Kapitel 11: Nach dem Bankett

Lily wachte nach dem Bankett relativ spät auf. Da die meisten Gäste bereits gegangen waren und nur noch der Herzog von York im Haus war, konnte Lily auch in einfachen Klamotten herumrennen. Sie ging in den Speisesaal, in dem ihre Eltern schon beim Frühstück saßen.

„Morgen", murmelte Lily unter ihren zerzausten Haaren.

„Guten Morgen, mein Kind", sagte Fabienne.

„Morgen, Schatz", sagte Jack.

„Hättest du dich nicht etwas besser zurechtmachen können?", fragte Fabienne.

„Wieso? Sind die Gäste etwa noch da?", stellte Lily als Gegenfrage.

„Nun ja, nein, sie sind schon abgereist", sagte Fabienne.

„Also wo liegt das Problem?", unterbrach Lily ihre Mutter.

„Der Herzog von York ist noch im Haus", sprach Jack für seine Ex-Frau weiter.

„Wird hier über mich gesprochen?", fragte eine Stimme und alle drehten sich um, um den gestylten Herzog anzusehen.

„Guten Morgen, Daniel", sagte Fabienne.

„Moin", betonte Lily lässig, um ihre Mutter zu ärgern.

„Also Lily!", empörte sich Fabienne.

„Nicht so schlimm, königliche Hoheit", amüsierte sich der junge Herzog.

„Ach Daniel, es ist sehr schwer mit Lily, sie legt nicht einmal Wert darauf, sich vor dem Frühstück ordentlich die Haare zu kämmen!", beklagte sich Fabienne.

„Hoheit, alles kein Problem. So sind die Mädchen heute", erklärte Daniel.

„So etwas hat es zu meiner Zeit nicht gegeben. Aber ich war ja auch auf einem Mädcheninternat."

„Was für eine Schule besuchen Sie, Prinzessin Lily?", fragte Daniel.

„Wenn ich Ihnen das sagen würde, müssten Sie sterben!", sagte Lily.

„Also Lily!", empörte sich Fabienne wieder.

„Warum müsste ich das?", fragte Daniel locker.

„Aus Gründen des Personenschutzes ist es dem Königshaus untersagt, den Aufenthaltsort der Prinzessin preiszugeben", ratterte Lily runter.

„Soso, dann will ich mich mal daran halten", sagte Daniel.

Lily schaute auf den Tisch. Es gab dieses Essen, was niemanden satt machte, nur diese kleinen Häppchen.

„Könnte ich mal Cornflakes haben?", rief Lily zu dem Butler, der ihr daraufhin eine große Packung Choco Pops brachte. Fabienne bekam fast einen Ohnmachtsanfall, war das wirklich ihre Tochter, die zukünftige Prinzessin?

„Also Herzog Daniel, wie lange gedenken Sie ihre Familie noch alleine zu lassen?", fragte Lily.

„Eine lange Zeit", meinte der Herzog.

„Was heißt das genau?", fragte Lily.

„Herzog Daniel von York wird bis nach Silvester bei uns bleiben", erklärte Fabienne.

„Was?", fragte Lily in lauter Weise. Der Butler fühlte sich angesprochen und kam zum Tisch:

„Ist etwas mit den Cornflakes, Prinzessin?"

„Nein", meinte Lily.

„Schmecken sie nicht?"

„Doch. Was soll das, Mutter?"

„Mit den Cornflakes?", fragte Fabienne.

„Nein, es geht hier nicht um die Cornflakes, sondern um Herzog Daniel!", meckerte Lily.

„Wo ist denn das Problem?", fragte Jack.

„Es ist nur so, dass ihr mir Bescheid sagen könntet, bevor ich meine freien Tage mit einem Herzog verbringen muss!"

„Wenn Sie das so sehen, Prinzessin, kann ich auch wieder abreisen", sagte Daniel freundlich.

„Darum geht es nicht!"

„Aber das sagten Sie doch gerade", sprach Daniel.

„Nein! Ja! Ich hab das gesagt, aber ich meinte damit, dass ich nicht alles vorbestimmt haben will. Eine Prinzessin muss auch selbst Entscheidungen treffen!"

