8. Teil

Am Tage vor ihrem neuerlichen Aufbruch, hatte Hermine das Schloss bereits verlassen als die Sonne heraufdämmerte. Es war ihr Anliegen noch einige Erledigungen in der Winkelgasse zu tätigen, um alles für ihre Forschungen zu beschaffen was von Nöten wäre, um es für die Experimente mit dem Drachenei zur Hand zu haben. Sie trug ebenfalls eine Notiz bei sich, auf der die Dinge aufgelistet waren, die ihr Mitbewohner - denn mehr wollte sie nicht in ihm sehen - ihr in Auftrag gegeben hatte für ihn zu besorgen.

Wüsste sie nicht von Dumbledores Lippen, dass Snape an diesem Tage Unterricht bis zum späten Mittag zu erteilen hatte, so hätte sie diesem unmöglichsten aller Menschen zugetraut, sich hinter ihrem Rücken alleine auf den Weg zu machen, und sie auf diese Weise von seinem Vorhaben auszuschließen. So war sie jedoch seltsam beruhigt und versichert, ihn am Nachmittage wieder im Kerker anzutreffen.

Als sie in der Winkelgasse eintraf, waren die Straßen noch leer.

Die Geschäfte hatten eben erst geöffnet und auf den Bürgersteigen fegten magische Besen von selbst die Eingänge der Läden.

Hermine sann darüber nach, welches Geschäft sie zuerst aufsuchen sollte, um ihre Erledigungen möglichst bald getätigt zu haben, als sie die Frau mit dem flammend roten Haar bemerkte, die sie von der anderen Seite der Straße ins Auge gefasst hatte.

Miranda schien für einen Moment unschlüssig, ob sie es wagen solle die junge Frau von höherem Stande anzusprechen, doch schließlich querte sie die Straße und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesichte, auf dem die Zeichen der ihr angetanen Gewalt nur langsam verblassten.

Hermine war verwundert wie verletzlich und zurückhaltend diese Geste der schüchternen Begrüßung erschien - es passte so gar nicht zu einer Frau, die ihren Körper willig gegen Geld hingab.

"Guten Morgen - verzeiht, ich kenne nicht Euren vollen Namen - Severus nannte Euch mir gegenüber stets nur Hermine", sie lächelte um Vergebung bittend.

Ohne ein Zögern streckte Hermine ihr die Hand zum Gruße: "Granger, Hermine Granger - doch nennt mich ruhig Hermine, denn auch ich kenne nicht Euren vollen Namen."

Die Rothaarige atmete tief durch: "In meinem Metier gibt es nur Vornamen - fast habe ich selbst schon vergessen von welcher Familie ich eigentlich abstamme. Und meiner Familie ist es vermutlich auch so genehm, denn ich vermute, dass es ihnen nicht zusagen würde, wenn ich ihren Namen in den Schmutz ziehe. Doch will ich Euch nicht mit meinem Gerede belasten. Verzeiht, ich sah Euch und wollte mich nicht ohne einen Gruß davonstehlen. Lebt wohl - Hermine."

Die junge Frau wandte sich bereits zum Gehen, als Hermine ihr nachrief: "Wartet, geht noch nicht! Wenn Ihr noch Zeit zu Eurer Verfügung habt, so lasst uns gemeinsam einen Kaffee trinken."

Miranda sah sie einen Moment verwirrt an, dann stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.

"Ihr seid also diesem Gebräu genauso zugetan wie Severus?"

Hermine war verwirrt und nickte daher nur leicht mit dem Kopfe.

"Ich selbst würde einen Tee vorziehen, doch freue ich mich darüber, ein wenig Zeit mit Euch zu verbringen. Aber sagt, seid Ihr Euch sicher, dass Ihr in meiner Gesellschaft gesehen werden möchtet?"

"Die Meinung anderer hat mich nie sonderlich tangiert. Was haltet Ihr von dem Café am Ende der Gasse? Ich hörte, es gibt dort auch köstliches Gebäck."

Das Gesicht der rothaarigen Frau erstrahlte: "Oh ja - das Gebäck dort ist eine Sünde, der ich nicht zu widerstehen vermag", dann lachte sie aus vollem Halse, "ich muss mich bereits wieder entschuldigen. Jemand wie ich sollte nicht in solch einem Zusammenhang von Sünde sprechen - erst recht nicht im Beisein einer so vornehmen Dame wie Ihr es seid."

