Kapitel 14: Getrennte Wege
Lily stand in Hogsmeade auf der Straße. Sie schaute auf die Uhr. Es war 18 Uhr und sehr dunkel, trotzdem war sie noch früh zurück in England. Auf dem Flug hatten sie ordentlichen Rückenwind und kamen so schneller nach London.
Lily machte einige Schritte in Richtung Schloss, aber sie setzte nur langsam einen Fuß vor den anderen. Sie hatte Angst vor einer Begegnung mit James. Eine andere Frau würde sich freuen, ihren Freund wieder zu sehen, nur ich werde in so eine scheiß Situation gebracht, dachte sie. Das flaue Gefühl im Magen wurde immer stärker, je näher sie zum Schloss kam. Sie sah so aus, als ob sie zu ihrer Hinrichtung ging.
Die Türme erschienen und Lily erkannte das altbekannte Leuchten. Das erste Mal freute sie sich nicht, wieder in Hogwarts zu sein. Wieso wurde auch von ihr diese schwierige Entscheidung verlangt? Sie liebte James sehr, aber ihr Herz hing auch an Monaco. Es wäre schön für sie, wenn sie beide Dinge kombinieren könnte, aber das ging nicht.
Sie näherte sich dem Eingang zum Schulgelände und ihre Schritte wurden immer schwieriger. Das Problem war, dass sie jeden einzelnen Tag und jede einzelne Stunde mit der Entscheidung konfrontiert wurde, da sie ja mit James sozusagen zusammen wohnte.
Lily ging hoch zum Eingang des Schulgebäudes und wurde gleich von einigen Mitschülern begrüßt, die über die Feiertage auf dem Schloss geblieben waren. Lily lächelte kurz, wollte aber keine Gespräche führen. Eigentlich wollte sie sich nur noch in ihrem Zimmer verkriechen. Hoffentlich ist James nicht in der Suite, dachte sie und stieg die Treppen zur Suite hinauf. Sie änderte ihren Gang von langsam auf schnell, da sie nicht wollte, dass sie James hier begegnete. Lily kam zum Portrait, sagte der Dame das Passwort und ging in die Suite.
Sie war auf den ersten Blick leer, kein James und keine Freunde da. Lily atmete tief ein und ging dann hinauf in ihr Zimmer. Sie wollte sich aufs Bett legen und so schnell wie möglich einschlafen, denn vom Nachdenken hatte sie genug. Sie legte sich gerade gemütlich hin, als die Tür auf ging.
„Hi!", rief Riz.
„Ich wollte mich gerade ausruhen", sagte Lily.
„Hey, Lily ist wieder da!", sagte Sue und Ana kam ebenfalls zur Tür herein.
„Lily, meine Beste!", begrüßte Ana ihre Freundin.
„Lange nicht gesehen, ne? Nur so heute Nacht…", sagte Sue lässig.
„Ich habe es zu Hause nicht mehr ausgehalten", erzählte Lily.
„Ach quatsch, du hast bloß Sehnsucht nach uns", bemerkte Ana.
„Ja, das auch", sagte Lily.
„Oder nach James…", ließ Riz von sich hören.
„Ja, vielleicht", meinte Lily betrübt.
„Wie war denn die Neujahrsansprache?", fragte Sue.
„Du weißt davon?", fragte Lily zurück.
„Das macht jedes Königreich", sagte Sue.
„Och Mann, da hättest du mir ja mal was sagen können", maulte Lily. „Was macht ihr eigentlich hier?"
„James hat uns erlaubt herzukommen. Ist doch kein Problem für dich, oder?", sagte Riz.
„Nein, natürlich nicht", murmelte Lily und senkte den Blick traurig nach unten.
„Hey was ist denn los?", fragte Ana und legte den Arm um Lily.
„Ach, das ist nicht so wichtig für euch", sagte Lily.
„Das ist doch nicht wahr, Lil. Wenn du ein Problem hast, versuchen wir dir zu helfen", versicherte Sue.
„Ja, darauf kannst du dich verlassen", meinte Ana.
„Ganz und gar", fügte Riz hinzu.
„Na gut, dann erzähle ich es euch. Monaco ist doch toll, oder?", sagte Lily.
„Aber selbstverständlich", sprach Ana.
„Na ja, es wäre toll, Monaco zu regieren", redete Lily.
„Ja und das kannst du", baute Sue Lily auf.
„Ich weiß, aber dafür verlangt man auch viel von mir", sagte die Prinzessin.