„Das ist richtig Lily. Wir haben ja auch gar nicht gesagt, dass du deine komplette Zeit in Herzog Daniels Nähe verbringen musst", sagte Jack.

Lily wurde klar, dass ihr Vater Recht hatte. Nur sie allein interpretierte etwas Falsches in die Aussagen der Gesprächspartner. Da hatte sie noch mal Glück gehabt, dass es nicht um etwas Wichtigeres ging.

„Wenn das denn so ist, möchte ich mich erst einmal alleine fertig machen und mir die Haare kämmen", meinte Lily und funkelte ihre Mutter an.

Dann stieg sie die Treppen hinauf und setzte sich erst einmal an den Schreibtisch, um einen Brief zu schreiben: (Lily hatte ihre Eule mitgenommen)

Lieber James,

wie hast du den gestrigen Feiertag verbracht? Das Bankett war in Ordnung, die Gäste soweit ganz freundlich. Es waren auch Gäste aus England da, der Duke von Albany, Graf und Gräfin von Norrington und Herzog Daniel von York. Letzterer will mich glaube ich anmachen und bleibt zu meinem Leiden noch bis zum Rest meiner Zeit in Monaco auch hier. Du kannst dich aber auf mich verlassen. Du bist schließlich der Einzige für mich. Außerdem wäre dein Erscheinen hier nicht so gut für die Presse, das ist nichts gegen dich, aber so ist es nun mal. Ich freue mich, wenn ich dich endlich wieder sehen darf. Bis dahin noch frohe Ferientage.

Deine Lily

Lily packte den Brief in den Umschlag und band ihn ihrer weißen Schneeeule Amalia um. Dann ließ sie das Tier unauffällig aus dem Schloss fliegen und schaute in den Himmel. Es war schön in Monaco, aber in England war es bestimmt viel schöner zu der Zeit, da Lily dort ihre Freunde hatte. Sie packte den Gedanken beiseite und kämmte sich die Haare, die sie dann zu einem Zopf flocht. Dann ging Lily wieder nach unten. Im Speisesaal war keiner mehr, also probierte Lily es im Salon, wo alle auf den Sofas verteilt waren.

„Besser?", fragte Lily ihre Mutter, als sie den Raum betrat.

„Viel besser, Lily", sagte Fabienne.

„Gut", meinte Lily und wollte wieder umkehren.

„Moment, Prinzessin!", rief Daniel.

„Was denn?", fragte Lily genervt.

„Der Herzog soll mit dir den Tag verbringen, Lily. Denk dir was aus!", forderte Jack.

„Na gut, dann verlassen wir diesen Palast und fahren ein bisschen durch das Königreich rum", meinte Lily.

„Auto?", fragte Fabienne.

„Darf ich fahren", fuhr Lily fort.

„Nein, welches Auto willst du nehmen?"

„Ich schaue mal rum", sagte Lily.

„Ich komme mit", sagte Daniel und richtete sich auf.

Dann gingen die Beiden zu einem der zahlreichen Höfe im Palast und suchten sich das passende Auto für die passende Gelegenheit aus.

Lily setzte sich ans Steuer und Daniel durfte auf dem Beifahrersitz Platz nehmen.

„Schönes Auto, Prinzessin", sagte er.

„Ich weiß", meinte Lily großkotzig und fuhr mit quietschenden Reifen los.

Sie fuhren durch die schöne Landschaft Monacos und machten Halt an den wichtigsten Stationen. Am Abend kamen sie zurück und sprachen sich schon mit ‚du' an. Fabienne war begeistert von Daniel und schrieb ihn auf die Liste mit den potentiellen Heiratskandidaten für Lily.

Am nächsten Tag kam ein Brief von James:

Liebste Lily,

die Feiertage waren schon lustig, Sirius und ich haben versucht, uns gegenseitig unter den Tisch zu saufen. Na ja, er lag als erstes in der Ecke und hat gepennt. Schön, dass das Bankett dank meiner Tipps geklappt hat. Der Arsch will dich anmachen? Wenn ich bei dir wäre, dann hätte er nichts zu lachen. Na ja, ich vertraue dir ja und du weißt auch, wie du mit solchen Typen umgehst. Was steht Silvester bei dir an? Du bleibst ja in Monaco, das hast du mir gesagt. Wir werden Hogwarts aufmischen, Ana, Sue und Riz sind auch dabei. Liebe dich.

