Kapitel 13: Aus der Traum?
Lily wurde Neujahr von ihrer Mutter geweckt. Sie kam erst sehr spät morgens ins Bett, doch einer Königin als Mutter konnte man ja schlecht widersprechen. Lily stank nach Rauch und Alkohol und das gesamte Zimmer auch. Als Lily von Fabiennes Schütteln mit einem Kater aufwachte und den, der sie weckte, anmotzen wollte, schreckte Fabienne zurück. Man konnte es einfach nur so beschreiben: Lily sah total scheiße aus. Das Haar war zerwühlt, die Klamotten waren verschwitzt und Lilys Gesicht wirkte total fahl, schließlich hatte sie zu wenig geschlafen. Zudem waren einige Hautunreinheiten auf der Stirn zu sehen, denn Lily hatte sich am frühen Morgen keine Mühe gemacht, sich abzuschminken.
„Kind, wie siehst du denn aus?", fragte Fabienne besorgt. Sie hatte wohl genug Schlaf und nur einige Gläser Champagner getrunken, denn sie konnte wieder blendend lächeln und sah anmutig aus.
„Na wie man nach einer Partynacht halt ausschaut", sagte Lily genervt und wollte sich wieder hinlegen. „Könntest du nicht so laut reden, ich habe totale Kopfschmerzen!", klagte Lily.
Sie hatte die letzte Nacht so viel Whisky-Cola wie noch nie getrunken. Nach dem Abschied von ihren Freunden hatte sie einen Tiefpunkt und lud Daniel auf einige Drinks ein, bei Lily waren es wohl einige zu viel.
„Oh nein, Kind, in zwei Stunden ist die Neujahrsansprache! Du stehst jetzt auf!"
„Ich will aber keine blöde Rede halten, es ist gerade mal 11 Uhr und ich will SCHLAFEN!", regte sich Lily auf und hielt sich gleich danach die Hand an die Stirn.
„Du stehst jetzt auf! Marie! Charlotte! Richtet meine Tochter her!"
„Der Herzog muss bestimmt nicht aufstehen", murmelte Lily.
„Selbstverständlich muss er das! Er wird gerade von deinem Vater geweckt", sagte Fabienne und setzte sich. Marie brachte Lily ein Tablett mit Wasserglas, Kopfschmerztabletten und etwas zu essen.
„Los Lily, schön essen!", sagte Fabienne und schaute auf die Uhr. „Nur noch eine Stunde und fünfzig Minuten."
Lily schluckte Kopfschmerztabletten und aß danach etwas. Sie musste sich eingestehen, dass es ihr danach etwas besser ging.
„Die sind gut, ne?", sagte Fabienne.
„Ja, das sind sie", sagte Lily.
„Wenn ich viel reise und dann durch den Stress die Kopfschmerzen habe, dann schwöre ich auf das Mittel", plauderte Fabienne. „Noch eine Stunde und 35 Minuten."
„Mutter, was soll ich sagen bei der Ansprache?", fragte Lily.
„Gar nichts, du sollst neben mir stehen und zuhören und lächeln. Sollten Fragen an dich gerichtet werden, wirst du sie ehrlich beantworten", erklärte Fabienne. „Und nun ab unter die Dusche!"
Lily ging ins Badezimmer und kam zwanzig Minuten später mit einem Turban und im Bademantel wieder in ihr Zimmer.
„Noch eine Stunde und 5 Minuten. Charlotte, Sie haben doch damals Leichen geschminkt und frisiert, oder?", fragte Fabienne.
„Gewiss, Hoheit", antwortete Charlotte höflich.
„Gut, das muss reichen. Unser Visagist hat heute frei und ich hätte nicht gedacht, dass meine Tochter so verkatert aussieht. Können Sie Lily in eine strahlende Prinzessin verwandeln?"
„Natürlich, Hoheit", sagte Charlotte.
Lily nahm den Turban von ihren Haaren und Charlotte sprühte ihr etwas rein. Dann kämmte sie das rote Haar und föhnte es, sodass es in leichten Wellen auf Lilys Schultern fiel. Marie bügelte in der Zeit das weiße Kostüm, das Lily tragen sollte. Fabienne stand nervös im Raum und schaute ständig auf ihre Uhr. Alle zehn Minuten machte sie eine Ansage.
„Noch 30 Minuten", drängelte Fabienne.
