„Initial N"

Kapitel 2) Fremde Hilfe

„Lass uns hinein gehen, es ist spät", stammelte Setsuna, die ebenfalls ein großes Unbehagen wahrnahm. „Geh schon mal vor", antwortete Haruka ihr stockend, ihr Blick auf das nun plötzlich tosende Meer gerichtet. „Wie merkwürdig?"

Es war nicht die Art, WIE das Meer toste und auch nicht DAS es toste, viel merkwürdiger war die Situation selbst, - die Wetterlage an sich:

Es hatte weder gestürmt, noch ist auch nicht das kleinste Lüftchen zu spüren gewesen. Der Himmel war glasklar und der dicke Vollmond warf seinen blassen Schleier auf das tobende Blau. Es ging auch nicht besonders lang, vielleicht knappe fünf Minuten, aber selbst das reichte aus, um die sonst so furchtlose und taffe Haruka zum gehen zu bewegen.

Langsam zog Setsuna sie zur Verandatür, die plötzlich aufsprang.

„Das Meer ist verärgert!"

In der Tür stand Michiru in ihrem marineblauen, samtartigen Kimono.

„Das Meer ist verärgert! Es leidet und tobt!", wiederholte sie noch einmal und wahrend sie von einer mystischen Aura umgeben wurde, konnte man in ihren Augen das tosende Meer, wie in einem zurückgespulten Film sehen.

„Michiru, was ist mit dir los? Horst du mich? Du musst aufwachen!", fuhr Haruka sie besorgt an. Ihre Freundin jedoch stand regungslos mit starrem blick da und wiederholte ständig die weissagenden, aber doch sehr rätselhaften Worte:„Das Meer ist verärgert! Es leidet und tobt und wird alles verschlingen! Das Meer tobt!"

Haruka und Setsuna sahen sich verdutzt und ratlos an.

Dann plötzlich, ein blauer Lichtstrahl, der von Michiru's Stirn in Meeresrichtung schoss.

Er durchtrennte eine Holzlatte des Geländers, sowie einen Felsen auf seinem weg ins Blaue.

An der Schulter getroffen, sank Haruka zu Boden, aber sie wollte nicht aufgeben, ja sie konnte, - nein, sie durfte nicht aufgeben. Sie durfte noch nicht einmal daran denken, sie musste Michiru um jeden Preis beschützen.

Also bemühte sie sich wieder möglichst schnell und möglichst unverletzt wirkend (so unverletzt, wie man mit einer verletzten Schulter eben wirken kann!) auf die Beine zu kommen.

Dann bemerkte sie aus den Augenwinkeln heraus, die kurz vor dem Angriff stehende Setsuna.

„Ich kann mich zwar nicht mehr verwandeln, aber ich habe immer noch genug kraft dem ganzen ein ende zu machen", ächzte sie unter großer Anstrengung.

Immer noch bildete der Lichtstrahl ein zusammenhängendes band zwischen Michiru und dem nun wieder tosenden Meer, als plötzlich eine kleine Gestalt graziös über das Geländer auf die Veranda sprang, sodass sie geschickt vor Michiru stand.

Die durch ein nachtblaues Cape verhüllte zierliche Gestalt ging der in Trance verfallenen jungen Frau gerade mal bis zur Hüfte, doch auch sie wurde von einer magischen Aura umgeben.

Sie öffnete ihre saphir-blauen Augen, welche sie bis dato geschlossen gehalten hatte, deutete mit ihrem rechten kleinen Zeigefinger auf Michiru's leuchtende Stirn und wie ein Magnet hatte sie den Lichtstrahl auf sich gelenkt.

Doch seltsamerweise schien dessen zerstörerische Kraft ihr nichts anhaben zu können; Im Gegenteil: Er verstärkte sogar die Aura des kleinen Geschöpfes gewaltig.

Nun begann sich ihr Mund mechanisch zu bewegen, jedoch brachte sie keinen Ton heraus. Kein einziges Wort drang an die Ohren der drei umstehenden. Nach einer Weile des scheinbar ‚stummen' Verharrens, beendete das Geschöpf ihr bisher stummes ‚gebet', wenn es denn überhaupt eines war.

Dann jedoch, schloss sie die Augen, formte mit ihren dünnen, jetzt zum vorscheingekommenen, zerbrechlich aussehenden Ärmchen windmühlenartig einen Kreis und führte sie schließlich waagerecht zur Mitte zurück, sodass sie auf Brusthöhe zwei Parallelen bildeten.

Abrupt riss sie ihre Augen auf.

„Ichi, ni, san, - kiedo!", schrie sie und ein gleißendes Licht erhellte die Bucht. Setsuna und Haruka, welche unverständlich das Geschehen verfolgten, wurden von einer starken Energiewelle zu Boden geworfen.

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