4. Kapitel
Nur für den kurzen Zeitraum von etwa 10 Minuten, den er brauchte, um die restlichen Schüler heraus zu scheuchen und auf de Ankunft der nächsten Klasse zu warten, legte er das Buch zur Seite. Hufflepuff – Slytherin. Interessante Mischung, wie sich schon nach wenigen Stunden herausgestellt hatte. Durch ihre grenzenlose Gleichgültigkeit schienen beide Klassen mit Schreibarbeiten sehr gut versorgt zu sein.
Wow. Wow, James, mehr fällt mir nicht ein. Haha. Meine Handschrift wird schlimmer mit der Zeit, was soll's? Haha. James, nichts mehr, dass mich daran hindert zu gestehen. Ich liebe dieses Gefühl. Das Zeug wirkt fantastisch. Alles hat so geklappt, wie ich gehofft hatte. Unglaublich. Selbst Snape würde stolz auf mich sein! Haha.
Snape räusperte sich. ‚Wohl eher nicht.'
Jetzt kann ich schreiben, ohne denken zu müssen. Aber womit beginnen, wenn so viel schon so lange nicht ausgesprochen wurde? Ich weiß nicht recht. Seltsam, wenn man plötzlich so viel Freiheit hat, kann man sich nicht entscheiden, ist also doch eingeschränkter als zuvor. Meine Kopfschmerzen sind verschwunden. Alles unwichtige ist verschwunden. Seit Jahren kann ich wieder geradeaus denken. Meine Narben schmerzen. Nicht diese blitzförmige auf meiner Stirn. Ich meine jene an meinem Körper. Und an der Seele, aber diese sind nur noch Schatten ihrer selbst. Es ist, als wären sie eingesunken und mit einem Tuch überdeckt. Einem Leichentuch. Haha. Schmerzen sind es nicht direkt, nur ein unangenehmes Kribbeln. Ich spüre das Blut noch immer herabfließen. Ich sehe mein Blut. Aber schreien kann ich nicht. meine Zunge wiegt Tonnen. Das Zeig ist klar, flüssig, erinnert irgendwie an konventionelle Muggeldrogen, fällt mir gerade auf. Man erhitzt es, zieht es auf oder schluckt es einfach. Mein Imperius hat gewirkt. Ich habe noch einige Zusätze eingebaut. Jetzt brauche ich mir keine Gedanken mehr darüber zu machen, ob ich es jemandem erzähle oder nicht. ich müsste gegen meinen eigenen Fluch ankämpfen. Aber das Zeug ist zu gut, als dass ich es riskiere. Meine Knie schmerzen, die Kacheln schneiden sich in mein Fleisch, so dass es unerträglich wird auf Dauer, aber bewegen kann ich mich nicht mehr. Meine Muskeln fühlen sich entspannt an, nur die Feder ist beweglich. Ihr Kratzen hallt durch den Raum oder in meinen Ohren. Ich schließe meine Augen immer nur für kurze Augenblicke, damit ich nichts verpasse. Feierlich, beständig, ewiglich. Ich schwöre nicht zurück zu blättern, als bis dieses Buch partiell voll gesaugt ist mit Tinte (bis dass der Tod uns scheide). James, James, komm schon sei mein Seelengefährte. Haha. Haha. Ich blute aus meinen Augen, die Tränen hinterlassen Spuren. Hoffe, dass das nur ein seltsamer Nebeneffekt ist. Mein Blut schmeckt köstlich. Salzig. Es ist die Sonne, die sich darin spiegelt. Es ist spät. Sie geht unter. Oder vielmehr: die Welt dreht sich unaufhaltsam weiter. Die Sekunden sind Vergangenheit, kaum, dass sie Zukunft und Augenblick waren. Ich hasse zeit. Sie verschwindet ohne Wiederkehr. Will ich zurückkehren? Die Frage ist schwer, denn beide Zeitabschnitte sind und waren schlecht. Welches Übel ist besser? Natur ist das Stichwort! Alles liegt in der Natur des Menschen. Seine Fehler, sein Bestreben nach Freiheit. Es sind nur wenige Wege, die ich noch beschreiten kann. Mach, dass es aufhört, James. Mein Kopf dröhnt.
Die letzten Sätze konnte Severus erst nach mehrmaligem Lesen entziffern. Potters Handschrift neigte sich stark nach rechts und er hatte begonnen einzelne Buchstaben in die Länge zu ziehen.
Der Kerker war vollkommen still, so als wären die Schüler einfach nicht existent. Wenn doch nur alle Klassen so wären. Er blickte auf den Stundenplan. Die nachfolgenden Klassen konnten nur noch schlimmer werden, das war sicher.
Er blättert den Rest der Seiten durch. Viel davon konnte er nicht so recht entziffern, doch er würde sich schon durchkämpfen.
