6. Teil

Als sie die Augen aufschlug, die sie fest verschlossen gehalten hatte um ihr Unglück wenigstens nicht mitansehen zu müssen, fand sie sich an jenem Orte wieder, der ihr bereits zutiefst verhasst war, und dennoch ihr neues Heim verkörpern sollte. Snape legte seine Last auf eine hölzerne Bank, die in einer dunklen Ecke stand. Es war kalt in den Räumen und Hermine sah, wie er zu einem Zauberstabe griff, den er aus einer Lade seines Sekretäres hervorholte. Dann schwenkte er damit einmal im Kreise umher und an sämtlichen Wänden erleuchteten Kerzen in ihren Haltern. Sofort war der Raum in angenehmes Licht getaucht. Ein weiterer Wink mit dem Zauberstabe ließ ein Feuer im Kamin entflammen.

"Ruht Euch aus - und wenn Ihr ein Bad nehmen wollt...es würde bestimmt nicht zu Eurem Schaden sein", gab er zu bedenken. Dann entschwand er durch eine Tür, von der sie annahm, dass sie zu seinem Schlafgemach führte. Bevor er die Türe noch ganz geschlossen hatte, spie sie ihre Wut heraus: "Ihr sagtet, ich könne gehen wenn es mir beliebe. Ihr verspracht, dass ich nicht Eure Gefangene sei!"

Er kehrte zurück in den Raum und sah sie ruhig und abwartend an.

"Ich bin gegangen - doch Ihr habt gelogen - wieder einmal, es scheint Euer liebster Zeitvertreib zu sein - ich bin nicht frei - Ihr habt mich zu Eurer Sklavin gemacht!"

Bedächtig legte er seinen Kopf schief und ein sanftes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesichte ab.

"Ich habe nicht gelogen - Ihr seid nicht eingesperrt und könnt diese Räume jederzeit verlassen - doch wollte ich lediglich sicherstellen, dass Ihr stets zurückkehrt."

"Warum? Warum wollt Ihr das?"

"Alles zu seiner Zeit", erwiderte er bestimmt.

"Ihr wollt mich quälen, ist es das? Bereitet es Euch ein solches Vergnügen mich in Eurer Gewalt zu wissen?"
Für einen Moment schien er erschreckt über ihre Worte, doch er fasste sich schnell wieder und gab mit harscher Stimme zurück: "Was sprecht Ihr von Gewalt? Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich Euch etwas angetan hätte!"

"So leidet Ihr wohl unter der Verlustigkeit Eurer Erinnerungen."

"Dann helft mir auf die Sprünge!"

Hermine öffnete ungläubig den Mund und schleuderte ihm ihre Worte waffengleich entgegen: "Ihr habt mich meiner Zukunft beraubt. Ich wurde von Euch gedemütigt, wie es grausamer wohl kaum noch möglich ist. Mein Ruf ist zerstört - durch Euch! Und nun bin ich die Braut des einzigen Mannes, den ich niemals...nie und nimmer...nur über meine Leiche...meinen Ehemann nennen möchte - Euch!"

Einen Moment hielt sie inne um neuen Atem zu schöpfen, dann fuhr sie fort: "Wann, gedenkt Ihr, sollen wir vermählt werden? Ab wann wird Euch der Segen erteilt sein, über mich zu bestimmen - mein Herr und Gebieter?" Sie vollführte einen lächerlichen Knicks und ihre Worte trieften vor Hohn.

Seine Miene hatte sich zusehends verhärtet, und er sprach nun ebenfalls mit Abscheu in der Stimme: "Seid unbesorgt - ich beabsichtige nicht Euch zu heiraten."

Die Verblüffung war ihr durchaus anzumerken, doch straffte sie erneut die Schultern und sah ihm geradewegs in die Augen: "So wollt Ihr meine Unschuld ohne den Schwur der ewigen Treue nehmen?"