Charlotte schminkte gerade Lilys Lippen zu Ende, dann hielt sie der Prinzessin einen Spiegel vor die Nase und Lily war begeistert. Sie sah aus wie an normalen, nicht verkaterten Tagen.
„Noch 25 Minuten."
Lily schlüpfte in ihr schönes Kostüm und band sich ihren Schmuck um. Dann nahm sie einen Schal aus ihrer Kommode und legte sich ihn leicht über die Schultern.
„Perfekt, noch 20 Minuten!", sagte Fabienne und zog sich ihre Lippen nach.
Lily zog eine Strumpfhose an und schlüpfte in ihre weißen Mary Janes. Ihre Füße taten weh vom vielen Tanzen und sie hatte Lust auf ein Schokocroissant. Marie ging in die Küche und holte ihr eins. Lily aß es mit Vergnügen.
„Die Presse ist unten, Liebes", sagte Fabienne zu Lily. „Noch 10 Minuten."
Lily ging noch einmal auf die Toilette, nahm einen Kaugummi und wischte sich die Krümel des Croissants vom Mund. Dann kam sie raus und bemerkte, dass sie ihren Lippenstift mit abgewischt hatte. Sie trank einen Schluck Tee, ging dann zum Schminktisch und zog sich die Lippen nach.
„Noch fünf Minuten", sagte Fabienne und zog Lily aus dem Zimmer. Sie stiegen die Treppe hinunter und warteten im ersten Stockwerk mit Daniel und Jack.
„Noch eine Minute", sagte Fabienne, hakte sich bei Jack unter und gemeinsam gingen sie die Treppe hinunter zu dem Pult. Lily und Daniel taten das Gleiche.
Einer der Fernsehleute begann zu berichten:
„Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen, willkommen zur Live-Übertragung der Neujahrsansprache der Königin von Monaco. Ich bin Adrian der Sie in den nächsten Minuten auf dem Laufenden halten wird. Und da kommt auch schon die Königin mit Jack Evans die Treppe hinunter. Für Nicht-Kenner mag es seltsam erscheinen, aber Jack ist der Exmann der Königin. Sie verstehen sich aber weiterhin gut und er bleib über die Feiertage hier, um seiner Tochter, Prinzessin Lilian, kurz Lily, einen Gefallen zu tun, damit ein heimischer Aspekt das Weihnachtsfest bereichern würde. Und da kommt auch schon die Prinzessin, über die wir gestern schon geredet haben. Sie ist am Arm von Herzog Daniel von York zu sehen. Er ging mit dem Vorfall um Mitternacht sehr gut um, führen die Beiden eine Scheinbeziehung? Wir werden es sehen…"
Lily und Daniel traten neben Königin Fabienne. Die Familie und Daniel stellten sich lächelnd für ein Foto hin und danach begann Königin Fabienne mit ihrer Ansprache:
„Meine lieben Damen und Herren,
es ist wundervoll, dass Sie heute so zahlreich hier erschienen sind, auch wenn die Nacht etwas anstrengend war. Ich begrüße Sie in einem neuen Jahr, ein Jahr mit sehr vielen Veränderungen. Es ist das Jahr meiner Abdankung und meine Tochter Lily wird meinen Platz als Regentin einnehmen, sofern sie sich dafür entscheidet, was ich jedoch hoffe."
Lily lächelte in die Kameras, fühlte sich dabei auch unwohl.
„Nun Lily, was hältst du von unserem kleinen Königreich?", fragte Fabienne.
Lily trat vor das Mikrofon:
„Es ist einfach bezaubernd, so etwas Friedliches und Schönes habe ich in England noch nie gesehen", sagte Lily.
„Nun ja, das zu der Herrschaft. Unsere Wirtschaft lief letztes Jahr perfekt und wir hoffen natürlich, dass es in diesem Jahr so weiter geht. Die Situation ist ausgeglichen, da gibt es nichts zu meckern. Die Erwartungen an meine Tochter sind hoch, aber ich weiß, dass sie es schaffen wird, denn ein so kluges Mädchen, wie sie es ist, kann den höchsten Berg erklimmen."
„Danke Mutter", meinte Lily und lächelte.
„Dann wollen wir doch mal der Nationalhymne Beachtung schenken", meinte Fabienne und die Musik spielte. Lily hatte die Hymne nur einmal gehört und das war zu Weihnachten. Sie klang nicht schlecht, das musste sich das Mädchen eingestehen, doch sie liebte etwas andere Musik.
