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Kapitel 3: Stumme Reise zu zweit

Ganz ehrlich zugegeben war ihr Duft nicht der einzige Grund, wieso Sesshoumaru die hübsche Dame mitgenommen hatte. In den paar Tagen, wo er ganz allein gewesen war, hatte sich der junge Youkai ziemlich einsam gefühlt. Er war im Schloss seines Vaters, das einmal ihm gehören würde, aufgewachsen, umringt und zahlreichen Untertanen. Und wenn er unterwegs war, lief ihm immer jemand hinterher, um seine Befehle auszuführen. Er war nach Youkai-Maßen jetzt volljährig, ja, aber noch nicht ganz selbständig. Er brauchte Gesellschaft, sonst fühlte er sich einfach schlecht. Er wurde in Einsamkeit kaltblütiger, gelangweilter und grausamer. Sein Leben verschmolz in solchen Momenten zu einem endlosen Grau.

Das Mädchen hatte seit dem einen "Oh!" kein Wort mehr mit ihm gesprochen, weshalb er auch nach fünf Tagen gemeinsamen Marsches ihren Namen nicht kannte. Er selbst dachte auch nicht daran, sich vorzustellen. Er war hierarchisch über ihr - zumindest aus seiner Sicht -, deshalb war sie es, die zuerst ihren Namen nennen sollte. Doch stattdessen bekam er von ihr nur ängstliche Blicke. Es wunderte ihn, dass sie sich immer noch so sehr vor ihm fürchtete, doch er bemühte sich, es sich nicht anmerken zu lassen. Am liebsten hätte er zu ihr etwas Beruhigendes gesagt, doch erstens verbot es ihm sein Stolz, zweitens ihm, einem herzlosen Youkai, würden die Worte dafür niemals einfallen.

Bis jetzt war ihm immer noch keine Möglichkeit eingefallen, sie durchzufüttern, ohne dabei seinen Stolz zu verlieren. Die ganze Zeit über hatte er für sie gejagt und sie hatte allmählig begonnen, sich mit der Zubereitung von Fleisch auszukennen. Doch sich so sehr um einen Menschen zu kümmern, verletzte ihn sehr tief. Deshalb beschloss er, sie in ein Dorf zu schicken, damit sie sich dort informieren konnte. Er selbst würde nicht hingehen. Eine Blamage reichte ihm schon. Er führte seine Begleiterin in die Nähe einer Siedlung und erklärte ihr, was sie tun sollte. Sie sah ihn mit ihren mysteriösen, dunklen Augen an und befolgte seinen Befehl. Dieser Gehorsam gefiel dem Youkai, obwohl er in sich auch den Wunsch bemerkte, dass sie mit ihm auf einer Stufe stehen sollte. Er unterdrückte diesen Gedanken, der aus seinem gefesselten Herz stammte. Das durfte er nicht zulassen: Er war ein Youkai und sie war ein Mensch.

Er sah ihr mit seinen scharfen Augen noch lange nach und fragte sich, ob sie bald zu ihm zurückkehren würde. Sie könnte auch im Dorf bleiben oder fliehen, doch in diesem Fall würde er sie einfach wieder einfangen. Das hätte er aber schon jetzt am liebsten getan, denn wieder überkam ihn das schreckliche Gefühl der Leere und Einsamkeit. Seine Gedanken wanderten zu seinem Vater, der jetzt irgendwo im Westen gegen Katzen kämpfte, und er fühlte sich nur noch elender. Warum musste er in den Süden gehen und konnte nicht einfach im Schloss seines Vaters auf den Ausgang des Krieges warten? - Er hatte eigentlich einfach nur Lust einen eine Spazierreise gehabt, doch jetzt fehlten ihm die bekannten Gesichter einfach. Es war hier niemand da, der ihn ehrfürchtig mit "Sesshoumaru-sama" ansprach; er konnte nicht wie immer in einem Meer von Untertanen baden; es gab hier niemanden, auf dem er zum Spaß herumtrampeln konnte.

Zum Glück dauerte es nicht lange, bis die junge Frau zurückkam. Sie stellte sich einfach schweigend vor ihn und wartete auf weitere Anweisungen. Doch etwas stimmte nicht. Es schien alles in Ordnung zu sein, dennoch witterte er Gefahr. Er bohrte seinen Blick in ihre Augen und erkannte nicht nur Angst, sondern auch eiskalten Hass. - Aber wieso? Sie musste ihm doch eigentlich dankbar sein, weil er sie vor den Banditen, die mit ihr nicht gerade gut umgegangen waren, gerettet hatte. 'Irgendwann werde ich das schon erfahren', dachte er und bedeutete ihr mit einer kurzen Handbewegung, ihm zu folgen.

