Kapitel 18: Reise in eine neue Heimat

Am Morgen wachte Lily neben James auf und wusste gleich: Die letzten Stunden waren ein großer Fehler. Warum konnte sie sich nicht beherrschen? Jetzt brach sie dem Jungen, der neben ihr lag, noch einmal das Herz und das war das letzte, was sie wollte. Lily stand schnell aus dem Bett auf, sammelte ihre Sachen zusammen, die im Zimmer verteilt lagen, und stürmte hinaus. Sie schloss ihre Zimmertür hinter sich und sank auf dem Boden zusammen. Warum musste ihr das Schicksal immer einen Strich durch die Rechnung machen? Jetzt würde ihr der Abschied kaum erträglich vorkommen. Lily schaute auf die Uhr. Der Hogwarts-Express fuhr um 11 Uhr ab, es war gerade 6 Uhr morgens. Lily konnte aber nicht mehr schlafen, im Gegenteil. Sie ging unter die Dusche, denn zu Hause hatte sie keine Zeit mehr dafür. Dann trocknete sie ihre Haare, tauschte den Bademantel gegen ihre Reiseklamotten und verstaute ihre Habseligkeiten in ihrem Koffer. Dann ging sie hinunter zum See und setzte sich auf den Boden, um gründlich nachzudenken.

Wieso hatte sie das nur getan? Sie würde James doch nie wieder in die Augen schauen können. Sie hatte letzte Nacht keine Kontrolle über sich. Das durfte ihr nie wieder passieren, besonders nicht in Monaco! Was wäre es für ein Skandal, wenn die Presse das erfahren würde? Lily war froh, dass James ein Typ war, der dicht halten konnte und es daher kein Eklat geben würde.

Sie schaute in Zeitabständen auf die Uhr: 7 Uhr, 7 Uhr 15, 7 Uhr 30 und so weiter. Um 9 Uhr ging sie schließlich in die Große Halle, um die letzte Mahlzeit in Hogwarts einzunehmen. Am liebsten hätte sie geheult. Es kam ihr vor, als würde sie nächstes Jahr wieder hier aufkreuzen, aber es war vorbei. Sie musste sich dessen erst einmal bewusst werden…

Kurze Zeit später kamen ihre Freundinnen und setzten sich zu ihr.

„Morgen, Lil", sagte Sue und nahm neben der Prinzessin Platz.

„Moin", meinte Riz.

„Guten Morgen", sagte Ana.

„Hi Leute", murmelte Lily.

„Oh Mann, irgendwie werde ich den ganzen Plunder hier vermissen!", warf Riz in die Runde.

„Nur irgendwie? Ich hab schon jetzt Sehnsucht nach Hogwarts", sagte Ana.

„Fragt mich mal, es war so supertoll hier bei euch, aber mein Jahr ist jetzt leider um", maulte Sue.

„Ach Sue, wir werden uns ganz oft schreiben! Freust du dich denn gar nicht auf Australien?", fragte Ana.

„Ja doch irgendwie schon, aber es wird nicht mehr dasselbe sein. England ist wie mein Zuhause geworden."

„He Lily, was ist denn nur los? Du redest ja kein Wort", sorgte sich Riz.

„Ach, ich will einfach hier bleiben. Ich freue mich zwar schon auf Monaco und vor allem auf meinen Dad, aber Hogwarts zu verlassen ist wie ein Stück deiner Seele zu verlieren", erklärte Lily.

„Das denken wohl hier alle!", war Sirius Begrüßung, als er mit James, Remus und Peter zu den Mädchen kam. Lily versuchte, James nicht anzusehen, denn dann würde sie richtig anfangen zu heulen.

Die Freunde aßen und bald darauf war es Zeit, zum Zug zu gehen. Sie holten schnell ihre Koffer, dann wollten sie auf das Schulgelände hinausgehen, aber es ging nicht. Die Türen waren nicht aufzubekommen. Professor Dumbledore erschien.

„Tja meine Lieben, ich denke ihr seid verwundert, warum ihr jetzt in der Schule eingesperrt seid. Ich habe einen Fotografen beauftragt, einige letzte Fotos dieses Jahrgangs zu machen. Sie werden euch in etwa vier Wochen dann alle in einem Jahrbuch geschickt. Jetzt bitte ich euch als gesamter Jahrgang sieben, auf die Treppe zu gehen, sodass ein Gruppenfoto gemacht werden kann!"

Die Schüler stellten sich in Reihen auf und nahmen auf den unterschiedlichen Treppenstufen Platz. Lily stand zwischen Sue und Ana und sie mussten alle lächeln, obwohl das Lächeln eher gequält war. Einige Leute würden sie schließlich nie wieder sehen.