Ein Funkeln trat in seine Augen, und sie war nicht sicher, ob dies von seiner Wut her rührte, oder der Gedanke ihren Körper zu nehmen wann immer ihm danach gelüstete, seine Sinne derart reizte. Doch dann stieß er ein spöttisches Lachen aus, das er mit einer wegwerfenden Geste unterstrich.

"Behaltet Eure Unschuld. Ich sagte Euch, dass Ihr sicher vor mir seid."

Die ganze Situation schwerlich nur erfassend, stand Hermine da und ersann ihre nächste Frage.

"Warum habt Ihr dann gelogen? Tatet Ihr es nur, damit ich mein Glück nicht finden kann? Ihr wisst, dass ich bald heiraten soll - und dann kommt ein Mann der mir gefällt und Ihr vernichtet jede Möglichkeit auf ein anständiges Leben für mich. Beantwortet mir die eine Frage - warum habt Ihr das getan?"

Durch seine Nase entwich ein Schnauben, das ihr bedeutete, wie widerwillig er ihr darauf Antwort gab. Doch zu ihrem Erstaunen kam er ihrer Bitte nach.

"Ich tat es, damit Ihr nicht in Euer Unglück lauft. Und nun geht und nehmt endlich dieses verfluchte Bad - ich werde Euch ohnehin keine Frage mehr beantworten - und mit Verlaub gesagt...Ihr stinkt zum Himmel."

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Als Hermine in der wohligen Wärme des Bades die Glieder von sich streckte, atmete sie tief die Düfte des Gemischs ein, welches sie dem Wasser zugegeben hatte.

Ein Duft von Tannennadeln, würzig und anregend, drang in ihre Nase und ließ die Lebensgeister wieder erwachen.

Der dichte Schaum umspielte schmeichlerisch ihre nackte Haut und sie schloss die Augen und gestattete sich einen Tagtraum.

Der gelockte Mann trat die Tür zum Kerker ein. Seine blauen Augen lagen voller Hass auf Snape, und kurz darauf schlug er ihm mit seiner Faust auf die widerliche Nase. Der Zaubertrankmeister brach winselnd zusammen und flehte um Verzeihung, während ihr Held sie in seine Arme zog und erklärte, dass sie zu ihm gehöre und sie nie wieder Angst zu haben brauche, da er sie von nun an stets beschützen würde.

Ein schöner Traum - aber, wie ihr beim Entsteigen der Wanne bewusst wurde - eben nur ein Traum.

Sie trocknete sich, bevor die Wärme des Bades ihren Körper verlassen konnte, und wickelte ihr langes Haar ein. Dann verließ sie das vom Dunst vernebelte Bad.

Unschlüssig stand sie im Wohnraum. Sie wollten ihren Augen kaum trauen. Aus der hölzernen Bank in der Ecke des Raumes, hatte er ein Bett für sie gezaubert, welches mit messingfarbenen Pfosten geziert war. Ein blütenweißes Kissen und eine ebensolche Decke lagen bereit, damit sie sich sofort zu Bett begeben konnte.

Hermines Blick heftete sich auf die Tür zu seinem Schlafgemach. Es schien ihr, als sei der Raum in Dunkelheit gehüllt. War es möglich, dass er bereits schlief? Der Tag, sowie der vorherige, hatte ihnen gleichermaßen viele Kräfte geraubt. Sie spürte, dass auch sie dringend Ruhe benötigte, doch nachdem sie sich in das Bett gelegt hatte, konnte sie keinen Schlaf finden. Stundenlang lag sie in der Dunkelheit und sann über das schwere Schicksal nach, das sie aus finsteren Ecken unverschämt auszulachen schien. Sie hatte kein Gefühl mehr für das Voranschreiten der Zeit, als sie schließlich ein Geräusch an der Tür vernahm. Vorsichtig wurde sie geöffnet, so dass ein schmaler Lichtstrahl ins Zimmer fiel. In ihrer Verzweiflung dachte sie tatsächlich, es könne ihr gelockter Prinz mit den blauen Augen sein. Doch sie begriff sehr bald, dass es der finstere Tyrann war, den sie schlafend im Nebenraum gewähnt hatte. Er schlich auf leisen Sohlen in den Raum. Hermine hielt die Luft an, bereit sich zu wehren, sollte er sich auf sie stürzen. Er suchte jedoch das Bad auf, nur um bald darauf in seinem Schlafgemach zu verschwinden und nur kurze Zeit später konnte sie sein Schnarchen vernehmen.