Interessant, dass es niemand auch nur ansatzweise zu bemerken scheint. Seit nun mehr fast fünf Monaten, täglich, bin ich weg. Niemand da, der sich darum kümmert. Warum auch? Ich schleppe mich Stunde um Stunde zum Abend hin, um aufzublühen. Ich springe zwischen den beiden Tränken und kann mich nicht entscheiden. Schreibe im übrigen gerade bei vollem Verstand. Liege im Bett. Alle sind draußen und spielen mit gefrorenem Wasser. Mir ist schon so kalt genug. Ich erlerne das Schreiben von vorne, denn man kann das meiste nicht mehr lesen, wenn ich währenddessen zu Feder und Tinte greife. Das nervt, aber ich werde langsam besser. Morgen werde ich anfangen zu erzählen. Imperius macht's möglich! Haha. Ich werde anfangen, wenn ich schon sonst nichts beende, dann bitte lass es diesmal wenigstens ein Anfang sein, der sich weiterentwickelt. Heute setze ich Eratsors Zeug ab. Die letzte Orgie vor dem zweifelhaften Selbstexperiment. Leat weiß mehr als er sagt. Er meint, die Dinge, die auf meinen Schultern lasten, sollten niemandem aufgehalst werden. Zumal es sich doch um eine Art Therapie handeln könnte. Er steht mir bei, sagt er und dann hatte er gelacht und sich den Arm abgebunden. Manchmal erschienen mir die Abenden mit den Jungs in den leeren Klassenzimmern, im Aufenthaltsraum der Hufflepuffs oder um Raum der Wünsche surreal. Das liegt nicht an unseren Tränken. Allein die Stimmung ist komisch. Niemand spricht es aus, aber alle wissen, weshalb sie da sind. Es gibt Knabbereien und Alkohol, aber jeder wartet gespannt darauf, wann der erste seine Flasche oder seine Dose heraus holt. Erst dann scheint eine Art „Ruck" durch die Gruppe zu gehen und was erstaunlich ist, ist die Tatsache, dass es immer alle schaffen Filch oder den Lehrern aus dem Weg zu gehen. Leat hat gestern eine Slytherin mit angeschleppt. Wie lange sie schon dabei ist, kann ich nicht sagen, aber ihre Augen sind blutunterlaufen. Sie ist nett, James, aber nicht all zu helle. In dem Zustand, in dem ich sie bis jetzt getroffen habe zumindest. Meine Augen sind da weniger verräterisch. Wenigstens etwas gutes. Morgen ist dann also der große Tag. Endlich weg von diesem Kettengestell, meine Haut ist schon wund gescheuert von dem Eisen und den Stricken. Erastor sagt außerdem, ich sei zu laut. Ich würde schreien und weinen und wild um mich schlagen. James, ich halte durch.
Es wurde also endlich spannend. Snape blickte auf die Uhr und stellte überraschend fest, dass es nur noch 10 Minuten bis zum Ende der Stunde waren. Aber zum Glück würden sie die Pause wieder einmal durcharbeiten, schließlich hatten sie eine Doppelstunde. Snape blätterte die Seite um, blickte gelangweilt auf seine Schüler herab, überlegte kurz und ließ mit einem Schwenk seines Zauberstabes ein Glas Traubensaft neben sich erscheinen. Er lächelte.
1. Bericht: Ich habe den Trank vor drei Minuten eingenommen, bleiben mir also noch zwei Minuten bei Verstand. Ich will nur kurz anmerken, warum ich die Einträge als „Berichte" bezeichne: Sie sollen mich widerspiegeln. Alles, was ich denke, alles, was ich bin. Auf dass es gelinge! Auf mein Leben! Zeit für den ersten wirklichen Selbstversuch. Vorhang auf : Sieh, James, meine Schrift verändert sich. Haha.
Tatsächlich hatten Potters Buchstaben einen starken Rechtsdrall bekommen. Die Großbuchstaben wirkten abgehackt und verschnörkelt, während der Rest relativ lang gezogen wurden. Das alles sah interessant aus, war aber kaum leserlich.
