen.

Erneut traten die Tränen in ihre Augen als sie begriff, dass sie sich in einer denkbar schlechten Position befand.

"Wenn Ihr mich anrührt, so werde ich Euch töten - und sollte mir dies nicht gelingen, so töte ich mich selbst", erwiderte sie mit Nachdruck.

Eine halbe Ewigkeit blickte er ihr in die braunen Augen als versuche er zu ergründen, ob dies wahrlich ihre Absicht sei. Schließlich nickte er zum Zeichen, dass er verstanden habe.

Dann wandte er ihr den Rücken zu und verließ den Raum, indem er durch eine angrenzende Tür entschwand.

Hermine schlug die Hände vor ihre Augen, dann ließ sie sich kniend zu Boden sinken und brach in unaufhaltsame Tränen aus.

Sie hatte nicht vernommen, dass er zurückgekehrt war und zuckte heftigst zusammen, als seine Stimme ganz dicht an ihrem Ohr erklang: "Lasst das Heulen und Jammern. Haltet ein mit diesem unverhältnismäßigem Klagen. Es hätte Euch schlimmer treffen können."

Sie riss die Hände von ihrem Gesichte, erhob sich rasch und wich vor ihm zurück.

"Schlimmer? Was könnte mich wohl arger treffen, als an Euch gebunden zu sein? Was wäre schrecklicher als einer Tat bezichtigt zu werden, die man nicht begangen hat? Was wäre grausamer als einem Manne angehören zu müssen, den man hasst? Ja - ich hasse Euch - Ihr seid widerwärtig - gemein - ein verleumdnerisches, selbstherrliches Schwein!"

Seine einzige Reaktion war ein Zusammenziehen der Augenbrauen, dann sagte er mit leiser Stimme: "Ihr vergaßt alt und hässlich."

Sie schrie so laut, dass ihre Stimme ins Wanken geriet: "JA! ALT UND HÄSSLICH - AUCH DAS SEID IHR!"

"Dies ist immer noch dem Vorzuziehen, als das was Euch ansonsten erwartet hätte", gab er ruhig zurück.

Erneut traten ihr Tränen in die Augen: "Was hätte mich denn erwartet? Wenn ich schon gezwungen werde mich in die Hände eines Mannes begeben zu müssen, dann hätte ich bestimmt nicht Euch erwählt."

Ein Mundwinkel zog sich in die Höhe, und sein Antlitz zeigte Abscheu.

"So hättet Ihr wohl einen Mann gewählt wie den, dem Ihr heute vorgestellt wurdet? Schön von Angesicht und artig im Benehmen?"

"JA! Ja - ihn hätte ich vielleicht erwählt - doch Ihr...Ihr habt mir all dies zunichte gemacht. Warum? Warum nur habt Ihr das getan? Ist es allein Eure Boshaftigkeit? Treibt Ihr dieses Spiel um mich zu Eurer Sklavin zu machen? Was wollt Ihr von mir, Snape? WAS?"

Seine Schultern zuckten kurz in die Höhe.

"Nichts. Ich will nichts von Euch."

"Dann geht zu Professor Dumbledore und sagt ihm, dass Ihr mich verleumdet habt."

Seine Gegenfrage kam so schnell, als habe er geahnt, dass sie dies von ihm fordern würde: "Und was dann? Wollt Ihr dem jungen Mann hinterherlaufen? Wollt Ihr Euch ihm an den Hals werfen? Wollt Ihr sein lockiges Haar zerwühlen, während er auf weißen Laken Euch Eure Unschuld nimmt?"
"Und wenn es so wäre? Was geht es Euch an? Was Ihr getan habt ist tausendmal schlimmer, als wenn ich meine Unschuld in den Armen eines Mannes verliere, der mir ein Gefühl entgegenbringt."

Ihre Augen funkelten ihn voller Wut an. Jedes Wort betonend erwiderte er leise: "Ein Gefühl - ja, ich bin mir sicher, dass er das hat - nur weiß ich, dass es keines ist, das Euch Vergnügen bereiten würde."

Der fehlende Spott in seiner Stimme ließ sich aufhorchen.

"Was meint Ihr damit? Erklärt Euch!"

Nun zog ein Lächeln über sein Gesicht, das ihr eine Gänsehaut bescherte, denn es sah erschreckend schmerzerfüllt aus.

"Wir wollen nicht von Dingen sprechen die Euch noch fremd sind. Ich werde nun auskundschaften ob wir noch etwas zu Speisen bekommen. Wenn Ihr Euch derweil frisch machen wollt - das Badezimmer ist dort." Mit ausgestreckter Hand deutete er auf die Tür, die er zuvor benutzt hatte.

Dann fügte er hinzu: "Nehmt ein Bad."