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Am nächsten Morgen fühlte Hermine sich elend.

Als sie hörte wie er aus seinem Zimmer trat, hatte sie ihm längst den Rücken zugewandt.

Er schenkte ihr jedoch ohnehin keinerlei Beachtung, sondern verschwand ohne einen Morgengruß im angrenzenden Bad. Nachdem er es wieder verlassen hatte, hörte sie seine Schritte und kurz darauf war es still.

Hermine ließ geraume Zeit verstreichen, ehe sie es wagte sich herumzudrehen. Kaum hatte sie es getan, blickte sie in seine Augen. Völlig reglos hatte er an ihrem Bett gestanden. Sie stieß einen erschreckten Laut aus.

Seine Miene zeugte von Missbilligung. "So schreckhaft, holde Jungfer?"

Den Spott in seiner Stimme ignorierend erwiderte sie: "Wenn Ihr Euch anschleicht wie ein Dieb."

"Und wieder unterstellt Ihr mir ein Dieb zu sein. Vielleicht sollte ich Euch recht geben - lasst mich überdenken was ich Euch rauben könnte..."

Unwillkürlich zog sie die Decke enger um ihren Körper.

"Wahrlich ein verlockendes Diebesgut", sagte er mit rauer Stimme, während er seinen Blick über ihre Gestalt schweifen ließ.

Hermines Augen weiteten sich vor Schreck. Sie hatte davon munkeln hören, dass Männer insbesondere am Morgen besonders lüsternd seien.

Sie selbst verspürte keine solche Regung und funkelte ihn warnend an.

Doch er schien bereits an anderen Dingen interessiert. So sah er sich im Raum um und ließ mit gezücktem Zauberstabe etliche Bücher in eine Tasche schweben.

Dann wandte er sich wieder zu ihr um, und sein kaltes Lächeln ließ sie erschaudern.

"Es wird langsam Zeit, nicht wahr?"

"Zeit? Wofür?" fragte sie nicht schlüssig, ob sie seine Antwort hören wollte.

"Zeit, dass Ihr Euch ankleidet. Solltet Ihr nicht langsam Eure Nase in die Bücher stecken? Eilt Euch, damit Eure Studien nicht erkalten - und damit Ihr nicht in ein paar Stunden ohnmächtig zusammenbrecht, solltet Ihr zuvor ein Mahl in der Großen Halle zu Euch nehmen."

Völlig verwirrt sah sie ihn an. "Meine Studien? Also gestattet Ihr, dass ich meine Studien fortsetze?"

Er schien sichtbar bemüht gelassen zu bleiben. "Selbstredend. War es nicht Euer Wunsch einem Manne anzugehören, der Euch dies ermöglicht?"

Ihr Mund öffnete sich vor Erstaunen, es dauerte jedoch bis ihre Zunge Worte zu bilden vermochte, die auch für ihn verständlich waren.

"Was wollt Ihr mir vorgaukeln? Erst zerstört Ihr mein Leben und nun gebt Ihr vor, es nur mir zum Gefallen getan zu haben? Ihr seid ernsthaft krank, Severus Snape."

Diese Worte schienen ihn zu treffen, denn sein Blick verhärtete sich.

