Die nächsten Tage verbrachte Radames zusammen mit seinen Truppen damit, die Schiffe sicher nach Ägypten zu führen. Es war, wie immer, eine ruhige Fahrt, denn sie befanden sich mittlerweile wieder auf ägyptischen Boden, und im Gegenteil zu Nubien, winkten ihnen hier die Frauen vom Flussufer begeistert zu.
Radames verbrachte viel Zeit bei Mereb, erzählte ihm Geschichten oder versuchte ihn zu trösten. Mereb hatte Vertrauen zu Radames aufgebaut und lauschte gerne seinen spannenden Geschichten. Stolz trug er die Kette und das Armband, denn so etwas wertvolles hatte er noch nie besessen.
"Wenn Mama und Papa mich in Ägypten besuchen kommen, werden sie so neidisch sein!" hatte er gesagt, als er das erste Mal den Schmuck trug. Radames musste dabei gegen die Tränen kämpfen...
Bald kamen sie endlich im heimatlichen Hafen an. Wie immer wurden sie lautstark empfangen und als Radames sein Schiff verließ, kam sein Vater sofort auf ihn zu. Sie umarmten sich zur Begrüßung kurz.
"Na mein Sohn, hast du deine erste eigene Exkursion gut gemeistert?" fragte Zoser neugierig.
"Es ist wunderbar gelaufen! ... Du kannst stolz auf mich sein, Vater! ... Wir haben 4 Siedlungen erobert und die Schiffe sind voll mit Gold und Silber!"
"Wie ich sehe, warst du wirklich sehr erfolgreich, aber daran hab ich nie gezweifelt! Vor einigen Tagen hab ich noch zum Pharao gesagt, dass du einer der besten Soldaten bist, die Ägypten je hatte!"
"Vater, du machst mich verlegen!"
In diesem Moment wurden die Sklaven von den Schiffen getrieben. Unter ihnen war auch Mereb, der sich ängstlich an eine Frau klammerte, die schützend einen Arm um ihn gelegt hatte. Mereb wurde zuletzt bei den anderen Sklaven untergebracht, und so hatte er sich scheinbar eine Ersatzmutter ausgesucht. Die Soldaten machten ihre Späße mit dem Jungen, ärgerten ihn, schubsten ihn oder pieksten ihn mit ihren Speeren. Mereb jammerte, doch niemand schien das zu stören. Solange, bis Radames das mitbekam.
"Du entschuldigst mich kurz, Vater!"
Radames drehte sich um und ging zu den Soldaten, die Mereb gerade von einem zum anderen weiter schupsten. Zoser beobachtete dies von weiten.
"Halt!" sagte Radames und sofort hielten die Soldaten inne.
Mereb lief sofort zu Radames und versteckte sich ängstlich hinter ihn
"Ihr lasst den Jungen in Ruhe! Er steht unter meinem persönlichen Schutz!" sagte Radames mit harter, durchgreifender Stimme und die Soldaten nickten verlegen.
"Komm Mereb!"
Radames nahm seine Hand und ging dann mit ihm zu Zoser.
Zoser musterte den kleinen Nubier skeptisch.
"Wie ich sehe, hast du dich an den Handel mit der Königin gehalten!" sagte Zoser.
"Ja, Vater! ... ich habe es aus Liebe zu Amneris getan!"
"Ich bin stolz auf dich! ... Deiner Hochzeit mit Amneris steht also nichts mehr im Wege!"
"Sieht ganz so aus!"
"Nun ... dann solltest du der Königin gleich ihr Geschenk bringen, solange sie es noch erleben kann!"
"Wie meinst du das, Vater?"
"Nun, es geht ihr seit einigen Tagen nicht gut! ... Es ist eine Krankheit, die ganz plötzlich kam! ... Es wurde sogar gemunkelt, dass man sie vielleicht vergiftet hat, doch beweisen kann das niemand!"
"Vergiftet? Die Königin? Wer sollte dies tun?"
"Das weiß niemand!"
"Ich werde Mereb gleich zu ihr bringen!"
"Mereb?"
"Den Jungen!"
"Ah ... Ja, bring ihn gleich zu ihr, damit sie die Verlobung von dir und Amneris bekannt geben kann!"
Radames nickte. Irgendetwas gefiel ihm nicht. War es die Wahrheit, Mereb wirklich bei der Königin zu lassen, oder war es das Gefühl, das Zoser vielleicht seine Hände wegen der Krankheit der Königin im Spiel hatte. Er wusste es nicht.
"Komm Mereb!"
Radames ging Richtung Palast und Mereb folgte ihm. Der Junge schaute sich mit großen und neugierigen Augen um. Es gab soviel, was er sich anschauen wollte und Radames ließ es zu. Mereb musste sich hier schließlich zu Hause fühlen, und wer weiß, wie lange es dauerte, bis er sich hier wohl fühlte! ...
Radames brauchte ungefähr doppelt so lang als sonst für den Weg zum Palast. Lächelnd beobachtete er Mereb. Man hatte gar nicht den Anschein, dass dieser Junge ein Sklave war. Ausgelassen lief er neben Radames her, stellte ihm viele Fragen und wollte immer wieder neue Geschichten von ihm hören.
Doch bald war ihre Wanderung vorbei und die Beiden standen vor dem Palast.
"Oh ... Großartig! ... Der Palast ist größer, als der von unserem König!" staunte Mereb.
Radames seufzte.
"Dieser Palast wird dein neues Zuhause werden, Mereb!" sagte er dann.
"Mein Zuhause? ... Aber, ... ich will nach Nubien zurück!"
"Ja Mereb ... eines Tages wirst du nach Nubien zurückehren!"
"Und wann wird das sein?"
"Das wissen nur die Götter! ... Komm, wir werden erwartet!"
