Fullmoons-Rose: Danke für dein Review! -freufreufreu-


Kapitel 2: Aus fürstlichem Hause

Eine Gruppe Räuber hatte sich mitten auf der Straße ausgebreitet und dort ihr Nachtlager aufgeschlagen. Sie hatten von der Zerstörung eines Schlosses durch einen Youkai gehört und hofften, in den Ruinen noch einige Kostbarkeiten zu finden. Doch jetzt was erstmal Schlafenszeit. Der Anführer stellte für alle Fälle Wachen auf und befahl, ihm "seine hübsche, junge Beute" zu bringen. Einige Banditen grinsten und gingen, um die "Beute" zu holen, die anderen begannen mit dem Aufbau eines Zeltes für ihren Anführer. Als dieser sich darin häuslich eingerichtet hatte, kamen zwei von seiner Bande und schleiften ein wunderschönes Mädchen mit sich. Sie musste ungefähr siebzehn sein, hatte prächtige, hüftlange Haare und unter ihrer etwas zerrissenen Kleidung verbarg sich ein wohlgeformter Körper. Ihre Wächter schmissen sie ihrem Chef vor sie Füße und verließen das Zelt.

Die junge Frau rappelte sich auf und sah den Anführer hasserfüllt an. "Was wollt Ihr von mir?"

"Kleine... Weißt du das denn nicht?", sagte dieser mit einem verschlagenen Grinsen. "Ich hoffe, du bist noch Jungfrau?"

Ihr Magen verkrampfte sich und ihre Augen huschten zum Zelteingang.

"Na, na, Süße! Du willst doch nicht etwa weglaufen?", lachte der Anführer, packte seine Gefangene und riss ihr die Kleidung vom Leib. Sie schrie auf und versuchte sich zu wehren, doch er war stärker als sie. Nach einem kurzen und verzweifelten Kampf konnte sie sich von ihm losreißen und verkroch sich in einer Ecke. Sie war nun splitternackt und fühlte sich so verletzlich und ungeschützt. Sie versuchte ihren entblößten Körper zu verbergen, doch der Anführer riss sie zu sich und küsste sie, was er aber durch einen Biss ins Gesicht büßen musste. "Du kleine...", zischte er und legte ein Messer an ihre Kehle. "Halt doch endlich still!"

Der Kampf der beiden wurde jäh unterbrochen, als jemand eintrat. "Ich wollte dich eigentlich nicht stören, Herr, aber... Was ist mit deinem Gesicht passiert?"

"Dieses Weibstück hat mich gebissen", knurrte der Anführer und rieb sich die blutende Bissspur. "Aber jetzt sag' schon, was los ist."

"Ähm... Du solltest es dir lieber selbst ansehen."

"Ich komme ja schon", brummte der Anführer und wandte sich an seine "Beute": "Mit dir befasse ich mich später. Versuch' ja nicht zu fliehen. Es ist für dich unmöglich."

Mit diesen Worten folgte er dem anderen Banditen hinaus und auf einen Hügel, von dem aus man die ganze Straße sehen konnte.

"Dort", sagte der Räuber und deutete in Richtung Schloss. Von dort kam eine weiße Gestalt die Straße entlang.

"Sieht aus wie ein Mensch mit weißen Haaren", meinte der Anführer. "Und er ist vornehm gekleidet. Er oder seine Familie ist bestimmt sehr reich. Er ist sicherlich mehr wert als dieses Weib, dem ich das hier zu verdanken habe." Er deutete auf seine Bisswunde.

"Wir werden diesen Kerl also überfallen?"

"Ja."

Es dauerte nicht lange, da hatte die Bande den Fremden umzingelt und der Anführer forderte Geld von ihm. Das "Opfer" zeigte sich unbeeindruckt und ließ aus seinen Fingerspitzen einen Energiestrahl kommen, den er wie eine Peitsche benutzte. Die Energiepeitsche blitze ein paar mal auf und schon befand sich Sesshoumaru mitten in einem Krater von Leichen. Er ging einfach weiter und erreichte schon bald das Lager. Die dort zurückgebliebenen Banditen hatten alles mitangesehen und wollten die Flucht ergleifen, doch sie mussten alle dasselbe Schicksal erleiden.