Hermine wusste darauf nichts zu erwidern und so lächelte sie nur unverbindlich.

Gemeinsam gingen sie zu dem Café, dessen Besitzer damit beschäftigt war die Zuckerstreuer mit dem Zauberstab auf die Tische zu dirigieren und die süßen Kristalle dabei in allen Farben des Regenbogens zum Leuchten brachte.

Miranda griff schließlich zu dem rot-orange schimmernden Zucker und füllte reichlich davon in ihren dampfenden Tee, während Hermine einen Schluck ihres schwarzen Gebräus nahm. Ebenfalls befand sich eine Auswahl an köstlichem Gebäck in Griffweite der beiden Damen.

Als sie die Tassen wieder abgestellt hatten, blickte die junge Frau Hermine plötzlich voller Neugierde an.

Diese erwiderte ebenfalls den fragenden Blick.

Nun schüttelte Miranda in entschuldigender Geste mit dem Kopfe. "Verzeiht, wenn ich Euch so anstarre - es ist nur...oh bitte, vergesst es wieder."

"Nein - bitte sprecht Eure Gedanken aus", erwiderte Hermine sofort.

Zögerlich suchte die rothaarige Frau nach Worten. "Ihr seid so völlig anders als ich es erwartet hätte?"

"Erwartet? In welchem Zusammenhang erwartet?"

"Nun - es gab einen Grund warum Euer Bräutigam damals ausgerechnet mich auswählte, als er das erste mal in Madam Valeries Haus kam. Er sagte es mir noch am gleichen Abend."

Hermine war nicht sicher, ob sie die nächsten Worte wirklich hören wollte, doch sie konnte auch nicht den Mut aufbringen der anderen Frau Einhalt zu gebieten.

"Er erklärte mir damals, nachdem...nun...er sagte mir, dass ich ihn an eine Frau erinnere, an die er einst sein Herz verloren habe. Ich fragte ihn wer sie gewesen sei, doch er gab mir keine Antwort darauf. Nur, dass ihr Haar ebenfalls von roter Farbe gewesen sei und sie nun aus seinem Leben verschwunden wäre, vertraute er mir noch an. Er sprach nie wieder von ihr, doch wenn er mich ansah, so glaubte ich zu erkennen, dass sein Blick nicht wirklich mir, sondern dieser Liebe galt, die er wohl verloren hatte. Nicht dass ich darüber verletzt gewesen wäre, das stand mir schließlich nicht zu, doch ich war mir sicher, dass er einen Ersatz für sie suchte. Und nun...nun hat er in Euch die Liebe seines Lebens gefunden, und es erleichtert mich zu sehen, dass er mit der Vergangenheit abgeschlossen hat. Er hat die andere vergessen, so wie er mich nun vergessen hat - das ist mir klar geworden, seit ich Euch das erste mal sah."

"Also hat er Euch tatsächlich nicht mehr aufgesucht in der letzten Zeit?"
In Mirandas Augen zeichnete sich echter Schrecken ab.

"Nein - das tat er nicht. Glaubtet Ihr das etwa? Hegt Ihr immer noch Zweifel an seiner Treue, wegen seiner Besuche bei mir in der Vergangenheit?"

Hermine schüttelte verwirrt mit dem Kopfe.

Wie sollte sie Miranda begreiflich machen wie unsinnig dies alles war? Vor ihr und aller Welt hatte sie die glückliche Braut zu spielen. Doch die Dinge die ihr Miranda offenbarte, stürzten sie in echte Zweifel über die Rolle, die ihr scheinbarer Bräutigam in diesem Stücke spielte.

Glaubte er vielleicht, dass er sich enthaltsam zeigen musste, um ihr Narrenstück aufrecht zu erhalten? Hätte nicht ein Befehl von ihm, seine käufliche Gespielin zum Schweigen gebracht? Sie wäre ihm sicher zu Willen gewesen, ohne seine Besuche bei ihr zu erwähnen.

Doch ein tiefes Gefühl in ihr ließ sie Gewiss sein, dass die junge Frau sie nicht hinterging. Zu echt war ihre Bestürzung und auch die Trauer hinter ihren Augen, dass Severus sie aufgegeben hatte.

