Ravenclaw – Gryffindor. Keine gute Mischung, zumal erst im zweiten Schuljahr. Aber Snape wusste, wie er sie unter Kontrolle bringen konnte.
Nach etwa fünf Minuten arbeiteten die meisten, wenn auch widerstrebend. Natürlich hatten einige Gryffindor versucht, sich als besonders schlau hinzustellen. Wie er solche Angeber hasste. Aber es waren eben Gryffindors. Woher sollten sie es auch besser wissen?
Letzten Sommer, hä? Nun gut, James, ich will dir sagen, was passiert ist. Ich habe sowieso nichts zu verlieren. Weder Ehre, noch Verstand. Noch Unschuld. Haha. Also, ja, nun, ich hatte sozusagen mein „erstes Mal". Unfreiwillig und in Onkelchens Keller. Nicht der schönste aller Plätze, aber zweckmäßig. Ich hatte nicht gewusst, dass Onkelchen und Dud auf derlei Spielchen stehen. Mit „Spielchen" meine ich natürlich auch Onkelchens Gürtel, und was sie sonst noch so da hatten. Ich kann (will?) mich nicht genau erinnern. Sie haben mir weh getan. Sehr sogar. Aber ich kann das Wort nicht aufschreiben, nicht aussprechen, nicht denken. Bei andern scheint das alles so unglaublich einfach zu sein. Das Leben – nur ein Spiel. Aber da muss es doch mehr geben! Ich habe keine Angst davor mit anderen ins Bett zu steigen. Ivy weiß das. Obwohl's gestern ihre eigene Schuld war. Leat würde total ausrasten, wenn er das wüsste. Aber Ivy wird schweigen. Noch mehr Stress kann ich mir mit diesen Leuten nicht leisten. Überhaupt, sie verhalten sich viel zu auffällig. Ron und Hermine fragen schon ständig. Da sie so lange nichts davon mitbekommen haben, muss das nicht unbedingt jetzt sein, wo es mir so gar nicht in den Kram passt. Insgesamt vernachlässige ich die beiden ganz schön. Aber all die Dinge, die wir durchgemacht haben, scheinen uns dann doch nicht sehr fest zusammengeschweißt zu haben. Irgendwie entziehen sie sich meinem Verstand. Manchmal, wenn wir beim Essen nebeneinander sitzen, haben wir uns absolut nichts mehr zu sagen. Unwahrscheinlich, dass ich ihnen noch vor einem Jahr, so ziemlich alles erzählt habe. Meine Geheimnisse geteilt habe. Nun gut, nicht alle, aber doch immerhin die meisten.
Ungewöhnlicherweise empfand Snape so etwas wie Mitleid mit Potter. Nicht, dass es ihm nicht aufgefallen wäre. Potter und die Anderen waren sich mit der zeit fremder geworden. Aber daran lag es nicht.
Nie im Traum hätte er daran gedacht, dass der Junge missbraucht werden könnte.
Mit den Jahren sind mir die beiden egal geworden, glaube ich. Früher hätte ich panische Angst davor gehabt, aber jetzt, nachdem ich gemerkt habe, dass, selbst wenn ich Freunde habe, sich mein Leben doch kein Stück ändert, sind die beiden belanglos in meinen Augen. Grau, wie der Rest der Schülerschaft. Nur noch einzelne schaffen es, Leben in meine Existenz zu bringen. Ivy ist so jemand. Ihre Haut ist so seidig, anschmiegsam. Ich werde sie von mir wegstoßen. So kann das alles nicht weitergehen. Wir ziehen uns gegenseitig immer weiter herunter. Tatsache ist, dass ich abhängig bin. Von ihr und meinem Trank. Die Frage ist nur, was mich auf längere Sicht glücklicher machen kann. Menschen sind inperfekt. So sehr ich sie auch verehre, eines Tages wird sie gehen, mich verletzen, also bleibt mir nur eine einzige Waffe, um meine eigene Haut zu retten. Ich bin mir wichtiger, ein Egoistenschwein, ein Narziss ohne Spiegel, denn ansonsten wäre ich schon längst stehen geblieben. Anscheinend bewege ich mich weiterhin. Stillstand ist der Tod aller Dinge. Ich habe Angst vor dem Tod, doch eigentlich sollte der Mensch doch mehr Angst vor dem Leben haben, oder nicht? James, sag mir, sind diese Leiden, die wir Tag für Tag hinnehmen, runterschlucken, einstecken . . . bringen sie uns einem höheren Ziel näher? Etwas besserem, als dem, was wir hier erleben? Es ist einfach nicht fair, uns ohne Gewissheit leben zu lassen. Ivy ist gekommen. Ich mache Schluss. Ich habe noch alle Zeit der Welt, um zu trauern, um mich. Ich glaube, ich kann ihr vertrauen. Ich wünschte, ich könnte.
Mit der Zeit wurden Potters Selbstzweifel lachhaft. Nichts desto trotz war es doch erstaunlich zu welch komplexen Satzstrukturen er fähig war. Snape war es inzwischen gelungen mehr als zwei Drittel des Buches zu entziffern.
Die Sonne schien warm und golden durch die winzigen Fenster, die in die Mauern des Kerkers eingelassen waren. Mittlerweile war es selbst für Snape relativ stickig geworden. Daran würde er nach dieser Stunde zwingend etwas ändern müssen. Vorerst starrte er böse in die Runde, machte sich aber nicht all zu viele Gedanken. Er schrieb die Namen von vier Schülern auf ein Stück Pergament. Dies waren die einzigen, die sich wirklich mit dem Stoff beschäftigten. Der Rest würde Null Punkte für diese Stunde erhalten.
Ich weiß nicht mehr, wie wir hier her gekommen sind. Aber jetzt, wo ich mir meinen Verstand wieder benebeln lasse, ist das alles doch auch egal. Sie ist wahr. Ich kann sie fassen, ihre Wärme spüren. Aber lieben tu ich sie nicht. ich denke, Lieben ist nur eine Farce. Wie ein Tagtraum, viel zu schnell vorbei, um sich so einen Stress zu machen. Morgen werden wir sehen, was sie macht, wenn ich sie allein lasse. Es hat keinen Sinn, James, alles, was wir tun, ist küssen und schlafen. Nicht wirklich viel, um es eine glückliche Beziehung zu nennen. Es ist nicht so, dass wir uns streiten, eigentlich wäre ich wirklich froh darüber, mich überhaupt mit ihr zu unterhalten. Ich brauche niemanden für's Bett, ich brauche jemanden für die Seele. Schlecht nur, dass sie keine Seele hat.
Snape gähnte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch etwa fünf Minuten Zeit hatte. Außerdem war da noch die Pause. Es blieben nicht mehr so viele Seiten. Überhaupt schien Potter immer seltener zu schreiben. Allein der Zeitabstand zwischen den letzten Einträgen betrug fast vier Monate. Es schien sich ja nicht all zu viel geändert zu haben, trotzdem war es seltsam.
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so, nun könnt ihr überprüfen, ob ihr mit euren vermutungen recht hattet, oder nicht. ich fand's relativ schwierig diesen part zu schreiben, weil ... nun ja, wie schreibt jemand davon, wenn er's selbst erlebt hat? (ich glaub, die frage hab ich mir seit beginn dieser fanfic immer wieder gestellt...) ich hoffe, dass es halbwegs authentisch rüberkommt und nicht ganz so nach effekthascherei aussieht (?). freu mich wie immer über alle kommentare, die ich bekomme.
efeu