Als die Musik verstummte, trat Fabienne wieder vor das Mikrofon:
„Nun ja, es ist für mich jedes Jahr ein Genuss, der Hymne zuzuhören. Was denken Sie, meine Damen und Herren?"
„Sehr wohl", sagten die Presseleute einstimmig.
„Nun, ich habe nicht mehr viel zu sagen, ich denke, dass Sie nun wie jedes Jahr Ihre Fragen stellen können", sagte die Königin und gleich waren die Presseleute Feuer und Flamme.
Eine junge Dame war unter ihnen, die Fabienne noch nie gesehen hatte, also sprach die Königin sie an:
„Junge Dame, Sie zuerst."
„Vielen Dank. Karen McClay von der Londoner Newsweek. Hoheit, haben Sie der Prinzessin nun eine bürgerliche Heirat erlaubt, wenn man den Bildern glauben darf?"
„Bürgerliche Heirat? Wovon reden Sie? Welche Bilder?", fragte Fabienne irritiert.
„Majestät, haben Sie heute noch nicht die Zeitung gelesen?", fragte Karen.
„Nein, ich musste mich um meine Tochter kümmern, wie jede Mutter es tut", sagte Fabienne und Lily wäre am liebsten in diesem Moment tot umgefallen. Sie hatte doch glatt die Sache mit James vergessen. Was würde Fabienne nun sagen, sie hatte doch damals gesagt, nie wieder was mit dem Jungen anzufangen. Jetzt steckte Lily mundartlich richtig schön in der Scheiße. Diese verdammte Presse, dachte Lily.
„Dann bin ich so freundlich, ihnen den Artikel zu zeigen. Hier, Majestät", sagte Karen und die Kameras klickten. Na toll, jetzt stand ihre Mutter auch noch etwas blamiert da, dachte Lily wieder. Es gab jetzt keinen Ausweg mehr.
Die Königin begann gespannt zu lesen:
Prinzessin schon vergeben?
In der Silvesternacht wurde die Presse Zeuge eines Vorfalls, den mal wieder die schöne Prinzessin von Monaco verursacht hatte. Sie wurde öffentlich mit einem Jungen namens James Potter gesehen und zwar küssend. Danach gestanden sich beide die Liebe. (siehe Foto unten) Die Frage ist, wie Herzog Daniel von York nun darauf reagieren wird, mit dem Lily des Öfteren gesehen wurde. Wer ist nun die Liebe der Prinzessin und wen führt sie an der Nase herum. Wenn James ihr Favorit ist, ist dann eine bürgerliche Heirat nicht ausgeschlossen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Jessica Clarke
Die Königin erstarrte und drehte sich dann zu Lily:
„Ist das wahr, was hier steht, Lily?", fragte sie etwas wütend.
„Wozu noch lügen! Ja, es ist wahr. Wir sind zusammen und ich habe mich noch nie wohler gefühlt als bei ihm!", gestand Lily. Gespannt warteten die Reporter auf die Reaktion von Fabienne.
„Wie kannst du es wagen? Du weißt ganz genau, dass die Hochzeit mit einem Adeligen erfolgen muss!"
„Was?", fragte Lily.
„Entschuldigen Sie, wir sind gleich wieder da", sagte Fabienne zu den Presseleuten und ging mit Lily die Treppen hoch in Lilys Zimmer.
„Du magst Monaco doch, oder?", fragte Fabienne.
„Ja natürlich, es ist das Land, das ich regieren möchte", sagte Lily.
„Es gibt da so eine Klausel. Die Prinzessin muss einen adeligen Mann heiraten, das kann aber auch nach der Herrschaftsübernahme geschehen. Trotzdem wird es von dir erwartet, das wünscht unser Volk so", erklärte Fabienne.
„Aber…aber ich liebe James doch", sagte Lily.
„Die Hochzeit muss aber mit einem nichtmagischen Adeligen erfolgen", erklärte Fabienne weiter. Er soll seine Magie doch auch anwenden, aber hier in Monaco ist das nicht möglich, besonders nicht im Palast."
„Warum hast du mir das nicht früher gesagt?", wurde Lily traurig und wütend zugleich.
„Weil ich dachte, dass sich das mit diesem Jungen von alleine regeln würde", sagte Fabienne.
„WAS? DU HAST GEHOFFT, DASS WIR EINE KURZE BEZIEHUNG FÜHREN?", regte sich Lily auf.
„Im Grunde genommen ja."
„Und wen sollte ich dann heiraten? Vielleicht noch Daniel von York, oder was?"