Und noch etwas war Hermine durch dieses Gespräch nun bewusst geworden - die Geliebte, die ihn nicht erhört hatte - war Wirklichkeit. Sie war keine erfundene Geschichte um eine Frau zu umgarnen, denn Miranda hätte keiner Umgarnung bedurft. Doch wenn sie wirklich das Abbild der Frau war, die ihm einst das Herz gebrochen hatte, warum hatte er sie dann aufgegeben für eine Frau deren Herz er niemals besitzen würde? Denn Hermine wusste eines mit Gewissheit - der Mann, den Miranda in ihm sah, den konnte sie niemals in ihm entdecken. Die dunklen Augen, die sie spöttisch zu durchbohren schienen, würden sich für sie niemals mit Gefühl füllen. Spürte sie etwa einen Stich bei diesem Gedanken? Widerwillig schüttelte sie dies von sich und trank einen so großen Schluck ihres Kaffees, dass sie sich die Zunge verbrühte.

Wenig später sah Miranda zu der großen Uhr, die über dem Tresen hing.

"Ich muss Euch jetzt verlassen, denn ich habe noch einiges zu erledigen, bevor ich in Madam Valeries Haus zurückkehren muss. Seht nicht so bedauernd aus - ihr braucht kein Mitleid für mich zu empfinden. Ich habe es dort gut angetroffen. Es gibt Häuser, in denen es sich nicht so gut leben lässt wie dort. Und nicht allen von uns kann das Glück derart hold sein wie Euch. Ich habe mich zu früh mit dem falschen Manne eingelassen. Ihn reizte meine Unschuld und ich war so töricht sie ihm gegen einen falschen Schwur zu schenken. Nachdem ich von meiner Familie für diese Tat verstoßen worden war, gab es nicht viele Möglichkeiten für mich. Mein Schicksal schien vorherbestimmt. Ich habe schon so einiges erlebt bevor ich hierher kam, das könnt Ihr mir glauben. Bei Madam Valerie fühlt man sich fast wie in einer großen Familie. Sie ist gut zu uns Mädchen und sie sorgt sich um uns. Ich wünsche Euch alles Glück für Eure Ehe, Hermine. Und wäre es nicht so furchtbar unpassend, so würde ich Euch bitten Grüße an Severus auszurichten. Lebt wohl und genießt Euer Glück einen Mann gefunden zu haben, der Euch wahrhaft liebt."

Mit diesen Worten verabschiedete sie sich mit einem flüchtigen Kuss auf Hermines Wange und winkte ihr von der Straße aus noch einmal kurz durch das Fenster zu.

Hermine hingegen wirbelten immer wieder ihre Abschiedsworte durch den Kopf.

Dieses verabscheuungswürdige Ekel von einem Menschen sollte sie also wahrhaft lieben? Allein die Vorstellung war grotesk. Dieser Mann liebte nur einen Menschen wahrhaft auf der ganzen Welt - und dieser war er selbst. Doch hätte er nicht um Haaresbreite, bei ihrer ersten Begegnung mit dem Drachen, sein Leben für sie hingegeben? Es war nur ihr zu verdanken, dass er schließlich dennoch überlebt hatte. Und hatte er ihr nicht ebenfalls von seiner großen Liebe erzählt? Warum hatte er sich ihr offenbart? Nein! Das hatte er nicht getan, wenn sie es recht bedachte - denn kurz darauf hatte er vorgegeben nur gelogen zu haben und sie ausgelacht. Er hatte sie gedemütigt, so wie er es immer zu tun pflegte. Warum tat er dies nur stets von Neuem und mit derartigem Eifer?

Hermine entschied, ihre Grübeleien zu beenden und sich lieber den Dingen zuzuwenden, derentwegen sie nach London gekommen war.

Zwei Stunden später hatte sie endlich alle Besorgungen erledigt und machte sich auf den Weg zurück nach Hogwarts.

Als sie ihre Besorgungen im Kerker auf den Tisch lud, drang plötzlich ein Geräusch aus dem angrenzenden Schlafgemach an ihr Ohr. Es klang wie ein schauriges Stöhnen. Hermine bekam eine Gänsehaut bei diesem unheimlichen Laut, sollte der Raum doch eigentlich verwaist sein.