"Nun, wenn Ihr nicht lernen wollt - gut, ich habe andere Aufgaben für Euch. Putzt - sorgt dafür, dass der Kerker bis heute Abend in Sauberkeit erstrahlt und Eure Knöchel blutig gescheuert sind. Sorgt dafür, dass ich ein Nachtmahl vorfinde, bei dem es nichts zu missen gibt. Und haltet Euch bereit um mir Zerstreuung zu bieten, wie ein Mann sie, nach einem harten Arbeitstage von seinem Weibe erwarten kann."

Mit einem Satz sprang sie aus dem Bette. Ihre Hände in die Hüften gestemmt schrie sie ihn an: "VERDAMMTER BASTARD. ICH WUSSTE, DASS IHR EIN HERRSCHSÜCHTIGER DRECKSKERL SEID. "

Er neigte den Kopf zur Seite und schien seltsam zufrieden: "Gut, wenn Ihr diese Dinge nicht tun wollt - vielleicht wollt Ihr Euch dann doch lieber Euren Studien zuwenden? Wie dem auch sei - ich werde jetzt den kleinen Nichtsnutzen von Schülern mein kostbares Wissen versuchen einzutrichtern. Und vermutlich werde ich von jenen genausoviel Dankbarkeit erfahren, wie von Euch - nämlich gar keine."

Damit drehte er sich um und verließ den Kerker, nachdem er die Tasche mit einem "Accio" in seine Arme befördert hatte.

Hermine ging eine halbe Stunde später durch die Gänge von Hogwarts. Das Frühstück hatte sie, trotz Snapes Ratschlag, ausgelassen. Sie wollte es tunlichst vermeiden, ihn dort anzutreffen. Statt dessen sah sie in der Küche vorbei und ließ sich ein paar Dinge aushändigen, die schnell zu verzehren waren. Ein paar Kekse steckte sie zudem ein, um über den Tag zu kommen.

Dann machte sie sich unverzüglich auf den Weg in die Bibliothek. Mit der Nase in den Büchern versunken, versuchte sie ihrem Schicksal für ein paar Stunden zu entfliehen.

Erst als die Bibliothek schloss, blieb ihr keine andere Wahl, als in die Kerker zurückzukehren.

Er war bereits zurück und las in einem Buche, dessen Titel sie nicht erkennen konnte. Er saß dabei auf der Bank, die die Nacht zuvor ihr Bett gewesen war und die er wohl zurückverwandelt hatte. Seine Füße lagen auf dem Tische, der davor stand. Snape blickte nicht auf, als sie den Raum betrat.

Hermine durchfuhr ein wütender Blitz - wahrlich, er hatte dafür gesorgt, dass ihr keine andere Wahl blieb, als zu ihm zurückzukehren.

"Ich möchte zu Bett gehen", ließ sie sich trotzig vernehmen und sah mit vielsagendem Blicke auf die Sitzgelegenheit, die ihr als Schlafplatz dienen sollte, nun jedoch von ihm belagert wurde.

Er wies zur Tür seines Schlafzimmer, ohne den Kopf von seiner Lektüre zu heben.

Verwirrt folgte sie seiner Geste.

"Ich meinte nicht Euer Bett!" stellte sie erbost klar.

"Mein Bett ist auch Euer Bett", erwiderte er kurz.

"Nein - das ist es mitnichten. Glaubt Ihr, Ihr könnt mich so leicht übertölpeln? Ich werde, solange ich mich wehren kann, niemals das gleiche Bett mit Euch teilen."

Nun blickte er doch vom Buche auf und sah sie kalt an.

"Ich denke wir sprachen schon über sinnlose Drohungen. Nur um eines klarzustellen - Ihr könntet Euch nicht lange wehren, wenn ich dies beabsichtigen würde, was Ihr mir unterstellt. Doch wenn es Euch beruhigt - wenn Ihr das meine Bett nehmt, so werde ich hier meine Schlafstätte einrichten. Und hört auf zu glauben, dass Ihr ein solches Ziel meiner Begierde sein könntet. Mich gelüstet nach Frauen - nicht nach verzogenen Gören."