"Wie lästig die Menschen doch sind", sagte der Youkai gelangweilt, als er die Zerstörung, die er angerichtet hatte, betrachtete. Plötzlich fiel ihm auf, dass sich in der Nähe noch etwas bewegte. Er wand leicht den Kopf und sah, wie dieses Etwas keuchend unter den Fetzen eines Zeltes zappelte. Neugierig ging er hin und zog das Stück Stoff beiseite. Und siehe! Vor ihm lag ein bezaubernd schönes und nacktes Mädchen, das dazu noch einen angenehmen Geruch hatte. Obwohl er Menschen für niedere Wesen hielt, verspürte er nicht den Wunsch, die Schöne vor ihm zu töten. Er sah sie nur an und sie blickte furchterfüllt zurück.

Nach einem langen Schweigen und gegenseitigem Anstarren hatte Sesshoumaru den Entschluss gefasst, sie mitzunehmen. Es war offensichtlich, dass sie hier eine Gefangene gewesen war und ihm nun für die Rettung etwas schuldig war. Und etwas in der Nähe zu haben, das so gut roch wie sie war sicher ganz angenehm. Er machte einen Schritt auf sie zu, doch sie stieß einen spitzen Schrei aus und kroch von ihm weg. Sie starrte ihn grauenerfüllt an und glaubte offenbar, er wolle ihr etwas Schlimmes antun. Doch das scherte ihn nicht. Er holte sie ein und packte sie an der Schulter. Sie versuchte sich verzweifelt loszureißen, obwohl sie gegen seinen festen Griff nichts ausrichten konnte, und fiel zu seiner Verwunderung jäh in Ohnmacht.

"Menschen sind ja so schwach und ängstlich... Aber wenigstens zappelt sie nicht mehr", sagte er und hob sie auf.

-

Sesshoumaru legte seine Last auf einer Wiese in einem Wäldchen ab und setzte sich nicht weit hin und musterte sie noch einmal scharf von Kopf bis Fuß. Er bewunderte ihre Schönheit, denn er hatte noch nie so schöne Youkai oder Menschen zu Gesicht bekommen. Wo kam sie wohl her? Wer war sie? Wie hieß sie? Tausende von Fragen, die möglichst schnell beantwortet werden wollten, schwirrten in einem Kopf herum. Dass sie nackt war, störte ihn nicht im Geringsten. Schließlich offenbarte sie ihm so ihre ganze Schönheit. 'Aber sie sollte trotzdem noch etwas zum Anziehen bekommen, denn sie wird sicherlich frieren', dachte er. 'Und etwas zu essen. Sie sieht ja aus, als hätte sie schon seit mehreren Tagen hintereinander nichts zwischen die Zähne gekriegt. Und überhaupt wirkt sie sehr mitgenommen. Was zum Oyakata ist mit ihr denn passiert?' Plötzlich hielt er mit seinen Gedanken inne. Er wollte doch nocht etwa einen Menschen bemuttern? Für einige Augenblicke hatte er doch tatsächlich vergessen, dass sie ein Mensch war! Aber es musste ja eine Möglichkeit geben, sich das Vergnügen ihrer Gesellschaft zu gönnen. Es gäbe da die Ausrede, dass sie seine Beute war (was ja irgendwie stimmte) und was er mit ihr vorhatte, ging keine neugierigen Youkai, die danach fragen würden, sondern nur ihn allein etwas an. "Es geht dich nichts an." - Das ist die perfekte Ausrede für alle Gelegenheiten.

Er stand auf, denn er wollte sich auf den Weg machen, um für sie Kleidung zu beschaffen, und hoffte insgeheim, dass ihr während seiner Abwesenheit nichts passierte. Er würde nicht lange wegbleiben. Das nächste Dorf war nicht weit weg. Also sprintete er los.

Schon nach wenigen Minuten erreichte er ein Dorf und ermittelelte schnell ein Haus, in dem ein wohlhabender Bewohner hausen musste. Er wusste nicht wieso, doch er wollte nicht, dass das Mädchen in abgetragener Bauernkleidung herumlief. Und in einem reicheren Hause würde er am ehesten einen hübschen Yukata für sie finden. Ohne um eine Erlaubnis zu fragen, trat er ein und fand schnell ein Zimmer, in dem ein älteres Ehepaar schlief. Er ging zu den beiden Menschen und trat sie mit dem Fuß, damit sie aufwachten. Die beiden schlugen die Augen auf und - "AAAAAAAAAAAAH!" - begannen aus Leibeskräften zu schreien, sodass Sesshoumaru sich ersteinmal die Hände an die Ohren pressen musste, damit er nicht taub wurde. Das Paar sprang auf und wollte fliehen, doch beide wurden von dem Youkai am Genick gepackt und er sagte barsch:

"Ich brauche einen Yukata. Und zwar sofort."