Mit bebendem Herzen stieß sie mit erhobenem Zauberstab die Türe weit auf, um den Eindringling zur Strecke zu bringen.

Doch es war Snape selbst, der sie mit schreckgeweiteten Augen anblickte, nur um sie kurz darauf bereits wieder mit einen mörderischen Blicke zu bedenken.

Er saß mit entblößtem Oberkörper auf dem Bette, seine Haut hatte Blasen geworfen und war feuerrot. Offenbar litt er große Schmerzen, denn von seiner Stirne rann der Schweiß.

"Was wollt Ihr schon hier? Warum seid Ihr nicht in London?" fuhr er sie an.

"Ich...ich...", sie schluckte als sie sah, dass er nur mit Mühe seinen Zauberstab in der zittrigen Hand zu halten vermochte.

"Was ist mit Euch geschehen?" fragte sie statt einer Antwort.

"Wonach sieht es denn für Euch aus? Ein verdammter Erstklässler hat es fertig gebracht meinen Umhang in Brand zu stecken - und nun entschuldigt mich, ich habe damit zu tun, soviel von meiner Haut zu retten als mir möglich ist. Geht jetzt!"

Hermine blieb wie verwurzelt stehen.

"Raus!"

Sie zog sich einen Schritt zurück, doch konnte sie den Raum unmöglich verlassen.

"Warum habt Ihr nicht den Krankensaal aufgesucht? Madam Pomfrey könnte Euch sicher schnelle Hilfe zuteil werden lassen."

"Damit ich morgen das Gespött der ganzen Schule bin? Ein Lehrer, der sich von einem Erstklässler in Brand stecken lässt, ist sicher ein Grund zur allgemeinen Erheiterung - doch ich bedaure, denn dies werdet Ihr nicht erleben - und jetzt...LASST MICH ALLEIN!"

Unfähig seinem Wunsche endlich zu entsprechend, suchte sie nach einem Vorwand sich weiter in seiner Nähe aufhalten zu können.

"Was ist mit Euren Schülern? Sind sie unbeaufsichtigt?"

Seine Worte zwischen den Zähnen hervorpressend funkelte er sie gefährlich an: "Mein Unterricht war bereits beendet - allein der hirnlose Idiot von zündelndem Schüler sitzt im Klassenraum und weidet Lurche aus. Sollte ihm dabei das Messer entgleiten, so soll es nicht meine Sorge sein. Ist Eurer Neugierde nun Genüge getan? Dann geht endlich - in weniger als einer halben Stunde muss ich mich erneut meinen Pflichten zuwenden."

"Ihr wollt noch unterrichten - nach dem?" sie zeigte entsetzt auf seine Verwundungen.

Er stieß einen unflätigen Fluch aus, dann knurrte er: "Gut, Ihr habt es nicht anders gewollt - ich kann meine Zeit nicht weiter damit vergeuden Euch zum Gehen zu bewegen - so bleibt, wenn Ihr glaubt dies sehen zu müssen."

Ohne ihr weitere Beachtung zu schenken, richtete er seinen Zauberstab auf sich, und binnen Sekunden begann sich die Haut an seinem Körper zu wellen und aufzuplatzen.

Hermine schlug entsetzt die Hand vor den Mund.

"Bei Merlin - was tut Ihr da?" entfuhr es ihr und Tränen traten in ihre Augen.

Er schien sie nicht zu hören, und ein Schrei drang aus seiner Kehle, wie es ihr nie zuvor bei einem Menschen zu Ohren gekommen war. Sie schluchzte nun erstickt auf.

Die Haut hing in Fetzen von seinem Körper, bevor sich an den rohen Stellen Krusten zu bilden begannen und bald darauf der Schorf abplatzte. Nun waren nur noch hellrosa Hautstellen zu sehen, die in wenigen Sekunden gänzlich verschwanden.

Hermines Augen hatten sich geweitet, als sie Zeuge dieser extrem beschleunigten Heilung wurde.

"Wie habt Ihr das gemacht? Welches Zauberspruches bedarf es dazu? Kann man jede Verwundung auf diese Art heilen?"

Snape griff nach seinem Hemde und bohrte unwirsch seine Hand durch den Ärmel.