„Das hatte ich mir erhofft, Lily."
„Was? Du bist wohl verrückt! Den werde ich niemals heiraten! Lieber verzichte ich!"
„Bitte überlege es dir noch, Lily", flehte Fabienne.
„Ja ich weiß, ich liebe dieses Königreich schon jetzt sehr und weiß, dass es gut für mich wäre, aber es wäre am Besten, James an meiner Seite zu haben", sagte Lily.
„Weißt du, ich hatte auch davon geträumt, deinen Vater an meiner Seite zu haben, aber das ging nicht, also mussten wir uns nach zwei Jahren heimlicher Ehe wieder scheiden lassen. Du bliebst bei deinem Vater, den Rummel wollte ich dir in Kindertagen ersparen. Das Gleiche galt für deine Schwester Petunia. Ich musste einen Grafen heiraten, aber wir verstanden uns ganz gut. Er verstarb sehr früh, deshalb hast du auch nur deine Schwester."
„Aber du hast trotzdem den Thron statt Dad genommen", sagte Lily.
„Ja, zuerst war ich traurig, aber dann wusste ich, dass es die richtige Entscheidung war."
„Aber ich kann doch niemanden heiraten, den ich nicht liebe."
„Oh doch Kind, das kannst du. Ich weiß, dass du es kannst. Du brauchst einen guten Ehemann."
„Angenommen, ich entscheide mich für den Thron, müsste ich dann James für immer verlassen?"
„Nun ja, wie bei deinem Vater und mir ist es nicht, da wir gemeinsame Kinder haben. Da ihr keine habt, musst du es wohl. Dein Ehemann soll doch keine Zweifel an dir haben."
„Angenommen ich nehme den Thron an, dann würde ich wohl am ehesten Daniel heiraten, da wir uns wie Kumpels verstehen. Das würde wohl auch so in der Ehe sein."
„Wann wirst du dich entscheiden?"
„Ich denke, dass ich dieses halbe Jahr bis nach meinem Abschluss brauche. Die Krönung wäre im August, daher würde ich mich Mitte Juli entscheiden. Ich muss erstmal ganz lange darüber nachdenken. Ist das in Ordnung?", fragte Lily.
„Natürlich, Kind. Aber denke daran, das Land wäre von dir begeistert. Du musst dich leider zwischen zwei Dingen entscheiden: Entweder das Königreich oder die Zauberwelt. Entweder der Thron oder dieser Junge, Lilian."
„Ich muss mir darüber klar werden. Am besten, ich mach hier die Fliege."
„Wie bitte? Ich verstehe nicht."
„Das heißt so viel wie: Ich verschwinde hier besser. Ich fliege noch heute nach England zurück, da wird mir wohl einiges klar werden. Heute Abend bin ich wohl wieder in der Schule."
„Du kannst den Privatjet haben, Lily."
„Okay, danke Mum." Lily umarmte ihre Mutter und begann, ihre Reisetasche zu packen. Fabienne ging wieder nach unten und schickte die Presse aus dem Palast.
„Hier ist ihr Kleid, Prinzessin", sagten Marie und Charlotte und machten einen Knicks vor Lily.
„Hey, wie oft habe ich euch gesagt, dass ihr das vor mir nicht machen sollt, bleibt einfach lässig stehen!", sagte Lily.
Gegen Nachmittag war sie fertig und ging nach unten. Sie verabschiedete sich von ihren Eltern und Daniel. Dann stieg sie in die Limousine. Sie wusste, dass sie die Herrschaft übernehmen wollte, doch es war schwer, sich zwischen James und einem ganzen Königreich zu entscheiden. Sollte sie nun Regentin werden oder nicht? Viele Fragen kreisten in ihrem Kopf herum und es fühlte sich etwas schmerzhaft in ihrem Innersten an.
Sie kamen zum Flughafen und Lily setzte ihre Sonnenbrille auf, sodass die Presse keine Chance hatte. Sie stieg unverzüglich in ihren Privatjet und landete einige Stunden später in London. Dort checkte sie aus, ging in eine ruhige Ecke draußen und apparierte nach Hogsmeade zurück. Dort stand sie vor der schwierigsten Aufgabe ihres Lebens, denn sie würde einem wundervollen Jungen, ach dem wundervollsten Jungen auf der Welt das Herz brechen, der Silvester extra für sie nach Monaco gekommen war. Außer sie verzichtete auf den Thron. Die Entscheidung war echt schwierig…