Wenn Hermine geglaubt hatte ihre Wut könne keinen neuen Höhepunkt erfahren, so war sie einer gewaltigen Täuschung unterlegen.

"Gör? Ihr nennt mich ein Gör? Ich bin eine Frau. Es gibt Männer, die erkennen dies und wären glücklich darüber, mich zum Ziel ihrer Begierde machen zu können."

Mit einem male stockte sie, da es ihr plötzlich bewusst wurde, wie sie sich ihm nun geradezu anbiederte.

Um ihn davon abzubringen näher über ihre Worte nachzugrübeln, fügte sie schnell an: "Wenn Ihr mich nicht heiraten wollt - wenn Ihr nicht ernsthaft verlangt, dass ich Euren Haushalt führe - wenn Ihr mich nicht einmal als Frau begehrt...was wollt Ihr dann von mir...was...bitte sagt es mir doch."

Er legte sein Buch nun zur Seite. Dann wies er mit der Hand neben sich, um sie dazu zu bewegen, neben ihm Platz zu nehmen.

Sie tat es zögerlich - doch sie hoffte, dass er ihr nun endlich offenbaren würde, was die Absicht hinter seinem Handeln war.

Als sie saß, atmete er tief durch. "Ihr wollt wissen warum ich es nicht zuließ, dass der junge Mann zu Eurem Verlobten wurde?"

Sie nickte nachdrücklich.

"Nun - ich kenne diesen Mann. Ich habe ihn bereits zuvor gesehen. Doch er wird sich wohl kaum an mich erinnern. Ich möchte Euch nur eines versichern - dieser Mann wäre nicht gut für Euch."

Hermine lachte freudlos: "Und Ihr glaubt ernsthaft, mit Euren rätselhaften Worten würde ich mich zufrieden geben? Wenn Ihr mich dessen überzeugen wollt, so müsst Ihr schon etwas ausführlicher werden."

In seinem Gesichte erschien ein grimmiger Ausdruck.

"Gut - hier habt Ihr die Wahrheit, auf die Ihr so vehement besteht. Es war erst Anfang der Woche - ich war in der Nokturngasse - es gibt dort ein Hurenhaus. Während ich auf das Mädchen wartete, das ich dort stets aufzusuchen pflege, kam es in ihrem Zimmer zu einem Tumult. Ihr Freier hatte randaliert, doch schlimmer noch, er hatte das Mädchen geschlagen. Sie war übel zugerichtet. Während wir ihre Wunden versorgten erzählte sie stockend, dass er es äußerst genossen habe ihr dies anzutun. Der Mann, der kurz zuvor an mir vorbeigestürmt war und das Haus verlassen hatte, noch bevor er zur Rechenschaft gezogen werden konnte - der Mann, der das Mädchen so zugerichtet hatte, war Euer Traumprinz. Der Mann mit dem gelockten Haar und den blauen Augen findet Gefallen daran zu schlagen und schwelgt in dem Leid, das er mit eigenen Händen zugefügt hat. Wollt Ihr ihn nun immer noch?"

Snape rechnete damit, dass sie ihm kein Wort glauben würde. Er rechnete damit, dass sie ihn abermals einen Lügner und Verleumder nennen würde. Doch sie sah ihn nur mit entsetztem Gesichte an und fragte: "Ihr geht in ein Hurenhaus? Und Ihr wagt es, mir dies einfach so zu erzählen? Welch widerlicher Kerl Ihr doch seid. Mir ist übel."

Ein Seufzen drang aus seinem Munde.

"Ist dies Eure einzige Sorge, nach dem was ich Euch soeben erzählt habe? Ja - ich gehe in ein Hurenhaus. Falls es Euch bisher entgangen sein sollte - ich bin ein Mann. Von Zeit zu Zeit habe ich Gelüste, wie jeder andere auch. Doch ich pflege keinen Gefallen daran zu finden eine Frau zu schlagen, um mir Lust zu verschaffen. Ich sehe schon, ich sollte damit aufhören Euch diese Dinge zu erzählen - Eure jungfräulichen Ohren färben sich bereits zu einem ungesunden Rot."