"Fragen - immer nur Fragen. Glaubt Ihr etwa auf eine einmalige Entdeckung gestoßen zu sein? Diese Art von Heilung bedarf nicht nur eines Zauberspruches, sondern erfordert zuerst die Einnahme eines Trankes, den ich vor einiger Zeit unter schwierigen Bedingungen hergestellt habe. Zudem ist sie wohl kaum für jedermann geeignet, denn sie verursacht unerträgliche Schmerzen."

"Glaubt Ihr etwa, Ihr seid der einzige der Schmerzen die Stirn bieten kann?" erwiderte sie spöttisch.

Er ließ die Hände sinken, die im Begriffe waren die Leiste der Knöpfe seines Hemdes zu schließen.

"Ich bin mir darüber nicht gewiss", erwiderte er abschätzend, "doch wir könnten es herausfinden, indem wir Euch in Brand stecken und die Heilung an Euch testen. Wartet, ich benötige dazu lediglich meinen Zauberstab - wo...ah, dort ist er ja." Er hielt den Stab triumphierend in die Höhe und richtete ihn dann langsam auf die junge Frau.

Hermine verschwand augenblicklich durch die Türe um Schutz zu suchen.

Als sie ihn leise lachen hörte, betrat sie erneut sein Schlafgemach und kam gerade hinzu, wie er seine Hose geöffnet hatte, um das Hemd hineinzustecken. Sie wandte den Kopf ab, doch ihre Stimme war kräftig als sie das Wort an ihn richtete.

"Warum seid Ihr nur so ein Ekel? Was habe ich Euch denn getan? Könnt Ihr nicht ein wenig freundlich sein, wenn wir schon hier zusammen hausen müssen?"

"Ihr stellt zu viele Fragen!" erwiderte er knapp, dann schloss er seine Hose und griff zu seinem Umhang.

"Ich hoffe Ihr verzeiht mir, dass ich in Ermangelung an Zeit nicht Gelegenheit fand, in Eurer Gegenwart den hilfsbedürftigen Manne zu spielen. Sucht Euch ein anderes Objekt, das Ihr mit Euren tränengeschwängerten Augen bedenken könnt."

Damit schob er sich an ihr vorbei.

Sie sah ihm nach und rief: "Ich empfand keinen Moment Mitleid mit Euch. Ich freute mich, Euch so zu sehen. Der Glanz in meinen Augen entstand nur durch das Vergnügen Euch leidend zu erleben."

Auf der Stelle wandte er sich zu ihr um und sein Gesicht barg einen Ausdruck, der ihr völlig fremd an ihm war: "Und Ihr nennt mich ein Ekel?"

Am liebsten wollte sie ihre Worte ungeschehen machen, denn zum ersten Male sah er untrüglich verletzt aus - ihre Worte schienen ihn tiefer zu schmerzen, als die Brandmale an seinem Körper es vermocht hatten - doch dieser Augenblick währte nur kurz.

Mit verschlossener Miene erinnerte er sie, dass er seinen Aufgaben nachkommen müsse und entschwand durch die Türe.

Hermine vertrieb sich die Zeit des Wartens indem sie ihre Besorgungen aus der Winkelgasse sorgsam verstaute und alles für ihren kommenden Aufbruch richtete - dennoch war ihr stets bewusst, dass sie auf seine Rückkehr harrte.

Als er schließlich die Türe hinter sich ins Schloss warf um den Tag auszusperren, und daraufhin tief durchatmete, sah sie ihn vom anderen Ende des Raumes aus, um Verzeihung bittend an.

Er schien ihren Blick durchaus bemerkt zu haben, schickte jedoch lediglich ein Schnauben in ihre Richtung und warf seine Tasche auf den Tisch, dass es einen lauten Knall gab.

"Bitte verzeiht mir, ich meinte nicht was ich sagte."

Er sah sie ausdruckslos an, dann erwiderte er: "Schon wieder diese weibische Schwäche - sprechen, bevor Ihr Eure Worte einer Prüfung unterziehen konntet?"

Hermines Wut war augenblicklich wieder vorhanden, so dass sie sich fragte, wie sie sie je aus den Augen verlieren konnte. "Wenn dies eine weibische Schwäche ist, so seid Ihr wohl das größte Weib von allen. Ihr sprecht doch stets, ohne über die Folgen nachzudenken."

