2. Kapitel

Professor Severus Snape saß geistesabwesend an seinem Schreibtisch im Kerker. Er starrte auf die Tischplatte, die bis auf das schmutzige Buch einer Flasche Cognac leer war. Es war zwar erst halb neun Uhr früh, und unter normalen Umständen würde er noch nicht einmal unter der Woche ein Glas Rotwein trinken, aber nachdem er von seinem Morgenspaziergang zurückgekehrt war, hatte er einen kräftigen Schluck gebraucht. Er war sich nicht sicher, was ihn derart aus der Fassung brachte, aber es lag vermutlich mit den Anspielungen der Maulenden Myrte zusammen.

Er erhob sich von seinem Stuhl und stellte die Flasche zurück in ein Regal, das er eigens für seinen privaten Alkoholvorrat hatte einbauen lassen. Es wirkte klein und war durch diverse Bücher gut zu verdecken, in Wahrheit jedoch fand etwa ein Zehntel seines Weinkellers darin Platz.

Sein Blick fiel erneut auf die Uhr über dem Kamin. Er hatte zeit genug, also warum sollte er es nicht einfach tun. Merken würde das sowieso niemand. Severus seufzte.

Vorsichtig schlug er die erste Seite auf. Unerwartet überkam ihn das Gefühl eine Art Vertrag eingegangen zu sein. Seine Finger fuhren über das spröde Papier, das schon mehrmals mit Wasser voll gesaugt und wieder getrocknet zu seinen schien. Die Schrift aber konnte man noch lesen. Potter musste spezielle Tinte benutzt haben.

Die erste Seite war nicht besonders informativ. Ein reichlich verschnörkeltes und verziertes „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag" breitete sich darüber aus. Auf der unteren Zeile erkannte er die Unterschriften von Miss Granger und Mr. Weasley. Klar, ein Geschenk, aber die beiden schienen keinen besonders guten Geschmack zu haben.

Die nächste Seite war schon interessanter und je länger Snape in den Einträgen las, desto erstaunter war er über Potters durchaus unterhaltsamen Schreibstil. Würde er den auch mal in seinen Aufsätzen anwenden, müsste sich Severus nicht nächtelang durch lustlose Niederschriften von diesem unverständigen und uninteressierten Schüler quälen.

Er blickte erneut auf die Uhr, noch etwa eine halbe Stunde hatte er Zeit. Dann begann er zu lesen:

Ein Tagebuch. Wie einfallsreich. Nun gut, ich habe mich schon immer gefragt, was man da rein schreibt. Wahrscheinlich Erinnerungen. Ich habe eigentlich keine. Zumindest nicht bei klarem Verstand. James. Ich werde dich nach meinem Vater benennen.

Wie rührend. Snape schnaubte verächtlich.

Nicht, dass ich ihn in irgendeiner Art und Weise kenne. Ich weiß auch nicht, ob es besser wäre, wenn ich mehr über ihn wüsste. Aber es beruhigt mich, diesen Namen zu lesen. James. James. James. James. James. Ich glaube, das werde ich noch öfters schreiben. Absätze gibt es nicht. Sie bringen die Dinge nur zu Ende. Aber das alles hat kein Ende. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Nun denn, James, du wirst meine Geheimnisse hüten, bis auch du mich verrätst. Ich werde sehen, wie viel Vertrauen ich zu dir fassen kann, andererseits, hey, du bist nur ein Buch! Ich nehme nichtabwaschbare Tinte, weil ich meine Gedanken nicht verlieren will. Gestern hab ich es zum ersten Mal probiert. Ist alles ziemlich unspektakulär, wenn man weiß, was da drin ist, aber, gottverdammt, das Zeug wirkt. Ich hab von Erastor aus Hufflepuff einen guten Tipp bekommen. Gleich in die Vene ist besser als schlucken. Aber ich habe Angst vor Nadeln, glaube ich. Habe nichts weiter dazu gesagt. Wenn de Lehrer wüssten, was sich die Leute da drüben alles reinziehen . . . Wenn sie nur wüssten. Schluss jetzt. Es ist ein Uhr früh. Morgen treffe ich mich mit Leat, der will mir was „interessantes" zeigen. James. James. James, bis morgen.