Verlegen rieb Hermine sich tatsächlich über die Ohren, obwohl ihr ganzer Kopf durch diese Farbe gekennzeichnet war.

"Warum habt Ihr mir dies nicht eher erzählt?"

"Nun - sagen wir ich dachte es sei noch zu früh dafür. Ich wollte Euch Zeit gewähren Euch zu beruhigen. Nun werdet Ihr begreifen, dass ich Euch vor einer Dummheit bewahrte und wie Ihr sicher wisst, wäscht eine Hand die andere."

"Ihr glaubt also immer noch, ich sei Euch für Eure Unverschämtheiten etwas schuldig? Warum sagtet Ihr dem Direktor nicht, was Ihr nun mir gesagt habt? Er hätte wohl kaum darauf bestanden, dass ich diesen Mann heirate - wenn Ihr denn Recht habt, mit Euren Anschuldigungen."

"Ich hielt es nicht für sonderlich ratsam, wenn der Direktor erfährt, dass ich ein solches Etablissement in der Nokturngasse aufsuche. Zumindest nicht, wenn ich ihn mit der Nase geradewegs darauf stoße."

Auf ihrem Gesichte bildete sich ein Ausdruck der Genugtuung ab.

Ehe sie etwas sagen konnte, fuhr er sie an: "Glaubt nicht, dass Ihr mich erpressen könnt! Wenn Ihr es Dumbledore erzählt, so werde ich es zu leugnen wissen - und glaubt mir, er wird in diesen Dingen lieber mir Glauben schenken, als Euch. Denn natürlich wird er ahnen, dass ich in meiner Freizeit diesen Ort aufsuche, doch in seiner Eigenschaft als Direktor wird er es nicht wissen wollen und sich durchaus darüber klar sein, dass es ihn in Wahrheit auch nicht das Geringste angeht." Hermine musste sich einen Moment sammeln, um diese Doppelmoral in ihrem ganzen Ausmaße zu begreifen. Doch dann verhärtete sich ihre Miene zusehends.

"Wo wart Ihr letzte Nacht?" fragte sie herausfordernd.

Seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen.

"Das geht Euch nichts an."

"Ihr wart wieder dort - in der Nokturngasse, bei diesen käuflichen Frauen - gebt es wenigstens zu!"

Seine Stimme glich einem knurrenden Hund: "Und wenn es so wäre? Was ginge es Euch an? Ich halte mein Versprechen und werde Euch nicht anrühren. Haltet Ihr Euch aus dem meinen Leben und ich pfusche Euch nicht in das Eurige!"

"Nachdem Ihr mir mein Leben bereits derart verpfuscht habt und dafür sorgtet, dass ich in Euren Räumen wohnen muss, wird es mir eine Freude sein, das Eurige so schwer wie möglich zu machen. Es sei denn, Ihr wollt mich gehen lassen, denn ansonsten garantiere ich für nichts - immerhin bin ich gezwungen Euch täglich zu sehen."

"Ihr solltet endlich aufhören mir zu zürnen und vor allem solltet Ihr Eure haltlosen Drohungen unterlassen. Ihr habt recht - noch müsst Ihr in diesen Räumen leben, doch dieser Zustand wird nicht für allzu lange währen. Es liegt gewissermaßen bei Euch. Sobald Ihr Eure Studien beendet habt, werdet Ihr ein Leben auf eigenen Füßen führen können. Solltet Ihr einen Mann finden, der Euch ehelichen möchte und den auch Ihr wollt, so könnt Ihr jederzeit gehen und ich werde beschwören, dass ich Euch nie angerührt habe."

Sie sah ihn verblüfft an. Tatsächlich hatte er dies alles bereits bedacht.