"Nein - der Unterschied ist folgender: Ihr sprecht und bedauert hinterher. Doch ich bedauere nichts von dem was ich sagte!" damit ließ er sie stehen und verschwand im Bad.

Hermine verspürte das Brodeln tief in ihren Eingeweiden.

Warum nur hatte sie sich soweit hinabbegeben und eine Entschuldigung formuliert?

Ein Mann wie er verdiente keinerlei Mitleid - er verdiente nur das Ärgste.

Ihm dies zu sagen brannte ihr derart auf der Seele, dass sie es ihm sofort und auf der Stelle mitteilen musste. So stieß sie denn wutentbrannt die Türe auf, hinter der er sich so feige verschanzt hatte, und teilte ihm ihre Verwünschungen mit, bevor sie verdattert innehielt.

Ihr bot sich ein Anblick, der ihr bis dahin fremd gewesen war. Snape stand aufrecht vor dem Abort und ein goldener Strahl ergoss sich in hohem Bogen hinein, der den Ursprung in dem Körperteil fand, mit dem nur Männer gesegnet waren und das er völlig schamlos in seiner Hand hielt.

Sie konnte es nicht verhindern, dass ihre Augen an jenem Körperteil einen Moment zu lange hafteten. Dann schlug sie die Hände vor das Gesicht und stürmte aus dem Raume.

Mit bebendem Herzen wich sie in die dunkelste Ecke des Kerkers zurück und löschte auch die Kerze, die sich ihr am nächsten befand.

Hermine hielt die Augen fest verschlossen, als ihr gewahr wurde, dass seine Schritte sich ihr näherten.

'Lass mich sterben, großer Merlin - sofort, wenn es sich irgendwie einrichten lässt', war ihr einziger Gedanke.

"Ein wenig verwundert mich Eure heftige Reaktion", ließ er sich ruhig vernehmen, "hattet Ihr nicht Freunde, die ebenfalls über diese Merkmale der Männlichkeit verfügten?"

Sie öffnete die Augen nicht, sondern erwiderte schnell und atemlos: "Dem mag so sein, doch machte ich nie Bekanntschaft mit diesen Merkmalen. Oder denkt Ihr etwa, dass unsere Freundschaft unzüchtige Züge getragen hätte?"

"Nun - wenn ich Euch so ansehe, dann war dem wahrlich nicht so. Doch seid Ihr vertraut mit der männlichen Anatomie, nicht wahr?"

"Ja - natürlich. Aber nicht so..."

"Ich verstehe nicht."

"Nun ja - ich habe mein Wissen aus Büchern."

Er lachte rau auf. "Aus Büchern - wie konnte ich auch nur eine solch törichte Frage stellen? Seid Ihr inzwischen vor Scham vergangen, oder könnt Ihr mir noch eine einfache Frage beantworten?"
Sie nickte, mit immer noch mit verschlossenen Augen.

"Was glaubtet Ihr, was ich in meinem Bade treibe?"
"Hört auf damit, ich bitte Euch - lasst nur einmal Eure zynische Ader ruhen und quält mich nicht weiter. Ich werde vergessen was ich sah - und bitte, könnt Ihr diesen Vorfall nicht ebenso auf sich beruhen lassen?"

Plötzlich spürte sie, wie er nach ihrer Hand griff. Verwirrt öffnete sie die Augen.

Er blickte sie nicht an, sondern sah nur auf ihre Hand, die er in lockerem Griff hielt.

Dann hob er sie an seine Lippen und küsste sie hinein.

Hermine verspürte ein sonderbares Kribbeln, das sich von ihrer Hand durch ihren ganzen Körper auszubreiten schien. Seine Stimme klang seltsam belegt.

"Da ich weiß wieviel Euch daran liegt, wird dies die einzige Bekanntschaft mit diesem Teile meines Körpers bleiben - und da es Euch so wichtig ist, werde ich den Vorfall nie wieder erwähnen. Ich hoffe Ihr seid damit zufrieden."

Viel zu verwirrt war sie, um eine Erwiderung zu formulieren, so nickte sie nur dankbar und entzog ihm behutsam ihre Hand.

tbc

Neugierig wie's weitergeht?