Dann wurden kleinere Gruppenfotos gemacht: die Gryffindors, die Ravenclaws, die Hufflepuffs und die Slytherins. Dann gab es noch kleinere Gruppen: die Rumtreiber, Sue als Austauschschülerin alleine, Lily mit ihren Freundinnen (inklusive Sue natürlich) und diverse Cliquen aus den anderen Häusern.

„Sind wir jetzt fertig?", fragte ein Junge aus Ravenclaw.

„Nein, nicht ganz. Ich möchte die Schülersprecher noch auf einem Foto haben. Dieses Team muss man einfach festhalten!", sagte Dumbledore.

Lily und James mussten sich zusammenstellen. Sie standen etwas entfernt voneinander.

„Also James, bitte! Umfass Lilys Hüfte mal mit deinem Arm. Ihr versteht euch doch sonst so gut!", meckerte Dumbledore leicht und James musste sich seinen Forderungen beugen. Er umfasste Lily. Ihre Haut perlte als sie seinen Griff spürte. Sie lächelten schnell und wichen dann noch schneller wieder auseinander.

„Okay Leute, das war's!", sagte der Fotograf.

„Meine Lieben, viel Glück auf eurem weiteren Lebensweg. Gute Heimreise", sagte Dumbledore und ging dann in die Große Halle zurück. Die unteren Klassen waren bereits beim Zug, als die ehemaligen Siebtklässler ankamen. Sie setzten sich in die Abteile. Lily nahm ein Abteil mit ihren Freundinnen und die Mädchen setzten sich hin.

„So Leute, das war's!", sagte Ana.

„Jetzt gibt es kein Zurück mehr", sagte Sue.

„Habt ihr schon einen Arbeitsplatz gefunden?", fragte Lily ihre Freundinnen.

„Ich werde in Australien wohl den Laden meiner Großmutter übernehmen. Bis dahin arbeite ich in unserem kleinen Geschäft."

„Ich gehe an die Aurorenschule, zusammen mit den Rumtreibern und Ana", sagte Riz.

„Ja und ich werde Monaco regieren", sagte Lily.

Sie begannen, Karten zu spielen. Das lenkte wenigstens etwas vom Schmerz ab, den sie beim Abschied von Hogwarts gespürt hatten. Lily dachte zusätzlich an James. Sie wünschte ihm einfach nur das Beste und dass er auf der Aurorenschule eine tolle Hexe kennen lernte. Das war die eine Seite. Die andere Seite von ihr verspürte Eifersucht bei dem Gedanken, dass James mit einem anderen Mädchen zusammen wäre.

„Lil? Alles klar?", fragte Riz.

„Na ja, ich muss England heute Abend den Rücken zukehren. Das ist schon traurig", erklärte Lily.

„Wann kommt Katie eigentlich wieder?", fragte Ana.

„Ich glaube, ihr Flugzeug ist heute Morgen gelandet", sagte Sue.

„Ja, dann wird sie sich wohl erst einmal ausruhen. Ich glaube, dass ich sie erst bei der Pressekonferenz sehen werde, wenn sie denn kommt", meinte Lily.

„Natürlich wird sie kommen! Und Sue wird auch da sein und Riz und ich auch!", ermutigte Ana Lily.

Der Zug lief auf dem Gleis neundreiviertel ein. Als er vollkommen still stand, stürmten die Schüler der unteren Klassen aus ihren Abteilen und liefen durch die Absperrung zwischen den Gleisen neun und zehn ihren Eltern entgegen.

Lily, Sue, Ana, Riz und weitere Siebtklässler blieben noch einige Zeit im Zug sitzen. Dann holten sie ihr Gepäck und stiegen endlich aus. Als Lily durch die Absperrung treten wollte, drückte ihr jemand einen Zettel in die Hand. Lily entfaltete ihn und las:

Lily,

egal was der Mensch tut, es ist nie vollkommen richtig. Deine Tat kenne ich nicht, aber ich werde dich immer lieben und dich nicht vergessen können, obwohl du willst, dass ich es tue. Die letzte Nacht bleibt natürlich geheim, darauf kannst du dich verlassen!

Adieu, geliebte Prinzessin!

James

Er stürmte an ihr vorbei durch die Absperrung. Als sie auf der anderen Seite angekommen war, war er verschwunden.

„Lily!", rief jemand durch die Massen und ehe sich die Prinzessin versah, klammerte ein etwas größeres, aschblondes Mädchen an ihr: Katie!

„Katie! Du bist hier? Oh mein Gott, ich habe dich so vermisst, oh Mann und ich muss heute Abend weg, dabei würde ich viel lieber mit dir feiern und…"

„Ruhig Lily!", unterbrach Katie sie. „Ich weiß von allem, Monaco und der Beziehung zu James, dein Vater hat es mir erzählt", sagte Katie. Lilys Vater kam aus der Masse hervor.