Entschieden schüttelte sie mit dem Kopfe. Er sah Angst in ihren Augen. Für einen Moment schien er dies auszukosten, dann versicherte er: "Ich werde nicht über Euch herfallen, nur weil Ihr nicht mehr nach getrocknetem Drachenei riecht. Wenn Ihr Euer Bad beendet habt, werdet Ihr Eure Kleider und sonstigen Habseligkeiten in diesem Raume vorfinden. Die Hauselfen werden sie bis dahin hergebracht haben. Und..." er machte eine bedeutende Pause, "...Ihr seid keine Gefangene. Die Tür steht Euch jederzeit offen. Ich werde Euch nicht aufhalten, solltet Ihr den Wunsch verspüren diese Räume zeitweilig zu verlassen, sofern ihr daran denkt zu Eurem zukünftigen Ehemann zurückzukehren." Ein sarkastisches Lächeln bewies ihr, wie sehr er seinen Status ihr gegenüber genoss.

Dann verließ er ohne ein weiteres Wort die Kerker. Hermine stand wie erstarrt in diesen fremden Räumen. Die Wut auf diesen Mann, der scheinbar zu glauben schien, sie sei nun in seinen Besitz übergegangen, wuchs ins Unermessliche. Keine Sekunde länger wollte sie in diesem dunklen Kerker verweilen. Was er ihr damals hier unten im Klassenraum angetan hatte, war bereits mehr als genug gewesen. All die Demütigungen, die sie hatte ertragen müssen, wenn er sie vor ihren Mitschülern verhöhnt hatte. All die offenen Feindseligkeiten und die Geringschätzung weil sie von Muggeln abstammte, hatten sich ihr tief in die Seele gegraben. Sie würde ihm nicht die Möglichkeit geben, erneut den Sieg über sie zu erringen. Wenn sie sich jemals einem Manne hingeben würde, so sollte dies aus Verlangen heraus geschehen, nicht aus dem Gefühl keine andere Wahl zu haben. Vielleicht bereitete jedoch gerade dies ihm besonderes Vergnügen, denn dass sie im Walde beinahe schon bereit gewesen war sich ihm zu schenken, hatte er ebenso bemerkt wie sie. Doch er hatte sie so nicht gewollt. Lieber trieb er ein Spiel mit ihr, wie es grausiger kaum noch vorstellbar war, und ihr wurde nun übel bei der Vorstellung, dass er tatsächlich Verlangen in ihr ausgelöst hatte.

Mit all diesen Grübeleien und einem unstillbaren Zorne, knallte sie die Tür unwirsch hinter sich ins Schloss, nachdem sie seine Räume verlassen hatte. Dann hetzte sie schnellen Schrittes durch den Gang und eilte die Treppen empor. Auf der letzten Stufe angekommen, blieb sie voller Schrecken stehen. Geradewegs vor ihr stand Snape in ein Gespräch mit dem Direktor vertieft. Als er sie nun erblickte, und den blanken Hass in ihren Augen blitzen sah, hob er fragend eine Augenbraue.

Ihn völlig ignorierend wandte sie sich an Professor Dumbledore.

"Sir - ich muss mit Euch sprechen - vertraulich."

"Vertraulich, mein Kind?" gab dieser verblüfft zurück und sah fragend zu seinem Gegenüber. Snape schüttelte tadelnd den Kopf.

"Sie ist noch verwirrt über die Ereignisse. Ich sagte Euch ja bereits, dass unsere Verbindung durch äußere Einflüsse besiegelt wurde. Es ist verständlich, dass eine junge Frau verwirrt ist, nachdem sie ihre Unschuld unter solchen Umständen verlor."

"Das ist nicht wahr! Ich habe meine Unschuld nicht verloren - erst recht nicht an dieses lügnerische Scheusal!"

Ein gnädiges Lächeln umspielte Snapes Mundwinkel. Dann wandte er sich vertraulich an Dumbledore.

"Ich kann den Beweis erbringen", sagte er mit leiser Stimme, jedoch laut genug, dass sie es ebenfalls vernahm.

Der Direktor schien die Worte des Tränkemeisters sorgsam abzuwägen. Schließlich fragte er: "Wollt Ihr unter Einfluss des Veritasserums Zeugnis ablegen?"

Snape schüttelte entschieden mit dem Kopfe.

"Wenn Ihr gezwungen seid, unter dem Einfluss der Wahrheitsdroge zu sprechen, so müsstet Ihr zugeben, dass Ihr gelogen habt!" sagte Hermine lauernd.

Der Zaubertrankmeister schickte ihr ein mitleidiges Lächeln. "Es dürfte wohl allgemein bekannt sein, dass ich derjenige bin, der den Trank gebraut hat. Glaubt Ihr wirklich, dass ich ihm nicht zu trotzen wüsste? Nein, ich denke auf diese Art der Wahrheitsfindung können wir getrost verzichten. Dennoch kann ich einen handfesten Beweis für unsere Zusammengehörigkeit bieten."