Der Mann und die Frau starrten ihn völlig perplex an und plötzlich prusteten sie los. Sesshoumaru kam diese Situation extrem peinlich vor. Ein so mächtiger Youkai wie er wurde ausgelacht! Am liebsten hätte er jetzt den beiden Menschen das Genick gebrochen, doch dann hätte es wie ein Raubüberfall ausgesehen, unwürdig für einen so hochrangigen Youkai wie ihn. Deshalb drückte er nur etwas stärker zu, um die beiden zum Schweigen zu bringen.

"Ähm... Folgt mir", sagte die Frau halb ägstlich, halb belustigt. Sie führte ihren unmenschlichen Gast in ein anderes Zimmer und kramte einen hübschen, dunkelroten Yukata hervor. "Der hier war eigentlich für meine junge Tochter", erklärte sie. "Aber er wurde noch nicht getragen und -"

Sesshoumaru riss ihr den ordentlich zusammengefalteten Yukata aus den Händen und schritt, ohne sich zu bedanken, davon. Er wollte nur schnell weg von hier, denn er konnte die Röte in seinem Gesicht kaum noch unterdrücken. Sobald er das Dorf so schnell wie möglich hinter sich gelassen hatte, lehnte er sich gegen einen Baum und atmete tief durch. Hoffentlich würde dieses Ereignis sich nicht in zu großen Maßstäben verbreiten, sonst war sein Ruf als gnadenloser Auslöscher des Lebens eine erbärmliche Ruine. Und das würde er nicht ertragen können.

Sobald er sich etwas beruhigt hatte, setzte er sich wieder in Bewegung. Es dämmerte bereits und die Wolken schienen wegen den feurigen Strahlen der Sonne in Flammen zu stehen. Die Luft war erfüllt von Frische und Gezwitscher von unzähligen Vögeln, die die aufgehende Sonne mit ihren schrillen Stimmen begrüßten. Glitzernder Tau tropfte von den Blättern der Bäume. Sesshoumaru hielt inne und schloss genüsslich die Augen und dies war einer der wenigen Momente in seinem Leben, in denen er wirklich lächelte. Es war ein gutes Lächeln, das von seinem reinen Herzen kam, das er so sehr zu verbergen versuchte. Hätte ein Bekannter von ihm ihn jetzt so gesehen, hätte er den Hundeyoukai nicht wiedererkannt. Der Sesshoumaru, den alle kannten, ignorierte alles um ihn herum. Doch dieser stand da und genoss den Sonnenaufgang und der Gletscher, zu dem Sesshoumaru im Laufe seines Lebens geworden war, schmolz ein bisschen.

Dann riss er sich von seinen harmonischen Träumen los und schien wieder zu gefrieren. Er sah das Bündel in seiner linken Hand und setzte seinen Weg zu der Wiese, auf der er das Mädchen zurückgelassen hatte, fort. Als er dort ankam, stellte er fest, dass sie schon wach war und sich unsicher umsah. Sie erblickte ihn und wich erschrocken zurück. Vergeblich hatte sie gehofft, die Banditen und der Youkai seien nur ein Albtraum gewesen. Da stand dieser Youkai nun vor ihr und sie hatte nichts an... Zitternd stand sie da und wagte es nicht mehr, sich zu rühren. Sesshoumaru ging auf sie zu und griff sie vorsichtshalber am Handgelenk, damit sie nicht weglaufen konnte. Sie riss entsetzt ihre Augen weit auf. Wollte dieser Youkai tatsächlich etwas von ihr? Sie würde sich nicht kampflos ergeben! Und so versuchte sie sich verzweifelt zu befreien, doch alles, was sie dadurch erzielte, war, dass er seinen Griff noch fester machte, sodass es wehtat. 'Menschen wissen einfach nie, was gut für sie ist', dachte Sesshoumaru bei sich und drückte der jungen Frau den Yukata in ihre freie Hand und ließ sie los. Sie musterte das Bündel und konnte ein leises "Oh!" nicht unterdrücken. Ohne zu zögern zog sie sich an. Noch länger nackt zu sein, und dazu noch in Anwesenheit eines männlichen Wesens, hätte sie nicht ausgehalten.

"Wie heißt du?", fragte er, als sie fertig war.

Sie starrte ihn nur aus ihren großen, mysteriösen, dunklen Augen an. Er hatte ihr etwas zum Anziehen gebracht, ja, aber sie wusste nicht, das er mit ihr vorhatte. Er war ein Youkai und sie hatte seine fürchterliche Grausamkeit bereits kennengelernt.

Nach einem wartenden Schweigen wurde es Sesshoumaru klar, dass sie ihm auf diese Frage nicht antworten würde, also fragte er etwas Anderes: "Deine Haut ist zart, also nehme ich an, dass du normalerweise nicht arbeitest. Stammst du aus einem fürstlichen Hause?"