„Dad!", rief Lily, dass sich die Leute schon umdrehten, die Prinzessin aber nicht erkannten.

„Ja Schatz, ich bin da!", freute sich Lilys Vater.

Ana, Riz und Sue kamen aus der Absperrung hervor und es wurde eine Massenumarmung. Katie fand sich in der Mitte einer riesigen Traube von Schülern wieder und wurde geknuddelt, wo es nur ging.

Nach einer Weile löste sich Katie wieder und ging zu Lily.

„Ich werde zu deiner Pressekonferenz kommen", sagte Katie.

„Danke Katie, danke", schluchzte Lily in ihr Taschentuch.

„Lily, ich weiß, dass dich das alles sehr bewegt, aber wir müssen los! Das Flugzeug startet in zwei Stunden", meinte Jack.

„Nicht in einer Stunde wie vorher gesagt?", fragte Lily.

„Nein, ich habe es um eine Stunde verschoben bekommen. Ist doch super!"

„Danke Dad!"

„Jetzt müssen wir aber auch los!"

„Okay Dad", flüsterte Lily.

Sie verabschiedete sich unter Tränen von ihren Freundinnen, den übrigen Rumtreibern und einigen anderen Hogwartsschülern. Das Gejaule konnte über den ganzen Bahnsteig gehört werden.

„Bis bald, Leute. Ich schreibe euch, wenn der Termin für die Pressekonferenz draußen ist!", rief Lily zu ihren Freundinnen. Dann hakte sie sich bei ihrem Vater unter, das Gepäck wurde von ihren Bodyguards getragen, ihre künftigen Begleiter.

„Auf zur Themse!", sagte Jack und die Beiden verließen den Bahnhof. Sie wurden vom Chauffeur zum Fluss gefahren, währenddessen wurde das Gepäck schon in den Privatjet eingeladen.

„Unser letzter Tag in London", murmelte Lily zu Jack.

„Ja. Ich werde schon Sehnsucht nach dieser Stadt haben."

„Denkst du, es ist eine schlechte Idee, mit mir nach Monaco zu ziehen?"

„Nein. Ich werde überall hinziehen, wohin du willst. Das Wichtigste für mich ist nämlich, meine Tochter um mich herum zu haben."

„Danke Dad."

Sie schauten auf das klare Wasser. Die Sonne schien noch und die Tower Bridge spiegelte sich im Wasser wieder.

„Ich habe eine Idee!", rief Lily. „Warte hier, Dad!"

Jack setzte sich auf eine Bank am Ufer und schaute weiter auf das Wasser. Lily kam zehn Minuten später mit zwei Portionen Fish and Chips wieder.

„Mum würde uns killen, wenn wir das in Monaco verlangen würden."

„Dabei ist es doch so lecker!"

Lily und Jack lachten und aßen genüsslich ihre Portionen als wären es ihre letzten Portionen Fish and Chips.

„Weißt du, Dad, jetzt müssen wir uns wohl mit Mahlzeiten abgeben, wo der Teller nur halbvoll ist", sagte Lily und Jack lachte.

„Ja, das ist die eine Möglichkeit, aber die andere ist noch viel besser. Soll ich dir ein Geheimnis verraten?"

„Ja klar, schieß los!"

„Das darfst du als Königin nicht mehr sagen!"

„Und das war das Geheimnis?"

„Nein. Das Geheimnis ist folgendes: Was meinst du, wie viele Koffer ich brauchte, um umzuziehen?"

„Hm, vielleicht zwanzig?", fragte Lily.

„Tja, ich habe dreißig!"

„Was? Wieso das denn?"

„Na ja, zwanzig Koffer für meine Habseligkeiten und zehn Koffer für englische Süßigkeiten", meinte Jack cool.

„Was? Ist das wirklich wahr?"

„Ja, das ist wahr. Aber sag deiner Mutter nichts davon, die würde mich umbringen. Ich will halt England nicht ganz aufgeben. Außerdem braucht jeder Mensch mal ne gehörige Portion Süßigkeiten."

„Oh Dad! Das ist so toll!", kreischte Lily und umarmte ihren Vater.

Sie aßen auf, dann wurden sie abgeholt und zum Flughafen gefahren. Sie warteten noch kurze Zeit am Gate, dann durften sie einsteigen.

„Auf Wiedersehen, England", sagte Lily, als sie in die Röhre ging und dann in den Privatjet stieg.

„Es war ne schöne Zeit bei dir", sagte Jack und auch er betrat das Flugzeug.

Lily und ihr Vater setzten sich auf die schönen Ledersitze und schnallten sich an. Dann wurden sie zur Startbahn gefahren. Jack nahm Lilys Hand.

„Na dann auf in eine neue Heimat!", sagte er und kurz darauf hoben sie ab. In den Himmel. Weg von England. Nach Monaco. Auf zu ihrem neuen Zuhause…