Für einen Moment vermochten diese Worte keinen Sinn in ihrem Kopfe zu bilden, dann ergriff Panik von ihr Besitz.

Dem Direktor schienen die Ereignisse nun ebenfalls arg in Bedrängnis zu bringen und er forderte mit knappen Worten beide dazu auf, ihm in sein Büro zu folgen.

Auf dem Wege dorthin steigerte sich Hermine immer in neue schreckliche Vorstellungen, wie der Tränkemeister wohl beweisen wolle, dass sie angeblich den Status einer Jungfrau eingebüßt hätte.

Als der Direktor ihn schließlich in der Verschwiegenheit seiner Räume ebenfalls danach befragte, schüttelte Snape lachend den Kopf.

"Der Beweis erfordert zwar das Ablegen von Kleidung, doch möchte ich meine zukünftige Frau nicht übermäßig in Verlegenheit bringen." Er blickte sie vielsagend an.

Dann fuhr er fort: "Unser Liebesspiel war, unter Einfluss des Guaiacum sanctum, recht heftig. Das Mal, das ich über ihrer Brust hinterließ, dürfte wohl Beweis genug sein, ohne weitere peinliche Vorgehensweisen bemühen zu müssen."

Mit einem großen Schritt war er bei ihr und hatte nach ihrer Bluse gegriffen. Sie zögerte keine Sekunde und biss in seine Hand. Obwohl sie sein Blut zu schmecken vermochte, fuhr er fort, als sei nichts geschehen. Mit erstaunlich geschickten Fingern gelang es ihm, die Bluse aufzuknöpfen.

Sie hatte den Atem angehalten vor Schreck, und als das Mal, das so offensichtlich auf ihrem Körper prangte, zum Vorschein kam, sah sie wie der Direktor wissend zu dem anderen Manne nickte.

Hermine raffte in ihrer Wut und Verzweiflung die Bluse zusammen und rief: "Es ist nicht das, wonach es aussieht. Es war eine Schlange...eine verdammte Schlange...". Der Direktor brachte sie mit erhobener Hand zum Schweigen. "Eine Schlange sagt Ihr? Nun, so manches mal wird dieses Symbol der Sünde heraufbeschworen, wenn man sich die eigene Schwäche nicht eingestehen kann - doch sagt mir eines - welche Lippen schufen diesen Abdruck?" Beide Männer blickten sie nun fragend an. "Die Wahrheit, mein Kind", mahnte der Direktor. Ihr wutentbrannter Blick zum Zaubertrankmeister war Antwort genug. Mit schrecklicher Ohnmacht wurde ihr bewusst, dass ihre Erklärung wie es dazu kam, nicht für bare Münze genommen würde, da Snapes Auftreten dem eines zerknirschten Sünders so überzeugend glich, und das Wort eines Mannes ohnehin mehr galt als ihr eigenes. Als sie dies erkannte, stürzte sie wie von Sinnen aus dem Büro des Direktors.

"Gebt ihr Zeit, Severus - sie wird Euch noch dankbar für Eure Großmut sein, dass Ihr Eure Tat eingestanden habt und sie zu Eurem Weibe machen wollt", war das letzte was sie vernahm.

Völlig benommen von Schmerz und Wut wankte sie durch die Gänge. Dann stieß sie die Tür zum Abtritt der Mädchen auf, in dem die Maulende Myrthe ihr Unwesen trieb.

Doch heute hallten die Wände von Hermines Schreien und Weinen wider. Der mädchenhafte Geist blieb stumm auf dem Rande eines Aborts sitzen - denn jemand, der sich noch erbärmlicher als sie selbst fühlte, war ihr noch nicht untergekommen.

Schließlich wurde die Maulenden Myrthe des Klagens der jungen Frau überdrüssig. Sie wollte eilends dafür Sorge tragen, dass sie aus diesem Raum verschwand.

Daher ließ sie dem Direktor eine Nachricht zukommen, dass dieses heulende Bündel Mensch aus ihren Räumen entfernt werden müsse.

Kurze Zeit später erschien ein Mann mit langem dunklen Haar. Die Maulende Myrthe wusste, dass er bei seinen Schülerinnen gefürchtet war. So manch eine hatte schon auf dieser Toilette wegen seiner Boshaftigkeit Tränen vergossen. Doch jetzt schien er nicht boshaft. Er zog die zitternde Hermine an sich. Diese versuchte ihn zu schlagen, doch sie war wohl völlig entkräftet, denn schließlich hob er sie auf seine Arme und während er sie hinaustrug murmelte er: "So versteht doch - dies ist nur zu Eurem Besten. Schon bald werdet Ihr es begreifen."

tbc