"Rückt raus mit der Sprache - warum wollt Ihr mir diesen Dienst erweisen? Und wie stellt Ihr es Euch vor, den Direktor so lange an der Nase herumzuführen?"

"Dies wird gelingen - solange Ihr mitspielt. Gut, Ihr wollt wissen warum ich dies tue? Ich werde es Euch sagen. Durch Eure Anwesenheit hier - durch unsere scheinbare Verlobung, konnte auch ich meinen Hals aus der Schlinge ziehen. Der Direktor kann sehr uneinsichtig sein, wenn es darum geht, einen anderen Menschen das Leben führen zu lassen wie es ihm beliebt. Er befand es für nötig mir eine Frist aufzuerlegen. Sollte ich nicht innerhalb eines Jahres ein verheirateter Mann sein, so läuft mein Vertrag an dieser Schule aus."

Hermines Augen weiteten sich überrascht bei dieser Beichte.

"Und da habt Ihr Euch eine Braut gestohlen. Nur zu Eurem Nutzen - wie hatte ich es auch anders erwarten können. Doch sagt mir eines - wenn Ihr mich nicht ehelicht, was passiert dann mit Eurem Vertrage?"
Er zuckte mit den Schultern und gab ein spöttisches Lächeln von sich.

"Der Direktor wird mir wohl kaum einen Vorwurf machen können, wenn meine junge hübsche Verlobte mich für einen anderen Mann verlässt. Selbstredend werde ich ihm nicht berichten, dass ich Euch nie wirklich besaß, diese Beichte wird nur für Euren Ehemann von mir vorgetragen werden. Ihr versteht sicher, dass Euer Ruf beim Direktor mir nicht so wichtig ist, wie meine Stellung an dieser Schule. Ich denke, er wird so mitleidig sein und die Klausel aufheben, weil meine Braut mich so schändlich verlassen hat - zumindest für eine Zeit lang wird mir sein Mitgefühl wohl sicher sein."

"Das heißt also, unsere Gemeinschaft dient nur zur Täuschung und letztendlich zum Zwecke unserer beider Freiheit."

"So könnte man es in Worte fassen", gab er jovial zurück.

Dann fasste sie noch einmal zusammen: "Ich kann weiterhin studieren. Wenn ich einen Mann finde der mir gefällt, so lasst Ihr mich gehen - wir werden nicht heiraten."

Er nickte zustimmend.

Ihre Wangen färbten sich rosa, doch sie sprach auch den nächsten Gedanken aus.

"Ihr werdet mich nicht anrühren - dafür werdet Ihr vermutlich weiterhin diese Dame in der Nokturngasse aufsuchen?"

"Vermutlich", gab er unwirsch zurück.

"Nun - ich kann es ohnehin nicht unterbinden. Also sollte ich wohl erleichtert darüber sein."

"Ja, in der Tat, das solltet Ihr."

Sie zog den Umhang fester um sich, als sein Blick über ihren Körper wanderte.

Dann wandte er sich abrupt ab, griff nach dem Buche, verwandelte mit einem Schwenk seines Zauberstabes die Bank zum Bette und zog sich in sein Schlafgemach zurück, ohne noch einmal zu ihr zu blicken.

Noch völlig benommen von den Erkenntnissen, die sie nun errungen hatte, ließ sie sich in die Kissen sinken. Obwohl sie tatsächlich Zeit gewonnen hatte, um ihre Studien zu beenden und den Bemühungen ihrer ehemaligen Mentorin und des Direktors entkommen war, die sie so schnell wie möglich verheiraten wollten um ihre Zukunft zu sichern, konnte sie dennoch spüren, dass das Gesagte eine rastlose Frage in ihrem Kopf heraufbeschworen hatte.

Erst als sie einen Plan für den nächsten Tag gefasst hatte, ließ sie es zu, dass ihr Körper und Geist in den Schlaf hinüber dämmerten.

tbc