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Langsam wurde es dunkel und das Mädchen wurde müde. Deshalb suchte er einen geeigneten Platz, damit sie sich ausruhen und schlafen konnte. Er selbst setzte sich ganz in der Nähe hin und lehnte seinen Rücken gegen einen Baum. Seine Begleiterin schien schon bald im Reich der Träume zu schweben. Er beobachtete sie eine Weile, richtete seinen Blick dann auf einen großen Stein vor ihm und starrte ihn gedankenlos an. Sein Blick wurde glasig und man hätte den Eindruck bekommen können, er sei mit offenen Augen in einen Traum gesunken.

Doch dies war nicht der Fall. Er war stets wach geblieben und zuckte auch nicht überrascht zusammen, als plötzlich etwas Kaltes und Scharfes seinen Hals berührte.

"Willst du mich töten?", fragte er, ohne den Blick vom Stein abzuwenden.

Auch das Mädchen regte sich nicht. Sie hatte in dem Dorf extra nach einem Messer gefragt, um diesen Youkai töten zu können. Doch jetzt, wo es soweit war, konnte sie es nicht. Einerseits wünschte sie sich in diesem Moment nichts sehnlicher als seinen Tod, doch andererseits konnte sie einfach keinem lebenden Wesen das Leben rauben. Aber sie durfte ihn einfach nicht am Leben lassen! Es war ihre Pflicht, sich für jenes Ereignis zu rächen. Sie war die einzige, die dies noch tun konnte. Das wusste sie und sie hasste ihn auch. Vor Wut auf ihn und auch auf sich selbst, weil sie es nicht tun konnte, traten ihr Tränen in die Augen. Doch ihre Hand mit dem Messer bewegte sich immer noch nicht. Schließlich wandte sie sich ab, warf das Messer weg und sank schluchzend wieder auf ihr Lager.

Endlich riss Sesshoumaru seinen Blick vom Stein los und schaute sie an. Jetzt konnte er wirklich nichts mehr an ihr verstehen. Warum um alles in der Welt wollte sie ihn töten? Und warum hatte sie es nicht getan? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, was am Töten so schwierig war. Natürlich hätte sie es bei ihm nicht geschafft, doch sie hatte es auch nicht wirklich versucht.

"Ihr Menschen seid so schwach", sagte er und die junge Frau sah zu ihm hinüber. "Ihr beklagt euch bei Kleinigkeiten, habt Angst vor allem und jedem und traut euch nicht das zu tun, was ihr wollt. Du hättest mich töten können. Wolltest du es nicht oder warst du nur zu schwach dazu?"

Sie wischte sich die Tränen ab und nach einem feindseligen Blick in seine Richtung drehte sie sich auf die andere Seite und versuchte einzuschlafen. Doch sie schluchzte nur weiter. Irgendwann nickte sie doch noch ein und die letzten Tränen rannen über ihr Gesicht wie glitzernde Tautropfen an einem traurigen Morgen. Als sie wieder aufwachte, sah sie den Youkai vor sich aufragen, wartend, bis sie endlich aufstand und sie den Weg fortsetzen konnten. Sie aß einige Kleinigkeiten, die sie in ihrem Yukata verstaut hatte, zum Frühstück und folgte ihm, sich fragend, was ihr nächtlicher Mordversuch für Folgen haben würde. Zu ihrer Verwunderung tat Sesshoumaru ihr nichts. - Warum? Doch sie würde es ihn nicht fragen, sondern weiterhin schweigen. Er war schließlich ein grausamer Mörder und mit so einem brutalen Wesen wollte sie nichts zu tun haben.

Sesshoumaru kam nicht einmal der Gedanke, sie zu töten. Wozu denn auch? Sie hatte sich nicht getraut und sollte er sie etwa dafür bestrafen? Er würde sich dann nur wieder ganz einsam fühlen. Und das wollte er nicht. Außerdem gab es um sie herum viele Geheimnisse, sie er noch lüften wollte.

Plötzlich hielt er an. Die beiden hatten eine heiße Quelle erreicht und das Mädchen warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Wasser. Der Youkai wusste auch warum: An ihr haftete ein inzwischen starker Geruch von Staub und Schweiß. Vielleicht würde auch er selbst ein Bad nehmen.