Bis ganz bald

James

Lily las den Brief und kam gleich auf eine Idee. Wenn sie schon Silvester mit Daniel von York verbringen musste, dann würde sie ihn richtig ran nehmen. Lily dachte an eine Menge Alkohol und Rock. Wieso dürfte sich eine Prinzessin nicht auch mal amüsieren? Lily ging hinunter in den Salon, um mit Herzog Daniel von York zu sprechen. Er lag wie immer mit geschlossenen Augen auf dem Sofa und entspannte sich. Lily hielt ihren Kopf über seinen und brüllte erstmal:

„Hey! Frühschoppen!"

Daniel wachte auf und blickte die Prinzessin verschlafen an.

„Hallo meine Schöne", sagte er.

„Über Schöne lässt sich sprechen, aber ‚deine' ganz bestimmt nicht!", konterte Lily.

„Warum denn nicht? Schon inoffiziell vergeben?", fragte Daniel.

„Nein!", widersprach Lily schnell, doch Daniel ließ nicht locker.

„Wer ist es?", fragte er belustigt.

„Niemand, aber wenn du weiter so fragst, dann ist dein bester Freund gleich der Tritt in den Allerwertesten!", schimpfte Lily und Daniel verkniff sich weitere Fragen.

„Okay, okay, ich glaube dir ja schon, aber du bist hier her gekommen und hast mich geweckt, was wolltest du?", fragte er.

„Silvester", sagte Lily nachdenklich und wünschte sich eigentlich nach Hogwarts.

„Was ist mit Silvester?", fragte Daniel.

„Bist du Silvester noch hier in Monaco?", wollte Lily wissen.

„Klar, warum denn nicht?"

„Willst du dann mit mir zusammen feiern?", fragte Lily gelassen.

„Okay, aber tun wir das nicht sowieso im Palast?"

„Nein, nicht im Palast. Wir Beide werden irgendwohin gehen, in eine Kneipe oder so. Da ist das richtiger Leben und nicht hinter den Palastmauern!", begeisterte sich Lily.

„Okay, bin dabei", meinte Daniel und legte sich wieder hin.

„Ja wirklich?", hakte Lily nach.

„Aber ja, warum auch nicht? Hab noch nie das monegassische Leben gelebt, also das bürgerliche monegassische Leben."

„Ich auch nicht. Sonst bin ich ja immer in England, aber wir werden dem kleinen Staat mal zeigen, dass sich die Prinzessin auch tiefgründig für ihn interessiert!"

„Wie meinst du das denn jetzt, Lily?"

„Na ja, wer kennt schon eine Prinzessin, die in einer Nacht zu der Musik des Landes tanzt, Raketen des Landes in den Himmel schießt, sich mit den Bewohnern des Landes unterhält, Spezialitäten des Landes isst und letztendlich die speziellen Spirituosen des Landes nur zu gern kostet?"

„Ist was Wahres dran. Also ist Silvester der Tag, an dem du dein Königreich mal so richtig kennen lernst!"

„Genau auf den Punkt gebracht, Daniel!"

„Na dann freue ich mich doch schon auf Silvester!"

Lily verließ den Raum wieder und konnte es kaum bis Silvester erwarten. Nicht unbedingt, weil sie Daniel näher kennen lernen wollte, sie wusste, dass er für sie ein einfacher Kumpeltyp war, sondern weil sie die Chance bekam, einen Adeligen unter den Tisch zu saufen, ohne dass die Mutter sich im Hintergrund empört. Lily gefiel der Gedanke. Nur Herzog Daniel von York wusste noch nichts von seinem Glück. Ein Weiterer sollte aber bereits davon wissen und das war James:

Lieber James,

danke für deinen letzten Brief. Silvester muss ich mich um Herzog Daniel kümmern. Wir werden aber nicht im Palast bleiben, sondern in eine Disco gehen. Viel Spaß auf Hogwarts. Grüß die Mädchen von mir.

Love U

Lily