„Disziplin? Manieren?", fragte Riz.
„Ja auch, aber etwas viel Wichtigeres bedrückt mich. Wenn ich Königin von Monaco werden will, dann muss ich heiraten. Noch nicht gleich, aber ziemlich bald nach der Krönung."
„Oh Mann, Lil, das ist doch kein Problem. Du hast doch einen super Freund, der dich schon lange liebt und dann heiratet ihr und setzt uns viele Prinzessinnen und Prinzen in die Welt", träumte Ana.
„So einfach ist es nicht, Ana", meinte Lily immer noch enttäuscht.
„Wieso? Dürft ihr nur eine begrenzte Anzahl von Kindern haben?", scherzte Sue.
„Das wäre ja kein Weltuntergang", sagte Lily.
„Ja was ist denn nun los?", wollte Riz wissen.
„Keine Hochzeit, Riz! Es wird keine Hochzeit geben in Monaco! Zumindest nicht mit James! Ich darf ihn nicht heiraten, weil er ein Zauberer ist und nicht vom Adel kommt. Er ist tabu für mich! Wenn ich Monaco regiere, dann darf ich nichts mehr von ihm hören!", fing Lily an zu heulen.
„WAS?", fragten die drei Freundinnen gleichzeitig.
„Ja und das heißt nun?", fragte Ana.
„Wenn ich Monaco regieren will, dann muss ich mich von James trennen und zwar so früh wie möglich. Wenn ich mich für James entscheide, dann verliere ich Monaco und werde niemals regieren. Es ist so schwierig, denn ich möchte beides so sehr."
„Ist nicht wahr", schrie Riz und Ana umarmte die weinende Lily.
„Oh mein Gott, du stehst vor der schwierigsten Entscheidung deines Lebens", meinte Sue.
„Wie lange hast du Zeit?", fragte Ana.
„Bis Ende des Schuljahres, dann teile ich meine vorübergehende Entscheidung meiner Mutter mit. Im Juli teile ich es dann der Welt mit."
„Hast du dich denn schon entschieden?", fragte Sue.
„Also Sue!", meckerte Riz.
„Schon gut, Marissa. Ich kann mich noch nicht entscheiden, obwohl ich weiß, dass ich es muss, denn James wird mich immer daran erinnern. Ich sollte wohl ziemlich schnell eine Entscheidung treffen, denn diese verzweifelte Lage ist kaum zu überstehen."
„Richtig, Lily. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Ob das Ende nun James oder Monaco ist, bleibt fraglich", fasste Sue zusammen.
„Wo ist James momentan?", wollte Lily wissen.
„Der treibt sich wohl mit Sirius im Schloss rum und stellt irgendwas an. Oh Mann, wenn ich an die Nacht zurückdenke, als ihr noch so glücklich wart und nun weiß, dass alles vielleicht schon vorbei sein könnte, da wird mir richtig schlecht", erzählte Ana.
„Ich würde alles dafür geben, dass jemand anderes die Entscheidung für mich trifft", sagte Lily.
„Leider kann das keiner. Das musst du alleine tun. Aber du kannst auf uns zählen. Wir sind immer für dich da, egal für wen oder was du dich entscheidest", sagte Sue.
„Danke Leute", schluchzte Lily und die Freundinnen umarmten sich alle.
„Ich bin müde", sagte Lily.
„Dann gehen wir mal", sagte Riz und die Mädchen verließen das Zimmer.
Lily lag alleine auf ihrem Bett und schlief irgendwann ein. Sie hatte wirre Träume. Der eine Traum handelte von James' und ihrer Hochzeit. Sie sahen so glücklich aus und selbst als Außenstehende im Traum war Lily einfach happy. Der Traum spielte in einer Kirche, Lily und James tauschten gerade die Ringe und wurden zu Mann und Frau erklärt. Sie sahen gut aus, fand Lily, die etwas abseits vom Altar auf sie blickte. James trug einen Anzug und sah, bis auf die verstrubbelten Haare (er bekam sie nicht mal zu seinem großen Tag ordentlich gerichtet), unheimlich elegant aus. Lily, die Braut, trug ein langes weißes Kleid und einen Schleier in den hochgesteckten Haaren. Die andere Lily (die abseits stand) drehte sich um und betrachtete die Leute in der Kirche. Lilys Vater war da, ihre Mutter und ihre Schwester fehlten. Neben ihrem Vater saßen James Eltern und dann kamen schon Susan und Marissa und daneben Remus und Peter. Anastasia und Sirius waren die Trauzeugen. Es war einfach der schönste Anblick, den Lily je gesehen hatte.