Snape wusste zwar, dass die älteren Hufflepuffs bei weitem die Besten waren, wenn es um Pflanzen und organische Zaubertinkturen ging, aber aus diesem Blickwinkel hatte er das ganze noch gar nicht betrachtet.

Der Eintrag auf den 20. Dezember von vor zwei Jahren datiert. Kein Wunder, dass die anderen nichts davon mitbekommen hatten. Die Hufflepuffs waren eine eingeschworene Gemeinschaft und Potter hielt er nicht für so dumm, als dass er es überall herum erzählt hatte. Er las weiter:

Leat hat mir gezeigt, wie ich das mit den Spritzen machen soll, aber ganz ehrlich, ich glaube, da brauch ich eine Menge Übung drin. Haha. Ich habe wieder das Zeug von gestern genommen. Die Nachwirkungen sind noch da, aber ich kann wieder klar denken. Aber Erastor meint, dass der Vorrat bald aufgebraucht ist. Es sitzen immer ein paar in der Bibliothek und durchstöbern die Tränkebücher. Da findet man ziemlich interessante Sachen. Manchmal probieren die Leute auch einfach nur herum, entwickeln neue Tränke und so, sagt Erastor. Ist mir egal. Aber ich muss mich bald mit einbringen. Vielleicht sollte ich anfangen bei Snape aufzupassen, wenn der Kerl doch nur nicht so ein Arschloch wäre.

Snape überlegte kurz, sagte dann: „Fünfzig Punkte Abzug für Griffindor." Und fühlte Genugtuung. Er wusste, dass er nicht beliebt war. Trotzdem wurde er etwas ärgerlich. Myrte hatte Recht behalten.

Egal, egal. James, ich glaube Hermine hat mir da einen sehr guten Zufluchtsort gezeigt. Das Klo im zweiten Stock ist ideal. Myrte kann man vernachlässigen. Leat hat mir einige Bücher gegeben. Ich bin am arbeiten, erstaunlicherweise. Das fühlt sich reichlich seltsam an. Ich kann meinen Arm kaum bewegen. Sie haben gesagt, dass ist passiert während ich auf'm Trip war. Ich kann mich nicht erinnern, außer dass ich glücklich war. Eine ziemlich gutes Gefühl, dass ich mir für meinen Patronus aufheben werden. Haha. Nein, James, im Ernst, ich habe keine Ahnung, was ich in dieser zeit mache. Mein Arm ist angeschwollen, wahrscheinlich gebrochen. Aber meine Augen sind noch glasig, kann erst morgen früh in den Krankenflügel. Aber ich mache heut nichts mehr. Geht einfach nicht. Alles ist so ruhig hier, James. Mein Blut dröhnt und rauscht wie ein Bach in meinen Ohren. Kann nicht schlafen, wie ärgerlich. Ab und zu halte ich mir ein Kissen auf den Kopf und schreie, bis ich keine Luft mehr in den Lungen habe. Ich habe Kopfschmerzen. Ich muss schlafen, James. Schlafen, ohne zu träumen. Heute Nacht werden sie mich nicht kriegen. Ich muss schlafen.

Snape schaute auf die Uhr. Es waren fünfzehn Minuten vergangen. Zeit, dass er sich zum Klassenraum aufmachte. Er durfte es sich nicht erlauben, zu spät zu kommen. Er klappte das Buch zu und steckte es in die Innentasche seines Umhangs. An diesem Tag waren die Griffindors erst als letztes dran. Bis dahin hatte er zeit. Er schmunzelte. Kaum zu glauben, aber Potter hatte ihn neugierig gemacht. Mit rauschendem Unhang verließ er sein Büro und machte sich auf den Weg.

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so nun, gut, also die ersten paar einträge kennt ihr ja jetzt, wird aber noch besser, weil liegen ja zwei jahre geschichte dazwischen, nich? g also lasst euch überraschen. freu mich über reviews, und danke auch denen die schon ihre meinung abgegeben haben verbeug

efeu