Seine Begleiterin bekam den Vortritt, da sie es nötiger hatte. Sie schaute ihn etwas misstrauisch an. Ein wenig mürrisch drehte sich Sesshoumaru um, als Zeichen dafür, dass er nicht gucken würde, und fragte sich, was sie vor ihm eigentlich noch zu verbergen hatte. Er hatte sie bereits in all ihrer Pracht gesehen und erinnerte sich noch ganz gut daran, wie sie unter ihrem Yukata aussah. Da fiel ihm ein, dass sie sicherlich auch ihre Kleidung waschen wollen würde. Also brauchte sie etwas Neues zum Anziehen. Und eine warme Decke. Ihm war es nämlich nicht entgangen, dass sie nachts fröstelte. Leise schlich er davon, aber nicht bevor er sich sicher war, dass kein anderer Youkai in der Nähe war.

Die Methode der Beschaffung eines neuen Yukata und einer Decke war dieselbe, wie schon beim ersten Yukata. Als er so schnell wie er nur konnte das Dorf, wo er den Bauern einen Besuch abgestattet hatte, verließ, flehte er zum Himmel, dass seine peinlichen Raubzüge nicht an die Öffentlichkeit dringen würden.

Als er die heiße Quelle erreichte, war das Mädchen noch drin und tauchte schnell bis zum Kopf unter Wasser, sobald sie ihn sah. Sesshoumaru hatte aber rücksichtsvoll zur Seite gesehen, ließ den frischen Yukata und die Decke am Ufer fallen und verschwand hinter den Bäumen.

Es dauerte nicht mehr so lange, bis sie sich zu ihm gesellte. Sie trug den neuen Yukata, den anderen hängte sie zum Trocknen auf. Dann entfachte sie ein Feuer, was sie in dem Dorf, das sie besucht hatte, gelernt hatte, setzte sich in der Nähe hin und kuschelte sich die Decke. Als der Youkai sie so sah, wurde ihm plötzlich ganz warm ums Herz und es kam ihm fast vor, als wäre er die Decke, die die Schöne wärmte. Bevor ihm noch mehr solche Gedanken in den Sinn kommen konnten, beschloss er schnell in die Quelle zu verschwinden.

Er legte seine Rüstung am Ufer hin, streifte seine Kleidung ab und stieg ins warme Wasser. Wie lange war es überhaupt her, dass er sich ein entspannendes Bad gegönnt hatte? Er wusste es nicht. Genüsslich lehnte er sich gegen einen Felsen, der aus dem Wasser ragte und schwelgte in diesem friedvollen Moment, wo sich sein ganzer Körper entspannte.

Gerade, als er am Höhepunkt seiner Entspannungsprozedur angelangt war, spürte er eine Fremde Youkai-Aura und vernahm einen Schrei. Im nächsten Moment kam seine Begleiterin ans Ufer gerannt, mit einem riesigen und äußerst hässlichen Youkai auf den Fersen. Überrascht hielt der Fremde inne, als er Sesshoumaru im Wasser sah. Der Hundeyoukai zögerte nicht lange und im nächsten Augenblick flog er schon mit erhobener Klaue, aus der ein grünliches Gas strömte, auf den Angreifer zu und nachdem er ihm einige Wunden mit seiner Dokkaso geschmolzen hatte, zerschnitt er ihn mit der Energiepeitsche mitten durch und beobachtete, wie sein durchtrennter Körper blutend zu Boden fiel.

Ein wenig besorgt sah sich Sesshoumaru nach dem Mädchen um und erstarrte, als er ihrem Blick begegnete. Eine ganze, für den Youkai qualvolle, Sekunge lang stierte sie ihn mit großen und schmachtenden Augen an. Diesen Blick kannte Sesshoumaru nur allzu gut. Es hatte bis jetzt kaum eine weibliche Youkai gegeben, die ihn nicht so angestarrt und mit ihrem Blick ausgezogen hatte. Und diesmal hatte er tatsächlich nichts an und sein gut gebauter, muskulöser Körper war einer Menschfrau geradezu hilflos ausgeliefert, da der Youkai ja nicht den Wunsch verspürte, sie zu töten. Zu seiner Erleichterung wandte sie im nächsten Augenblick mit knallrotem Gesicht ihre Augen ab und schritt zurück zu ihrer kleinen Lagerstelle.