Wie ich's gesagt habe, man braucht Übung, um seiner Hand Herr zu werden. Nun, dass kommt davon. Ich sitze in meiner Ecke auf einigen Kissen im Raum der Wünsche. Die Anderen liegen oder sitzen verstreut herum, unterhalten sich oder genießen ihren Rausch. Wenn ich doch auch nur so entspannt sein könnte, aber im Gegensatz zu den meisten hier, habe ich ja wohl allen Grund, mich von meinen Erinnerungen zu befreien. James, du bist so eine Art Denkarium ab jetzt, find dich mit der Rolle ab. Bericht. Stimmt, ich wollte, sollte, muss berichten. Schon allein der Gedanke daran erfüllt mich mit Grauen. Ich müsste eigentlich nur am heulen sein. Ich weiß nicht, ob es Leute gibt, denen es ähnlich geht, aber, nun ja, mein Leben war bis jetzt eigentlich nicht besonders erfreulich. Ich erinnere mich daran, dass ich meine Narben schon mal erwähnt habe. Meine Narben, die sich jedes Mal vertiefen, wenn ich sie mir wieder aufkratze. Klar tut das weh, aber es fühlt sich gut an. Schmerz bedeutet Leben. Leben ist besser als der Tod, glaube ich. Oder? Zweifel sind da angebracht. Egal. Rote Striemen ziehen sich jedenfalls über meinen Rücken und meine Beine und Oberarme. Die offenen Abschnitte bluten, die anderen sind verkrustet. Kein schöner Anblick. Ich bin dennoch nicht hässlich, auch wenn Onkelchen und Dud mir das jeder Zeit unter die Nase reiben. Auch diesen Sommer werden sie's nicht lassen. Hoffentlich treiben die beiden es nicht wieder so weit wie vergangenes Jahr. Ich spüre noch immer Dud's Stiefel in meiner Magengrube. Andererseits kann ich nicht verstehen, wie Ron mir ernsthaft abnehmen konnte, ich sei vom Besen gefallen. Er weiß, wie ich fliege! Egal. Der Kerl ist und bleibt nun mal dämlich. Oder eher: treudoof. Wie ein Hund, den ich nur an der Leine führen muss. Haha. Wo war ich? Dud's Stiefel? Einer von der ganz edlen Sorte. Verstärkte Ledereinsätze in jeder Stiefelspitze. Damit Sie auch morgen noch kräftig zutreten können! Haha. Mir tun seine Mitschüler leid. Aber viel schlimmer als Dud's Stiefel ist Onkelchens Gürtel. Schon mal den Klang von Krokodilsleder auf Fleisch gehört? Tausendmal. Und, zugegeben, sobald es einmal anfängt zu bluten, tut's auch gar nicht mehr so weh. Man kann sich daran gewöhnen. Ich gewöhnte mich mit den Jahren daran. Noch eine Woche und ich bin wieder zurück. Der billigste Sandsackersatz seit Menschengedenken. Juchhu, ich habe eine Funktion in dieser Welt. Ich frage mich ernsthaft, ob Onkelchen sich endlich mal etwas neues einfallen lässt. Kommen wir zu etwas wichtigerem: Die kleine Slytherin heißt Ivy. Schöner Name. Zur Zeit ist sie noch bei Leat. Kommt Zeit, kommt Rat.
Der Rest der Seite war leer. Snape nippte an seinem Traubensaft. Er hatte einiges erwartet, aber nicht das. Er blätterte weiter.
Gott, oder wer oder was auch immer, steh mir bei! James, verdammt warum kann mir denn niemand einen nützlichen Tipp geben, wie ich geschlagene (haha.) zwei Monate bei den Dursleys überstehen soll, wenn ich bloß noch zwei Flaschen damit füllen kann? Ich glaube, ich nehme die einfachste Strategie: Entzug. So lange wie möglich. Überhaupt habe ich langsam das Gefühl, ein Teil meiner Selbst geht verloren mit jedem weiteren Trip, den ich habe. Im Gegensatz zu den Anderen sehe ich wenigstens ein, dass ich langsam, aber sicher abhängig, um nicht zu sagen süchtig, danach bin. Ivy hat gesagt, sie will mir schreiben. Ich verstecke dich in der hinteren lockeren Kachel in Myrtes Klo. Da bist du sicher. Ich will nicht, dass dich jemand findet, klar. Ich muss los James. Lass mich überleben. Ich stehe durch, was vor mir liegt, nicht? James, James, James, ich werde wieder schreiben!
Die Glocke läutete und Snape blickte kalt zu seinen arbeitenden Schülern herab, damit die Frage nach einer Pause gar nicht erst aufkam. Zwei Slytherins gingen auf Toilette, einige gähnte herzhaft. Derlei Unzulänglichkeiten konnte er tolerieren. Er nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas und spürte die kalte Flüssigkeit seine trockene Kehle herunter laufen.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel und sein Magen knurrte leicht. Das Mittagessen war in greifbare Nähe gerückt. Sollte er Potter zu diesem Zeitpunkt sein Tagebuch schon zurück geben?
Snape's Gewissen meldete sich, doch er schaffte es diesen Gedanken beiseite zu schieben.
Wie Potter schon geschrieben hatte:
Kommt Zeit, kommt Rat.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
über kurz oder lang hab ich's dann doch geschafft mal wieder was hochzuladen, also, ich hoffe auch das nunmehr vierte kapitel gefällt euch. nun ja es geht bergab will ich nur mal vorrausschauend anmerken... wie dem auch sei: ich bedanke mich ganz herzlichen bei allen reviewern, ich bin überglücklich, hierauf überhaupt irgendeine reaktion zu bekommen danke, danke, danke!