Die umherschauende Lily verließ die Kirche und gelangte zum Königshaus nach Monaco. Die Lily, die sich für den Thron entschieden hatte, stand da, bereits gekrönt und winkte ihrem Volke zu. Neben ihr waren ihre Mutter, ihr Vater, ihre Freundinnen und die Rumtreiber bis auf James zu sehen. Auch herzog Daniel von York stand an Lilys Seite. Sie waren auf einem riesigen Balkon und das Volk jubelte über die neue, jugendliche Königin. Fabienne umarmte ihre Tochter und diese lächelte, was das Zeug hielt. Es war ein wunderschöner Tag. Königin Lily nahm einen großen Blütenkorb und ließ Blumen für die Monegassen regnen. Man konnte sie sogar sprechen hören:
„Meine lieben Monegassen,
ich bin stolz, diesen Tag heute zu zelebrieren und freue mich, dass Sie mir alle so einen wundervollen Anfang als Königin bescheren. Ich werde mich bemühen, Ihre Wünsche alle zu erfüllen. Feiern Sie mit mir diesen wundervollen Tag!"
Lily verließ auch diesen Traum und wachte auf. Es war mitten in der Nacht. Nun war sie noch verwirrter. In beiden Träumen war sie glücklich und entscheiden konnte sie sich jetzt gar nicht mehr. Sie war total durcheinander.
Lily stand auf und verließ ihr Zimmer, um sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank (den nur Vertrauensschüler und Schulsprecher in deren Quartieren hatten) zu holen. Sie entdeckte eine Flasche Wodka. Die musste wohl James dort hinein gestellt haben…Andererseits würde ein Schluck nicht schaden, dachte Lily und drehte die Flasche auf. Sie setzte sie an und trank mehrere Züge.
„Ich denke, davon solltest du nicht so viel trinken. Der knallt ganz schön", sagte eine bekannte Stimme zu Lily.
Sie setzte die Flasche ab und blickte in James wunderschöne Augen. Er wollte sie umarmen und zur Begrüßung küssen, aber Lily war schneller und wich einen Schritt zurück.
„Was ist denn?", fragte James.
„Ach, wir haben uns doch schon gesehen", sagte Lily ausweichend.
„Ja, fast 24 Stunden ist es her seit Monaco. Ich dachte, du kommst erst später."
„Ich habe es dort nicht mehr ausgehalten", wich Lily aus.
„Warum?", bohrte James.
„Warum, warum, warum! Hört doch alle auf, mir auf die Nerven zu gehen! Ständig dieses wieso und warum! Das ist ja kaum auszuhalten!", meckerte Lily. James sah sie verletzt an.
„Tut mir leid, das wollte ich nicht", sagte Lily und blickte nach unten.
„Also Lily, erzähl mir von deinem Tag in Monaco!", schlug James vor. „Dann werde ich ja sehen, wieso du das Weite gesucht hast."
„Nein, ich kann es dir nicht erzählen. Hör zu, ich…ich…ich kann einfach nicht mehr mit dir zusammen sein!"
„Was?", fragte James überrascht und gleichzeitig verletzt.
„Es…es geht einfach nicht, bitte versteh das."
„Nein, ich habe schon genug verstanden. Du hast mich belogen, dass du mich liebst und du hast das folglich alles nur vorgegaukelt. Ich will dich gar nicht verstehen!"
„Bitte James…"
„Nein, nichts mit Bitte. Du hast mich ziemlich verletzt. Den Rest des Jahres müssen wir uns diese Räumlichkeiten teilen, aber ich werde das schon ertragen! Lass mich aber bloß zufrieden, du…du auf den Gefühlen anderer Trampelnde!"
„Nein James, es ist doch nur auf Zeit", sagte Lily.
„Nein, jetzt ist es für immer! Getrennte Wege", sagte James wütend und verließ das Zimmer.
Lily brach auf dem Fußboden zusammen. Sie wollte doch nur eine Trennung auf Zeit, um eine klare Entscheidung treffen zu können, aber nun war alles anders, als sie es sich erdacht hatte. James hatte Schluss gemacht und zwar endgültig! Das hieß für Lily jetzt nur eins: Monaco. Aber sie würde wohl nie so glücklich wie im Traum werden…