Sie antwortete wieder nicht. Sie wusste, wie hinterhältig Youkai waren, und sie hatte auch schon Erfahrung damit gemacht, dass man sich vom guten Aussehen einiger von ihnen nicht täuschen lassen durfte. Sie waren böse, tückisch und gnadenlos. Und sie töteten ohne Grund. Wieso der Youkai, dessen Namen sie nicht kannte, sie am Leben gelassen hatte, war ihr ein Rätsel. Und plötzlich kam ihr ein fürchterlicher Gedanke in den Sinn: Entweder wollte er sie wie eine Gespielin missbrauchen, wie der Anführer es getan hatte, oder sie war ein lebendirger Essensvorrat. Ängstlich und angeekelt wandte sie sich ab.

Ein jähes Knurren in ihrem Magen erinnerte sie daran, dass sie schon seit Tagen nichts mehr gegessen hatte. Ihr Mund war völlig ausgetrocknet und sie bekam Bauchweh vor Hunger. Sesshoumarus scharfen Ohnen war dieses Geräusch nicht entgangen und er wusste auch zufällig, was es zu bedeuten hatte: Das Menschenwesen brauchte Futter.

"Du darfst dir im Wald etwas suchen", sagte er.

Sie nickte leicht und fand nicht weit von der Wiese einen Beerenstrauch. Doch anstatt sich zu bedienen, sah sie die roten Beeren daran zweifelnd an. Sie wusste, dass es auch giftige Beeren gab, aber sie hatte keine Ahnung davon, wie man giftige von essbaren unterschied. Auf einmal spürte sie, dass jemand neben sie trat. Sesshoumaru war es aufgefallen, dass sie offenbar Probleme hatte, und betrachtete den Busch. Er wusste auch nicht, ob diese Beeren für Menschen schädlich waren. Er brauchte sowas ja nicht und konnte von giftigen Beeren auch keinen Schaden nehmen, da er ein Youkai war. Und wie es sich in den nächsten fünf Minuten herausstellte, hatte das Mädchen keinen blassen Schimmer vom Überleben in der Wildnis. Sie wusste nicht, wo sie ihr Essen herbekommen sollte, und ihr Magen knurrte immer drängender. Schließlich überwand sich Sesshoumaru dazu, logisch zu überlegen, da er seine neue duftende Begleitung nicht verhungern lassen wollte. Menschen aßen nicht nur Pfanzen, sondern auch Fleisch. Und da die Hungrige allem Anschein nach auch nichts vom Jagen verstand, musste er wohl für sie etwas Essbares beschaffen.

Dieser Gedanke schnitt eine sehr tiefe Wunde in seinen Stolz. Er seufzte fast lautlos und ging auf die Suche. In der Nähe befand sich ein Fluss, in dem Sesshoumaru Fische entdeckte. Mit einer einzigen raschen Bewegung hatte er zwei Fische mit bloßen Händen aus dem Wasser gezogen und ging zurück.

Das Mädchen sah ihn überrascht an, als er ihr die Fische reichte, und nahm ihr Essen etwas zögernd entgegen. Nun stand sie vor dem nächsten Problem: Wie bereitete man Fische zu? Sie war es ganz und gar nicht gewohnt, sie roh zu essen. Nun, zumindest wusste sie, dass man dazu ein Feuer brauchte. Aber sie wusste nicht, wie man es entfachte. Dennoch begann sie Holz zu sammeln und türmte es dann mitten auf der Wiese auf. Dann begann sie damit, ein Holzstäbchen daran zu reiben, wie sie es ein paar mal gesehen hatte, doch nichts geschah.

"Du stammst wirklich aus fürstlichem Hause", brummte Sesshoumaru und riss ihr das Stäbchen aus der Hand. Schon bald knisterte vor den beiden ein Feuerchen und die junge Frau war zur Erleichterung des Youkai auf die Idee gekommen, die Fische auf ein paar spitze Äste aufzuspießen und diese neben dem Feuer in die Erde zu stecken.

Im Endeffekt war das Essen zwar angebrannt, aber es füllte den Magen des Mädchens, das nun zufrieden am Feuer saß, jedoch immer noch dem Youkai unsichere Blicke zuwerfend. Sesshoumaru hatte sich unterdessen geschworen, dass er dieses Theater nicht mehr mitmachen würde. Ihm würde schon eine Möglichkeit einfallen, den Menschen durchzufüttern. Seinen Stolz aber wollte er nie mehr so stark verletzen.