Mereb schaute Radames traurig an. Langsam schien ihm bewusst zu werden, dass das alles kein Ausflug mehr war. Ängstlich schmiegte er sich an Radames, als sie vor dem Gemach der Königin standen. Radames atmete tief durch und schlug letztendlich gegen die Tür. Dann öffnete er die großen Flügeltüren und trat ein.
Die Königin lag in ihrem Bett und zwei Zofen kümmerten sich um sie. Die Herrscherin wirkte schwach, ihr Gesicht war blass und eingefallen und nichts erinnerte an die stolze Frau, die Radames noch vor einigen Wochen das letzte Mal gesehen hatte.
"Herrin!" sagte Radames jetzt und die Königin schaute auf.
"Radames ... du ... bist zurück!" sagte sie mit schwacher Stimme.
"Ja, meine Königin!"
"Hast du meine Abmachung verfolgt?"
"Ja!"
Radames nahm Mereb an die Hand und ging mit ihm zum Bett der Königin.
"Das hier ist Mereb!" sagte er dann und schob den Jungen weiter vor ihr Bett.
Die Pharaonin nahm die Hand von Mereb und schaute ihn an. Mereb zitterte vor Angst und schaute immer wieder ängstlich zu Radames.
"Hallo Mereb! ... Ein hübscher Junge bist du!" sagte Neftheria und lächelte. "Du hast deine Aufgabe gut erledigt, Radames! Ich bin stolz auf dich!"
"Danke Herrin! Es war mit eine Ehre!" sagte Radames mit schwerem Herzen.
"Ich habe meinem Gatten bereits gesagt, das ich möchte, das du einst Amneris heiraten solltest und er war damit einverstanden! ... Von unserem Handel weiß er allerdings nichts! ... Amneris weiß auch bereist bescheid! ... Ich denke, es wäre gut, wenn du gleich zu ihr gehst! ... Sie wird sich freuen, dich zu sehen!"
"Ja, ich werde gleich zu ihr gehen!"
"Feiert etwas! ... Geh jetzt und lass mir den Jungen hier!"
Radames ließ Mereb nur ungern zurück. Er hockte sich zu ihm hinunter und sagte: "Du bleibst jetzt hier! ... Die Königin wird sich gut um dich kümmern!"
"Ich will aber bei dir bleiben, Radames!" sagte Mereb traurig.
"Das geht nicht! ... Dein Platz ist jetzt hier!"
Radames stand wieder auf und strich dem Jungen ein letztes Mal übers Haar.
"Geh nicht!" sagte Mereb traurig, doch Radames verbeugte sich kurz vor der Königin und lief aus dem Raum.
Draußen lehnte er sich an die Wand. Was hatte er nur getan. ... Er seufzte tief, denn an der Vergangenheit konnte er nichts ändern! ... Mit schweren Herzen ging er zum Gemach von Amneris, das im selben Gang lag. Er klopfte an und diesmal wurde die Tür sofort aufgerissen, sodass Radames erschrocken einige Schritte zurück ging. Vor ihm stand eine, noch recht junge Frau mit langen, für eine Ägypterin recht helles gelocktes Haar. Sie trug eine lange seidige Robe und strahlte Radames jetzt glücklich an.
"Radames! Endlich bist du zurück!"
Sie fiel ihm glücklich um den Hals.
"Wie mir scheint, hast du mich vermisst, Amneris!" sagte Radames und drückte die Prinzessin an sich.
"Ja das hab ich! ... hast du die gute Nachricht schon gehört? Oh man, ich bin so glücklich!"
"Die Nachricht, das wir bald Mann und Frau sein werden?"
"Ja! ... Als Mutter und Vater mir dies berichteten, war ich so sprachlos! Ich habe damit nie gerechnet, obwohl ich immer damit gehofft habe! ... ich bin so glücklich! Oh Radames!"
"Ja, das bin ich auch!"
"Und jetzt erzähl mir von deiner Reise! Hattet ihr gutes Wetter?"
"Amneris! Das Wetter ist in Nubien immer gut! Genau wie hier! ... Aber schau, ich hab dir etwas mitgebracht!"
Er griff in seine Hosentasche und holte eine goldene Kette heraus. Diese Kette legte er Amneris um.
"Oh, ist die schön! Du weißt immer was mir gefällt!"
"Eine schöne Kette für eine schöne Frau!"
"Oh danke!"
Amneris fiel Radames wieder um den Hals.
"Komm Prinzessin, wir gehen in den Palastgarten! Es ist ein wunderschöner Tag!"
Radames reichte ihr die Hand und diese fasste sie sofort und ging mit ihm nach draußen. Seinen traurigen Blick hatte sie nicht bemerkt. Sie stellte ihm hundert von Fragen und er beantwortete sie brav. Sie saßen mehr als 3 Stunden im Palastgarten und es wurde schon langsam dunkel.
"Seit wann geht es deiner Mutter so schlecht, Amneris?" fragte Radames irgendwann.
"Seit 4 Tagen! Es kam ganz plötzlich. Die Hofärzte versuchen alles was in ihren Kräften steckt und ich hoffe, das sie ihr helfen können!"
Amneris blickte Radames traurig an.
"Sie wird es schaffen, Amniers. Sie ist eine starke Frau!"
"Ich hoffe du hast Recht! Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf...!"
"Ja ... Hoffnung...!" Radames dachte an Mereb. Er machte sich Sorgen um den Jungen. Was würde aus ihm werden, wenn die Königin starb. Seine Zukunft war dadurch noch ungewisser, als sie eh schon war.
"Und jetzt erzähl mir alles was du erlebst hast!"
Radames holte Luft und begann wieder alles zu erzählen, doch das lenkte ihn von Mereb ab...