Sesshoumaru sprang zurück ins Wasser und fuhr sich nervös mit der Hand übers Gesicht. Er stellte fest, dass es glühend heiß und verschwitzt war. Womit um alles in der Welt hatte er das denn verdient? Immer noch rot angelaufen begann er, das Blut des toten Youkai von seinem Körper zu waschen. Immer wieder tauchten vor seinem geistigen Auge Gesichter von jungen Youkai-Damen auf, die ihm sehnsüchtige Blicke zuwarfen und er verspürte das brennende Verlangen danach, sich in einen dicken Pelz zu hüllen und ihn nie wieder auszuziehen.

Das Mädchen pflanzte sich wieder auf ihren Platz neben dem Feuer und unterdrückte mit nur viel Mühe einen plötzlichen Kicheranfall. Das hier eben war wohl die peinlichste Situation gewesen, die sie je miterlebt hatte. Sie hatte schon lange geahnt, was unter der schwarzen Rüstung des Youkai steckte, doch sein gutaussehender Athletenkörper hatte sie trotzdem buchstäblich umgehauen. Ein neuer Anflug von Röte breitete sich über ihr Gesicht aus und sie hüllte sich mit dem Kopf in ihre Decke. Als Sesshoumaru wieder zurück kam, vermied sie es, ihn anzusehen.

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Keiner der beiden konnte bis zum Abend die Röte aus seinem Gesicht verbannen und sie hielten eine enorme Distanz von einander. Als die Sonne im Westen verschwand und ihre letzten Strahlen auf sie warf, machten sie Halt und das Mädchen zündete ein Feuer an. Sie fand im Wald etwas zu essen und nach einem stillen Abendbrot kroch sie mit dem Kopf unter ihre Decke. Nach einer Weile vergewisserte sich Sesshoumaru, dass sie fest schlief, und beschloss, selbst auf diese menschliche Tätigkeit zurückzugreifen. Aus Erfahrung wusste er, dass es dabei hilfreich sein könnte, den vorherigen Tag besser vergessen zu können. Er schloss seine goldenen Augen und schlief so im Sitzen ein.

Das Gesicht der jungen Frau schaute unter der Decke hervor und sie stellte verwundert fest, dass der Youkai eingenickt war. Sie hatte schon bemerkt, dass es untypisch für ihn war, doch sie konnte sich den Grund für diese Sinnesänderung denken. Sie unterdrückte ein Glucksen beim Gedanken an seinen verführerischen Körper und lief schon wieder rot an. Dass er eigentlich ihr Feind war, schien sie jetzt vergessen zu haben. Sie starrte in sein Gesicht, das im rötlichen Feuerschein nur noch schöner aussah. Und da kam ihr eine Idee: Sie konnte diesen Augenblick, in dem er so friedlich schlief, doch ausnutzen! Eine Flucht war zwecklos, das war ihr klar, doch sie hatte etwas Anderes vor.

Leise, wie ein nächtlicher Schatten, stahl sie sich zu ihm hinüber, hockte sich neben ihn hin und musterte aufmerksam sein Gesicht. Jetzt sah er ganz und gar nicht so brutal aus, wie er eigentlich war, und sie fürchtete sich nicht. Tatsächlich war es das erste Mal, dass sie ihm freiwillig so nahe war. Neugierig fragte sie sich, wie ein so vielseitiger Youkai sich wohl anfühlte. Zaghaft streckte sie ihre Hand aus und strich ihm vorsichtig und zart über den oberen magentafarbenen Streifen auf seiner linken Wange. Seine Haut fühlte sich ganz angenehm an und ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Ein angenehmes Kribbeln verbreitete sich in ihrem Magen und sie vermochte es nicht, ihren Blick von ihm abzuwenden. Ohne dass es ihr bewusst wurde, strich ihre Hand nun fast mütterlich einige weiße Strähnen aus seinem Gesicht.

Ein jähes Geräusch ließ sie hochschrecken. Sie schaute sich um und sah, dass es nichts weiter war als ein paar überreife Kirschen, die von einem starken Lufthauch von ihren Ästen geblasen wurden. Sie wusste nicht, wie der Youkai reagiert hätte, wenn er aufgewacht wäre. Deshalb zog sie sich vorsichtshalber leise zu ihrem Schlafplatz zurück. Doch einschlafen konnte sie nicht. Ihre Gedanken kreisten immer nur um Sesshoumaru. Eigentlich hatte er schon bei ihrer ersten Begegnung Eindruck auf sie gemacht, doch sie war damals zu verängstigt und voller Hass gewesen, um einen unerwarteten Stich in der Brust zu spüren.